02. Februar 2024
GBO § 22; BGB § 1097; BGB § 463

Dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall; Erlöschen des Vorkaufsrechts durch Veräußerung des belasteten Grundstücks; Nachweis des Erlöschens gegenüber dem Grundbuchamt

BGB §§ 1097, 463; GBO § 22
Dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall; Erlöschen des Vorkaufsrechts durch Veräußerung des belasteten Grundstücks; Nachweis des Erlöschens gegenüber dem Grundbuchamt

I. Sachverhalt
Ein Grundstück soll in eine noch zu gründende UG & Co. KG eingebracht werden.

Im Grundbuch des Grundstücks ist in Abteilung II lfd. Nr. 1 folgendes Recht eingetragen: „Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall zugunsten der Kommanditgesellschaft X. Gem. Bewilligung vom […]1965.“ Der Text der Bewilligung lautet: „Der Käufer belastet das in § 1 bezeichnete Grundstück zu Gunsten der Kommanditgesellschaft X mit einem dinglichen Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall. Für das Vorkaufsrecht gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Es wird bewilligt und beantragt, das vorbezeichnete dingliche Vorkaufsrecht bei dem belasteten Grundstück an nächstoffener Rangstelle in das Grundbuch einzutragen.“

Die Eigentümerin hat die Immobilie im Jahr 2000 von ihrem Vater „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ erhalten. Hinsichtlich des Vorkaufsrechtes wurde geregelt, dass „der Erwerberin diese Belastung bekannt und nicht durch den Veräußerer zu beseitigen“ sei und weiter, dass die Erwerberin „in alle zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verpflichtungen mit Wirkung ab dem Tag der Beurkundung“ eintrete.

II. Fragen
1. Besteht das Vorkaufsrecht für die X-KG noch?

2. Löst die Einbringung in die zu errichtende UG & Co. KG das Vorkaufsrecht aus?

III. Zur Rechtslage
Fraglich ist im vorliegenden Fall, ob das Vorkaufsrecht noch besteht.

1. Vorliegen eines Vorkaufsrechts für den ersten Verkaufsfall
Grundsätzlich beschränkt sich ein dingliches Vorkaufsrecht auf den Fall des Verkaufs des Grundstücks durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört, oder durch dessen Erben, § 1097 Hs. 1 BGB. Ein dingliches Vorkaufsrecht kann auch für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden, § 1097 Hs. 2 BGB. Nach h. M. ist es zudem zulässig, das Vorkaufsrecht für einen Verkaufsfall so zu bestellen, dass es nicht darauf ankommt, ob der Eigentümer zur Zeit der Bestellung (bzw. sein Erbe) oder ein späterer Eigentümer es veräußert (Vorkaufsrecht für den ersten echten Verkaufsfall, für den es ausgeübt werden kann; s. OLG München Beschl. v. 18.12.2009, BeckRS 2010, 2183; BeckOGK-BGB/Omlor, Std.: 1.1.2023, § 1097 Rn. 5; MünchKommBGB/Westermann, 9. Auflage 2023, § 1097 Rn. 2; a. A.: Staudinger/Schermaier, 2021, BGB, § 1097 Rn. 13).

Eine Abweichung vom gesetzlichen Regelfall des § 1097 Hs. 1 BGB muss jedoch im Grundbuch eingetragen werden, wobei eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung nach § 874 BGB genügt (OLG Hamm NJW-RR 2012, 1484, 1485; OLG München, Beschl. v. 18.12.2009; BeckRS 2010, 2183; OLG Köln Rpfleger 1982, 16; Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1409; MünchKommBGB/Westermann, § 1097 Rn. 1). Für welche Zahl von Verkaufsfällen das Vorkaufsrecht bestellt wurde, ergibt sich durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der dinglichen Einigung, soweit sie in der Grundbucheintragung einen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei auf den Wortlaut und Sinn der Eintragung unter Einbeziehung der Eintragungsbewilligung (§ 874 BGB), so wie er sich für den „unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung“ ergibt (vgl. BeckOGK-BGB/Omlor, § 1097 Rn. 25 m. w. N.)

Hier wurde gemäß der Sachverhaltsschilderung in der Bewilligungsurkunde aus dem Jahr 1965 ein Vorkaufsrecht für den „ersten Verkaufsfall“ zugunsten der KG bewilligt und eine entsprechende Grundbucheintragung vorgenommen. Eine solche Eintragung ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig dahingehend auszulegen, dass es sich um ein dingliches Vorkaufsrecht entsprechend dem gesetzlichen Regelfall des § 1097 Hs. 1 BGB handelt. Denn für den unbefangenen Betrachter ergibt sich in Kenntnis der gesetzlichen Reglung bei dieser Eintragung nicht, dass das Vorkaufsrecht von den gesetzlichen Bedingungen abweichen soll und den Sonderrechtsnachfolger des bestellenden Eigentümers binden soll (vgl. OLG München, Beschl. v. 18.12.2009, BeckRS 2010, 2183; OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 94; OLG Stuttgart, DNotZ 1998, 305; BeckOGK-BGB/Omlor, § 1097 Rn. 26).

2. Erlöschen durch Überlassung
Ein dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall i. S. d. § 1097 Hs. 1 BGB erlischt, wenn das Eigentum an dem mit dem Vorkaufsrecht belasteten Grundstück aufgrund eines Veräußerungsvertrags, der keinen Kaufvertrag darstellt, auf einen Sonderrechtsnachfolger übergeht (OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 94; OLG München, Beschl. v. 18.12.2009, BeckRS 2010, 2183; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2018, BeckRS 2018, 36797 Rn. 17; Schöner/Stöber, Rn. 1432a). Dasselbe gilt, wenn das belastete Grundstück mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an ein Kind verkauft wird, vgl. § 470 BGB (OLG Stuttgart DNotZ 1998, 305; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2018, BeckRS 2018, 36797 Rn. 17).

Folglich ist das Vorkaufsrecht durch die Überlassung an die Tochter im Jahr 2000 erloschen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung im Überlassungsvertrag aus dem Jahr 2000, wonach die Tochter (Alleineigentümerin) in die dem Vorkaufsrecht zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verpflichtungen eintritt. Diese Regelung dürfte u. E. ein Schuldbeitritt in das schuldrechtliche Grundgeschäft darstellen, das die Verpflichtung zur Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts beinhaltet. Der Schuldbeitritt kann dabei wirksam zwischen dem Schuldner und dem Beitretenden als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) mit dem Inhalt der bereits bestehenden Schuld vereinbart werden, wobei eine Zustimmung des Gläubigers nicht erforderlich ist. Folge des Schuldbeitritts ist die gesamtschuldnerische Haftung von Schuldner und Beitretendem (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, Überblick vor § 414 Rn. 2 m. w. N.). Im vorliegenden Fall betrifft der Schuldbeitritt angesichts des klaren Wortlauts indes nur das schuldrechtliche Kausalgeschäft des dinglichen Vorkaufsrechts, also die Sicherungsabrede (vgl. BeckOGK-BGB/Omlor, Std.: 1.1.2023, § 1094 Rn. 23). Auf das dingliche Vorkaufsrecht hat dieser Eintritt in die causa indes keine Auswirkung.

Unklar ist bereits, ob die Verpflichtung zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts überhaupt noch besteht. Es spricht einiges dafür, dass die Verpflichtung bereits dadurch erfüllt worden ist, dass der Vater das Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall bestellt hat. Jedenfalls führt die Übernahme dieser möglicherweise noch bestehenden Verpflichtung durch die Tochter nicht zu einer Inhaltsänderung des bereits bestehenden dinglichen Vorkaufsrechts – etwa dahingehend, dass nunmehr auch ein Verkauf durch die Tochter einen Vorkaufsfall auslösen würde. Der Inhalt des Vorkaufsrechts und die sich aus dem Sachenrecht ergebenden Gründe für das Erlöschen des Vorkaufsrechts sind vielmehr abstrakt zur schuldrechtlichen Verpflichtung zur Bestellung des Vorkaufsrechts. Für eine dahingehende Änderung des Inhalts des dinglichen Vorkaufsrechts wäre nach §§ 877, 873 BGB vielmehr die Einigung und Eintragung der Inhaltsänderung vor dessen Erlöschen (also durch den ursprünglichen Eigentümer) erforderlich gewesen.

Unabhängig davon, ob eine Verpflichtung der Tochter zur Bestellung eines Vorkaufsrechts tatsächlich noch besteht, ist das Vorkaufsrecht daher erloschen, weil es sich auf einen Verkauf durch den Eigentümer beschränkt, der das Vorkaufsrecht bestellt hat. Sofern die Tochter zur Bestellung eines Vorkaufsrechts noch verpflichtet ist, kann folglich nur die Bestellung eines neuen Vorkaufsrechts verlangt werden. Ob sich die Tochter schadensersatzpflichtig gegenüber dem ursprünglich Vorkaufsberechtigten macht, spielt insofern keine Rolle.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Vorkaufsrecht durch Unrichtigkeitsnachweis gem. §§ 22 Abs. 1, 29 GBO mittels Vorlage des Veräußerungsvertrags gelöscht werden kann (OLG Stuttgart DNotZ 1998, 305, 306; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2018, BeckRS 2018, 36797, Rn. 22; OLG Zweibrücken MittBayNot 2000, 109 f.; Schöner/Stöber, Rn. 1432a). Dem eingetragenen Vorkaufsberechtigten ist jedoch vor der Grundbuchberichtigung aufgrund Unrichtigkeitsnachweis rechtliches Gehör zu gewähren (OLG Zweibrücken MittBayNot 2000, 109 f.; Schöner/Stöber, Rn. 1432a).

Letztlich bliebe noch zu erwägen, ob vorliegend nicht auch ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht neben dem dinglichen Vorkaufsrecht entstanden ist, in das die Erwerberin eingetreten sein könnte. Ungeachtet dessen, dass diese Frage für das Bestehen des dinglichen Vorkaufsrechts ohne Bedeutung ist, ist jedoch anerkannt, dass mit der Begründung des dinglichen Vorkaufsrechts nicht notwendigerweise auch ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht entsteht. Es bedarf vielmehr konkreten Anhaltspunkte im Einzelfall, dass die Parteien zusätzlich zum dinglichen Vorkaufsrecht auch ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht vertraglich vereinbart haben, was durch Auslegung der Bestellungsurkunde zu ermitteln ist (BGH NJW 2014, 622; OLG Hamm NJW-RR 1996, 849; OLG Düsseldorf MittBayNot 2003, 50; OLG Zweibrücken MittBayNot 2013, 43; BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 22; MünchKommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, BGB § 463 Rn. 9). Ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht bildet auch nicht die causa des dinglichen Vorkaufsrechts; die causa stellt vielmehr die Sicherungsabrede dar (BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 23; MünchKommBGB/Westermann, § 1094 Rn. 4; Staudinger/ Schermaier, BGB, 2017, Einleitung zu § 1094 Rn. 14).

Da im vorliegenden Fall die Bewilligungsurkunde ausdrücklich nur eine Einigung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts enthält, sind vorliegend u. E. keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine zusätzliche Einigung über ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht sprechen würden. Abschließend kann das DNotI diese Auslegungsfrage jedoch nicht beantworten. Für das Erlöschen des dinglichen Vorkaufsrechts ist diese Frage jedenfalls ohne Bedeutung.

3. Einbringung in die KG
Ungeachtet dessen, dass im vorliegenden Fall das dingliche Vorkaufsrecht erloschen ist, stellt die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft regelmäßig keinen Vorkaufsfall dar. Lediglich unter dem Gesichtspunkt eines Umgehungsgeschäfts kann im Einzelfall ein Vorkaufsfall angenommen werden (BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.1.2024, § 463 Rn. 54; MünchKommBGB/Westermann, § 463 Rn. 23 jew. m. w. N.). Dies käme etwa bei einer Einbringung in eine neu gegründete Gesellschaft und anschließender Veräußerung sämtlicher Gesellschaftsanteile oder einem Verkauf im unmittelbaren Anschluss an die Einbringung in Betracht (BeckOGK-BGB/Daum, § 463 Rn. 58 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall sind aus dem uns mitgeteilten Sachverhalt indes keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für ein solches Umgehungsgeschäft sprechen würden. Auf dieser Basis würde auch ein etwa bestehendes schuldrechtliches Vorkaufsrecht grundsätzlich nicht ausgelöst.

Gutachten/Abruf-Nr:

201711

Erscheinungsdatum:

02.02.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dingliches Vorkaufsrecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 19-21

Normen in Titel:

GBO § 22; BGB § 1097; BGB § 463