02. Juni 2022
AO § 149 Abs. 1; AO § 80 Abs. 1; BewG § 228 Abs. 1; BeurkG § 17 Abs. 1

Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung zur Feststellung der Grundsteuerwerte; Grundsteuerreform; Gestaltung des Grundstückskaufvertrags

BewG § 228; AO §§ 80 Abs. 1, 149 Abs. 1 S. 2; BeurkG § 17 Abs. 1
Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung zur Feststellung der Grundsteuerwerte; Grundsteuerreform; Gestaltung des Grundstückskaufvertrags

I. Sachverhalt
Die gesetzlichen Vorschriften der Grundsteuerreform führen in Fällen eines Eigentumswechsels in diesem Jahr dazu, dass der Verkäufer von Grundbesitz die Daten sammeln und sich dem Finanzamt gegenüber erklären muss, da er am 1.1.2022 Eigentümer des Grundbesitzes war. Der Verkäufer wird in der Regel jedoch kein Interesse daran haben, diese umfangreiche Verpflichtung sorgsam zu erfüllen. Gleichzeitig hat der Käufer/Erwerber ein Interesse daran, dass die Angaben korrekt und sachgerecht gemacht werden.

II. Fragen
1. Inwiefern muss oder sollte die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung im Rahmen der Gestaltung von Grundstückskaufverträgen berücksichtigt werden?

2. Ist der Käufer des Grundbesitzes dazu berechtigt, die erforderlichen Erklärungen abzugeben, auch wenn er am 1.1.2022 nicht Eigentümer des Grundbesitzes war und dies möglicherweise auch bei Angabe der Daten noch nicht sein wird?

3. Kann der Verkäufer wirksam verpflichtet werden, die Erklärung nicht abzugeben, wenn der Käufer dieser Abgabepflicht z. B. bis zum 30.9.2022 nachgekommen ist?

III. Zur Rechtslage
1. Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung
Gem. § 228 Abs. 1 S. 1 BewG haben die Steuerpflichtigen zur Feststellung der Grundsteuerwerte für den Hauptfeststellungszeitpunkt eine Erklärung abzugeben, wenn sie hierzu durch die Finanzbehörde aufgefordert werden. Die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung kann gem. § 228 Abs. 1 S. 3 BewG vom Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Steuerpflichtige i. S. d. § 228 Abs. 1 S. 1 BewG sind gem. § 228 Abs. 3 Nr. 1 BewG diejenigen, denen die wirtschaftliche Einheit zuzurechnen ist.

Die Aufforderung i. S. d. § 228 BewG i. V. m. § 149 Abs. 1 S. 2 AO ist zwischenzeitlich vom Bundesministerium der Finanzen öffentlich bekannt gemacht worden (vgl. öffentliche Bekanntmachung des Bundesministeriums für Finanzen vom 30.3.2022, BStBl. I 2022, S. 205). Für Länder, die von der abweichenden Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG Gebrauch gemacht haben, gibt es gleichlautende Allgemeinverfügungen durch die zuständigen Landesministerien (vgl. Meier, DNotZ 2022, Heft 6 – im Erscheinen). Gemäß der öffentlichen Bekanntmachung des Bundesministeriums für Finanzen vom 30.3.2022 muss die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 nach dem amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung (elektronisches Formular) mit Frist zum 31.10.2022 übermitteln werden. Sofern landesrechtlich keine abweichende Regelung besteht, ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk das zu bewertende Grundstück oder der zu bewertende Betrieb liegt. Maßgebend für die persönliche Erklärungspflicht sind die Verhältnisse zum 1.1.2022. Bei Nichtabgabe der Erklärung oder verspäteter Abgabe kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Zudem kann das Finanzamt hilfsweise die Besteuerungsgrundlage schätzen.

Wie Sie in Ihrer Anfrage zutreffend herausarbeiten, kommt es hier zu einer Diskrepanz zwischen Erklärungspflicht einerseits und Folgen der Falsch- oder Nichtabgabe andererseits (teilweise wird dies in der Literatur als „kontraintuitiv“ bezeichnet, vgl. Meier, DNotZ 2022, Heft 6 – im Erscheinen). Kommt es nach dem 1.1.2022 zu einem Eigentumsübergang oder zum Abschluss eines Kaufvertrages, ändert dies nichts daran, dass der Eigentümer, der am 1.1.2022 im Grundbuch eingetragen war, öffentlich-rechtlich zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet bleibt. Diese öffentlich-rechtliche Pflicht steht nicht zur Disposition der Parteien, sodass durch zivilrechtliche Vereinbarungen der Veräußerer nicht von seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht befreit werden kann.

2. Bevollmächtigung des Käufers
Grundsätzlich ermöglicht § 80 Abs. 1 S. 1 AO die Bevollmächtigung eines beliebigen Dritten im Besteuerungsverfahren. Eine Schranke bildet § 2 StBerG, der vorsieht, dass geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nur erbringen darf, wer hierzu befugt ist. Die Befugnis hierzu ergibt sich aus den §§ 3 ff. StBerG. Eine solche Befugnis wird der Käufer einer Immobilie regelmäßig nicht besitzen, es sei denn er ist „zufälligerweise“ Steuerberater. Dies spielt letztlich aber keine Rolle, denn eine Bevollmächtigung im Besteuerungsverfahren ist dort ausgeschlossen, wo das Gesetz eine eigenhändige Unterschrift fordert. Verlangt das Gesetz eine eigenhändige Unterschrift, so ist eine Vertretung nur in den Schranken des § 150 Abs. 3 AO zulässig, d. h., wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder längerer Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Auch diese Voraussetzungen dürften regelmäßig nicht erfüllt sein, sodass wegen des Erfordernisses der eigenhändigen Unterschrift gem. § 228 Abs. 5 BewG die Bevollmächtigung bei der Steuererklärung ausgeschlossen ist (vgl. Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 80 Rn. 7; Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 80 Rn. 26; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 244. EL Sept. 2017, § 80 AO Rn. 145 ff.). Ist die Steuererklärung elektronisch zu übermitteln, wird die eigenhändige Unterschrift durch die Authentifizierung in ELSTER ersetzt (vgl. § 87a Abs. 6 S. 1 AO sowie Koenig/Haselmann, § 150 Rn. 22; Klein/Rätke, § 150 Rn. 39).

Insofern dürfte eine Bevollmächtigung des Käufers, die Erklärung für den Verkäufer abzugeben, ausscheiden. Eine eigene Pflicht des Käufers zur Abgabe der Erklärung besteht ebenso wenig wie ein Recht hierzu. Denn eine höchstpersönliche öffentlich-rechtliche Pflicht kann nicht durch eine andere Person als den Verpflichteten erfüllt werden.

3. Gestaltungsmöglichkeiten
Da eine Bevollmächtigung oder Erfüllung durch den Käufer ausscheidet, kommt lediglich in Betracht, die Beteiligten auf die bestehende Rechtslage hinzuweisen. Insbesondere kann der Verkäufer darauf hingewiesen werden, dass seine öffentlich-rechtliche Pflicht auch nach Verkauf und Eigentumsübergang fortbesteht und ggf. durch verwaltungsrechtliche Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden kann, obwohl er den Grundbesitz bereits veräußert hat. Eine Pflicht des Notars, darauf hinzuweisen, besteht bei steuerrechtlichen Fragen bekanntlich nicht.

Zivilrechtlich dürfte sich der Verkäufer ggf. schadensersatzpflichtig machen, wenn er der Pflicht nicht ordnungsgemäß nachkommt. Da die wirtschaftlichen Folgen der Erklärung allein den Erwerber treffen, könnte erwogen werden, dem Erwerber eine Pflicht aufzuerlegen, die relevanten Daten dem Verkäufer gegenüber mitzuteilen und den Verkäufer wiederum zu verpflichten, die Steuererklärung nach Maßgabe dieser Daten abzugeben, sofern keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit bestehen. Dies würde u. E. den Erwartungshaltungen der Beteiligten am nächsten kommen, da der Erwerber dadurch Einfluss darauf nehmen kann, mit welchem Inhalt die Erklärung abgegeben wird. Es ist jedoch weiter darauf hinzuweisen, dass dies den Verkäufer öffentlich-rechtlich nicht davon entbinden kann, die Richtigkeit der Angaben zu prüfen und auch die öffentlich-rechtliche Verantwortung hierfür zu übernehmen. Letztlich ist die Regelung aber eine Frage des Willens der Beteiligten. Ab dem 1.7.2022 könnte eine Erklärung des Verkäufers in Erwägung gezogen werden, dass er seine Pflicht bereits ordnungsgemäß erfüllt hat (sofern dies zutrifft).

Zu beachten ist auch, dass der Veräußerer nicht nur verpflichtet ist, die Steuererklärung abzugeben, sondern auch im Nachgang vom Finanzamt den Grundsteuerwertbescheid (s. § 219 Abs. 1 BewG i. V. m. § 179 Abs. 2 S. 1 AO) sowie den Grundsteuermessbescheid (vgl. §§ 13, 16 GrStG) erhalten wird. Dieser entfaltet aber erst ab der Grundsteuerberechnung 2025 Wirkung, sodass es den Veräußerer regelmäßig nicht mehr betrifft (vgl. Meier, DNotZ 2022, Heft 6 – im Erscheinen). Es dürfte sich deshalb empfehlen, den Veräußerer zivilrechtlich im Vertrag dazu zu verpflichten, diese Dokumente in Kopie an den Erwerber herauszugeben. Dies erspart zumindest dem Käufer, sich diese Unterlagen beim Finanzamt besorgen zu müssen, was grundsätzlich ebenfalls in Betracht käme.

Gutachten/Abruf-Nr:

191983

Erscheinungsdatum:

02.06.2022

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 81-83

Normen in Titel:

AO § 149 Abs. 1; AO § 80 Abs. 1; BewG § 228 Abs. 1; BeurkG § 17 Abs. 1