02. Januar 2014
GmbHG § 35; BGB § 181; GmbHG § 39; GmbHG § 2 Abs. 1a

Befreiung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers von § 181 BGB bei Gründung mit Musterprotokoll; Befreiung eines später bestellten neuen Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens; Erfordernis einer Satzungsgrundlage; In-sich-Geschäft

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Abruf-Nr.: 126640
letzte Aktualisierung: 15. Mai 2013

BGB § 181; GmbHG §§ 35, 39, 2 Abs. 1a

Befreiung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers von § 181 BGB bei Gründung mit Musterprotokoll; Befreiung eines später bestellten neuen Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens; Erfordernis einer Satzungsgrundlage; Insichgeschäft

I. Sachverhalt

Der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer einer mit Musterprotokoll gegründeten UG verkauft seinen Geschäftsanteil von 500,00 € an K unter gleichzeitiger Bestellung von K zum alleinigen Geschäftsführer.

II. Fragen

Gilt die im Musterprotokoll enthaltene Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB auch für den neuen Gesellschafter-Geschäftsführer? Oder bedarf es insofern einer neuen Satzungsgrundlage, die durch Satzungsänderung herbeizuführen ist?

III. Zur Rechtslage

1. Rechtliche Qualifizierung der Befreiung vom Verbot des § 181 BGB im Musterprotokoll

a) Unechter Satzungsbestandteil

Die genaue rechtliche Einordnung der Befreiung vom Verbot des § 181 BGB in S. 2 der Ziff. 4 des Musterprotokolls ist derzeit noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Genauso wie für die Geschäftsführerbestellung selbst in S. 1 des Musterprotokolls gibt der Gesetzgeber weder im Gesetz noch in der Regierungsbegründung hierfür Anhaltspunkte. Aufgrund der Systematik und des Sachzusammenhangs geht die wohl h.M. davon aus, dass beide Regelungen in Ziff. 4 einheitlich als unechter Satzungsbestandteil zu qualifizieren sind (s. etwa OLG Bremen v. 15.9.2009, NZG 2009, 1193; MünchKommGmbHG/J. Mayer, 2010, § 2 Rn. 246 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 2 Rn. 47).

b) Echter Satzungsbestandteil

Demgegenüber bestehen u. E. gewichtige Gründe dafür, anders als die Geschäftsführerbestellung mit der Regelung der konkreten Vertretungsmacht, die Befreiung von § 181 BGB sogar als echten Satzungsbestandteil anzusehen (so auch Herrler, GmbHG, 2010, 960, 964; Melchior, notar 2010, 305, 306; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 383; so schon Weigl, notar 2008, 378; Sandhaus, NJW-Spezial 2009, 607, 608, der aber eine Klarstellung des Gesetzgebers einfordert). Die h.M. verlangt nämlich für die generelle Befreiung vom Verbot des § 181 BGB des Gesellschafter-Geschäftsführers jedenfalls bei der Einpersonengesellschaft eine entsprechende Befreiungsregelung oder zumindest eine Satzungsermächtigung unmittelbar in der Satzung selbst (BGH NJW 1983, 1676; MünchKommGmbH/Stephan/Tieves, 2013, § 35 Rn. 185; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 35 Rn. 140; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 35 Rn. 11; kritisch Herrler, GmbHR 2010, 960, 962; Altmeppen, NZG 2013, 401). Insofern überzeugt auch der Versuch von Ries (NZG 2009, 739, 740), in die konkrete Befreiung des ersten Geschäftsführers in Form eines unechten Satzungsbestandteils die abstrakte Ermächtigung zur Befreiung dieses ersten Geschäftsführers „hineinzulesen“, dogmatisch nicht.

2. Umfang der Befreiung

a) Herrschende Ansicht

Der Umfang der Befreiung vom Verbot des § 181 BGB im Musterprotokoll war lange Zeit sehr umstritten. So könnte die Befreiung von § 181 BGB nur für den ersten Geschäftsführer als Person oder aber für alle zukünftigen Geschäftsführer ausgesprochen sein. Der Inhalt der Satzungsregelung muss u. E. aus der Formulierung im Musterprotokoll, dem Regelungszusammenhang, dem Sinn und Zweck der Regelung und dem mutmaßlichen Willen der Gründer abgeleitet werden. Schon der Wortlaut von Nr. 4 des Musterprotokolls spricht u. E. dafür, dass nur der namentlich benannte Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Da es sich beim Musterprotokoll außerdem um die einfachste Gründungsvariante einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) handelt, nimmt die h.M. (OLG Stuttgart v. 28.4.2009, NZG 2009, 754; OLG Düsseldorf v. 12.7.2011, GmbHR 2011, 1319; Bork/Schäfer, GmbHG, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn. 93; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 2 Rn. 47; Wachter, ZNotP 2009, 82, 98) und inzwischen auch die allgemeine Praxis u. E. zu Recht an, dass die Befreiung nur konkret für den ersten Alleingeschäftsführer und nicht abstrakt für alle jetzigen und zukünftigen Geschäftsführer gelten soll. Ein gegenteiliger Wille zur umfassenden Befreiung vom Verbot des § 181 BGB für alle Geschäftsführer wäre für den Anwender des Musterprotokolls nicht sachdienlich und kann den Gründern auch nicht als mutmaßlicher Wille unterstellt werden.

b) Gegenstimmen

Bei der Gründung nach Musterprotokoll weicht die konkrete Vertretungsregelung jedenfalls im Hinblick auf § 181 BGB von dem abstrakt bestehenden Verbot von Insichgeschäften und des Selbstkontrahierens ab (OLG Stuttgart v. 28.4.2009, NZG 2009, 754). Die Gründung nach Musterprotokoll setzt aber voraus, dass die Gesellschaft einen namentlich benannten Geschäftsführer hat, der von den Beschränkungen des § 181 BGB konkret befreit ist. Insofern ist die abweichende Ansicht von Sandhausen (NJW-Spezial 2009, 607, 608) für generelle Befreiung aller Geschäftsführer u. E. nicht überzeugend damit begründet, dass nach der BGH-Rechtsprechung die Befreiung nur des jeweiligen Alleingeschäftsführers unzulässig wäre.

Roth (Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 2 Rn. 56a) will demgegenüber für den Fall, dass der im Musterprotokoll bestellte Geschäftsführer später durch einen anderen Alleingeschäftsführer abgelöst wird, entgegen der von ihm ebenfalls zitierten h.M. eine Auslegung der Formulierung des Musterprotokolls zulassen, dass der Nachfolger ebenfalls von § 181 BGB befreit ist (so wohl auch MünchKommGmbHG/J. Mayer, 2010, § 2 Rn. 247 mit Hinweis auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Norm in Fn. 939).

3. Befreiung des neuen Geschäftsführers vom Verbot des § 181 BGB

Folgt man der oben dargestellten h.M., dass die bisherige Regelung im Musterprotokoll nicht genügt, um den neu bestellten Geschäftsführer vom Verbot des § 181 BGB zu befreien (so auch OLG Hamm v. 4.11.2010, GmbHR 2011, 87; GroßkommGmbHG/Ulmer/Löbbe, Erg.Bd. MoMiG, 2010, § 2 Rn. 23; Gutachten DNotI-Report 2010, 15, 16; Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2139), ist für die Befreiung des neuen zusätzlichen Geschäftsführers eine Satzungsänderung erforderlich (so auch Wachter, ZNotP 2009, 82, 98). Da es sich im hier vorliegenden Fall um eine Alleingesellschafter-Geschäftsführerkonstellation handelt, genügt nach derzeit noch h.M. ein einfacher Befreiungsbeschluss nicht. Es ist zumindest eine Satzungsermächtigung zur Befreiung vom Verbot des § 181 BGB durch einfachen Gesellschafterbeschluss erforderlich. Daher erscheint es u. E. der sicherste Weg, die generelle Befreiung von § 181 BGB für den neuen Geschäftsführer durch eine echte Satzungsbefreiung oder eine diesbezügliche Satzungsermächtigung mit entsprechendem Befreiungsbeschluss zu erteilen (so auch OLG Frankfurt v. 13.10.2011, GmbHG 2012, 394 für den Fall der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB für den Liquidator durch echte Satzungsänderung oder Ermächtigung mit Befreiungsbeschluss).

4. Ergebnis

Die genaue dogmatische Einordnung der Befreiung nach § 181 BGB im Musterprotokoll und deren Auswirkungen auf nachfolgende Geschäftsführer ist mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Am konsequentesten erscheint es uns, darin einen echten Satzungsbestandteil zu sehen, so dass die Aufhebung der Befreiung einer Satzungsänderung bedarf. Mit der h. M. ist u. E. davon auszugehen, dass für die Befreiung eines nachfolgenden Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB eine Satzungsänderung (unmittelbare Befreiung des neuen Geschäftsführers oder Satzungsermächtigung zur Befreiung durch Gesellschafterbeschluss) erforderlich ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

126640

Erscheinungsdatum:

02.01.2014

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

In-sich-Geschäft
GmbH

Normen in Titel:

GmbHG § 35; BGB § 181; GmbHG § 39; GmbHG § 2 Abs. 1a