03. März 2023
BGB § 1175

Löschung einer Grundschuld an einem Miteigentumsanteil; Teilvollzug einer Löschungsbewilligung für ein Gesamtgrundpfandrecht

BGB § 1175
Löschung einer Grundschuld an einem Miteigentumsanteil; Teilvollzug einer Löschungsbewilligung für ein Gesamtgrundpfandrecht

I. Sachverhalt

Ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück steht im Eigentum mehrerer Miteigentümer. Eine Aufteilung in Wohnungseigentumseinheiten nach dem WEG ist nicht erfolgt. Das gesamte Grundstück ist mit einer nicht mehr valutierten Grundschuld belastet. Eine Miteigentümerin möchte die Grundschuld zumindest an ihrem Miteigentumsanteil löschen lassen. Die Grundpfandgläubigerin hat eine Löschungsbewilligung für die gesamte Grundschuld erteilt. Ein anderer Miteigentümer verweigert jedoch seine Zustimmung zur Löschung der Grundschuld im Ganzen.

II. Frage
Wie kann die Löschung der Grundschuld an einem Miteigentumsanteil erreicht werden?

III. Zur Rechtslage
Eine an einem im Eigentum mehrer Miteigentümer stehenden Grundstück lastende Grundschuld kann am Anteil eines Miteigentümers gem. §§ 1192 Abs. 1, 1175 Abs. 1 S. 2, 1168 Abs. 2 S. 1 BGB aufgehoben werden, wenn die Gläubigerin auf die Grundschuld an diesem Miteigentumsanteil verzichtet und die Löschung in das Grundbuch eingetragen wird (BeckOGK-BGB/Neie, Std.: 1.1.2023, § 1175 Rn. 6).

1. Vorliegen einer Gesamtgrundschuld
Einleitend ist klarzustellen, dass die Belastung eines in Miteigentum stehenden Grundstücks durch alle Miteigentümer mit einer Grundschuld nicht zum Entstehen einer Einzelgrundschuld am Gesamtgrundstück führt. Es entsteht vielmehr eine Gesamtgrundschuld an allen Miteigentumsanteilen (BGH NJW-RR 2010, 1529 Tz. 7 m. w. N.; Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1132 Rn. 5).

2. Vorliegen einer Verzichtserklärung (§ 1175 Abs. 1 S. 2 BGB)
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Gläubigerin einen Verzicht auf die Grundschuld an einem Miteigentumsanteil erklärt hat.

Im Regelfall wird ein Grundschuldgläubiger zur Löschung einer Gesamtgrundschuld an nur einem mithaftenden Grundstück bzw. Miteigentumsanteil eine „Pfandentlassung“ erklären. Eine solche Erklärung stellt zum einen eine verfahrensrechtliche Erklärung, nämlich eine Bewilligung i. S. d. § 19 GBO zur Löschung der Grundschuld an einem Miteigentumsanteil dar. Sie wird jedoch in aller Regel so auszulegen sein, dass sie darüber hinaus auch die materiell-rechtliche Verzichtserklärung i. S. d. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB umfasst (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1529 Tz. 9; MünchKommBGB/Lieder, 9. Aufl. 2023, § 1175 Rn. 5; Grüneberg/Herrler, § 1175 Rn. 3). Auch wenn dem äußeren Anschein nach nur eine einzige Erklärung vorliegt, handelt es sich somit rechtlich um zwei Erklärungen.

Im vorliegenden Fall hat die Gläubigerin jedoch eine Löschungsbewilligung für die Grundschuld am gesamten Grundstück erteilt. Fraglich ist, ob diese als Verzichtserklärung i. S. d. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich eines Miteigentumsanteils ausgelegt werden kann.

Dagegen könnte im Ausgangspunkt folgende Überlegung sprechen: Eine Löschungsbewilligung für ein Grundpfandrecht, das kein Gesamtgrundpfandrecht darstellt, soll nach h. M. materiell-rechtlich eine Aufgabeerklärung im Hinblick auf das Grundpfandrecht i. S. d. § 875 BGB (vgl. BGH NJW 1974, 1083), nicht aber einen Verzicht i. S. d. § 1168 Abs. 1 BGB beinhalten. Als Argument hierfür werden die unterschiedlichen Rechtsfolgen von Aufgabe und Verzicht angeführt. Der Verzicht gem. § 1168 Abs. 1 BGB führe dazu, dass der Eigentümer das fortbestehende Recht erwerbe, also eine Eigentümergrundschuld entstehe. Daher müsse der Wille, das Recht fortbestehen zu lassen, erkennbar sein (Grüneberg/Herrler, § 1168 Rn. 2). Die Aufhebung hingegen führe zum Erlöschen des Rechts und bedürfe nach § 1183 BGB zusätzlich der Zustimmung des Eigentümers. Eine Löschungsbewilligung des Gläubigers könne deshalb regelmäßig nicht als Verzichtserklärung i. S. d. § 1168 BGB verstanden werden (OLG Hamm MittBayNot 1998, 446, 446 f.). Die Gegenauffassung erblickt hingegen in einer Löschungsbewilligung auch einen Verzicht (Staudinger/Wolfsteiner, BGB, 2019, § 1168 Rn. 16).

Bei einer für eine Gesamtgrundschuld abgegebenen Bewilligung, diese an einem mitbelasteten Grundstück zu löschen („Pfandfreigabe“), ergibt sich jedoch hinsichtlich der eintretenden Rechtsfolgen im Verhältnis zwischen Aufgabe einerseits und Verzicht andererseits in Ansehung eines mithaftenden Grundstücks kein Unterschied. Der Verzicht des Gläubigers auf das Grundpfandrecht an einem mithaftenden Grundstück führt gem. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB zum Erlöschen des Rechts an dem aus der Mithaft entlassenen Grundstück. Die Rechtsfolge des Verzichts i. S. v. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB ist also mit derjenigen der Aufhebung identisch. Aufhebung (§ 875 BGB) und Verzicht (§ 1175 Abs. 1 S. 2 BGB) unterscheiden sich nur darin, dass die Aufhebung die übereinstimmende Erklärung des Gläubigers und des Eigentümers voraussetzt, während der Verzicht nach § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB allein auf der einseitigen Erklärung des Gläubigers beruht. Im Zweifel ist deshalb anzunehmen, dass eine Pfandentlassungserklärung des Gläubigers auf einen Verzicht i. S. d. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB, also darauf gerichtet ist, den beabsichtigten Rechtserfolg ohne eine weitere Erklärung des Eigentümers herbeizuführen (OLG Hamm MittBayNot 1998, 446, 447).

Ausgehend von diesen Erwägungen kann die für das Gesamtgrundpfandrecht erteilte Löschungsbewilligung dahin ausgelegt werden, dass sie auch einen Teilvollzug am übertragenen Miteigentumsanteil ermöglichen soll und die dafür erforderliche materiellrechtliche Erklärung, nämlich die Verzichtserklärung i. S. d. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB mit enthält. Sowohl die Aufgabe i. S. d. § 875 BGB bezüglich des Gesamtrechts als auch der Verzicht i. S. d. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich eines Miteigentumsanteils führen zum Erlöschen des Rechts. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass die Aufgabe zur Löschung des Grundpfandrechts im Ganzen führt und daher quantitativ weiter reicht. Jedoch kommt es auf diesen Unterschied für die Auslegung nicht an, da die Gläubigerin mit der Abgabe einer Löschungsbewilligung für das Gesamtrecht zu erkennen gibt, am weiteren rechtlichen Schicksal der Grundschuld insgesamt kein Interesse mehr zu haben (OLG München FGPrax 2016, 150, 151; OLG Hamm MittBayNot 1998, 446, 447; im Ergebnis ohne nähere Begründung auch LG Gera MittBayNot 2002, 190, 191; LG München I MittBayNot 201, 484, 485; offen gelassen von OLG Celle NJOZ 2019, 631 Rn. 24).

Im Ergebnis kann eine Löschungsbewilligung für eine Gesamtgrundschuld daher als Verzichtserklärung i. S. d. § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich eines der haftenden Grundstücke (bzw. hier hinsichtlich eines Miteigentumsanteils) ausgelegt werden.

3. Eintragung in das Grundbuch
Ferner bedarf der Verzicht zu seiner Wirksamkeit gem. § 1168 Abs. 2 S. 1 BGB der Eintragung in das Grundbuch (Staudinger/Wolfsteiner, § 1175 Rn. 9; Grüneberg/Herrler, § 1175 Rn. 3; a. A. [Erlöschen allein durch Verzicht außerhalb des Grundbuchs] OLG München FGPrax 2016, 150, 151).

Zur Eintragung der Löschung der Grundschuld an einem Miteigentumsanteil sind grundbuchverfahrensrechtlich ein Antrag (§ 13 GBO) sowie eine Bewilligung (§ 19 GBO) erforderlich. Hier stellt sich wiederum die Frage, ob die Löschungsbewilligung für das Grundpfandrecht im Ganzen auch die verfahrensrechtliche Bewilligung umfasst, das Grundpfandrecht nur an einem Teil des Belastungsobjekts zu löschen.

Abgelehnt wurde eine derartige Auslegung zuletzt nur noch in der Vorauflage von Schöner/Stöber (Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 2724a). Ein Antrag sei nur vollziehbar, wenn eine ihn deckende Eintragungsbewilligung vorliege; er dürfe hinter der Bewilligung nicht zurückbleiben. Die Löschungsbewilligung für ein Gesamtgrundpfandrecht erlaube daher nur die Löschung dieses einheitlichen Rechts im Ganzen auf allen Grundstücken. Die Löschung an nur einem Grundstück für Entlassung aus der Mithaft habe der Gläubiger damit gerade nicht bewilligt. Die Löschung des Gesamtgrundpfandrechts erfordere nämlich auch verfahrensrechtlich die Zustimmung der Eigentümer sämtlicher belasteter Grundstücke (§ 27 GBO). Stimme der Eigentümer eines der belasteten Grundstücke (oder auch eines Miteigentumsanteils) der Löschung nicht zu, ermögliche die Löschungsbewilligung weder die erstrebte und bewilligte Löschung des Gesamtgrundpfandrechts noch eine andere Eintragung, also auch nicht Eintragung der Löschung auf dem Grundbuchblatt des Grundstücks nur eines zustimmenden Eigentümers (zwecks Entlassung aus der Mithaft). Die Löschung nur an einem Grundstück statt sofortiger Löschung des Gesamtrechts könne überdies die Interessen des Bewilligenden grundlegend berühren. Dem trage die (nicht bewilligte) Teillöschung nicht Rechnung. Daher sei die Eintragungsbewilligung zur Löschung des gesamten Grundpfandrechts als eindeutige Verfahrenserklärung zur Vereinfachung der Buchführung auch nicht je nach den Besonderheiten des Einzelfalls auslegungsfähig.

Nach ganz h. M. ermöglicht jedoch eine für das Gesamtgrundpfandrecht abgegebene Löschungsbewilligung auch die Eintragung der Löschung an nur einem einzelnen Grundstück bzw. an einzelnen Miteigentumsanteilen. Eine Löschungsbewilligung umfasse in aller Regel auch eine solche Pfandfreigabeerklärung. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Gläubiger des Gesamtgrundpfandrechts auch mit einem „Teilvollzug“ der von ihm erteilten Löschungsbewilligung einverstanden sei. Der Gläubiger habe an dem weiteren rechtlichen Schicksal des Gesamtrechts nach Erteilung der Löschungsbewilligung kein Interesse mehr. Seine rechtlichen Belange würden durch die Art und Weise des nachfolgenden Grundbuchvollzuges nicht mehr berührt (OLG Frankfurt FGPrax 2019, 252; OLG Hamm Rpfleger 1998, 511 = MittBayNot 1998, 446 = NJW-RR 1999, 741; LG München I MittBayNot 2001, 484 = NotBZ 2001, 308; LG Chemnitz MittRhNotK 2000, 433; LG Gera BWNotZ 2002, 90 = MittBayNot 2002, 190 m. Anm. Munzig; Grüneberg/Herrler, § 1175 Rn. 3).

Mittlerweile hat sich auch die Kommentierung von Schöner/Stöber der nunmehr allgemeinen Ansicht angeschlossen (16. Aufl. 2020, Rn. 2724a).

4. Kein Erfordernis der Zustimmung anderer Miteigentümer
Die Löschung der Grundschuld am übertragenen Miteigentumsanteil bedarf weder materiellrechtlich gem. § 1183 BGB noch verfahrensrechtlich gem. § 27 GBO der Zustimmung der anderen Miteigentümer. § 1183 BGB ist auf einen Verzicht nach § 1175 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anwendbar, weil mit der Freistellung eines Grundstücksbruchteils von der Belastung durch die Gesamtgrundschuld nicht deren Aufhebung einhergeht; sie besteht vielmehr an den verbleibenden Miteigentumsanteilen fort (Staudinger/Wolfsteiner, § 1183 Rn. 24). § 27 Abs. 1 S. 1 GBO ist nicht anwendbar, da keine selbstständige Löschung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, sich das Erlöschen des Grundpfandrechts vielmehr als gesetzliche Folge des Verzichts ergibt (Staudinger/Wolfsteiner, § 1175 Rn. 11; Schäfer, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 27 Rn. 17).

5. Ergebnis
Im Ergebnis kann daher im Grundbuch die Freigabe des Miteigentumsanteils aus der Grundschuld unter Vorlage der bereits vorliegenden Löschungsbewilligung für das Gesamtrecht beantragt werden. Einer Zustimmung anderer Miteigentümer bedarf es nicht.

Im Übrigen stellt sich die Frage, ob dem der Gesamtlöschung nicht zustimmenden Miteigentümer mit einer Aufrechterhaltung der Grundschuld an seinem Miteigentumsanteil gedient ist. Solange die Löschungsbewilligung teilweise unausgenutzt im Grundakt liegt, kann die Grundschuld am Restgrundstück jederzeit gelöscht werden. Die Grundschuld ist deswegen als zukünftige Kreditunterlage wertlos.

Gutachten/Abruf-Nr:

194206

Erscheinungsdatum:

03.03.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grundpfandrechte

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 33-35

Normen in Titel:

BGB § 1175