28. Februar 2019
WEG § 7 Abs. 4

Änderung der Teilungserklärung vor Vollzug im Grundbuch; Erfordernis einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung

WEG § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Änderung der Teilungserklärung vor Vollzug im Grundbuch; Erfordernis einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung

I. Sachverhalt
Ein Bauträger hat Grundbesitz gem. § 8 WEG in Wohnungseigentum (insgesamt fünf Wohnungen) aufgeteilt und die beantragte Abgeschlossenheitsbescheinigung vom Bauaufsichtsamt erhalten. Noch vor Vollzug im Grundbuch soll die Teilungserklärung dahingehend geändert werden, dass aus drei Einheiten nunmehr zwei Einheiten gemacht werden. Das zuständige Bauaufsichtsamt vertritt die Auffassung, dass eine komplett neue Abgeschlossenheitsbescheinigung für alle Einheiten beantragt werden muss, auch für diejenigen, die unverändert bleiben.

II. Fragen
1. Gibt es Literatur oder Rechtsprechung, wonach das Bauaufsichtsamt Anspruch auf Erteilung einer komplett neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung hat?

2. Wie ist die Rechtslage, wenn zunächst die Teilungserklärung auf Basis der alten Abgeschlossenheit grundbuchlich vollzogen und die Änderungen im Nachgang vorgenommen wird?

III. Zur Rechtslage
1. Zweck der Abgeschlossenheitsbescheinigung i. S. v. § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG
Zweck der Abgeschlossenheitsbescheinigung i. S. v. § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG ist es, die dauerhafte räumliche Abgrenzbarkeit und Abschließbarkeit der einzelnen Wohnungen gegenüber den anderen und dem gemeinschaftlichen Eigentum zu bestätigen und damit dem Grundbuchamt die Prüfung zu ersparen, ob die Eintragungsvoraussetzung des § 3 Abs. 2 S. 1 WEG vorliegt (vgl. GmS-OGB DNotZ 1993, 48; BayObLG MittBayNot 1994, 224, 225). Damit soll der Entstehung unklarer Verhältnisse aufgrund uneindeutiger räumlicher Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche untereinander vorgebeugt werden (Staudinger/Rapp, BGB, 2018, § 3 WEG Rn. 13).

2. Erfordernis einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung in grundbuchverfahrens­rechtlicher Hinsicht
Vor dem Hintergrund dieses Zwecks entspricht es – soweit ersichtlich – einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung in grundbuchverfahrensrechtlicher Hinsicht nicht notwendig ist, soweit Sondereigentumseinheiten von Veränderungen des Wohnungseigentumsgrundstücks nicht betroffen sind.

Das OLG Hamburg (RNotZ 2004, 399, 400) etwa hält eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung bei Vereinigung von zwei Wohnungs- und Teileigentumseinheiten für entbehrlich, solange das den Wohneinheiten zugeordnete Sondereigentum nicht auf Kosten von Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer ausgeweitet wird. Erst Recht keine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung müsste danach bzgl. der von der Vereinigung nicht betroffenen Sondereigentumseinheiten vorgelegt werden.

Das OLG München (ZWE 2011, 267) verlangt bei Unterteilung von Wohnungseigentum nur für die neu gebildeten Sondereigentumseinheiten eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung. Sogar auf diese könne aber verzichtet werden, wenn „von vornherein bereits in sich abgeschlossene Räume durch Unterteilung getrennt werden.“ Auch hiernach ist eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung der von der Unterteilung nicht betroffenen Sondereigentumseinheiten entbehrlich.

Entsprechend verlangt das BayObLG (NJW-RR 1998, 1237, 1238) bei Übertragung eines Teils einer Sondereigentumseinheit nur für die „betroffenen Wohnungen“ eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung.

In einer früheren Entscheidung forderte das BayObLG (MittBayNot 1994, 224, 225) zwar für den Fall der Unterteilung vormals vereinigter Wohnungseigentumseinheiten, die zur Wiederherstellung des früheren Zustands führte, die Vorlage einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung. Dies wurde aber damit begründet, dass die Abgeschlossenheitsbescheinigung dem Nachweis tatsächlicher Zustände dient und die für die Abgeschlossenheit der früheren Wohnungen maßgeblichen Verhältnisse sich inzwischen geändert haben können. Im konkreten Fall lagen zwischen der alten Abgeschlossenheitsbescheinigung und der Unterteilung 21 Jahre. Bei Rapp (§ 7 WEG Rn. 22) heißt es:

„Ist die Abgeschlossenheit bereits bescheinigt, so bedarf es keiner neuen Bescheinigung, falls Veränderungen beim Wohnungseigentumsgrundstück eintreten (z. B. eine Realteilung desselben), und anhand öffentlicher Urkunden (z. B. amtlicher Lageplan) nachgewiesen werden kann, dass die Gebäude, für deren Wohnungen die Abgeschlossenheitsbescheinigung gegeben ist, von der Änderung nicht betroffen sind.“

Ähnlich verhält sich Rapp (MittBayNot 1996, 344, 345) zu dem Fall der Unterteilung einer bestehenden Wohnungseigentumseinheit. Zum Grundbuchvollzug sei ein „geänderter Aufteilungsplan samt Abgeschlossenheitsbescheinigung (nur) bezüglich der neu zu bildenden Einheiten erforderlich, da sich neue Sondereigentumsbereiche ergeben.“ Auch Röll (DNotZ 1993, 158, 162) hält für den Fall der Unterteilung eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung der Baubehörde nach § 7 Abs. 4 WEG (…), beschränkt auf die von der Unterteilung betroffenen Räume“ für ausreichend. So sieht es auch Streblow (MittRhNot 1987, 141, 148), nach dem bei einer Unterteilung eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung nur erforderlich ist, soweit „sich aufgrund der Aufteilung die Abgrenzung der Eigentumswohnungen voneinander ändert.“

Schöner/Stöber (Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 2968) führen zu dem Thema allgemein aus, dass eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung dann erforderlich ist, „soweit sich die Abgeschlossenheit nicht aus dem bisherigen Plan und der zugehörigen Bescheinigung ergibt.“ Auch Schneider (Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl. 2017, § 2 Rn. 113) hält die Anpassung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung bei Änderung der Grundstückverhältnisse vor Vollzug der Aufteilung für entbehrlich, soweit sich an den „bereits bescheinigten maßgeblichen Rechtsverhältnissen (…) keine Änderungen ergeben.“

3. Anspruch des Grundstückseigentümers auf Erteilung einer Teilabgeschlossenheits­bescheinigung gegenüber der Baubehörde
Von der Frage, ob es dem grundbuchverfahrensrechtlichen Erfordernis des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WEG genügt, wenn sich die neue Abgeschlossenheitsbescheinigung nur auf zwischenzeitlich erfolgte Änderungen der Aufteilung bezieht („Teilabgeschlossenheitsbescheinigung“) und nicht erneut die Abgeschlossenheit aller Räumlichkeiten bescheinigt, ist die Frage zu unterscheiden, ob der Bauträger gegenüber der Baubehörde einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Teilabgeschlossenheitsbescheinigung hat.

Die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung durch die Baubehörde fußt öffentlich-rechtlich auf einer Verwaltungsvorschrift vom 19.3.1974 (BAnz. Nr. 58 vom 23.3.1974). In deren Nr. 1 heißt es: „Die Bescheinigung darüber, dass eine Wohnung oder nicht zu Wohnzwecken dienende Räume in sich abgeschlossen im Sinne des § 3 Abs. 2 bzw. des § 32 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes sind, wird auf Antrag des Grundstückseigentümers oder Erbbauberechtigten durch die Bauaufsichtsbehörde erteilt.“

Aus dieser Formulierung könnte sich ein Anspruch auf Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung ergeben. Dieser Anspruch würde u. E. auch die Erteilung einer Teilabgeschlossenheitsbescheinigung erfassen. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig: Bescheinigt werden kann, dass „eine Wohnung“ in sich abgeschlossen ist. Die Vorschrift sieht somit auch die Möglichkeit einer Teilabgeschlossenheitsbescheinigung, die sich bloß auf eine Wohneinheit innerhalb einer größeren Wohnungseigentumsanlage bezieht, vor. Die Auffassung der Baubehörde, es könne stets nur die Abgeschlossenheit aller Wohnungen bescheinigt werden, findet im Wortlaut der Verwaltungsvorschrift hingegen keinen Widerhall. Dafür hätte es bspw. heißen müssen, dass auf Antrag die Abgeschlossenheit aller Wohnungen/Räume auf einem Grundstück bescheinigt wird. Das ist aber gerade nicht der Fall.

Zwar stellen Verwaltungsvorschriften keine Gesetze im formellen oder materiellen Sinne dar. Sie haben keine unmittelbare Außenwirkung, sondern sind lediglich Handlungsanweisungen für den internen Verwaltungsbereich (BVerwG VIZ 2003, 403, Tz. 13 [juris]). Unmittelbar aus der Verwaltungsvorschrift vom 19.3.1974 selbst ergibt sich deshalb kein Anspruch des Bürgers auf Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass Verwaltungsvorschriften über ihre interne Bindung hinaus vermittels des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Vertrauensschutzgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger haben können. Voraussetzung dafür ist, dass die zu beurteilende Verwaltungsvorschrift eine Willensäußerung der Exekutive darstellt, zukünftig alle ihr entsprechenden Fälle auch hiernach zu behandeln (Gedanke der „antizipierten Verwaltungspraxis“, vgl. BVerwGE 52, 193, 199). Dass dieser Gedanke dem Erlass der Verwaltungsvorschrift vom 19.3.1974 zugrunde lag, ihr mithin eine anspruchsbegründende Außenwirkung zukommt, wird von der Rechtsprechung unausgesprochen vorausgesetzt, da sie von einem dem Grunde nach bestehenden Rechtsanspruch des Grundstückseigentümers auf Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung ausgeht (vgl. BVerwG 1997, 71, 75; OVG Münster, MittBayNot 1986, 82, 84). Auch die Literatur nimmt einen solchen Rechtsanspruch an. So heißt es bspw. bei Nolte (Simon/Busse, BayBO, 128. EL Dezember 2017, Art. 46 Rn. 53): „Der Bürger hat auf Erlass einen Rechtsanspruch, wenn die in der Verwaltungsvorschrift konkretisierten Voraussetzungen des WEG erfüllt sind.“

Geht man demnach von dem Bestehen eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung aus, kann sich dieser Anspruch aufgrund der konkreten Formulierung der hierfür maßgeblichen Verwaltungsvorschrift (s. o.) u. E. auch auf Erteilung einer „Teilabgeschlossenheitsbescheinigung“ richten. Wir weisen jedoch darauf hin, dass wir zu dieser Frage keine Stellungnahmen aus Rechtsprechung und Literatur ausfindig machen konnten.

4. Ergebnis
Aus dem Zweck der Abgeschlossenheitsbescheinigung und den aufgeführten Fundstellen ergibt sich, dass in diesem Fall eine komplett neue Abgeschlossenheitsbescheinigung, die auch die unverändert bleibenden Sondereigentumseinheiten miteinbezieht, grundbuchverfahrensrechtlich entbehrlich sein dürfte. Denn die Abgeschlossenheit dieser Sondereigentumseinheiten ergibt sich bereits aus dem bisherigen Plan und der zugehörigen Bescheinigung. Änderungen an diesen Sondereigentumseinheiten, die die Frage ihrer Abgeschlossenheit neu aufwerfen würden, sind nicht ersichtlich.

Anders könnte die Rechtslage in grundbuchverfahrensrechtlicher Hinsicht dann einzuschätzen sein, wenn die Teilungserklärung zunächst auf Grundlage der alten Abgeschlossenheitsbescheinigung grundbuchlich vollzogen und die Änderung dann im Nachgang vorgenommen wird. Denn zumindest bei einem deutlichen zeitlichen Abstand zwischen der ursprünglichen Abgeschlossenheitsbescheinigung und der nachträglichen Änderung könnte die Abgeschlossenheitsbescheinigung entsprechend der bereits erwähnten Entscheidung des BayObLG (MittBayNot 1994, 224, 225) durch Zeitablauf entwertet werden. Danach kann grundbuchverfahrensrechtlich eine gänzlich neue Abgeschlossenheitsbescheinigung erforderlich werden, wenn sich die für die Abgeschlossenheit maßgeblichen tatsächlichen Umstände zwischenzeitlich geändert haben können. Freilich betrug der Zeitabstand in der angesprochenen Entscheidung 21 Jahre, sodass fraglich erscheint, inwieweit dieses Urteil auf Fälle übertragen werden kann, in denen zwischen Abgeschlossenheitsbescheinigung und Änderung des Teilungsplans kein derart langer Zeitraum verstrichen ist. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu liegt – soweit ersichtlich – allerdings nicht vor, sodass die Rechtslage als insgesamt unsicher bezeichnet werden muss.

Sollte nach alledem eine Teilabgeschlossenheitsbescheinigung aber grundbuchverfahrensrechtlich ausreichend sein, kann der Grundstückseigentümer diese im Verhältnis zur Baubehörde u. E. auch verlangen. Der entsprechende Rechtsanspruch ergibt sich aus Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift vom 19.3.1974 i. V. m. Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG. Auch hierzu liegen aber keine Stellungnahmen aus Rechtsprechung oder Literatur vor.

Gutachten/Abruf-Nr:

163754

Erscheinungsdatum:

28.02.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 29-32

Normen in Titel:

WEG § 7 Abs. 4