27. November 2024
BGB § 1951

Gestattung einer teilweisen Ausschlagung von Vermächtnissen

BGB § 1951
Gestattung einer teilweisen Ausschlagung von Vermächtnissen

I. Sachverhalt
Erblasser E möchte sein werthaltiges und komplex strukturiertes Immobilienvermögen mehreren Personen im Vermächtniswege zukommen lassen. Die Vermächtnisnehmer sollen (wohl aus steuerlichen Gründen) möglichst flexibel steuern können, wie viel Vermögen sie nach dem Erbfall tatsächlich erhalten. Hierzu sollen bspw. Vermächtnisnehmer A fünf Immobilien zugewiesen werden, wobei A im Hinblick auf jede einzelne der Immobilien die Möglichkeit haben soll, das Vermächtnis teilweise (also hinsichtlich einzelner Bruchteilseigentumsanteile) anzunehmen und im Übrigen auszuschlagen. Im Testament soll ausdrücklich eine solche teilweise Annahme und teilweise Ausschlagung des Vermächtnisses gestattet werden.

II. Fragen
1. Ist eine teilweise Annahme und teilweise Ausschlagung dieses einheitlichen Vermächtnisses nach den §§ 2180, 1950 BGB zulässig, wenn der Erblasser durch die ausdrückliche Gestattung die Befugnis zur teilweisen Annahme und Ausschlagung (auch hinsichtlich einzelner Bruchteile einer Immobilie) im Testament einräumt?

2. Falls Frage 1 verneint wird, müsste für die Zulässigkeit jeder einzelne Bruchteil (je 1/10 Miteigentumsanteil der Immobilie 1, der Immobilie 2, etc.) ausdrücklich als eigenständiges Vermächtnis im Testament ausgewiesen werden?
III. Zur Rechtslage
Bevor die Möglichkeiten zur teilweisen Ausschlagung von Vermächtnissen näher geprüft werden, soll der Blick zunächst auf die Ausschlagungsmöglichkeiten bei der Berufung zu mehreren Erbteilen gerichtet werden.

1. Rechtslage in Bezug auf die Teilausschlagung von Erbteilen
Sowohl bei der gesetzlichen Erbfolge als auch bei der gewillkürten Erbfolge sind Konstellationen denkbar, in denen ein Erbe zu mehreren Erbteilen berufen wird. Bei der gewillkürten Erbfolge ist dies etwa dann der Fall, wenn der Erbe zugleich Ersatzerbe oder Nacherbe aufgrund Wegfalls eines vorrangig berufenen (Vor-)Erben wird. Bei der gesetzlichen Erbfolge sind die praktisch seltenen Fälle der §§ 1927, 1934 BGB zu nennen.

Welche Möglichkeiten zur Ausschlagung bestehen, wenn ein Erbe zu mehreren Erbteilen berufen ist, regelt § 1951 BGB (vgl. zu den möglichen Konstellationen der Mehrfachberufung MünchKommBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 1951 Rn. 2).

§ 1951 Abs. 3 BGB bestimmt, dass ein Erblasser dann, wenn er einen Erben auf mehrere Erbteile eingesetzt hat, er diesem durch Verfügung von Todes wegen gestatten kann, den einen Erbteil anzunehmen und den anderen auszuschlagen. Dabei wird es in der Literatur explizit auch für zulässig gehalten, dass der Erblasser mehrere Erbteile allein deswegen bildet, um dem Erben eine isolierte Annahme oder Ausschlagung (etwa aus erbschaftsteuerlichen Gründen) zu ermöglichen (vgl. nur NK-BGB/Ivo, 6. Aufl. 2022, § 1951 Rn. 6; MünchKommBGB/Leipold, § 1951 Rn. 7 m. w. N.). Dies bedeutet, dass die Berufung zu mehreren Erbteilen nicht erst des Wegfalls eines anderen Erben bedarf (so bei der Ersatz- oder Nacherbfolge), sondern dass der Erblasser frei darin sein soll, etwa einen Erben zu 2/3 und zugleich zu 1/3 einzusetzen.

Umstritten ist allerdings, ob alleine die Teilung eines Erbteils (2/3 + 1/3 anstelle 1/1) auf die Gestattung zur getrennten Ausschlagung/Annahme schließen lässt (so z. B. MünchKommBGB/Leipold, § 1951 Rn. 6 f.; NK-BGB/Ivo, § 1951 Rn. 7; a. A. dagegen BeckOGK-BGB/Heinemann, Std.: 1.9.2024, § 1951 Rn. 27, wonach die Teilung zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für die Teilbarkeit des Annahme-/Ausschlagungsrechts darstelle). Lehnt man dies mit der Mindermeinung ab, wäre demgemäß eine ausdrückliche Gestattungsverfügung erforderlich, die etwa wie folgt formuliert werden könnte (vgl. BeckOGK-BGB/Heinemann, § 1951 Rn. 28):
„Ich gestatte dem Erben, den Erbteil zu 2/3 und den Erbteil zu 1/3 gesondert anzunehmen bzw. auszuschlagen.“

2. Rechtslage im Falle der Vermächtniszuwendung
Für das Vermächtnis bestimmt § 2180 Abs. 3 BGB, dass die für die Annahme und die Ausschlagung einer Erbschaft geltenden Vorschriften des § 1950, des § 1952 Abs. 1, 3 und des § 1953 Abs. 1, 2 BGB entsprechende Anwendung finden.

Aus dem Verweis des § 2180 Abs. 3 BGB auf § 1950 BGB lässt sich herleiten, dass ein einheitliches Vermächtnis nicht teilweise ausgeschlagen werden kann (OLG Celle BeckRS 2011, 15225; BeckOGK-BGB/Forschner, Std.: 1.9.2024, § 2180 Rn. 16).

Für zulässig wird es allerdings gehalten, eines von mehreren Vermächtnissen anzunehmen und ein anderes auszuschlagen (BeckOGK-BGB/Forschner, § 2180 Rn. 16.; Burandt, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2180 Rn. 7; Staudinger/Otte, BGB, 2019, § 2180 Rn. 18). Dabei wirft die Abgrenzung zwischen einzelnen Vermächtnissen und einem einheitlichen Vermächtnis in der Praxis durchaus Schwierigkeiten auf, etwa, wenn es sich um das Vermächtnis des gesamten Hausrats handelt. Während einzelne Kommentatoren hierin mehrere Einzelvermächtnisse sehen wollen (vgl. etwa Staudinger/Otte, § 2180 Rn. 18), gehen andere davon aus, dass es sich bei einem Hausratsvermächtnis eher um ein einheitliches Vermächtnis handele, da es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass der Erblasser es dem Bedachten gestatten wolle, sich die besten Stücke herauszusuchen und die (erfahrungsgemäß häufig lästige und kostspielige) Entsorgung der übrigen dem Erben zu überlassen (vgl. BeckOGK-BGB/Forschner, § 2180 Rn. 17).

Zur Frage, ob auch bei Vorliegen eines einheitlichen Vermächtnisses eine Teilannahme oder -ausschlagung (vergleichbar mit § 1951 Abs. 3 BGB) gestattet werden kann, liegt soweit ersichtlich keine Rechtsprechung oder Stellungnahme in der Literatur vor. Unseres Erachtens ist eine Teilausschlagung selbst dann nicht möglich, wenn der Erblasser dies dem Vermächtnisnehmer explizit gestattet hat. Denn es fehlt eben an einer § 1951 Abs. 3 BGB vergleichbaren Öffnungsklausel in Buch 5 Abschnitt 3 Titel 4 („Vermächtnis“) des BGB. Jedenfalls unter Beachtung des Gebots des sichersten Weges dürfte es sich daher nicht empfehlen, eine nicht hinreichend abgesicherte Gestaltungsvariante wie die Gestattung der Teilausschlagung eines Vermächtnisses zu wählen.

In diesem Zusammenhang bleibt zu berücksichtigen, dass bei der Frage der Teilausschlagung u. E. nicht die Frage der Gestattung im Mittelpunkt steht. Zentrales Element ist bei der Erbeinsetzung die Bildung mehrerer Erbteile bzw. beim Vermächtnis die Aussetzung mehrerer Vermächtnisse. Die Gestattung muss im ersten Fall nur zusätzlich hinzukommen; beim Vermächtnis spielt sie wohl keine Rolle, da § 1951 BGB, der insoweit als Einschränkung angesehen werden kann, gar keine Anwendung findet. Hierzu führt Otte (in: Staudinger, § 2180 Rn. 18) Folgendes aus:

„Wer zu mehreren Vermächtnissen berufen ist, kann das eine annehmen und das andere ausschlagen. Dies hatte E I § 1873 Abs. 4 ausdrücklich ausgesprochen. Die II. Kommission hat diese Bestimmung als selbstverständlich gestrichen (Prot. V 219). Die Annahme oder Ausschlagung eines von mehreren Vermächtnissen ist demnach nicht an die einschränkenden Voraussetzungen des § 1951 BGB gebunden.“

3. Ergebnis    
Zusammenfassend betrachtet ist daher davon auszugehen, dass bei einem einheitlichen Vermächtnis keine Teilausschlagung gestattet werden kann. Zur Ermöglichung einer Teilausschlagung müssten selbstständige Vermächtnisse gebildet werden. Alternativ kann auch die Einräumung von Wahlvermächtnissen i. S. v. § 2154 BGB erwogen werden. Hierbei würde dem Vermächtnisnehmer ein Wahlrecht eingeräumt, welchen bestimmten Anteil an einem bestimmten Gegenstand er beanspruchen will. In diesem Fall würde das Vermächtnis von vornherein ein Wahlrecht umfassen, so dass sich die in diesem Gutachten thematisierte Frage einer möglichen (Teil-)Ausschlagung nicht stellen würde.

Gutachten/Abruf-Nr:

208811

Erscheinungsdatum:

27.11.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 173-174

Normen in Titel:

BGB § 1951