Dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall; Erlöschen des Vorkaufsrechts durch Veräußerung des belasteten Grundstücks; Nachweis des Erlöschens gegenüber dem Grundbuchamt
BGB §§ 1097, 463;
Dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall; Erlöschen des Vorkaufsrechts durch Veräußerung des belasteten Grundstücks; Nachweis des Erlöschens gegenüber dem Grundbuchamt
I. Sachverhalt
Ein Grundstück soll in eine noch zu gründende UG & Co. KG eingebracht werden.
Im Grundbuch des Grundstücks ist in Abteilung II lfd. Nr. 1 folgendes Recht eingetragen: „Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall zugunsten der Kommanditgesellschaft X. Gem. Bewilligung vom […]1965.“ Der Text der Bewilligung lautet: „Der Käufer belastet das in § 1 bezeichnete Grundstück zu Gunsten der Kommanditgesellschaft X mit einem dinglichen Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall. Für das Vorkaufsrecht gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Es wird bewilligt und beantragt, das vorbezeichnete dingliche Vorkaufsrecht bei dem belasteten Grundstück an nächstoffener Rangstelle in das Grundbuch einzutragen.“
Die Eigentümerin hat die Immobilie im Jahr 2000 von ihrem Vater „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ erhalten. Hinsichtlich des Vorkaufsrechtes wurde geregelt, dass „der Erwerberin diese Belastung bekannt und nicht durch den Veräußerer zu beseitigen“ sei und weiter, dass die Erwerberin „in alle zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verpflichtungen mit Wirkung ab dem Tag der Beurkundung“ eintrete.
II. Fragen
1. Besteht das Vorkaufsrecht für die X-KG noch?
2. Löst die Einbringung in die zu errichtende UG & Co. KG das Vorkaufsrecht aus?
III. Zur Rechtslage
Fraglich ist im vorliegenden Fall, ob das Vorkaufsrecht noch besteht.
1. Vorliegen eines Vorkaufsrechts für den ersten Verkaufsfall
Grundsätzlich beschränkt sich ein dingliches Vorkaufsrecht auf den Fall des Verkaufs des Grundstücks durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört, oder durch dessen Erben,
Eine Abweichung vom gesetzlichen Regelfall des
Hier wurde gemäß der Sachverhaltsschilderung in der Bewilligungsurkunde aus dem Jahr 1965 ein Vorkaufsrecht für den „ersten Verkaufsfall“ zugunsten der KG bewilligt und eine entsprechende Grundbucheintragung vorgenommen. Eine solche Eintragung ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig dahingehend auszulegen, dass es sich um ein dingliches Vorkaufsrecht entsprechend dem gesetzlichen Regelfall des
2. Erlöschen durch Überlassung
Ein dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall i. S. d.
Folglich ist das Vorkaufsrecht durch die Überlassung an die Tochter im Jahr 2000 erloschen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung im Überlassungsvertrag aus dem Jahr 2000, wonach die Tochter (Alleineigentümerin) in die dem Vorkaufsrecht zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verpflichtungen eintritt. Diese Regelung dürfte u. E. ein Schuldbeitritt in das schuldrechtliche Grundgeschäft darstellen, das die Verpflichtung zur Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts beinhaltet. Der Schuldbeitritt kann dabei wirksam zwischen dem Schuldner und dem Beitretenden als Vertrag zugunsten Dritter (
Unklar ist bereits, ob die Verpflichtung zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts überhaupt noch besteht. Es spricht einiges dafür, dass die Verpflichtung bereits dadurch erfüllt worden ist, dass der Vater das Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall bestellt hat. Jedenfalls führt die Übernahme dieser möglicherweise noch bestehenden Verpflichtung durch die Tochter nicht zu einer Inhaltsänderung des bereits bestehenden dinglichen Vorkaufsrechts – etwa dahingehend, dass nunmehr auch ein Verkauf durch die Tochter einen Vorkaufsfall auslösen würde. Der Inhalt des Vorkaufsrechts und die sich aus dem Sachenrecht ergebenden Gründe für das Erlöschen des Vorkaufsrechts sind vielmehr abstrakt zur schuldrechtlichen Verpflichtung zur Bestellung des Vorkaufsrechts. Für eine dahingehende Änderung des Inhalts des dinglichen Vorkaufsrechts wäre nach
Unabhängig davon, ob eine Verpflichtung der Tochter zur Bestellung eines Vorkaufsrechts tatsächlich noch besteht, ist das Vorkaufsrecht daher erloschen, weil es sich auf einen Verkauf durch den Eigentümer beschränkt, der das Vorkaufsrecht bestellt hat. Sofern die Tochter zur Bestellung eines Vorkaufsrechts noch verpflichtet ist, kann folglich nur die Bestellung eines neuen Vorkaufsrechts verlangt werden. Ob sich die Tochter schadensersatzpflichtig gegenüber dem ursprünglich Vorkaufsberechtigten macht, spielt insofern keine Rolle.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Vorkaufsrecht durch Unrichtigkeitsnachweis gem.
Letztlich bliebe noch zu erwägen, ob vorliegend nicht auch ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht neben dem dinglichen Vorkaufsrecht entstanden ist, in das die Erwerberin eingetreten sein könnte. Ungeachtet dessen, dass diese Frage für das Bestehen des dinglichen Vorkaufsrechts ohne Bedeutung ist, ist jedoch anerkannt, dass mit der Begründung des dinglichen Vorkaufsrechts nicht notwendigerweise auch ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht entsteht. Es bedarf vielmehr konkreten Anhaltspunkte im Einzelfall, dass die Parteien zusätzlich zum dinglichen Vorkaufsrecht auch ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht vertraglich vereinbart haben, was durch Auslegung der Bestellungsurkunde zu ermitteln ist (BGH
Da im vorliegenden Fall die Bewilligungsurkunde ausdrücklich nur eine Einigung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts enthält, sind vorliegend u. E. keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine zusätzliche Einigung über ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht sprechen würden. Abschließend kann das DNotI diese Auslegungsfrage jedoch nicht beantworten. Für das Erlöschen des dinglichen Vorkaufsrechts ist diese Frage jedenfalls ohne Bedeutung.
3. Einbringung in die KG
Ungeachtet dessen, dass im vorliegenden Fall das dingliche Vorkaufsrecht erloschen ist, stellt die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft regelmäßig keinen Vorkaufsfall dar. Lediglich unter dem Gesichtspunkt eines Umgehungsgeschäfts kann im Einzelfall ein Vorkaufsfall angenommen werden (BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.1.2024, § 463 Rn. 54; MünchKommBGB/Westermann, § 463 Rn. 23 jew. m. w. N.). Dies käme etwa bei einer Einbringung in eine neu gegründete Gesellschaft und anschließender Veräußerung sämtlicher Gesellschaftsanteile oder einem Verkauf im unmittelbaren Anschluss an die Einbringung in Betracht (BeckOGK-BGB/Daum, § 463 Rn. 58 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall sind aus dem uns mitgeteilten Sachverhalt indes keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für ein solches Umgehungsgeschäft sprechen würden. Auf dieser Basis würde auch ein etwa bestehendes schuldrechtliches Vorkaufsrecht grundsätzlich nicht ausgelöst.
201711
Erscheinungsdatum:02.02.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Dingliches Vorkaufsrecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Grundbuchrecht
GBO § 22; BGB § 1097; BGB § 463