21. Februar 2024
BGB § 1105

Inhaberschaft der Reallast nach Überleitung auf den Sozialleistungsträger; Löschungsbewilligung

BGB § 1105; SGB XII § 93
Inhaberschaft der Reallast nach Überleitung auf den Sozialleistungsträger; Löschungsbewilligung

I. Sachverhalt
B hat an seinen Sohn A mehrere landwirtschaftliche Grundstücke übergeben. Die Großmutter von A (Mutter von B) ist Begünstigte einer Reallast, welche im Zuge der Übergabe auf B im Grundbuch eingetragen und von A übernommen wurde. Inhalt der Reallast ist eine Verpflichtung zur monatlichen Zahlung von 204,52 €. Dieser Verpflichtung ist A seit der Übergabe auf ihn auch nachgekommen. Nun ist die (noch geschäftsfähige) Großmutter pflegebedürftig geworden und die Zahlungsansprüche aus der Reallast wurden auf den zuständigen Bezirk als Gläubiger übergeleitet. Seither leistet A die Zahlungen an den Bezirk.

Anlässlich des Verkaufs eines Grundstücks soll die Reallast sogleich an allen Grundstücken gelöscht werden; die Zahlungen an den Bezirk will A weiterhin leisten.

II. Frage
Kann die Großmutter alleine die Aufhebung und Löschung der Reallast bewirken?

III. Zur Rechtslage
Die Aufhebung der Reallast ist eine Verfügung über diese Reallast. Sie setzt nach § 875 Abs. 1 S. 1 BGB die einseitige Aufgabeerklärung des Berechtigten und die Löschung der Reallast im Grundbuch voraus. Die Aufgabe ist vom Berechtigten gegenüber dem Grundstückseigentümer (als Begünstigtem der Aufhebung des Rechts) oder gegenüber dem Grundbuchamt zu erklären, § 875 Abs. 1 S. 2 BGB.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob die Großmutter noch (alleinige) Inhaberin der Reallast ist und somit als Berechtigte über die Reallast verfügen kann.

1. Überleitung der Zahlungsansprüche aus der Reallast
Nach dem Sachverhalt hat der Bezirk als Sozialhilfeträger die „Zahlungsansprüche aus der Reallast“ auf sich übergeleitet, nachdem die Großmutter pflegebedürftig geworden ist. Insoweit dürfte es sich um eine Überleitung von Ansprüchen nach § 93 Abs. 1 SGB XII handeln.
Gem. § 93 Abs. 1 SGB XII können Ansprüche desjenigen, der Leistungen des Sozialhilfeträgers erhält, auf den Sozialhilfeträger bis zur Höhe seiner Aufwendungen übergehen.

Als Gegenstand dieser Überleitung kommen grundsätzlich sämtliche privat- und öffentlich-rechtlichen Ansprüche in Betracht (BeckOK-SozR/Weber, Std.: 1.12.2023, § 93 SGB XII Rn. 9; Giere, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl. 2024, § 93 Rn. 15).

Dabei steht der Überleitung eines Anspruchs eine fehlende Übertragbarkeit, Pfändbarkeit oder Verpfändbarkeit nach § 93 Abs. 1 S. 4 SGB XII nicht im Wege.

a) Gegenstand der Überleitung
Vor diesem Hintergrund ist fraglich, welche Ansprüche genau im vorliegenden Fall übergeleitet worden sind. Mit Blick auf die monatlichen Zahlungen bestehen insoweit zwei Möglichkeiten:

Einerseits könnte im Übergabevertrag (der Großmutter an B) nur eine Reallast zugunsten der Großmutter bestellt worden sein, mit dem Inhalt, dass an die Großmutter die regelmäßigen Zahlungen (aus dem Grundstück) zu entrichten sind. In diesem Fall ergäbe sich die Zahlungsverpflichtung des Eigentümers nach § 1108 Abs. 1 BGB aus dem gesetzlichen Begleitschuldverhältnis, das den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks auch persönlich zur Erbringung der Leistung verpflichtet, auf die sich die Reallast bezieht (BGH NJW 1972, 814, 817; MünchKommBGB/Mohr, 9. Aufl. 2023, § 1108 Rn. 2). Die Überleitung könnte sich demnach nur auf die Reallast bzw. auf das Recht auf die Einzelleistungen beziehen (dazu sogleich in Ziff. 2. Buchst. c)).

Andererseits könnte die monatliche Zahlung als Leibrente ausgestaltet worden sein und eine Reallast anschließend zur dinglichen Sicherung dieser monatlichen Zahlungen bestellt worden sein. In diesem Fall ist fraglich, ob der Sozialleistungsträger nur die Ansprüche aus der Leibrente oder auch die Reallast übergeleitet hat. Dies lässt sich indes nur mit Kenntnis des Inhalts des Überleitungsschreibens als Verwaltungsakt (vgl. § 93 Abs. 3 SGB XII) bestimmen.

b) Überleitungsfähigkeit der Reallast
Es stellt sich die Frage, ob eine Reallast überhaupt im Rahmen des § 93 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialleistungsträger übergeleitet werden kann Dies ist deshalb fraglich, weil nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 1 SGB XII nur Ansprüche übergeleitet werden können, es sich bei der Reallast allerdings um ein dingliches Recht handelt.

Hinsichtlich der Überleitung eines Nießbrauchs – also des dinglichen Rechts selbst und nicht nur der Ausübungsbefugnis – wird die Rechtslage in der Literatur als offen eingeschätzt (Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis, 6. Aufl. 2022, Rn. 1598; zudem Herrler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 8. Aufl. 2024, § 5 Rn. 517). Weber hingegen bejaht die Überleitungsfähigkeit des Nießbrauchs mit dem Argument, dass dieser „kapitalisierbar“ ist (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 110).

Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit auch „dinglich gesicherte Leibgedingansprüche“ als überleitbar angesehen (BVerwG, Beschl. v. 15.4.1996, BeckRS 1996, 31227884; Giere, § 93 Rn. 15). Dies wird mit dem Argument begründet, dass die Überleitungsfähigkeit allein voraussetzt, dass es sich bei den Ansprüchen um Zahlungsansprüche oder geldwerte Ansprüche handelt (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 9).

Da regelmäßig vor allem auch Reallasten (zusammen mit Dienstbarkeiten, § 49 GBO) als Leibgedinge zusammengefasst werden, geht die Rechtsprechung wohl davon aus, dass das dingliche Recht auf die Einzelleistungen der Reallast (§ 1107 BGB) zusammen mit dem persönlichen Anspruch gegen den jeweiligen Eigentümer (§ 1108 Abs. 1 BGB) überleitbar ist.

Wenngleich mithin noch nicht abschließend geklärt ist, ob „die Reallast“ (als dingliches Recht) insgesamt überleitbar ist, so spricht doch viel dafür, dass zumindest die dinglichen Ansprüche, die sich aus der Belastung eines Grundstücks mit einer Reallast ergeben, i. S. v. § 93 Abs. 1 SGB XII überleitbar sind. Man wird mithin jedenfalls nicht sagen können, „die Reallast“ sei insgesamt nicht überleitungsfähig (s. hierzu auch Ziff. 2. Buchst. b) a. E. zur Überleitung noch nicht fälliger Einzelleistungen).

2. Aufhebung der Reallast nach der Überleitung
Soweit die Überleitungsfähigkeit gegeben ist, stellt sich die Frage, welche Folgen die Überleitung der Ansprüche aus einer Reallast auf die Inhaberschaft der Reallast bzw. die Verfügungsbefugnis der Großmutter hat. Nur dann, wenn die Großmutter auch nach der Überleitung noch die in ihrer Verfügungsbefugnis nicht beschränkte Inhaberin der Reallast ist, könnte sie alleine die Löschung der Reallast erklären und bewilligen (§ 875 BGB).

a) Gesetzlicher Inhalt der Reallast
Aus der Reallast fließen regelmäßig wiederkehrende Einzelleistungen, wegen derer der Inhaber nach § 1107 BGB die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben kann (Duldungsanspruch gem. § 1147 BGB; BeckOK-BGB/Reischl, Std.: 1.11.2023, § 1107 Rn. 8). Aus § 1108 Abs. 1 BGB ergibt sich zudem, dass neben dem dinglichen Verwertungsrecht auch ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht, kraft dessen der jeweilige Grundstückseigentümer auch persönlich zu den regelmäßig wiederkehrenden Einzelleistungen verpflichtet ist (BGH NJW 1972, 814, 817; MünchKommBGB/Mohr, § 1108 Rn. 2). Diese aus dem Begleitschuldverhältnis stammenden Ansprüche können jedoch nicht selbstständig, d. h. ohne das dingliche Recht auf die Einzelleistungen übertragen werden, insbesondere nicht abgetreten oder gepfändet werden (Grüneberg/Herrler, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1108 Rn. 1; Staudinger/Reymann, BGB, 2021, § 1107 Rn. 28, § 1108 Rn. 6). Diese Ansprüche gehen vielmehr nur zusammen mit dem dinglichen Recht auf die Einzelleistungen (vgl. § 1107 BGB) auf einen neuen Gläubiger über.

b) Übertragung der Ansprüche aus einer Reallast
Hinsichtlich der Übertragung des dinglichen Rechts auf die Einzelleistungen ist zwischen den bereits fälligen (rückständigen) und den künftigen Einzelleistungen zu unterscheiden:

Das Recht auf bereits fällige Einzelleistungen (Rückstände) wird nach den §§ 1107, 1159, 398 ff. BGB abgetreten, also nach den allgemeinen Bestimmungen über die Forderungsabtretung (BeckOK-BGB/Reischl, § 1107 Rn. 3; Grüneberg/Herrler, § 1107 Rn. 2; MünchKommBGB/Mohr, § 1107 Rn. 3; Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 25).

Das Recht auf noch nicht fällige (künftige) Einzelleistungen wird hingegen gemäß § 1107 BGB entsprechend §§ 873, 1154 Abs. 3 BGB nach den Grundsätzen des Immobiliarsachenrechts übertragen (BGH NJW 2004, 361; BeckOGK-BGB/Sikora, Std.: 1.1.2024, § 1107 Rn. 33; BeckOK-BGB/Reischl, § 1107 Rn. 9; Grüneberg/Herrler, § 1107 Rn. 2; MünchKommBGB/Mohr, § 1107 Rn. 3; Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 24; bereits MünchKommBGB/Joost, 6. Aufl. 2013, § 1107 Rn. 3).

Hierbei handelt es sich u. E. jedoch um eine teilweise Übertragung der Reallast selbst (so ausdrücklich: MünchKommBGB/Joost, § 1107 Rn. 3; MünchKommBGB/Mohr, § 1107 Rn. 3; Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 24; ähnlich im Ergebnis, aber unklar: BeckOGK-BGB/Sikora, § 1107 Rn. 3; a. A.: BeckOK-BGB/Reischl, § 1107 Rn. 3; s. auch zuvor Ziff. 1. Buchst. b) zur Frage der insgesamten Überleitbarkeit einer Reallast). Denn das Recht auf die Einzelleistungen sind keine Erträge eines geschlossenen Nutzungsrechts, sondern Inhalt der Reallast selbst (BGH NJW 2004, 361, 362). Unabhängig vom Streit über das Wesen des „Stammrechts“ der Reallast kann die Reallast nicht unabhängig von den Einzelleistungen bestehen: Werden sämtliche künftig fällig werdenden Einzelleistungen übertragen, so verbleibt keine entkleidete Reallast beim ursprünglichen Inhaber. Vielmehr ist in diesem Fall derjenige, an den die Leistungen aus der Reallast zu bewirken sind, nach § 1105 Abs. 1 BGB Inhaber der Reallast (insoweit herrscht auch Einigkeit in der Literatur: BeckOGK-BGB/Sikora, § 1107 Rn. 3; BeckOK-BGB/Reischl, § 1107 Rn. 3; MünchKommBGB/Joost, § 1107 Rn. 3; MünchKommBGB/Mohr, § 1107 Rn. 3; Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 24 f.; in diese Richtung auch BGH NJW 2004, 361). Ist die Übertragung sämtlicher künftiger Einzelleistungen aus der Reallast eine Übertragung der Reallast selbst, so kann u. E. nichts anderes im Falle einer teilweisen Übertragung der Reallast gelten (so aber: BeckOK-BGB/Reischl, § 1107 Rn. 3).
Bei der teilweisen Übertragung der Ansprüche auf die künftigen Einzelleistungen handelt es sich daher u. E. um eine teilweise Übertragung der Reallast selbst im Umfang der übertragenen Ansprüche auf die Einzelleistungen (MünchKommBGB/Joost, § 1107 Rn. 3; MünchKommBGB/Mohr, § 1107 Rn. 3; Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 24).

In diesem Umfang ist anschließend auch nur der neue Inhaber der Reallast verfügungsbefugt (Staudinger/Reymann, § 1107 Rn. 25).

c) Aufschiebend bedingte Überleitung der künftigen Ansprüche aus der Reallast
Für die Frage, wem die Reallast nach der Überleitung zusteht, kommt es somit darauf an, welche Ansprüche nach § 93 Abs. 1 SGB XII übergeleitet wurden.

Grundsätzlich muss der für die Überleitung in Frage kommende Anspruch für die Zeit bestehen, für die Sozialhilfe erbracht wird bzw. wurde (vgl. § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGB XII; BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 19). Maßgeblich ist insoweit, dass der überzuleitende Anspruch zum Zeitpunkt der Sozialleistungsgewährung fällig ist (LSG BW MittBayNot 2014, 285, 288).

Gleichzeitig werden jedoch auch noch nicht fällige, künftige Ansprüche für überleitbar gehalten, wenn der Sozialhilfeträger diese Ansprüche konkret bestimmt (BGH NJW 1988, 1147, 1148 f.). In diesem Fall steht die Überleitung der künftigen Ansprüche unter der aufschiebenden Bedingung der tatsächlichen Sozialleistungsgewährung (BGH NJW 1988, 1147, 1148; NJW 1956, 790, 790 f.; BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 51, 55). Mit der monatlichen Zahlung der Sozialhilfe tritt diese Bedingung dann jeden Monat ein (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 55).

Vor diesem Hintergrund dürften im vorliegenden Fall auch die künftigen Einzelleistungen aus der Reallast aufschiebend bedingt übergeleitet worden sein. Diese Überleitung setzt dabei auch nur einen schriftlichen Verwaltungsakt voraus, § 93 Abs. 2 SGB XII (Giere, § 93 Rn. 25).

In Rechtsprechung und Literatur ist indes nicht geklärt, ob die aufschiebend bedingte Überleitung der künftigen Einzelleistungen aus der Reallast zu einem (ggf. teilweisen) Übergang der Reallast selbst führt oder nur zum Übergang der dann jeweils künftig fällig werdenden Einzelleistungen.

Für einen teilweisen Übergang der Reallast spricht, dass die (unbedingte) Übertragung der künftigen Einzelleistungen nach dem Vorstehenden unserer Auffassung nach stets eine Teilübertragung der Reallast ist. Dementsprechend könnte es sich somit um eine aufschiebend bedingte Teilübertragung der Reallast selbst handeln.

Da es sich bei dem Überleitungsverwaltungsakt um einen hoheitlichen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt handelt (BVerwG NJW 1992, 3312; NJW 1994, 64), der selbst unmittelbar die materielle Zivilrechtslage beeinflusst, bedarf es u. E. für die Wirksamkeit der (teilweisen) Überleitung der Reallast auch keiner konstitutiven Eintragung im Grundbuch (s. Giere, § 93 Rn. 31; a. A. Krauß, Rn. 810).

Dafür, dass nur die dann jeweils fällig werdenden Einzelleistungen auf den Sozialleistungsträger übergehen und die Inhaberschaft der Reallast im Übrigen unberührt bleibt, spricht jedoch, dass das BVerwG davon ausgeht, dass die Überleitung von Unterhaltsansprüchen das Stammrecht (auf Unterhaltszahlung) unberührt lässt und „der Schuldner des übergeleiteten Anspruchs demnach befugt bleibt, den Unterhalt weiterhin unmittelbar an den Hilfeempfänger zu leisten und damit ein Eingreifen der Sozialhilfe überflüssig zu machen“ (BVerwG, Urt. v. 26.11.1969, BeckRS 1969, 30425162; so auch BVerwG, Urt. v. 6.11.1975, BeckRS 2010, 54558; BVerwG, Urt. v. 17.5.1973, BeckRS 1973, 30435785; ebenso Giere, § 93 Rn. 30). Übertragen auf die Reallast würden insoweit Monat für Monat nur die dann jeweils fällig werdenden Einzelleistungen übergeleitet werden. Dies dürfte indes auch der Interessenlage des Sozialleistungsträgers entsprechen, weil dieser sich dann nicht um die Verwaltung der Rechte selbst zu kümmern hat.

Die genauen Folgen der aufschiebend bedingten Überleitung der künftigen Ansprüche aus der Reallast für die Inhaberschaft der Reallast sind letztlich derzeit ungeklärt, wobei u. E – dogmatisch konsequenter – der erstgenannten Ansicht der Vorzug zu geben ist.
Hinsichtlich der Möglichkeit der Aufhebung der Reallast alleine durch die Großmutter ergeben sich für die beiden Lösungsmöglichkeiten jedoch keine Abweichungen. Denn nach beiden Ansichten könnte die Großmutter nicht wirksam alleine die Reallast aufheben (siehe hierzu folgend unter Buchst. d)).

d) Unwirksamkeit einer Zwischenverfügung über die Reallast, § 161 BGB
Nach erfolgter Überleitung kann die Großmutter nicht mehr über die betroffenen Ansprüche verfügen (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 14). Die aufschiebende Bedingung führt jedoch dazu, dass die angeordnete Rechtsfolge – also die Überleitung – bis zum Eintritt der Bedingung schwebend unwirksam ist (Schütze/Engelmann, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 32 Rn. 26). Welche Folgen die aufschiebend bedingte Überleitung für die Verfügungsbefugnis des ursprünglichen Gläubigers des Anspruchs (hier: der Großmutter) bzw. des Inhabers der Reallast hat, wird – soweit ersichtlich – weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung erörtert. Die Rechtslage ist insoweit offen, es ergibt sich jedoch u. E. ein gewichtiges Argument aus § 161 BGB:

Die Frage der Wirksamkeit etwaiger Zwischenverfügungen (durch die Großmutter) richtet sich u. E. nach § 161 BGB (analog). Nach § 161 Abs. 1 S. 1 BGB ist jede Zwischenverfügung über den Gegenstand während der Schwebezeit insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würde. Diese Unwirksamkeit ist dabei absolut und wirkt somit gegenüber jedermann (BeckOGK-BGB/Reymann, Std.: 1.12.2023, § 161 Rn. 38). § 161 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt wurde.

Die bedingte Überleitung aufgrund eines Verwaltungsakts ist zwar keine rechtsgeschäftliche Verfügung über die jeweiligen Ansprüche, gleichwohl führt der privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt zu einem Gläubigerwechsel (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 2 f.) und es gelten nach der Überleitung die §§ 399 ff. BGB entsprechend, sodass dem Schuldner auch seine Einwendungen erhalten bleiben (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 50; vgl. zur analogen Anwendbarkeit des § 162 BGB bei treuwidriger Vereitelung des Bedingungseintritts im Verwaltungsrecht BVerwG NVwZ 1985, 114; Schröder, in: Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL August 2022, § 36 Rn. 63, jeweils m. w. N.; Schütze/Engelmann, § 32 Rn. 28). Eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen ist daher u. E. gegeben, denn auch der Begünstigte der Wirkungen des überleitenden Verwaltungsakts (hier: der Sozialhilfeträger) ist vor Bedingungseintritt schutzwürdig gegenüber Zwischenverfügungen des ursprünglichen Berechtigten (hier: der Großmutter).

Soweit die Reallast selbst aufschiebend bedingt übergeleitet worden ist, wird die Aufhebung der Reallast (§ 875 BGB) mit dem jeweiligen Eintritt der Bedingung (= Leistungserbringung durch den Sozialhilfeträger) nach § 161 Abs. 1 BGB insoweit absolut unwirksam. Denn die Aufhebung vereitelt bei Bedingungseintritt die (teilweise) Überleitung der Reallast.

Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch, wenn lediglich die jeweils künftig fällig werdenden Einzelleistungen übergeleitet worden sind. Die Aufhebung der Reallast würde zwangsläufig auch zur Aufhebung der Ansprüche auf die Einzelleistungen führen und daher bei Bedingungseintritt deren Überleitung vereiteln. Die Aufhebung der Reallast würde daher mit Bedingungseintritt nach § 161 Abs. 1 BGB absolut unwirksam werden.

Die Großmutter kann daher nicht alleine wirksam verfügen.

e) Keine gutgläubige Aufhebung der Reallast, §§ 161 Abs. 3 BGB
Nach § 161 Abs. 3 BGB sind jedoch die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb entsprechend anwendbar. Bei Grundstücken kommen insoweit die §§ 892, 893 BGB zum Tragen (BeckOGK-BGB/Reymann, § 161 Rn. 68).

Geht man davon aus, dass die Reallast selbst aufschiebend bedingt übergleitet worden ist, bestünde daher die Möglichkeit der gutgläubigen Aufhebung der Reallast nach §§ 161 Abs. 3 i. V. m. §§ 893 Var. 2, 892 Abs. 1 S. 1 BGB, da die Großmutter als alleinige Inhaberin im Grundbuch eingetragen ist. Grundsätzlich fallen unter § 893 Var. 2 BGB sämtliche Verfügungen über ein Recht an einem Grundstück, die nicht dessen Erwerb zum Gegenstand haben. Die Regelung erfasst auch einseitige Rechtsgeschäfte und insbesondere auch die Aufhebung nach § 875 Abs. 1 BGB (Grüneberg/Herrler, § 893 Rn. 3; MünchKommBGB/H. Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 893 Rn. 10). Für die Frage der Redlichkeit (in Bezug auf die aufschiebend bedingte Überleitung) kommt es dabei stets auf den oder die durch die Verfügung Begünstigten an (MünchKommBGB/H. Schäfer, § 893 Rn. 10; Staudinger/Picker, BGB, 2019, § 893 Rn. 34 ff.).

Im vorliegenden Fall kommt es demnach ebenso auf die Redlichkeit von A an. Diesem ist die Überleitung der Reallast aber bekannt. Die Überleitung nach § 93 SGB XII ist als Verwaltungsakt gegenüber dem Drittschuldner auch diesem gegenüber bekannt zu geben (BeckOK-SozR/Weber, § 93 SGB XII Rn. 44).

Sofern davon ausgegangen wird, dass nur die künftig fälligen (ab diesem Zeitpunkt also rückständigen) Einzelleistungen aus der Reallast aufschiebend bedingt mit deren Fälligkeit übergeleitet worden sind (und eben nicht die Reallast selbst), so vermittelt das Grundbuch in Bezug auf diese Einzelleistungen nach §§ 1107, 1159 Abs. 2 BGB keinen Gutglaubensschutz. Denn nach §§ 1107, 1159 Abs. 2 BGB ist § 892 BGB auf die rückständigen Einzelleistungen nicht anzuwenden (BeckOK-BGB/Reischl, § 1107 Rn. 9). Entsprechend anzuwenden sind nach §§ 1107, 1159 Abs. 1 BGB vielmehr die §§ 404 ff. BGB, mithin auch § 407 Abs. 1 BGB. Hiernach muss der neue Gläubiger eines Anspruchs jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Hierunter fällt auch die Aufhebung des Vertrages, aus dem sich der Anspruch ergibt (BGH NJW-RR 2010, 483; BeckOGK-BGB/Lieder, Std.: 1.1.2024, § 407 Rn. 28 m. w. N.).

Gleichwohl scheitert vorliegend in jedem Fall eine gutgläubige Aufhebung der Reallast nach §§ 161 Abs. 3, 1107, 1059 Abs. 1, 407 Abs. 1 BGB an der erforderlichen Redlichkeit von A, sodass der Sozialleistungsträger die Aufhebung vorliegend nicht gegen sich gelten lassen muss.

3. Ergebnis
Unabhängig davon, ob die Reallast als dingliches Recht (teilweise) auf den Sozialleistungsträger übergeht oder ob das Stammrecht bei der Großmutter verbleibt und nur einzelne Ansprüche (teilweise) auf den Sozialleistungsträger übergeleitet werden, bedarf es zur Aufhebung der Reallast der Mitwirkung des Sozialleistungsträgers. U. E. ist jedoch vorzugswürdig, davon auszugehen, dass die Reallast (als dingliches Recht) selbst (teilweise) übergeht und nicht nur die einzelnen Ansprüche aus der Reallast.

Gutachten/Abruf-Nr:

201617

Erscheinungsdatum:

21.02.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 25-29

Normen in Titel:

BGB § 1105