01. August 2017
Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts – Statut für Vollmachten
Mit Art. 5 dieses Gesetzes wird das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch geändert und das bisher nicht kodifizierte Statut der gewillkürten Stellvertretung gesetzlich geregelt.
Wie bereits bisher wird das auf die Vollmacht anwendbare Recht unabhängig davon bestimmt, welches Recht auf das Grundverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen und auf das jeweilige Hauptgeschäft zur Anwendung gelangt (selbständige Anknüpfung).
Nach Art. 8 Abs. 1 EGBGB n. F. ist in erster Linie das für das Vollmachtsstatut gewählte Recht maßgebend. Das Wahlrecht steht vor Ausübung der Vollmacht dem Vollmachtgeber zu, wobei der Bevollmächtigte und der Dritte positive Kenntnis von der Rechtswahl haben müssen. Nach Ausübung der Vollmacht kann das anwendbare Recht nur noch durch eine Vereinbarung aller drei Beteiligter geändert werden.
Wurde keine Rechtswahl getroffen, so sieht Art. 8 EGBGB n. F. in seinen Abs. 2 bis 4 spezielle Anknüpfungen vor
- für den Bevollmächtigten in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit: Sachvorschriften des Staates, in dem der Bevollmächtigte bei Ausübung der Vollmacht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, außer dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar,
- für den Bevollmächtigten als Arbeitnehmer des Vollmachtgebers: Sachvorschriften des Staates, in dem der Vollmachtgeber bei Ausübung der Vollmacht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, außer dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar, und
- für die Dauervollmacht: Sachvorschriften des Staates, in dem der Bevollmächtigte von der Vollmacht gewöhnlich Gebrauch macht, außer dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar.
Ergibt sich das anwendbare Recht nicht aus diesen Bestimmungen, was auch dann der Fall ist, wenn der jeweilige Anknüpfungsort für den Dritten nicht erkennbar ist, sind nach Art. 8 Abs. 5 S. 1 EGBGB n. F. die Sachvorschriften des Staates maßgebend, „in dem der Bevollmächtigte von seiner Vollmacht im Einzelfall Gebrauch macht (Gebrauchsort)“. Mussten allerdings der Dritte und der Bevollmächtigte wissen, dass von der Vollmacht nur in einem bestimmten Land Gebrauch gemacht werden sollte, und weicht der Bevollmächtigte hiervon ab, kommt das Recht des intendierten Wirkungsortes zur Anwendung (Art. 8 Abs. 5 S. 2 EGBGB n. F.: Schutz des Vollmachtgebers bei kollusivem Zusammenwirken des Bevollmächtigten mit dem Dritten, vgl. von Hein, IPRax 2015, 578, 580). Ist der Gebrauchsort für den Dritten nicht erkennbar (etwa bei Abgabe der Erklärung durch den Bevollmächtigten per Email), kommt nach Art. 8 Abs. 5 S. 3 EGBGB n. F. das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht seinen gewöhnlich Aufenthalt hat.
Eine Sonderregel gilt gem. Art. 8 Abs. 6 EGBGB n. F. für Verfügungen über Grundstücke und Rechte an Grundstücken: diese werden über den Verweis auf Art. 43 Abs. 1, Art. 46 EGBGB wie bisher der lex rei sitae unterworfen.
Bei sämtlichen Verweisungen des Art. 8 EGBGB n. F. handelt es sich um Sachnormverweisungen. Für den Fall, dass sich das anwendbare Recht aus einer Rechtswahl ergibt, folgt dies aus Art. 4 Abs. 2 EGBGB, im Übrigen aus dem Wortlaut der Bestimmung („Sachvorschriften des Staates“).
Die Form der Bevollmächtigung und die Reichweite des Vollmachtsstatuts sind in Art. 8 EGBGB n. F. nicht geregelt. Wie bereits bisher ist daher für die Form Art. 11 Abs. 1 EGBGB einschlägig (Recht am Ort der Vollmachtserteilung oder Vollmachtsstatut). Das Vollmachtsstatut erfasst – mangels einer abweichenden gesetzlichen Bestimmung – weiterhin die Erteilung, das Bestehen, den Inhalt, die Auslegung, die Dauer und das Erlöschen der Vollmacht (Palandt/Thorn, BGB, 76. Aufl. 2017, Anh. zu Art. 10 EGBGB Rn. 3 zur alten Rechtslage).
Das auf die Vorsorgevollmacht anwendbare Recht wird nach wie vor durch Art. 15 des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens (ESÜ) geregelt (vgl. auch Art. 3 Nr. 2 EGBGB). Art 15 Abs. 1 ESÜ beruft insoweit grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Allerdings gilt als Vorsorgevollmacht i. S. d. ESÜ nur die Vollmacht, die ausgeübt werden soll, wenn der Vollmachtgeber „nicht mehr in der Lage ist, seine Interessen zu schützen“. Soll die Vollmacht allerdings bereits vor Eintritt des Vorsorgefalls, also der Urteilsunfähigkeit gelten, so beurteilt sie sich für diesen vor der Urteilsunfähigkeit liegenden Zeitraum nunmehr nach Art. 8 EGBGB n.F. Mit Eintritt des Vorsorgefalls und der damit einhergehenden Anknüpfung an Art. 15 Abs. 1 ESÜ kann es daher zu einem Statutenwechsel kommen (h. M., vgl. Hausmann/Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Aufl. 2017, § 5 Rn. 100; a. A. Ludwig, DNotZ 2009, 251, 273 für die sofort wirksame Vorsorgevollmacht mit Anweisung im Innenverhältnis auf den Vorsorgefall: Art. 15 Abs. 1 ESÜ gilt auch vor Eintritt des Vorsorgefalls).