Österreich: Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses; Angabe von Grundbesitz
DNotI Gutachten-Abruf-Dienst Deutsches Notarinstitut
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 155373
letzte Aktualisierung: 3. April 2017
EuErbVO Art. 68
Österreich: Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses; Angabe von Grundbesitz
I. Sachverhalt
Der Erblasser ist im Jahre 2016 mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland verstorben.
Alleinerbin ist die Ehefrau. Die Ehefrau hat ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragt.
Mit diesem Europäischen Nachlasszeugnis soll eine Grundbuchberichtigung in Österreich
durchgeführt werden.
Das Grundbuchamt in Österreich ist der Auffassung, dass eine Grundbuchshandlung nur in Betracht
kommt, wenn im Europäischen Nachlasszeugnis der Grundbesitz aufgeführt ist.
II. Frage
Ist diese Auffassung zutreffend?
III. Zur Rechtslage
1. Der Erblasser ist nach dem 16.8.2015 verstorben. Das anwendbare Erbrecht richtet sich
somit nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (vgl.
Der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Gem. Art. 21
Abs. 1 EuErbVO ist damit das deutsche Erbrecht anwendbar. Das Erbstatut entscheidet insbesondere
auch über den Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte
(
Österreich belegene Vermögen nicht von einer Einantwortung ab, sondern unterliegt ausschließlich
dem deutschen Erbrecht der Gesamtrechtsnachfolge gem.
(vgl. Dutta/Weber/Schmidt, Internationales Erbrecht, 2016,
Reymann, ZVglRWiss 114 (2015), 40, 71). Das Verfahren der Grundbuchberichtigung
richtet sich demgegenüber nach österreichischem Recht (vgl.
2. Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) hat den Zweck, dem Erben den Nachweis seiner
Rechtsstellung und die Ausübung seiner Rechte zu erleichtern. Das ENZ stellt insbesondere
auch ein wirksames Schriftstück für die Berichtigung der Erbfolge im Grundbuch eines
anderen Mitgliedstaats dar (
Was Inhalt des ENZ ist, regelt
dass das ENZ „gegebenenfalls das Verzeichnis der Rechte und/oder Vermögenswerte“
enthält, „die einem bestimmten Erben zustehen.“ Die Einzelheiten bestimmt
das Formblatt V des Anhangs 5 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 zum
ENZ (vgl.
Angaben über die Stellung und die Rechte des Erben. Unter Ziff. 9 sind die dem „Erben zugewiesene(r) Vermögenswert(e)“ auszuweisen.
Fraglich ist, ob hierunter auch solche Vermögenswerte zu verstehen sind, die einem Alleinerben
im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge zufallen. Hierfür spricht bei unbefangener
Lektüre der Ziff. 9, dass die erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge im rechtlichen Ergebnis
zu einer Zuweisung eines Vermögenswertes zu einem Erben führt. Dass dem Gesetz offensichtlich
ein engeres Verständnis zugrunde liegt, wird jedoch aus
deutlich: Die Vorschrift spricht davon, dass die Vermögenswerte, „einem bestimmten Erben
zustehen“ müssen. Außerdem muss das Verzeichnis nur „ggf.“ erstellt werden. Das
deutet darauf hin, dass die Vorschrift nicht stets bei einer Gesamtrechtsnachfolge eingreift,
sondern nur solche Vermögensgegenstände betrifft, die einem bestimmtem Erben im Wege
der Singularsukzession kraft Erbrechts zugefallen sind. Das Gesetz könnte insoweit
lediglich den Fall der erbrechtlich wirkenden dinglichen Teilungsanordnung erfassen.
Für dieses Verständnis sprechen auch Sinn und Zweck des ENZ: Dieses soll dem Erben den
Nachweis einer erbrechtlichen Rechtsposition ermöglichen (vgl.
Das Zeugnis kann demzufolge auch nur eine erbrechtliche Rechtsposition bescheinigen (vgl.
Art. 69 Abs. 1 u. 2 EuErbVO).
Abs. 2 lit. b EuErbVO zu lesen: Hiernach kann das ENZ einen Nachweis erbringen über die
Zuweisung eines bestimmten Vermögenswertes an die im Zeugnis als Erbe genannte
Person. Es geht somit nicht um die Zuweisung des gesamten Vermögens, sondern nur um
den Fall einer Zuweisung bestimmter Vermögensgegenstände.
Das ENZ hat nicht die Funktion, eine Auskunft über den Bestand des gesamten Nachlasses
zu geben; es ist kein Europäisches Nachlassverzeichnis (vgl. Buschbaum/Simon, Rpfleger
2015, 444, 451). Das ENZ kann insbesondere keine Vermutung über den Bestand des Nachlasses
begründen. Ob eine Sache zum Nachlass gehört oder nicht, richtet sich nicht nach der
EuErbVO, sondern nach dem jeweils anwendbaren Sachen- und Registerrecht. Diesem
Recht ist es vorbehalten, über die Beweiswirkungen zu entscheiden. Es regelt insbesondere
auch die Frage inwieweit es an eine Eintragung im Register die Vermutung knüpft, dass die
Sache im Eigentum des Erblassers stand und zum Nachlass gehört. Das ENZ kann die Beweisregelungen
der lex rei sitae nicht konterkarieren.
Davon abgesehen ist es der Behörde des Ausstellungsstaates de facto in der Regel überhaupt
nicht möglich, eine Bescheinigung über die Eigentumsverhältnisse an einer in einem
anderen Staat belegenen Sache zu erstellen (vgl. Geimer/Schütze/Dorsel, Internationaler
Rechtsverkehr, Stand: 49. Erg-Lfg. 2015, Art. 68 Rn. 24). Ob die Behörde Angaben über
den Nachlassbestand freiwillig in das ENZ aufnehmen kann (so NK-BGB/Nordmeier,
2. Aufl. 2015,
The EU Succession Regulation, 2016, Art. 68 Anm. 19), erscheint zweifelhaft – denn das
Nachlassgericht würde hier eine Bescheinigung über einen Umstand erteilen, der sich seiner
Prüfungskompetenz entzieht.
Das Schrifttum geht daher zu Recht davon aus, dass
des Nachlasses erfasst, sondern nur solche Vermögenswerte, die im Wege der
Singularsukzession unter Durchbrechung des Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge
auf den Erben übergegangen sind (jurisPK-BGB/Kleinschmidt, 8. Aufl. 2017, Art. 68
EuErbVO Rn. 25; MünchKommBGB/Dutta, 6. Aufl. 2015,
Nordmeier,
Art. 68 Rn. 26; Wilsch, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 2. Aufl.
2017 § 4 Rn. 51; wohl auch BeckOGK-BGB/J. Schmidt, Stand: 1.3.2017,
Rn. 37; Dorsel/Schall,
a. A jedoch Reinhartz, in: Bergquist et al., EuErbVO, 2015, Art. 68 Rn. 29).
Eine andere Auffassung halten wir angesichts des Wortlauts von
der Funktion des ENZ nicht für überzeugend. Sie würde die Reichweite des Zeugnisses in
grundlegender Weise verkennen.
3. Wir gehen daher davon aus, dass das österreichische Grundbuchamt nicht die Aufnahme der
Grundstücke in das ENZ verlangen kann, wenn diese im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
auf den Alleinerben übergegangen sind.
Österreichische Gerichtsentscheidungen zu der Frage konnten wir mit den uns zur Verfügung
stehenden Recherchemöglichkeiten nicht ausfindig machen.
155373
Erscheinungsdatum:03.04.2017
RechtsbezugInternational
Normen in Titel:EUErbVO Art. 68