30. April 2019
BGB § 1018; GBO § 19; GBO § 21; BGB § 876; BGB § 875

Erfordernis der Zustimmung des Grunddienstbarkeitsberechtigten (Fahrtrecht) bei Aufhebung von Grunddienstbarkeiten zugunsten des dienenden Grundstücks

BGB §§ 875, 876 S. 2, 1018; GBO §§ 19, 21
Erfordernis der Zustimmung des Grunddienstbarkeitsberechtigten (Fahrtrecht) bei Aufhebung von Grunddienstbarkeiten zugunsten des dienenden Grundstücks
I. Sachverhalt
Grundstück 2 ist mit einem Fahrtrecht zugunsten des Grundstücks 1 belastet. Grundstück 3 ist mit einem Fahrtrecht zugunsten des Grundstücks 2 belastet.

Das an Grundstück 3 lastende Fahrtrecht soll nunmehr durch Aufgabeerklärung des Eigentümers des Grundstücks 2 aufgehoben werden.

II. Frage
Bedarf der Eigentümer des Grundstücks 2 zur Aufhebung des seinem Grundstück zustehenden Fahrtrechts wegen § 876 S. 2 BGB der Zustimmung des Berechtigten des Fahrtrechts an Grundstück 2 (Eigentümer des Grundstücks 1)?

III. Zur Rechtslage
1. Problemaufriss
Ist zugunsten eines herrschenden Grundstücks ein Recht bestellt worden und ist das herrschende Grundstück seinerseits mit einem Recht zugunsten eines Dritten belastet, so bedarf die Aufgabe des zugunsten des herrschenden Grundstücks bestellten Rechts dann der Zustimmung des Dritten, wenn das Recht des Dritten durch die Aufhebung des Rechts am dienenden Grundstück berührt wird (§ 876 S. 2 BGB).

Im konkreten Fall wurde ein Fahrtrecht für das Grundstück 2 als herrschendes Grundstück bestellt, dienendes Grundstück ist insoweit das Grundstück 3. Das herrschende Grundstück 2 ist seinerseits mit einem Fahrtrecht für einen Dritten, den Eigentümer des Grundstücks 1 belastet. Es liegt damit das für § 876 S. 2 BGB erforderliche gestufte Berechtigungsverhältnis vor: Belastung des herrschenden Grundstücks (Grundstück 2) mit dem Recht eines Dritten (hier: Fahrtrecht für den Eigentümer des Grundstücks 1). Für die Aufhebung der am Grundstück 3 lastenden Grunddienstbarkeit ist die Aufgabeerklärung des Eigentümers des herrschenden Grundstücks 2 erforderlich (§ 875 Abs. 1 BGB). Dieser bedürfte nach § 876 S. 2 BGB wiederum der Zustimmung des Eigentümers des Berechtigten an seinem Grundstück (hier: des Eigentümers von Grundstück 1), wenn dessen Fahrtrecht durch die Aufhebung des Fahrtrechts am Grundstück 3 rechtlich berührt wäre.

2. „Berührung“ des Drittrechts i. S. d. § 876 S. 2 BGB
Berührt i. S. d. § 876 S. 2 BGB ist ein Recht am herrschenden Grundstück, wenn es durch die Aufhebung möglicherweise rechtlich beeinträchtigt wird (OLG Brandenburg MittBayNot 2013, 482; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl. 2015, § 21 Rn. 9; Staudinger/C. Heinze, BGB, 2018, § 876 Rn. 20; BeckOGK-BGB/Enders, Std.: 1.4.2019, § 876 Rn. 28). Lastet auf dem herrschenden Grundstück ein Nutzungsrecht wie ein Geh- und Fahrtrecht, so ist entscheidend, ob der Fortbestand des Rechts Einfluss auf die Ausübung und Durchführung des Rechts am herrschenden Grundstück hat (Meikel/Böttcher, § 21 Rn. 11). Nach der Literatur beeinträchtigt die Aufhebung der Dienstbarkeit ein dingliches Nutzungsrecht dann, wenn dem Nutzungsrecht der Inhalt der Dienstbarkeit zugutekommt. Als Beispiel wird u. a. ein Wegerecht genannt (Staudinger/C. Heinze, § 876 Rn. 23). Zum Teil lässt es die Literatur genügen, dass sich die aus der Dienstbarkeit fließenden Befugnisse postiv auf das Recht am herrschenden Grundstück auswirken (Bauer/Schaub/Kössinger, GBO, 4. Aufl. 2018, § 21 Rn. 9; MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2017, § 876 Rn. 6; BeckOGK-BGB/Enders, § 876 Rn. 29).

3. Vorliegender Fall
Im konkreten Fall kommt u. E. eine rechtliche Beeinträchtigung der Dienstbarkeit am herrschenden Grundstück 2 nur in Betracht, wenn zum Inhalt der Dienstbarkeit für den Eigentümer des Grundstücks 1 die Befugnis gehört, die zugunsten des Grundstücks 2 bestellte Dienstbarkeit zu nutzen. Dies wäre nur möglich, wenn dem Berechtigten weitere Nutzungsbefugnisse am herrschenden Grundstück eingeräumt wären (vgl. OLG Hamm DNotZ 2008, 612, 613 f.; MünchKommBGB/Mohr, § 1018 Rn. 73). Vorliegend ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass zum Inhalt des Fahrtrechts für den Eigentümer des Grundstücks 1 die Ausübung der Dienstbarkeit am Grundstück 3 gemacht wurde.

Im Übrigen wäre eine rechtliche Beeinträchtigung des Fahrtrechts des Grundstückseigentümers 1 nur gegeben, wenn zum Inhalt der Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks 2 das Recht gehörte, das Fahrtrecht einem grundstücksfremden Anlieger zur Ausübung zu überlassen und zum Inhalt einer Dienstbarkeit zu machen. Dies wird man jedoch nicht annehmen können. Eine Grunddienstbarkeit berechtigt den Berechtigten grundsätzlich nicht, grundstücksfremden Anliegern die Ausübung des Wegerechts zu gestatten (NK-BGB/Otto, 4. Aufl. 2016, § 1018 Rn. 40; Staudinger/Wiegand, 2017, § 1018 Rn. 9). In diesem Sinne hat der BGH ausgeführt, dass ein Wegegrundstück nicht für zum herrschenden Grundstück hinzugepachtete Flächen genutzt werden darf (NJW-RR 2003, 1237). In einer älteren Entscheidung hat der BGH zudem festgehalten, dass ein Wegegrundstück keine Ausübung der Dienstbarkeit derart zulässt, dass man über das herrschende Grundstück auf einen angrenzenden Tennisplatz gelangt (DNotZ 1966, 671 = BeckRS 1966, 31173750). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Recht gerade zum dinglichen Inhalt der am herrschenden Grundstück bestellten Dienstbarkeit würde. Dies würde auf eine erhebliche Beeinträchtigung des belasteten Grundstücks hinauslaufen und dem Dienstbarkeitsberechtigten die Befugnis einräumen, das Recht aufzuspalten und auf einen Dritten zu übertragen. Dass dem Berechtigten eine derart weitreichende Befugnis zustehen sollte, wird man nicht annehmen können. Mangels abweichender Anhaltspunkte dürfte daher nicht davon auszugehen sein, dass das Fahrtrecht am Grundstück 3 dazu berechtigt, die Befugnisse aus dem Grundstück zum Inhalt eines am herrschenden Grundstück bestellten Fahrtrechts zu machen.

4. Ergebnis
Wir gehen mangels abweichender Anhaltspunkte davon aus, dass es an einer rechtlichen Beeinträchtigung der Dienstbarkeit am Grundstück 2 fehlt, wenn die für das Grundstück 2 bestellte Dienstbarkeit am Grundstück 3 aufgehoben wird.

Im Ergebnis spielt es daher auch keine Rolle, ob ein Herrschvermerk im Grundbuch des Grundstücks 1 eingetragen ist. Wäre dies der Fall, so bedürfte es nach § 21 GBO der Bewilligung (§ 19 GBO) des Eigentümers des herrschenden Grundstücks im Grundbuchverfahren lediglich dann, wenn ein Fall des § 876 S. 2 BGB vorläge. Nur wenn sich aus dem Dienstbarkeitstext konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalt des Fahrtrechts für den Eigentümer des Grundstücks 1 die Ausübung der für Grundstück 2 bestellten Dienstbarkeit ist, könnte das Grundbuchamt von einer Beeinträchtigung i. S. d. § 876 S. 2 BGB ausgehen und eine Bewilligungserklärung des Eigentümers des Grundstücks 1 verlangen.

Gutachten/Abruf-Nr:

169419

Erscheinungsdatum:

30.04.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 66-68

Normen in Titel:

BGB § 1018; GBO § 19; GBO § 21; BGB § 876; BGB § 875