16. Mai 2017
GmbHG § 15 Abs. 5; GmbHG § 47; GmbHG § 33

Ruhendes Stimmrecht aus eigenen Geschäftsanteilen der GmbH; Berechnung der Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse; Beschluss über Zustimmung zur Anteilsveräußerung; Vinkulierungsklausel; Erwerb eigener Anteile

GmbHG §§ 33, 47, 15 Abs. 5
Ruhendes Stimmrecht aus eigenen Geschäftsanteilen der GmbH; Berechnung der Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse; Beschluss über Zustimmung zur Anteils-veräußerung; Vinkulierungsklausel; Erwerb eigener Anteile

I. Sachverhalt
Die A-GmbH hat ein Stammkapital von 314.000 €. Als Gesellschafter sind zahl­reiche Privatpersonen beteiligt; sie halten Geschäftsanteile i. H. v. 206.200 €. Daneben hält die Gesellschaft eigene Geschäftsanteile i. H. v. 107.800 €. Nunmehr sollen auch die Geschäftsanteile der Gesellschafter A und B im Nennbetrag von 2.100 € bzw. 800 € auf die Gesellschaft übertragen werden. Laut Satzung bedarf die Verfügung über Geschäftsanteile einer Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss mit einer Mehrheit von 75 % des Stammkapitals. Ausnahmen sieht die Satzung nicht vor.

II. Fragen
1.    Wie werden Beschlussmehrheiten berechnet, wenn die GmbH eigene Anteile hält?

2.    Falls die Stimmen der GmbH nicht zu berücksichtigen sind: Ist dann der Zustimmungsbeschluss, der laut Satzung einer Kapitalmehrheit von 75 % bedarf, überhaupt noch zu erreichen?

III. Zur Rechtslage
1.    Kein Stimmrecht aus eigenem Anteil
Nach gefestigter Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur ruht das Stimmrecht aus eigenen Geschäftsanteilen der GmbH (RGZ 103, 64, 66 f.; BGH DNotZ 1995, 963, 964 f.; NJW 2009, 2300, 2303 Tz. 33; NZG 2009, 1310, 1311 Tz. 6; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 47 Rn. 24; GroßkommGmbHG/Paura, 2. Aufl. 2014, § 33 Rn. 85; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 33 Rn. 24; Michalski/Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 33 Rn. 62; MünchKommGmbHG/Löwisch, 2. Aufl. 2015, § 33 Rn. 72; Lutter/Hommel­hoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 33 Rn. 39; BeckOK-GmbHG/Schindler, Std.: 1.2.2017, § 33 Rn. 95). „Ruhen“ meint zwar kein Erlöschen, das Stimmrecht kann jedoch von der Gesellschaft nicht ausgeübt werden. Der Grund für das Ruhen liegt darin, dass die stimmrechtsausübenden Geschäftsführer andernfalls einen systemwidrigen Machtzuwachs erführen; sie hätten das Stimmrecht ja auszuüben und damit einen so nicht vorgesehenen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft (GroßkommGmbHG/Paura, § 33 Rn. 85; s. auch Michalski/Römermann, § 47 Rn. 67 m. Verw. auf den Minderheitenschutz).

2.    Folgen für die Mehrheitsberechnung
a) Bei gesetzlichem Mehrheitserfordernis
Die Folge des ruhenden Stimmrechts besteht schlicht darin, dass die eigenen Geschäftsanteile bei der Auszählung der abgegebenen Stimmen nicht mitberücksichtigt werden: Die auf den eigenen Anteil entfallenden Stimmen gelten als nicht abgegeben, zählen im Ergebnis also nicht mit (GroßkommGmbHG/Paura, § 33 Rn. 86; Michalski/Sosnitza, § 33 Rn. 62). Dies versteht sich freilich vor dem Hintergrund der gesetzlichen Mehrheitserfordernisse: Grundsätzlich kommt es bei der Beschlussfassung in der GmbH nur auf die abgegebenen Stimmen an (vgl. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 S. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Das Nichtmitzählen der Stimmen aus eigenen Anteilen bereitet dann keine Schwierigkeiten.

b) Bei statutarischem Mehrheitserfordernis „Kapitalmehrheit“
Anders könnte man dies sehen, wenn die Satzung auf eine bestimmte Kapitalmehrheit abstellt. Eine solche Regelung darf die Satzung vorsehen, denn die gesetzlichen Mehrheitserfordernisse sind sehr weitgehend dispositiv (vgl. § 45 Abs. 2 GmbHG und OLG Frankfurt GmbHR 2010, 260 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 24; Blath, RNotZ 2017, 218, 225). Die Kapitalmehrheit bemisst sich aber nach dem Stammkapital, an dem rechnerisch zwingend auch die eigenen Anteile partizipie­ren. Die wohl h. M. behilft sich in diesem Fall mit einer berichtigen­den Auslegung der Sat­zung: Es soll anstelle des vollständigen Stammkapitals das um die eigenen Anteile verminderte Stammkapital zugrunde gelegt werden oder es sollen die ruhenden Stimmrechte pro rata den übrigen Stimmrechten zuzuschlagen sein (GroßkommGmbHG/Paura, § 33 Rn. 86; Scholz/Westermann, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 33 Rn. 37; Michalski/Sosnitza, § 33 Rn. 62; BeckOK-GmbHG/Schindler, § 33 Rn. 95; Sandhaus, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 33 Rn. 36; Geißler, GmbHR 2008, 1018, 1022; wohl auch MünchKommGmbHG/Löwisch, § 33 Rn. 72).

Hält man die berichtigende Auslegung nicht für sicher genug, könnte evtl. eine berichtigen­de Satzungsänderung weiterhelfen. Wenn man dabei lediglich deklaratorisch klarstellt, dass Stimmrechte aus eigenen Anteilen nicht zum maßgeblichen Stammkapital dazugehören, sollte darin keine Satzungsänderung liegen, die ihrerseits mit 75 % des Stammkapitals beschlossen werden muss. Mit einer deklaratorischen Satzungsänderung ist aber die Ungewissheit, dass die Satzung einen anderen materiell-rechtlichen Gehalt haben könnte, letztlich immer noch nicht beseitigt. Bei einer Satzungsänderung mit darüber hinausgehender materieller Bedeutung könnte wiederum das mit Blick auf die eigenen Anteile „herabzusetzende“ Quorum zu beachten sein (tendenziell anders, aber letztlich wohl offen: BGH NZG 2013, 57, 60 Tz. 27; NZG 2013, 63, 64 Tz. 16). Dies erscheint zwar wenig sinnvoll (es könnte bei der Satzungsänderung nicht um eine zustimmungsbedürftige Schmälerung von Gesellschafterrechten gehen, der GmbH kommen solche Rechte ja gerade nicht zu), mag aber angesichts der etwas unklaren Rechtslage zur Sicherheit geboten sein. Der Weg der Satzungsänderung wäre damit mangels ausübbarer Stimmrechte der GmbH versperrt. Andere, sicherere Wege – abgesehen von der Abtretung der eigenen Anteile – gibt es u. E. nicht. Insbesondere wird man auf den Zustimmungsbeschluss nicht oh­ne Weiteres verzichten können.

3.    Vorliegender Fall
Stellt man vorliegend auf das „unbereinigte“ Stammkapital ab, ließe sich die qualifizierte Mehrheit zum Zustimmungsbeschluss nicht erreichen. Legt man die Satzung im obigen Sinne berichtigend aus, ist diese Mehrheit ohne Weiteres möglich.

Konkret kommt die Beson­derheit hinzu, dass keine beliebige Abtretung ansteht, sondern ein weiterer Erwerb eigener Anteile. In diesem Fall soll ein Zustimmungsbeschluss nach wohl überwie­gender Meinung bereits unabhängig von einer Vinkulierungsklausel erforderlich sein (vgl. DNotI-Internetgutachten Nr. 107604). Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Gesell­schaft nicht mitstimmen kann, sondern auch der veräußernde Gesellschafter nicht: Gem. § 47 Abs. 4 S. 2 Var. 1 GmbHG hat der Gesellschafter nämlich kein Stimmrecht bei Be­schlüssen, die über ein Rechtsgeschäft zwischen ihm und der Gesellschaft gefasst werden (GroßkommGmbHG/Hüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 177; Michalski/Römermann, § 33 Rn. 24; MünchKommGmbHG/Drescher, 2. Aufl. 2016, § 47 Rn. 170). Die Mehrheitsbestimmung der Satzung muss also auch insoweit modifiziert gelten.

Gutachten/Abruf-Nr:

151302

Erscheinungsdatum:

16.05.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2017, 67-68

Normen in Titel:

GmbHG § 15 Abs. 5; GmbHG § 47; GmbHG § 33