07. März 2019

Auswirkungen des Brexit auf englische private limited companies

Zahlreiche Kapitalgesellschaften, die nach dem englischen Companies Act 2006 errichtet worden sind, sind ausschließlich im Inland tätig. Auf der Basis der Centros-Entscheidung und der Überseering-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs genießen diese Gesellschaften bislang Freizügigkeit und sind im Inland als Kapitalgesellschaften englischen Rechts anzuer­kennen. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union entfällt die Freizügigkeitsgarantie und dieser Schutz. Dies gilt unabhängig davon, ob die EU und das Vereinigte Königreich eine Einigung über die Folgen des Austritts erreichen („harter“ oder „weicher“ Brexit). Allerdings sieht der Entwurf zum sog. Brexit-Übergangsgesetz für den Fall, dass das VK das Austrittsabkommen ratifiziert vor, dass das VK für die dort vereinbarte Übergangsfrist weiterhin als Mitgliedstaat behandelt wird. Der Stichtag wird daher auf das Ende der vertraglich vereinbarten Übergangsfrist verlegt. Die Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaften ist von den deutschen Gerichten ab diesem Zeitpunkt auf der Basis der Sitztheorie zu bestimmen (BGH DNotZ 2009, 385). Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft beurteilt sich dann nach dem Recht des Staates, in dem diese Gesellschaft ihren Hauptverwaltungssitz hat. Ist dieser in Deutschland gelegen, ist die Gesellschaft vom 29.3.2019 an nach den Vorschriften des deutschen Gesellschaftsrechts zu beurteilen. Mangels Gründung nach den Regeln des GmbHG oder des AktG ist keine Behandlung als Kapitalgesellschaft möglich. Bei einer company mit mehreren Aktionären käme dann eine Umdeutung als OHG oder GbR in Betracht (vgl. dazu BGH ZIP 2002, 1763). Das hat u.a. die persönliche Haftung der bisherigen Aktionäre für sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Folge. Hat die company lediglich ein einzigen Aktionär (erfahrungsgemäß mehrheitlich der Fall), kommt keine Behandlung als Personengesellschaft in Betracht, da das deutsche Gesellschaftsrecht Einpersonengesellschaften nur in Form von nach den Vorschriften des AktG bzw. des GmbHG gegründeten und eingetragenen Gesellschaften kennt. Die Gesellschaft würde also mit dem Wirksamwerden des Brexit ipso iure erlöschen und sämtliche Aktiva und Passiva der Gesellschaft unmittelbar dem Alleinaktionär anwachsen.

 

Dieser Folge könnte vor dem Brexit durch eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf der Basis der Europäischen Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und der §§ 122a ff. UmwG sowie der englischen The Companies (Cross-Border Merger) Regulations 2007 vermieden werden. Auf deutscher Seite ist durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (vgl. www.dnoti.de, Mitteilung von 25.1.2019) insoweit eine Erleichterung geschaffen worden, als die Eintragung auch nach dem Brexit in Deutschland erfolgen kann, wenn vor dem Wirksamwerden des Brexit der Verschmel­zungsplan beurkundet worden ist. Ob freilich auch auf englischer Seite noch nach dem Wirksamwerden des Brexit dort die für die grenzüberschreitende Hinausverschmelzung von englischen companies erforderlichen Maßnahmen vorgenommen werden, ist ungeklärt.

 

Zur Haftungsvermeidung kommt daher in Betracht, vor dem Wirksamwerden des Brexit sämtliche shares an der limited company in eine haftungsbeschränkte Gesellschaft deutschen Rechts (GmbH, Aktiengesellschaft, UG, GmbH & Co. KG etc.) einzubringen. Das Erlöschen der limited company mit dem Brexit hätte dann zur Folge, dass sämtliche Aktiva und Passiva auf diese Gesellschaft übergehen. Die persönliche Haftung der Aktionäre wäre vermieden. Es sind allerdings steuerliche Folgen (Grunderwerbsteuer, Gewinnrealisierung etc.) zu prüfen.