13. August 2010
HGB § 128; HGB § 28

Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns; Ausschluss der Haftung nach § 28 HGB; Folgen für die akzessorische Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB

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HGB §§ 28, 128 Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns; Ausschluss der Haftung nach § 28 HGB; Folgen für die akzessorische Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB

I. Sachverhalt Die XY-Betriebsgesellschaft mbH wurde im Wege der Aufnahme mit dem Vermögen des Alleingesellschafters Frau A zur Weiterführung durch den Einzelkaufmann nach §§ 120 - 122 UmwG verschmolzen. Dies wurde 1998 im Handelsregister eingetragen. In das einzelkaufmännische Unternehmen der Frau A ist im Jahr 2004 Herr B als weiterer persönlich haftender Gesellschafter eingetreten. Im Handelsregister ist eingetragen: ,,Der Übergang der im Betrieb des Geschäfts des früheren Inhabers begründeten Verbindlichkeiten ist ausgeschlossen." Frau A beabsichtigt nunmehr, ihren Gesellschaftsanteil an die Herren B, C und D zu übertragen. II. Fragen 1. Haften die den bisherigen Anteil der Frau A übernehmenden Gesellschafter B, C und D aufgrund des Erwerbs für die im Einzelunternehmen der Frau A entstandenen Verbindlichkeiten (Altschulden des Einzelunternehmers)? Haftet Frau A nach der Übertragung ihres Gesellschaftsanteils künftig weiter für ihre Altschulden als ehemaliger Einzelunternehmer? Falls eine Haftung von B, C und D bestünde, könnte diese vertraglich mit Drittwirkung ausgeschlossen werden?

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III. Zur Rechtslage 1. Haftung der Erwerber für die Altverbindlichkeiten des Einzelkaufmanns Eine ausdrückliche Stellungnahme zur Frage, ob der Erwerber in der hier vorliegenden Konstellation für die Altverbindlichkeiten des Einzelkaufmanns haftet, konnten wir in
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Rechtsprechung und Literatur nicht auffinden. Insofern ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Haftung innerhalb der OHG und bei Eintritt eines weiteren persönlich haftenden Gesellschafters in das Geschäft eines Einzelkaufmanns erforderlich. a) Grundsätze zur Haftung innerhalb der OHG Aus § 124 HGB ergibt sich, dass die OHG selbständiger Träger von Rechten und Pflichten ist. Für die von ihr (durch ihre Vertreter) eingegangenen Verpflichtungen haftet grundsätzlich die OHG. Daneben haften nach § 128 S. 1 HGB auch die Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden, und zwar persönlich, unmittelbar, unbeschränkt und akzessorisch zur Gesellschaftsschuld. § 128 S. 2 HGB regelt ergänzend, dass diese Haftung Dritten gegenüber nicht wirksam beschränkt werden kann. Damit ist für die vorliegende Frage zunächst davon auszugehen, dass die Erwerber der Gesellschaftsbeteiligungen der Frau A nur dann (unbeschränkbar) für die Altverbindlichkeiten der Frau A haften, wenn auch die Gesellschaft selbst für diese Verbindlichkeiten haften würde. Die Haftung der Gesellschafter ist nach § 128 S. 1 HGB akzessorisch zur Haftung der Gesellschaft. Neu eintretende Gesellschafter bzw. solche, die den Anteil durch Anteilsübertragung erwerben, haften auch für vor ihrem Eintritt begründete Verbindlichkeiten. So regelt § 130 Abs. 1 HGB, dass der Beitretende gleich den anderen Gesellschaftern und unabhängig von einer Firmenänderung nach Maßgabe der §§ 128, 129 HGB für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist gem. § 130 Abs. 2 HGB Dritten gegenüber unwirksam. Entscheidend ist vorliegend also, ob die Gesellschaft derzeit für die Verbindlichkeiten aus dem einzelkaufmännischen Unternehmen haftet. b) § 28 Abs. 1 HGB als haftungsbegründender Tatbestand Der Normzweck des § 28 Abs. 1 HGB ist in der Literatur überaus umstritten (zum Streitstand vgl. Zimmer, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. 2008, § 28 Rn. 1 ff.; MünchKomm-HGB/Lieb, 2. Aufl. 2005, § 28 Rn. 3 ff.; Ammon/Ries, in: Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB, 3. Aufl. 2008, § 28 Rn. 1 ff.). Einigkeit dürfte aber darin bestehen, dass es sich letztlich um eine gesetzliche Haftungsanordnung handelt (MünchKommHGB/Lieb, § 28 HGB Rn. 3; Ammon/Ries, § 28 Rn. 3). § 28 Abs. 1 HGB regelt, dass bei Eintritt eines persönlich haftenden Gesellschafters in das Geschäft eines Einzelkaufmanns die Gesellschaft auch dann haftet, wenn sie die frühere Firma nicht fortführt (ansonsten ist noch § 25 HGB zu beachten). Die Haftung erstreckt sich auf alle im Betrieb des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers. Mit anderen Worten: § 28 Abs. 1 HGB regelt, dass die Gesellschaft für die Verbindlichkeiten des Einzelkaufmanns forthaftet. Die Vorschrift führt zu einem gesetzlich geregelten Schuldbeitritt (Ammon/Ries, § 28 Rn. 28; MünchKommHGB/Lieb, § 28 Rn. 27; Zimmer, § 28 Rn. 29). Die Haftung des Einzelkaufmanns bleibt also nach wie vor bestehen. Es handelt sich nur um einen Schuldbeitritt (Röhricht/Graf v. Westphalen/Ammon/Ries, § 28 HGB Rn. 30). c) Bedeutung des § 28 Abs. 2 HGB Nach § 28 Abs. 2 HGB ist eine von § 28 Abs. 1 HGB abweichende Vereinbarung Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden ist. Unabhängig davon, dass in der Literatur über die Berechtigung des § 28 Abs. 2 HGB

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gestritten und § 28 Abs. 2 HGB als sinnwidrige Norm angesehen wird, die teleologisch auf Null zu reduzieren sei (MünchKommHGB/Lieb, § 28 Rn. 36), finden sich zu den Rechtsfolgen des § 28 Abs. 2 HGB in der Kommentarliteratur nur relativ wenige Aussagen. Zimmer (§ 28 Rn. 37) führt beispielsweise aus, dass im Wesentlichen (!) auf die Ausführungen bei § 25 HGB verwiesen werden könne. Eine abweichende Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 HGB führt dazu, dass die Haftung der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Ist ein solcher Haftungsausschluss wirksam vollzogen, entfällt auch die akzessorische Haftung der einzelnen Gesellschafter nach § 128 HGB (Ammon/Ries, § 28 Rn. 35). Eine Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 HGB hat aber keineswegs zur Folge, dass auch der frühere Einzelkaufmann nicht persönlich weiterhaftet. Es kommt lediglich nicht zu einer Haftung der Gesellschaft. Dies folgt daraus, dass § 28 Abs. 1 HGB nur einen Schuldbeitritt begründet. d) Übertragung auf die vorliegende Fragestellung Im vorliegenden Fall wurde die Haftung nach § 28 Abs. 1 HGB durch eine Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 HGB ausgeschlossen und diese im Handelsregister eingetragen. Daraus folgt, dass die Gesellschaft hier nicht für die Altverbindlichkeiten haftet. Damit haften auch die Gesellschafter nicht gem. § 128 HGB akzessorisch für die Altverbindlichkeiten. Die Haftung des früheren Inhabers des einzelkaufmännischen Betriebs für Altverbindlichkeiten bleibt dagegen bestehen. Diese Haftung ergibt sich allerdings nicht aus dem Gesellschaftsrecht, sondern daraus, dass die Verbindlichkeiten in seinem einzelkaufmännischen Unternehmen begründet wurden. 2. Haftung des Anteilserwerbers Zu der Frage, ob in einer derartigen Situation der Anteilserwerber haftet, konnten wir keine Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur auffinden. a) Anteilsübertragung Während die frühere Rechtsprechung davon ausging, dass die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft nicht übertragbar sei und somit nur ein kombinierter Ein- und Austritt in Betracht komme, ist seit dem Urteil des Reichsgerichts vom 30.9.1944 (DNotZ 1944, 195, neu abgedruckt in WM 1964, 1130) anerkannt, dass die Gesellschafterstellung auch unmittelbar vom Altgesellschafter auf den Neugesellschafter übertragen werden kann (statt aller: MünchHdbGesR/Piehler/Schulte, Bd. 1, 3. Aufl. 2009, § 73 Rn. 1). b) Haftungsfolgen Übertragen wird im vorliegenden Fall die Mitgliedschaft in der OHG, d. h. die Gesellschafterstellung als solche. Diese kann nur so erworben werden, wie sie beim Veräußerer bestanden hat. Im vorliegenden Fall gehen wir davon aus, dass die Gesellschaft nicht für die Altverbindlichkeiten aus dem einzelkaufmännischen Unternehmen haftet. Der Veräußerer (Frau A) haftete also auch nicht als Gesellschafterin gem. § 128 HGB für die Altverbindlichkeiten. Ebenso wenig haften folglich die Erwerber nach § 128 HGB. Dass Frau A gleichwohl für die Altverbindlichkeiten weiterhaftet, ergibt sich daraus, dass die Altverbindlichkeiten in ihrem einzelkaufmännischen Unternehmen begründet wurden. Hierauf, nicht auf § 128

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HGB gründet sich ihre Haftung. Letzteres ist nach u. E. für die Frage maßgeblich, ob die Erwerber haften. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man annimmt, dass mit dem Erwerb der Beteiligung zugleich auch die Verbindlichkeiten der Frau A aus dem einzelkaufmännischen Unternehmen übernommen werden. Man müsste also annehmen, dass die Erwerber auch insofern in die Rechtsposition der Frau A eintreten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Erwerber treten vielmehr nur in die gesellschaftsrechtliche Stellung der Frau A ein. In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht hat Frau A aber nie nach § 128 HGB für die Altverbindlichkeiten gehaftet. Somit ist eine Haftung der Erwerber für die Altverbindlichkeiten ausgeschlossen. 3. Haftung der Frau A Frau A haftet weiter für die in ihrem einzelkaufmännischen Unternehmen begründeten Verbindlichkeiten. Lediglich für die Verbindlichkeiten, die in der Gesellschaft begründet wurden, kommt eine Enthaftung nach § 160 HGB in Betracht. § 160 HGB ist aber nicht für die Haftung für Altverbindlichkeiten aus dem einzelkaufmännischen Unternehmen maßgeblich. § 160 HGB regelt nämlich nur die Nachhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Auch § 28 Abs. 3 HGB, der die Nachhaftung für Verbindlichkeiten des einzelkaufmännischen Unternehmens regelt, ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der Einzelkaufmann hier nicht Kommanditist geworden ist. Insofern gehen wir davon aus, dass es weiterhin bei der persönlichen Haftung verbleibt. Dies ist auch insofern folgerichtig, als gerade eine Haftungsbegründung bei der Gesellschaft durch eine Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 HGB ausgeschlossen wurde. 4. Abweichende Vereinbarung Würde man entgegen dem hier gefundenen Ergebnis davon ausgehen, dass die Gesellschaft und in der Folge auch der Erwerber gem. § 128 HGB akzessorisch für die Altverbindlichkeiten aus dem einzelkaufmännischen Unternehmen haftet, wäre eine abweichende Vereinbarung, wie sich aus § 128 S. 2 HGB und § 130 Abs. 2 HGB ergibt, unwirksam. 5. Zusammenfassung § 28 HGB ordnet eine Forthaftung der Gesellschaft für Verbindlichkeiten aus dem vormaligen einzelkaufmännischen Unternehmen an. Nur soweit die Gesellschaft haftet, kommt auch eine akzessorische Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB in Betracht. Entsprechend entfällt die akzessorische Haftung, wenn die Haftung der Gesellschaft durch abweichende Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 HGB ausgeschlossen ist. Davon unberührt bleibt die Forthaftung des Gesellschafters als ehemaliger Einzelkaufmann. Überträgt der jetzige Gesellschafter seine Gesellschafterstellung, geht diese so auf den Erwerber über, wie sie beim Veräußerer bestanden hat. Auch den Erwerber trifft insoweit keine Haftung nach § 28 Abs. 1 HGB.

Gutachten/Abruf-Nr:

100111

Erscheinungsdatum:

13.08.2010

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

OHG
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht

Normen in Titel:

HGB § 128; HGB § 28