Beurkundungspflicht bei einem GbR-Vertrag einer Bauherrengemeinschaft/Immobilienfonds-GbR
BGB §§ 311b Abs. 1 S. 1, 705
Beurkundungspflicht bei GbR-Vertrag einer Bauherrengemeinschaft/Immobilienfonds-GbR
I. Sachverhalt
Eine Bauherrengemeinschaft aus mehreren Privatpersonen schließt einen Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die Bauherrengemeinschaft beabsichtigt, von der Stadt X ein Grundstück zu kaufen. Es wird ein Optionsvertrag mit der Stadt X geschlossen, wonach das Grundstück für die Bauherrengemeinschaft reserviert wird. Eine notarielle Beurkundung ist vorgesehen, wenn der Gesamtkaufpreis vollständig bezahlt ist und für alle Einheiten ein GbR-Gesellschafter vorhanden ist.
Laut GbR-Vertrag ist Ziel der Gesellschaft:
- der Erwerb eines Grundstückes,
- die Planung und der Bau eines Mehrfamilienhauses
- Aufteilung nach WEG und
- Auseinandersetzung der Gesellschaft durch Auflassung der Wohnungen an die Gesellschafter.
Jedem Gesellschafter wird eine bestimmte Wohnung zugeordnet. Es ist vorgesehen, dass weitere Personen der Gesellschaft beitreten können. In dem Vertrag heißt es außerdem:
„Spätestens nach Fertigstellung des Hauses wird das Objekt nach dem WEG aufgeteilt. Anschließend erfolgt die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens in der Form, dass jeder Gesellschafter seine Wohnung zum Alleineigentum erhält ...“.
Bis zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ist eine Kündigung jederzeit durch schriftliche Erklärung an die Geschäftsführung möglich. Sobald der Grundstückskaufvertrag wirksam abgeschlossen ist, ist die ordentliche Kündigung dieser Gesellschaft ausgeschlossen.
Im Gesellschaftsvertrag sind außerdem besondere Gründe für den Ausschluss eines Gesellschafters niedergelegt. Im Fall des Ausschlusses wächst der Anteil den anderen Gesellschaftern an.
II. Fragen
Gilt das Beurkundungserfordernis des
1. den Abschluss des Gesellschaftsvertrages,
2. den Beitritt eines Gesellschafters bzw. die Vereinbarung zwischen Gesellschaft, übertragendem und eintretenden Gesellschafter bei Übertragung eines Gesellschaftsanteils,
3. die Kündigung eines Gesellschafters,
4. den Ausschluss eines Gesellschafters,
5. Änderungen des Gesellschaftsvertrages?
III. Zur Rechtslage
1. Abschluss des GbR-Vertrags
Der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft bedarf grundsätzlich keiner Form, ist aber nach
Nach ganz überwiegender Auffassung ist ein Gesellschaftsvertrag beurkundungspflichtig, wenn der Zweck der Gesellschaft auf den Erwerb oder die Veräußerung eines bestimmten Grundstücks durch die Gesellschaft gerichtet ist. Die Gesellschafter sind dazu verpflichtet, den Zweck der Gesellschaft zu fördern (
Umstritten ist die Beurkundungspflicht, wenn der Gesellschaftsvertrag nur allgemein als Gesellschaftszweck die Veräußerung oder den Erwerb von Grundstücken festschreibt. In diesem Fall soll nach h. M. keine Beurkundungspflicht bestehen (BGH
Legt man die vorgenannten Kriterien zugrunde, dürfte sich die Beurkundungspflicht des Gesellschaftsvertrags bereits aus dem Umstand ergeben, dass die Gesellschafter kraft ihrer Bindung an den Gesellschaftszweck verpflichtet sind, am Erwerb des bereits spezifizierten Grundstücks durch die GbR mitzuwirken.
Überdies dürfte sich die Beurkundungspflicht aus folgendem Gesichtspunkt herleiten lassen: Jeder Gesellschafter verpflichtet sich an der Auseinandersetzung der GbR mitzuwirken: Er ist verpflichtet einen entsprechenden Miteigentumsanteil zu erwerben. Die Verpflichtung zum Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück löst eine Beurkundungspflicht nach
Die Kündigungsmöglichkeit der Gesellschafter ändert an der Formbedürftigkeit der Erklärungen nichts. Die Option sich von den eingegangenen Verpflichtungen zu lösen, spielt für die Beurkundungspflicht der Willenserklärungen keine Rolle (vgl. etwa BGH
Ebenso wenig ist es von Bedeutung, dass das gegenüber der Gemeinde bestehende Optionsrecht die Gesellschaft nicht dazu verpflichtet, von der Option Gebrauch zu machen. Die ganz überwiegende Meinung (s. o.) lässt es genügen, dass sich aus der Bindung an den Gesellschaftszweck im Innenverhältnis der Gesellschafter eine entsprechende Verpflichtung ergibt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter zum Erwerb der einzelnen Wohnungseinheiten verpflichtet sind, wenn die Gesellschaft den Grundbesitz erwerben sollte. Dass dies von einem späteren Grundstückserwerbs durch die GbR abhängt, ändert an der Beurkundungspflicht nichts: Denn auch eine unter einer aufschiebenden Bedingung stehende Verpflichtung zum Erwerb eines Grundstücks ist beurkundungspflichtig.
Der Abschluss des GbR-Gesellschaftsvertrags bedarf daher der notariellen Beurkundung.
2. Beitritt
Tritt ein Gesellschafter einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft bei, begründet der Beitritt grds. keine Pflicht zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Grundstücks. Der Beitritt unterliegt daher an sich keiner Form (vgl. BGH
Anders ist dies jedoch dann zu beurteilen, wenn der Gesellschaftsvertrag selbst formpflichtig ist, weil er den Gesellschafter zum Erwerb einer Wohnung verpflichtet. Dann muss auch der Beitritt formpflichtig sein (Grunewald, S. 277, 286; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs. 1 Rn. 120 f. m. w. N. auch zur umstrittenen Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Beurkundungspflicht gilt; s. aber auch BeckOGK-BGB/Schreindorfer, § 311b Rn. 50 [Beurkundungspflicht des Gesellschaftsvertrags als solches für Beurkundungspflicht des Beitritts nicht ausreichend]). Demzufolge geht auch die Rechtsprechung von einer Beurkundungspflicht des Beitritts aus, wenn der Gesellschaftsvertrag den Gesellschafter zum Erwerb einer bestimmten Immobilie verpflichtet (vgl. BGH
Eine entsprechende Fallkonstellation lag auch einer BGH-Entscheidung von 1978 zugrunde (II ZR 61/77,
Demzufolge liegt es auch im vorliegenden Fall nahe, von einer Beurkundungspflicht des Beitritts auszugehen. Durch den Beitritt wird der Gesellschafter verpflichtet, an der Auseinandersetzung der GbR sowie an der Begründung von Miteigentum und von Sondereigentum mitzuwirken. Beurkundungspflichtig ist nicht nur die Erwerbsverpflichtung, sondern der gesamte Beitrittsvertrag. Entsprechend den zur Vertragsübernahme entwickelten Grundsätzen muss nur der Beitrittsvertrag, nicht erneut der gesamte Gesellschaftsvertrag beurkundet werden (vgl. BGH
3. Anteilsabtretung
Auch die Verpflichtung zur Anteilsabtretung und die Anteilsabtretung selbst bedürfen im Grundsatz keiner Form, auch wenn zum Gesellschaftsvermögen Grundbesitz gehört (vgl. Staudinger/Schumacher, § 311b Rn. 119). Diskutiert wird in der Literatur eine analoge Anwendung in Umgehungsfällen, in denen die Anteilsübertragung bei wirtschaftlicher Betrachtung auf die Übertragung von Grundbesitz gerichtet ist (für Beurkundungspflicht Ulmer/Löbbe,
Auf diese Frage kommt es hier nicht entscheidend an. Denn auch die Anteilsabtretung muss genauso wie der Beitritt formpflichtig sein, wenn der Gesellschaftsvertrag als solcher der notariellen Beurkundung bedarf, weil der Gesellschafter zum Erwerb einer Wohnungseinheit verpflichtet ist (MünchKommBGB/Kanzleiter, 7.Aufl. 2016, § 311b Rn. 14; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs. 1 Rn. 120 f.). Den Fall der Anteilsabtretung wird man insoweit kaum anders als den Fall des Beitritts behandeln können. Im Ergebnis liegt es nahe, eine Parallele zur Vertragsübernahme einer Verpflichtung zum Erwerb eines Grundstücks zu ziehen, die ebenfalls beurkundungspflichtig ist (BGH
Demzufolge unterliegt auch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft mit Blick auf eine Anteilsabtretung an der GbR der Formpflicht des
4. Kündigung und Ausschluss eines Gesellschafters
Keiner Beurkundungspflicht unterliegen demgegenüber die Kündigung durch einen Gesellschafter oder der Ausschluss von Gesellschaftern. Es handelt sich bei diesen Erklärungen um einseitige Willenserklärungen, die keine unmittelbare rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Übertragung oder zum Erwerb eines Grundstücks begründen. Der Gesellschafter scheidet kraft Gesetzes aus der Gesellschaft aus. Es kommt zu einer Anwachsung bei den anderen Gesellschaftern nach den gesetzlichen Bestimmungen. Demzufolge dürfte keine Beurkundungspflicht nach
In der Literatur wird allerdings eine Beurkundungspflicht bejaht, wenn der Austritt bei wirtschaftlicher Betrachtung auf die Übertragung von Grundbesitz gerichtet ist (Ulmer/Löbbe,
Demzufolge wird man im vorliegenden Fall nicht annehmen können, dass die Kündigungs- oder die Austrittserklärung der notariellen Beurkundung bedarf.
5. Änderung des Gesellschaftsvertrags
Ist der Abschluss des Gesellschaftsvertrags formbedürftig, fragt sich, ob auch eine spätere Vertragsänderung der notariellen Form bedarf. Im Grundsatz unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch nachträgliche Änderungen des beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäfts der Beurkundungspflicht (s. nur BGH
- Vereinbarungen, durch die unvorhergesehene Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung beseitigt werden sollen, sofern die zu diesem Zweck getroffene nachträgliche Absprache die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Grundstückskaufvertrag nicht wesentlich verändert (vgl. BGH
- Vereinbarungen, durch die die Veräußerungs- oder Erwerbspflicht der Beteiligten weder erweitert noch verschärft wird (vgl. BGH
- Änderungsvereinbarungen, die zeitlich nach Beurkundung der Auflassung getroffen werden (vgl. BGH
Die Einzelheiten sind nach wie vor ungeklärt. So besteht insbesondere hinsichtlich der zweiten Fallgruppe keine Klarheit, ob die Rechtsprechung hieran auch noch heute festhalten würde. Die Judikatur des BGH ist insoweit stark einzelfallbezogen (vgl einerseits BGH
Die von der Rechtsprechung zur Formbedürftigkeit von Vertragsänderungen entwickelten Grundsätze kommen auch bei der Änderung eines beurkundungspflichtigen Gesellschaftsvertrags zum Zuge (BayObLG
Auch die Literatur überträgt die von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefallgruppen auf die Änderung des Gesellschaftsvertrags. Soll der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert werden, dass die Einladung zu einer Gesellschafterversammlung auch per Textform erfolgen könne, sei es denkbar, dass eine solche Vertragsänderung formfrei erfolgen könne. Insoweit handele es sich um eine unwesentliche Änderung ohne Bezug zu einer Veräußerungs- oder Erwerbspflicht (Heinze,
Lässt der Gesellschaftsvertrag Änderungen auch durch Mehrheitsbeschluss zu, fragt sich, welche Form in diesem Fall erforderlich ist. Dies ist ungeklärt. Nach einer Auffassung ist auch im Falle eines Beschlusses durch die Mehrheit eine notarielle Beurkundung von Willenserklärungen nach den
U. E. bietet sich insoweit eine Differenzierung an: Der Beschluss als solcher ist nicht beurkundungspflichtig, beurkundungspflichtig kann jedoch als Willenserklärung die Zustimmungserklärung eines Gesellschafters sein, wenn diese nach den Grundsätzen des Personengesellschaftsrechts erforderlich sein sollte.
Der Gesellschafter hat sich im notariell beurkundeten GbR-Vertrag bei Zulassung einer Mehrheitsklausel der Mehrheitsentscheidung durch die Gesellschafter unterworfen. Insoweit liegt in der Beschlussfassung lediglich eine Ausübung einer im Gesellschaftsvertrag begründeten Ermächtigung. Im Zusammenhang mit
Dass eine Mehrheitsklausel die einzelnen möglichen Beschlussgegenstände aufführt, ist nicht mehr erforderlich. Den Bestimmtheitsgrundsatz hat die Rechtsprechung mittlerweile aufgegeben (BGH
Wird also etwa beschlossen, dass bestimmten Gesellschaftern eine bestimmte Wohnung nicht mehr zustehen oder sich diese verkleinern soll, ist eine Zustimmung der betroffenen Gesellschafter erforderlich. Diese wird nicht zuletzt aus Gründen der Beratungs- und Belehrungsfunktion beurkundungspflichtig sein. Anders ist es, wenn es sich um unwesentliche Änderungen ohne Bezug zu Rechten und Pflichten der Gesellschafter handelt
153558
Erscheinungsdatum:13.04.2017
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Bauträgervertrag und Werkvertrag
BGB § 311b Abs. 1; BGB § 705