16. Mai 2017
BGB § 2197; BGB § 2223; BGB § 2222

Alleiniger Vorerbe als Nacherbenvollstrecker

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 154621
letzte Aktualisierung: 16. Mai 2017

BGB §§ 2197, 2222, 2223
Alleiniger Vorerbe als Nacherbenvollstrecker

I. Sachverhalt
In einem Erbvertrag soll der Ehegatte als nicht befreiter Vorerbe eingesetzt werden. Allerdings
soll es ihm ermöglicht werden, den Hausgrundbesitz, den er auch zur Hälfte als Eigentümer hat,
ohne Mitwirkung der Nacherben verkaufen zu können. Der Erlös, der auf die der Nacherbfolge
unterliegende Grundbesitzhälfte entfällt, soll den Nacherben dann sofort ausgezahlt werden.
Daher ist beabsichtigt, den Vorerben zum Testamentsvollstrecker für den Nacherben für die Zeit
bis zum Eintritt des Nacherbfalles einzusetzen.

II. Fragen
1. Kann der alleinige Vorerbe als Testamentsvollstrecker für den Nacherben bestellt werden?
2. Geht das generell oder nur für diese eine spezielle Aufgabe?

III. Zur Rechtslage
1. Alleinerbe als Testamentsvollstrecker
Bei der Einsetzung eines Erben zum Testamentsvollstrecker gilt der Grundsatz: Eine
Testamentsvollstreckung ist nur zulässig, wenn die mit der Erbschaft an sich verbundenen
Verwaltungs- und Verfügungsrechte wenigstens teilweise zwischen Erben und Testamentsvollstrecker
aufgeteilt sind und sich diese durch „checks and balances“ gegenseitig
kontrollieren (vgl. BeckOK-BGB/Lange, Stand: 1.11.2016, § 2197 Rn. 33). Es entspricht
daher nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Alleinerbe
grundsätzlich nicht der einzige Testamentsvollstrecker sein kann, da er sich selbst nicht in
seiner Herrschaftsmacht beschränken kann (RGZ 77, 177, 178; 163, 57, 58; KG OLGZ
1967, 358, 361; BeckOK-BGB/Lange, § 2197 Rn. 33; Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl.
2017, § 2197 Rn. 5). Soll der Alleinerbe als einziger zur Nachlassabwicklung bzw.
Verwaltung berufen sein, so ist er auch ohne die Eigenschaft als Testamentsvollstrecker zur
schrankenlosen Verfügung über den Nachlass berechtigt. Es ist regelmäßig nicht
erforderlich, ihm in der Eigenschaft eines Testamentsvollstreckers an demselben Nachlass
noch irgendwelche Verwaltungsrechte einzuräumen. Eine abweichende Ansicht wurde in
der Literatur allerdings von Adams (ZEV 1998, 321) vertreten.
Mit seiner Entscheidung vom 26.1.2005 (DNotI-Report 2005, 53 = FamRZ 2005, 614 =
DNotZ 2005, 700 = ZEV 2005, 204) hat der BGH von dem o. g. Grundsatz eine eng
begrenzte Ausnahme zugelassen: Die Bestimmung eines alleinigen Erben oder Vorerben
zum Testamentsvollstrecker ist hiernach auch dann wirksam, wenn sich dessen Aufgabe auf
den sofortigen Vollzug bestimmter Vermächtnisse zulasten der Erbschaft und im Interesse
des Begünstigten beschränke und bei groben Pflichtverstößen des Erben ein anderer als
Testamentsvollstrecker an seine Stelle trete. In diesem Fall fehlt es nach Auffassung des
BGH nicht an der für die Testamentsvollstreckung charakteristischen Beschränkung der
Erbenrechte, da in bestimmtem Umfang der Vollstreckungsschutz des § 2214 BGB sowie
eine nachlassgerichtliche Kontrolle bestehen. Ausnahmsweise kann in dem vom BGH
(a. a. O.) geschilderten Fall folglich der Alleinerbe auch alleiniger Testamentsvollstrecker
sein.
Der BGH begründet seine Ansicht damit, dass es hier nicht etwa um eine sinnlose Verdopplung
bereits bestehender Befugnisse des Erben gehe, sondern seine nur schuldrechtliche
Verpflichtung, die Vermächtnisse zu erfüllen (vgl. § 2174 BGB), verstärkt werde, indem
ihm die dingliche Verfügungsbefugnis als Erbe über die Vermächtnisgegenstände entzogen
wird (§§ 2208 Abs. 1 S. 2, 2211 BGB). In diese Gegenstände könnten Gläubiger des Erben,
die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, wegen § 2214 BGB auch nicht vollstrecken.
Außerdem steht die Verpflichtung des Erben als Testamentsvollstrecker, die letztwilligen
Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (vgl. § 2203 BGB), unter der
Kontrolle des Nachlassgerichts. Im Hinblick auf die mögliche Entlassung als Testamentsvollstrecker
und die Ernennung eines Ersatztestamentsvollstreckers drohe dem Erben außerdem,
bei Nichterfüllung der ihm auferlegten Verpflichtungen, unter die Testamentsvollstreckung
eines anderen zu geraten. Der BGH geht daher davon aus, dass im Hinblick
auf diese Sanktion in der Bestimmung des Erben oder Vorerben zum Testamentsvollstrecker
keine nur formale Einschränkung seiner Verfügungsfreiheit liege.
Was die Testamentsvollstreckung für den Vermächtnisnehmer anbelangt, so kann gem.
§ 2223 BGB der Erblasser einen Testamentsvollstrecker auch zu dem Zweck ernennen, dass
dieser für die Ausführung der einem Vermächtnisnehmer auferlegten Beschwerungen sorgt.
In diesem Fall ist es Aufgabe des Testamentsvollstreckers, für die Ausführung der dem
Vermächtnisnehmer auferlegten Untervermächtnisse, Nachvermächtnisse und Auflagen zu
sorgen.
Ferner ist anerkannt, dass über den Wortlaut des § 2223 BGB hinaus der Erblasser auch die
bloße Verwaltung des dem Vermächtnisnehmer übertragenen Vermächtnisgegenstands
durch den Testamentsvollstrecker im Sinne einer Dauertestamentsvollstreckung entsprechend
§ 2209 BGB anordnen kann (vgl. nur BGHZ 13, 203, 206 = NJW 1954, 1036;
MünchKommBGB/Zimmermann, 7. Aufl. 2017, § 2223 Rn. 6). Unabhängig von der
konkreten Ausgestaltung kennzeichnet sich jede Art der Vermächtnisvollstreckung i. S. d.
§ 2223 BGB dadurch, dass anstelle des Nachlasses das beschwerte Vermächtnis tritt. Diese
Art der Testamentsvollstreckung beschränkt daher nicht den Erben, sondern nur den Vermächtnisnehmer.
Aus diesem Grund ist anerkannt, dass auch der Alleinerbe zum alleinigen
Vermächtnisvollstrecker ernannt werden kann, nicht hingegen der alleinige Vermächtnisnehmer,
der mit der zu erfüllenden Beschwerung belastet ist (BeckOK-BGB/Lange, § 2223 Rn. 8).

2. Testamentsvollstreckung bei Vor- und Nacherbschaft
Bei einer Testamentsvollstreckung im Bereich der Vor- und Nacherbfolge sind die dort
geltenden Besonderheiten zu beachten, wofür zunächst die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten
zu analysieren sind: (vgl. dazu nur Bengel/Dietz, in: Bengel/Reimann,
Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, Kap. 5 Rn. 329-353; J. Mayer, in:
Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2015, § 22 Rn. 20 ff.):
a) Testamentsvollstreckung mit Normalbefugnissen (Abwicklungsvollstreckung). Hier
beschränkt sich die Testamentsvollstreckung auf die allgemeine Abwicklung des Nachlasses.
Nach Erledigung dieser Aufgaben ist der Nachlass an die Erben herauszugeben.
b) Dauertestamentsvollstreckung für die Vorerbschaft. Hier steht dem Testamentsvollstrecker
für die Dauer der Vorerbschaft die allgemeine Verwaltungsvollstreckung gem.
§ 2209 BGB mit den damit verbundenen Verwaltungs- und Verfügungsrechten zu.
c) Dauertestamentsvollstreckung für die Nacherbschaft. Hier tritt die Testamentsvollstreckung
erst nach Eintritt der Nacherbfolge in Kraft und besteht für den Nacherben
während der gesamten Dauer der Nacherbschaft.
d) Dauertestamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft. In diesen Fällen wird der
Testamentsvollstrecker zugleich für den Vor- und Nacherben ernannt, mit der Folge,
dass er ab dem Erbfall während der Dauer der Vor- und Nacherbschaft das
Verwaltungs- und Verfügungsrecht anstelle des Vor- und danach des Nacherben ausübt.
In diesen Fällen ist der Testamentsvollstrecker während der Vorerbschaft unbestritten
nur gem. § 2205 S. 3 BGB in der Verfügung beschränkt, nicht dagegen nach den weitergehenden
§§ 2113, 2114 BGB (vgl. BGH NJW 1963, 2320; BayObLG MittBayNot
1991, 122; Bengel/Dietz, in: Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn. 336 m. w. N.).
e) Nacherbentestamentsvollstreckung gem. § 2222 BGB. Bei ihr hat der Testamentsvollstrecker
die Rechte und Pflichten des Nacherben bis zum Eintritt des Nacherbfalls
wahrzunehmen. Sie beschränkt nicht den Vorerben, sondern nimmt nur die Rechte der
Nacherben während der Vorerbschaft wahr. Insoweit hat der Nacherbentestamentsvollstrecker
nicht die Befugnisse des allgemeinen Testamentsvollstreckers nach den
§§ 2203 ff. BGB. Seine Aufgaben und Befugnisse ergeben sich vielmehr aus den
Rechten und Pflichten des Nacherben gegenüber dem Vorerben. Die nach § 2113 BGB
etwa erforderliche Zustimmung des Nacherben hat daher für ihn allein der Nacherbentestamentsvollstrecker
zu erteilen. Die Nacherbentestamentsvollstreckung kann mit den
vorgenannten Testamentsvollstreckungsarten kombiniert werden (vgl. Bengel/Dietz, in:
Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn. 338 m. w. N.).

3. Alleiniger Vorerbe als Nacherbentestamentsvollstrecker i. S. d. § 2222 BGB
Nach h. M. in Rechtsprechung und Literatur kann der alleinige Vorerbe nicht wirksam als
alleiniger Nacherbentestamentsvollstrecker gem. § 2222 BGB eingesetzt werden, weil sonst
die mit der Nacherbenvollstreckung bezweckte Beaufsichtigung des Vorerben hinfällig wäre
(vgl. RGZ 77, 177, 178; BayObLGZ 1959, 129; MünchKommBGB/Zimmermann, § 2222
Rn. 4; BeckOK-BGB/Lange, § 2222 Rn. 5; Staudinger/Reimann, § 2222 Rn. 15; a. A.
Rohlfs, DNotZ 1971, 518, 527 ff).
Jedoch kann der alleinige Vorerbe zu einem von mehreren Nacherbentestamentsvollstreckern
in gemeinschaftlicher Amtsführung (§ 2224 Abs. 1 S. 1 BGB) ernannt werden,
weil er dann durch die Mitvollstrecker ausreichend überwacht wird (KG JFG 11, 126;
MünchKommBGB/Zimmermann, § 2222 Rn. 4; BeckOK-BGB/Lange, § 2222 Rn. 5;
Staudinger/Reimann, § 2222 Rn. 16; Staudinger/Avenarius, BGB, 2013, § 2100 Rn. 46).

4. Personenidentität zwischen Testamentsvollstrecker über die Vorerbschaft und Nacherbentestamentsvollstrecker
Es ist andererseits anerkannt, dass der Erblasser zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass
während der Dauer der Vorerbschaft (§ 2209 BGB) und als Nacherbentestamentsvollstrecker
(§ 2222 BGB) dieselbe Person ernennen kann, ohne dass damit die Rechte des
Vorerben oder des Nacherben stärker beschränkt würden, als bei Bestellung verschiedener
Testamentsvollstrecker. Der Testamentsvollstrecker muss in seiner Person für den angemessenen,
dem Erblasserwillen entsprechenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen
zwischen Vor- und Nacherben sorgen. Dem Nacherben ist zudem bereits vor dem Nacherbfall
auf Verlangen umfassende Auskunft zu erteilen (vgl. zum Ganzen: BGHZ 127, 360 =
NJW 1995, 456 = ZEV 1995, 67 m. Anm. Skibbe; MünchKommBGB/Zimmermann, § 2222
Rn. 4; Staudinger/Reimann, § 2222 Rn. 18).

5. Ergebnis
Infolgedessen kann u. E. der überlebende Ehegatte als alleiniger Vorerbe nicht zugleich als
alleiniger Nacherbentestamentsvollstrecker, wenn auch lediglich beschränkt auf den Verkauf,
bestellt werden, da ansonsten die mit der Nacherbenvollstreckung bezweckte Beaufsichtigung
des Vorerben hinfällig wäre. Ebenso dürfte es u. E. unzulässig sein, bei
Anordnung eines mit einem Untervermächtnis beschwerten Vorausvermächtnisses (bzgl. des
hälftigen Miteigentumsanteils) zugunsten des alleinigen Vorerben, diesen zugleich als
Unter-Vermächtnisvollstrecker zu bestellen, mit der Aufgabe, die Auskehr des Verkaufserlöses
an die Nacherben zu bewirken (vgl. Ziff. 1 a. E.). Denn hierdurch träte u. E. – anders
als in dem vom BGH entschiedenen Fall (BGH DNotZ 2005, 700) - eine unzulässige
Doppelung der Befugnisse des Vorausvermächtnisnehmers ein, ohne dass eine Kontrolle
zugunsten der Untervermächtnisnehmer sichergestellt wäre.

Gutachten/Abruf-Nr:

154621

Erscheinungsdatum:

16.05.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung

Normen in Titel:

BGB § 2197; BGB § 2223; BGB § 2222