Entfall eines Pflichtteilsverzichts bei Ausübung eines Rückforderungsrechts; Aufhebung eines Pflichtteilsverzichts nach dem Tod des Verzichtenden
BGB §§ 2346 Abs. 2, 2351
Entfall eines Pflichtteilsverzichts bei Ausübung eines Rückforderungsrechts; Aufhebung eines Pflichtteilsverzichts nach dem Tod des Verzichtenden
I. Sachverhalt
Eltern haben ihre Immobilie auf ihren Sohn übertragen. In der Überlassungsurkunde wurde ein Rückforderungsrecht u. a. für den Fall des Vorversterbens des Sohnes vereinbart. Ferner hat der Sohn in der Urkunde unter dem Gliederungspunkt „Gegenleistungen“ mit Wirkung für sich und seine Abkömmlinge einen Pflichtteilsverzicht gegenüber dem Erstversterbenden seiner Eltern abgegeben. Der Pflichtteilsverzicht war aufschiebend bedingt auf die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Beim Rückforderungsrecht ist lediglich geregelt, dass die Pflichtteilsanrechnung im Falle der Rückforderung entfällt, bezüglich des Pflichtteilsverzichts ist nichts geregelt.
Der Sohn ist verstorben. Die Eltern verlangen von den Erben (Schwiegertochter und Enkelkinder) die Rückübertragung. Die Erben wollen die Immobilie nur zurückübertragen, wenn dafür auch der Pflichtteilsverzicht entfällt.
II. Fragen
1. Entfällt der Pflichtteilsverzicht durch die Ausübung des Rückforderungsrechts?
2. Ist eine Aufhebung des Pflichteilsverzichts mit den Enkelkindern möglich?
III. Zur Rechtslage
1. Bestand eines Pflichtteilsverzichts des Erwerbers bei Ausübung eines Rückforderungsrechtes
Kommt es zur Rückübertragung aufgrund eines vorbehaltenen Rückforderungsrechts und fehlt eine ausdrückliche vertragliche Regelung hinsichtlich des Bestands des Pflichtteilsverzichts des Erwerbers, so ist der diesbezügliche Wille der Parteien im Wege der Auslegung zu ermitteln. Ein verbindliches Auslegungsergebnis kann unsererseits freilich nicht ermittelt werden, allerdings können Aspekte dargelegt werden, die bei der Auslegung gegebenenfalls zu beachten sein dürften.
Zunächst ist auf eine Entscheidung des OLG München (
Bereits früher hat das OLG München (
Keim (
Weidlich (
Insgesamt erscheint die vom OLG München befürwortete ergänzende Auslegung als recht weitgehender Eingriff in die wegen der Beurkundungspflicht des Pflichtteilsverzichtes zwingend unter den Direktiven des
Im vorliegenden Fall spricht für die Annahme einer auflösenden Bedingung insbesondere die Tatsache, dass die Wirksamkeit des Pflichtteilsverzichts bereits an die Eigentumsumschreibung auf den Sohn geknüpft wurde. Der Verzicht sollte also nur gelten, wenn der Sohn (bzw. sein Stamm) den Grundbesitz tatsächlich erhält. Auch die Verortung des Pflichtteilsverzichts des Sohnes unter dem Gliederungspunkt „Gegenleistungen“ spricht u. E. für die Annahme eines entsprechenden Zusammenhangs. Schließlich deutet auch der Umstand, dass nach dem Vertrag eine Pflichtteilsanrechnung im Fall der Rückforderung entfällt, darauf hin, dass für diesen Fall keine pflichtteilsmindernden Konsequenzen gewünscht waren und lediglich eine ausdrückliche Regelung betreffend den Pflichtteilsverzicht vergessen wurde.
2. Aufhebung des Pflichtteilsverzichts nach dem Tod des Verzichtenden
Fraglich ist, ob eine Aufhebung des Pflichtteilsverzichts nach dem Vorversterben des Verzichtenden überhaupt noch möglich wäre. Gem.
Soweit es – wie im vorliegenden Fall – nur um die Beseitigung der Wirkungen des Pflichtteilsverzichts auf die Abkömmlinge geht, läge an sich die Annahme nahe, dass auch die betroffenen Abkömmlinge in eigener Person mit dem Erblasser einen Aufhebungsvertrag schließen könnten. Dennoch geht die wohl h. M. davon aus, dass der Aufhebungsvertrag gem.
Da die höchstrichterliche Rechtsprechung und auch die wohl (noch) h. M. eine Aufhebung des Pflichtteilsverzichts nach dem Tod des Verzichtenden ablehnen, sollte eine solche Beurkundung zumindest nicht ohne entsprechende Belehrungen erfolgen.
Ergänzend besteht die Möglichkeit, durch eine erbrechtliche Regelung zwischen den Eltern als Erblassern und den Kindern bzw. Enkeln jenen die gleichen Rechte am Nachlass des Erstversterbenden zu verschaffen, wie dies bei einer Aufhebung des Pflichtteilsverzichts der Fall wäre. In Betracht dürfte dafür in erster Linie die Anordnung eines (vertragsmäßigen) besonderen Pflichtteilsvermächtnisses kommen, das hinsichtlich seines Entstehungstatbestandes nicht an den gesetzlichen Pflichtteil allein anknüpft, sondern hierfür besondere Tatbestandsvoraussetzungen anordnet, damit es nicht von dem bereits erklärten Pflichtteilsverzicht erfasst wird (vgl. J. Mayer,
198460
Erscheinungsdatum:02.02.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Erbverzicht
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 2346 Abs. 2; BGB § 2351