Inhaberschaft der Reallast nach Überleitung auf den Sozialleistungsträger; Löschungsbewilligung
Inhaberschaft der Reallast nach Überleitung auf den Sozialleistungsträger; Löschungsbewilligung
I. Sachverhalt
B hat an seinen Sohn A mehrere landwirtschaftliche Grundstücke übergeben. Die Großmutter von A (Mutter von B) ist Begünstigte einer Reallast, welche im Zuge der Übergabe auf B im Grundbuch eingetragen und von A übernommen wurde. Inhalt der Reallast ist eine Verpflichtung zur monatlichen Zahlung von 204,52 €. Dieser Verpflichtung ist A seit der Übergabe auf ihn auch nachgekommen. Nun ist die (noch geschäftsfähige) Großmutter pflegebedürftig geworden und die Zahlungsansprüche aus der Reallast wurden auf den zuständigen Bezirk als Gläubiger übergeleitet. Seither leistet A die Zahlungen an den Bezirk.
Anlässlich des Verkaufs eines Grundstücks soll die Reallast sogleich an allen Grundstücken gelöscht werden; die Zahlungen an den Bezirk will A weiterhin leisten.
II. Frage
Kann die Großmutter alleine die Aufhebung und Löschung der Reallast bewirken?
III. Zur Rechtslage
Die Aufhebung der Reallast ist eine Verfügung über diese Reallast. Sie setzt nach
Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob die Großmutter noch (alleinige) Inhaberin der Reallast ist und somit als Berechtigte über die Reallast verfügen kann.
1. Überleitung der Zahlungsansprüche aus der Reallast
Nach dem Sachverhalt hat der Bezirk als Sozialhilfeträger die „Zahlungsansprüche aus der Reallast“ auf sich übergeleitet, nachdem die Großmutter pflegebedürftig geworden ist. Insoweit dürfte es sich um eine Überleitung von Ansprüchen nach § 93 Abs. 1 SGB XII handeln.
Gem. § 93 Abs. 1 SGB XII können Ansprüche desjenigen, der Leistungen des Sozialhilfeträgers erhält, auf den Sozialhilfeträger bis zur Höhe seiner Aufwendungen übergehen.
Als Gegenstand dieser Überleitung kommen grundsätzlich sämtliche privat- und öffentlich-rechtlichen Ansprüche in Betracht (BeckOK-SozR/Weber, Std.: 1.12.2023, § 93 SGB XII Rn. 9; Giere, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl. 2024, § 93 Rn. 15).
Dabei steht der Überleitung eines Anspruchs eine fehlende Übertragbarkeit, Pfändbarkeit oder Verpfändbarkeit nach § 93 Abs. 1 S. 4 SGB XII nicht im Wege.
a) Gegenstand der Überleitung
Vor diesem Hintergrund ist fraglich, welche Ansprüche genau im vorliegenden Fall übergeleitet worden sind. Mit Blick auf die monatlichen Zahlungen bestehen insoweit zwei Möglichkeiten:
Einerseits könnte im Übergabevertrag (der Großmutter an B) nur eine Reallast zugunsten der Großmutter bestellt worden sein, mit dem Inhalt, dass an die Großmutter die regelmäßigen Zahlungen (aus dem Grundstück) zu entrichten sind. In diesem Fall ergäbe sich die Zahlungsverpflichtung des Eigentümers nach
Andererseits könnte die monatliche Zahlung als Leibrente ausgestaltet worden sein und eine Reallast anschließend zur dinglichen Sicherung dieser monatlichen Zahlungen bestellt worden sein. In diesem Fall ist fraglich, ob der Sozialleistungsträger nur die Ansprüche aus der Leibrente oder auch die Reallast übergeleitet hat. Dies lässt sich indes nur mit Kenntnis des Inhalts des Überleitungsschreibens als Verwaltungsakt (vgl. § 93 Abs. 3 SGB XII) bestimmen.
b) Überleitungsfähigkeit der Reallast
Es stellt sich die Frage, ob eine Reallast überhaupt im Rahmen des § 93 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialleistungsträger übergeleitet werden kann Dies ist deshalb fraglich, weil nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 1 SGB XII nur Ansprüche übergeleitet werden können, es sich bei der Reallast allerdings um ein dingliches Recht handelt.
Hinsichtlich der Überleitung eines Nießbrauchs – also des dinglichen Rechts selbst und nicht nur der Ausübungsbefugnis – wird die Rechtslage in der Literatur als offen eingeschätzt (Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis, 6. Aufl. 2022, Rn. 1598; zudem Herrler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 8. Aufl. 2024, § 5 Rn. 517). Weber hingegen bejaht die Überleitungsfähigkeit des Nießbrauchs mit dem Argument, dass dieser „kapitalisierbar“ ist (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 110).
Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit auch „dinglich gesicherte Leibgedingansprüche“ als überleitbar angesehen (BVerwG, Beschl. v. 15.4.1996,
Da regelmäßig vor allem auch Reallasten (zusammen mit Dienstbarkeiten,
Wenngleich mithin noch nicht abschließend geklärt ist, ob „die Reallast“ (als dingliches Recht) insgesamt überleitbar ist, so spricht doch viel dafür, dass zumindest die dinglichen Ansprüche, die sich aus der Belastung eines Grundstücks mit einer Reallast ergeben, i. S. v. § 93 Abs. 1 SGB XII überleitbar sind. Man wird mithin jedenfalls nicht sagen können, „die Reallast“ sei insgesamt nicht überleitungsfähig (s. hierzu auch Ziff. 2. Buchst. b) a. E. zur Überleitung noch nicht fälliger Einzelleistungen).
2. Aufhebung der Reallast nach der Überleitung
Soweit die Überleitungsfähigkeit gegeben ist, stellt sich die Frage, welche Folgen die Überleitung der Ansprüche aus einer Reallast auf die Inhaberschaft der Reallast bzw. die Verfügungsbefugnis der Großmutter hat. Nur dann, wenn die Großmutter auch nach der Überleitung noch die in ihrer Verfügungsbefugnis nicht beschränkte Inhaberin der Reallast ist, könnte sie alleine die Löschung der Reallast erklären und bewilligen (
a) Gesetzlicher Inhalt der Reallast
Aus der Reallast fließen regelmäßig wiederkehrende Einzelleistungen, wegen derer der Inhaber nach
b) Übertragung der Ansprüche aus einer Reallast
Hinsichtlich der Übertragung des dinglichen Rechts auf die Einzelleistungen ist zwischen den bereits fälligen (rückständigen) und den künftigen Einzelleistungen zu unterscheiden:
Das Recht auf bereits fällige Einzelleistungen (Rückstände) wird nach den
Das Recht auf noch nicht fällige (künftige) Einzelleistungen wird hingegen gemäß
Hierbei handelt es sich u. E. jedoch um eine teilweise Übertragung der Reallast selbst (so ausdrücklich: MünchKommBGB/Joost, § 1107 Rn. 3; MünchKommBGB/Mohr, § 1107 Rn. 3; Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 24; ähnlich im Ergebnis, aber unklar: BeckOGK-BGB/Sikora, § 1107 Rn. 3; a. A.: BeckOK-BGB/Reischl, § 1107 Rn. 3; s. auch zuvor Ziff. 1. Buchst. b) zur Frage der insgesamten Überleitbarkeit einer Reallast). Denn das Recht auf die Einzelleistungen sind keine Erträge eines geschlossenen Nutzungsrechts, sondern Inhalt der Reallast selbst (BGH
Bei der teilweisen Übertragung der Ansprüche auf die künftigen Einzelleistungen handelt es sich daher u. E. um eine teilweise Übertragung der Reallast selbst im Umfang der übertragenen Ansprüche auf die Einzelleistungen (MünchKommBGB/Joost, § 1107 Rn. 3; MünchKommBGB/Mohr, § 1107 Rn. 3; Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 24).
In diesem Umfang ist anschließend auch nur der neue Inhaber der Reallast verfügungsbefugt (Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 25).
c) Aufschiebend bedingte Überleitung der künftigen Ansprüche aus der Reallast
Für die Frage, wem die Reallast nach der Überleitung zusteht, kommt es somit darauf an, welche Ansprüche nach § 93 Abs. 1 SGB XII übergeleitet wurden.
Grundsätzlich muss der für die Überleitung in Frage kommende Anspruch für die Zeit bestehen, für die Sozialhilfe erbracht wird bzw. wurde (vgl. § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGB XII; BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 19). Maßgeblich ist insoweit, dass der überzuleitende Anspruch zum Zeitpunkt der Sozialleistungsgewährung fällig ist (LSG BW
Gleichzeitig werden jedoch auch noch nicht fällige, künftige Ansprüche für überleitbar gehalten, wenn der Sozialhilfeträger diese Ansprüche konkret bestimmt (BGH
Vor diesem Hintergrund dürften im vorliegenden Fall auch die künftigen Einzelleistungen aus der Reallast aufschiebend bedingt übergeleitet worden sein. Diese Überleitung setzt dabei auch nur einen schriftlichen Verwaltungsakt voraus, § 93 Abs. 2 SGB XII (Giere, § 93 Rn. 25).
In Rechtsprechung und Literatur ist indes nicht geklärt, ob die aufschiebend bedingte Überleitung der künftigen Einzelleistungen aus der Reallast zu einem (ggf. teilweisen) Übergang der Reallast selbst führt oder nur zum Übergang der dann jeweils künftig fällig werdenden Einzelleistungen.
Für einen teilweisen Übergang der Reallast spricht, dass die (unbedingte) Übertragung der künftigen Einzelleistungen nach dem Vorstehenden unserer Auffassung nach stets eine Teilübertragung der Reallast ist. Dementsprechend könnte es sich somit um eine aufschiebend bedingte Teilübertragung der Reallast selbst handeln.
Da es sich bei dem Überleitungsverwaltungsakt um einen hoheitlichen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt handelt (BVerwG
Dafür, dass nur die dann jeweils fällig werdenden Einzelleistungen auf den Sozialleistungsträger übergehen und die Inhaberschaft der Reallast im Übrigen unberührt bleibt, spricht jedoch, dass das BVerwG davon ausgeht, dass die Überleitung von Unterhaltsansprüchen das Stammrecht (auf Unterhaltszahlung) unberührt lässt und „der Schuldner des übergeleiteten Anspruchs demnach befugt bleibt, den Unterhalt weiterhin unmittelbar an den Hilfeempfänger zu leisten und damit ein Eingreifen der Sozialhilfe überflüssig zu machen“ (BVerwG, Urt. v. 26.11.1969,
Die genauen Folgen der aufschiebend bedingten Überleitung der künftigen Ansprüche aus der Reallast für die Inhaberschaft der Reallast sind letztlich derzeit ungeklärt, wobei u. E – dogmatisch konsequenter – der erstgenannten Ansicht der Vorzug zu geben ist.
Hinsichtlich der Möglichkeit der Aufhebung der Reallast alleine durch die Großmutter ergeben sich für die beiden Lösungsmöglichkeiten jedoch keine Abweichungen. Denn nach beiden Ansichten könnte die Großmutter nicht wirksam alleine die Reallast aufheben (siehe hierzu folgend unter Buchst. d)).
d) Unwirksamkeit einer Zwischenverfügung über die Reallast,
Nach erfolgter Überleitung kann die Großmutter nicht mehr über die betroffenen Ansprüche verfügen (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 14). Die aufschiebende Bedingung führt jedoch dazu, dass die angeordnete Rechtsfolge – also die Überleitung – bis zum Eintritt der Bedingung schwebend unwirksam ist (Schütze/Engelmann, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 32 Rn. 26). Welche Folgen die aufschiebend bedingte Überleitung für die Verfügungsbefugnis des ursprünglichen Gläubigers des Anspruchs (hier: der Großmutter) bzw. des Inhabers der Reallast hat, wird – soweit ersichtlich – weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung erörtert. Die Rechtslage ist insoweit offen, es ergibt sich jedoch u. E. ein gewichtiges Argument aus
Die Frage der Wirksamkeit etwaiger Zwischenverfügungen (durch die Großmutter) richtet sich u. E. nach
Die bedingte Überleitung aufgrund eines Verwaltungsakts ist zwar keine rechtsgeschäftliche Verfügung über die jeweiligen Ansprüche, gleichwohl führt der privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt zu einem Gläubigerwechsel (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 2 f.) und es gelten nach der Überleitung die
Soweit die Reallast selbst aufschiebend bedingt übergeleitet worden ist, wird die Aufhebung der Reallast (
Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch, wenn lediglich die jeweils künftig fällig werdenden Einzelleistungen übergeleitet worden sind. Die Aufhebung der Reallast würde zwangsläufig auch zur Aufhebung der Ansprüche auf die Einzelleistungen führen und daher bei Bedingungseintritt deren Überleitung vereiteln. Die Aufhebung der Reallast würde daher mit Bedingungseintritt nach
Die Großmutter kann daher nicht alleine wirksam verfügen.
e) Keine gutgläubige Aufhebung der Reallast,
Nach
Geht man davon aus, dass die Reallast selbst aufschiebend bedingt übergleitet worden ist, bestünde daher die Möglichkeit der gutgläubigen Aufhebung der Reallast nach §§ 161 Abs. 3 i. V. m.
Im vorliegenden Fall kommt es demnach ebenso auf die Redlichkeit von A an. Diesem ist die Überleitung der Reallast aber bekannt. Die Überleitung nach § 93 SGB XII ist als Verwaltungsakt gegenüber dem Drittschuldner auch diesem gegenüber bekannt zu geben (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 44).
Sofern davon ausgegangen wird, dass nur die künftig fälligen (ab diesem Zeitpunkt also rückständigen) Einzelleistungen aus der Reallast aufschiebend bedingt mit deren Fälligkeit übergeleitet worden sind (und eben nicht die Reallast selbst), so vermittelt das Grundbuch in Bezug auf diese Einzelleistungen nach
Gleichwohl scheitert vorliegend in jedem Fall eine gutgläubige Aufhebung der Reallast nach
3. Ergebnis
Unabhängig davon, ob die Reallast als dingliches Recht (teilweise) auf den Sozialleistungsträger übergeht oder ob das Stammrecht bei der Großmutter verbleibt und nur einzelne Ansprüche (teilweise) auf den Sozialleistungsträger übergeleitet werden, bedarf es zur Aufhebung der Reallast der Mitwirkung des Sozialleistungsträgers. U. E. ist jedoch vorzugswürdig, davon auszugehen, dass die Reallast (als dingliches Recht) selbst (teilweise) übergeht und nicht nur die einzelnen Ansprüche aus der Reallast.
201617
Erscheinungsdatum:21.02.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Sachenrecht allgemein
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 1105