17. Juni 2020
BGB § 577a Abs. 1a; BGB § 577a Abs. 1

Voraussetzungen der Kündigungssperre bei Wohnungsumwandlung

BGB § 577a Abs. 1, Abs. 1a S. 1 Nr. 1, S. 2
Voraussetzungen der Kündigungssperre bei Wohnungsumwandlung

I. Sachverhalt
Frau A ist Eigentümerin eines Zweifamilienhauses. Derzeit wird die eine der beiden Wohnungen von ihrem Sohn bewohnt, die andere ist an einen Dritten vermietet. Nun soll die Immobilie auf den Sohn und die Tochter der A übertragen werden. Diese beabsichtigen, das Grundstück in Wohnungseigentum aufzuteilen. Dabei soll der Sohn die von ihm bereits bewohnte Wohnung erhalten, die Tochter möchte die andere Wohnung ausbauen und selbst nutzen (Eigenbedarfskündigung vorgesehen).

II. Fragen
1. Sind die Regelungen des § 577a BGB dahingehend zu verstehen, dass

a) keine Kündigungssperre eingreift, wenn Frau A zugunsten ihrer Tochter wegen Eigenbedarfs kündigt und der Mieter aus­zieht und wenn sodann übertragen und aufgeteilt wird,

b) die Kündigungssperre eingreift, wenn Frau A (um Notargebühren einzusparen) selbst in Wohnungseigentum aufteilt und danach überträgt und wenn daraufhin die Tochter wegen Eigenbedarfs kündigt,

c) keine Kündigungssperre eingreift, wenn Frau A an Sohn und Tochter zu Miteigentumsanteilen oder in GbR überträgt, diese die Kündigung aussprechen und dann in Wohnungseigentum aufteilen?

2. Zu Frage 1 c): Ist es unerheblich, ob der Mieter zum Zeitpunkt der Aufteilung in Wohnungseigentum die Wohnung noch bewohnt, weil die Aufteilung für die Kündigungsbeschränkung gem. § 577a Abs. 1a BGB irrelevant ist?

III. Zur Rechtslage
1. Kündigungsbeschränkung gem. § 577a Abs. 1 BGB (Veräußerung von in Wohnungseigentum umgewandelten und vermieteten Wohnräumen)
Gem. § 577a Abs. 1 BGB kann sich der Erwerber erst nach Ablauf einer bestimmten Frist auf die Kündigungsgründe des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Eigenbedarf) oder des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (wirtschaftliche Verwertung) berufen, wenn der Wohnraum einem Mieter überlassen und danach an der Wohnung Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert wird. Die Kündigungssperrfrist beträgt drei Jahre ab Veräußerung des Wohnungseigentums, sofern nicht durch eine Kündigungssperrfristverordnung (erlassen aufgrund von § 577a Abs. 2 BGB) eine längere Frist bestimmt ist.

Die Sperrfrist nach § 577a Abs. 1 BGB setzt nach dem Wortlaut eine bestimmte zeitliche Reihenfolge von Mietvertragsschluss, Überlassung der Mieträume an den Mieter, Umwandlung der Wohnräume in Wohnungseigentum und Veräußerung voraus. § 577a Abs. 1 BGB schützt den Mieter nur, wenn an Wohnräumen nach Mietvertragsschluss und Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet und dieses anschließend – d. h. nach Begründung des Wohnungseigentums gem. §§ 2, 3, 4 Abs. 1, 8 WEG (Eintragung im Grundbuch bzw. Anlegen der Grundbuchblätter, vgl. BGH DNotZ 2016, 847) – veräußert wird (vgl. BGH NJW 2009, 2738 Tz. 17; jew. m. w. N.: MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 577a Rn. 4, 6; BeckOGK-BGB/Klühs, Std.: 1.4.2020, § 577a Rn. 18, 22, 26; Staudinger/Rolfs, BGB, 2018, § 577a Rn. 12 f.).

§ 577a Abs. 1 BGB knüpft dabei an die Eigentumsumschreibung an; die schuldrechtliche Grundlage ist nicht relevant (MünchKommBGB/Häublein, § 577a Rn. 6; Staudinger/Rolfs, § 577a Rn. 13 – jew. m. w. N.). Ebenso ist für die Norm die Person des Erwerbers ohne Bedeutung; ein Angehörigenprivileg sieht das Gesetz im Unterschied zu § 577a Abs. 1a S. 2 BGB nicht vor (BeckOGK-BGB/Klühs, § 577a Rn. 42). Allerdings wirkt eine vor Veräußerung zugunsten eines Familienangehörigen ausgesprochene (wirksame) Kündigung fort, sofern sie nicht rechtsmissbräuchlich ist (OLG Hamm NJW-RR 1992, 1164; BeckOGK-BGB/Klühs, § 577a Rn. 43).

Dies bedeutet für den Sachverhalt, dass die Kündigungssperrfrist nach § 577a Abs. 1 BGB nicht eingreift, wenn

– Frau A selbst zugunsten ihrer Tochter wegen Eigenbedarfs kündigt (vorbehaltlich eines Rechtsmissbrauchs), sodann der Mieter auszieht und Frau A anschließend Wohnungseigentum begründet und die Wohnungen an ihre Kinder veräußert; in diesem Fall wirkt die Kündigung zugunsten der Tochter fort, sodass diese nicht erneut wegen Eigenbedarfs kündigen muss;

– Wohnungseigentum erst nach der Veräußerung (d. h. nach Eigentumsumschreibung) durch Frau A an ihre Kinder (ggf. in GbR) von den Kindern begründet wird (zur ggf. möglichen Kündigungssperrfrist nach § 577a Abs. 1a BGB s. Ziff. 2).

Die Kündigungssperrfrist nach § 577a Abs. 1 BGB greift jedoch ein, wenn Frau A ohne vorherige Kündigung wegen Eigenbedarfs zugunsten ihrer Tochter und ohne Auszug des Mieters Wohnungseigentum begründet, die beiden Wohnungen anschließend an ihre Kinder (ggf. in GbR) veräußert und die Tochter von Frau A sodann wegen Eigenbedarfs kündigen möchte.

2. Kündigungsbeschränkung gem. § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB (Erwerb von ver­mieteten Wohnräumen durch Personengesellschaft oder mehrere Erwerber)
Gem. § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB gilt die Kündigungsbeschränkung nach Abs. 1 entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter einer Personengesellschaft oder mehreren Erwerbern veräußert worden ist.

§ 577a Abs. 1a BGB knüpft die Kündigungssperrfrist nicht an eine Umwandlung in Wohnungseigentum vor Veräußerung (BeckOGK-BGB/Klühs, § 577a Rn. 47). § 577a Abs. 1a BGB setzt also keine Umwandlung in Wohnungseigentum oder eine Umwandlungsabsicht voraus; er ist vielmehr auch dann anzuwenden, wenn das Grundstück nach Begründung des Mietverhältnisses und Überlassung der Mieträume an den Mieter unaufgeteilt an eine Personengesellschaft veräußert wird (BGH DNotZ 2018, 774; Staudinger/Rolfs, § 577a Rn. 23). Das zeigt im systematischen Zusammenhang ebenso der § 577a Abs. 2a BGB. Diese Norm stellt klar, dass die Umwandlung in Wohnungseigentum nach Erwerb durch eine Erwerbermehrheit i. S. v. § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB keinen neuerlichen Anlauf der Kündigungssperrfrist bewirkt, sondern dass auch in diesem Fall für den Fristbeginn auf die Veräußerung abzustellen ist. Im Umkehrschluss ist damit zugleich gesagt, dass § 577a Abs. 1 und § 577a Abs. 1a BGB zwei voneinander tatbestandlich unabhängige Kündigungsbeschränkungen regeln und § 577a Abs. 1a BGB keine Umwandlung oder Umwandlungsabsicht voraussetzt. Daraus folgt zugleich, dass eine Umwandlung in Wohnungseigentum nach Veräußerung – anders als bei § 577a Abs. 1 BGB (s. o.) – die Anwendung des § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB von vornherein nicht ausschließen kann.

Allerdings greift die Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB gem. S. 2 Hs. 1 Var. 1 nicht ein, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Hausstand angehören. Es gilt der Maßstab des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (MünchKommBGB/Häublein, § 577a Rn. 17; BeckOGK-BGB/Klühs, § 577a Rn. 50; Staudinger/Rolfs, § 577a Rn. 31). Soweit die Gesellschafter der erwerbenden GbR oder mehrere Erwerber als natürliche Personen Geschwister sind, ist der Ausnahmetatbestand gem. § 577a Abs. 1a S. 2 Hs. 1 Var. 1 BGB erfüllt (vgl. BGH NJW 2003, 2604; MünchKommBGB/Häublein, § 577a Rn. 17, § 573 Rn. 97 m. w. N.; Staudinger/Rolfs, § 577a Rn. 31, § 573 Rn. 83).

Für den konkreten Sachverhalt bedeutet dies, dass die Kündigungssperrfrist gem. § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB bei einer Veräußerung der vermieteten Wohnräume an die beiden Kinder der Veräußerin (ggf. in GbR) wegen § 577a Abs. 1a S. 2 Hs. 1 Var. 1 BGB nicht eingreift.

3. Ergebnis
Im konkreten Fall greift weder nach § 577a Abs. 1 BGB noch nach § 577a Abs. 1a BGB eine Kündigungsbeschränkung ein, wenn

– Frau A selbst zugunsten ihrer Tochter wegen Eigenbedarfs kündigt (vorbehaltlich eines Rechtsmissbrauchs), sodann der Mieter auszieht und Frau A anschließend Wohnungseigentum begründet und die Wohnungen an ihre Kinder veräußert; in diesem Fall wirkt die Eigenbedarfskündigung zugunsten der erwerbenden Kinder der Frau A fort, sodass es keiner erneuten Kündigung bedarf;

– Wohnungseigentum erst nach der Veräußerung (d. h. nach Eigentumsumschreibung) durch Frau A an ihre Kinder (ggf. in GbR) von den Kindern begründet wird.

Die Kündigungssperrfrist nach § 577a Abs. 1 BGB ist jedoch zu beachten, wenn Frau A ohne vorherige Kündigung wegen Eigenbedarfs zugunsten ihrer Tochter und ohne Auszug des Mieters Wohnungseigentum begründet, die beiden Wohnungen anschließend an ihre Kinder (ggf. in GbR) veräußert und die Tochter von Frau A sodann wegen Eigenbedarfs kündigen möchte.

Gutachten/Abruf-Nr:

177256

Erscheinungsdatum:

17.06.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Miete

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 91-93

Normen in Titel:

BGB § 577a Abs. 1a; BGB § 577a Abs. 1