04. März 2024
WEG § 30; WEG § 3; WEG § 7 Abs. 4

Umwandlung von Wohnungserbbaurechten in Wohnungseigentum; Erfordernis einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung

WEG §§ 30, 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, 3
Umwandlung von Wohnungserbbaurechten in Wohnungseigentum; Erfordernis einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung

I. Sachverhalt
Die Eigentümer von Wohnungserbbaurechten haben das Erbbaugrundstück erworben und die Aufhebung der Erbbaurechte beschlossen. Sie wollen die Wohnungserbbaurechte in Wohnungseigentum überführen. Die Aufteilung in Wohnungserbbaurechte war bereits 1996 erfolgt. Nunmehr verlangt das Grundbuchamt eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung mit der Begründung, dass das Sondereigentum am Grundstück neu begründet werde.

II. Frage
Kann das Grundbuchamt die Vorlage einer Abgeschlossenheitsbescheinigung gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (AVA) v. 6.7.2021 verlangen?

III. Zur Rechtslage
1. Sachenrechtliches Erfordernis der Aufhebung des Erbbaurechts und Neubegründung von Wohnungseigentum
a) Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, so können die Anteile gem. § 30 Abs. 1 WEG in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf Grund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (Wohnungserbbaurecht bzw. Teilerbbaurecht). Wesentlicher Unterschied zum Wohnungseigentum ist mithin, dass dort das Miteigentum am Grundstück, hier die Mitberechtigung am Erbbaurecht (als grundstücksgleiches Recht) inhaltlich beschränkt wird und somit sachenrechtlich unterschiedliche „Aufteilungsgegenstände“ vorliegen (BeckOGK-WEG/Schulz, Std.: 1.12.2023, § 30 Rn. 27). Die bloße Vereinigung von Erbbaurecht und Grundstückseigentum in einer Person führt nach § 889 BGB nicht zum Erlöschen des Erbbaurechts. Dies ergibt sich insbes. aus den Vorschriften über den Heimfall des Erbbaurechts (§ 2 Nr. 4, §§ 32 f. ErbbauRG).

b) Eine Transformation von Wohnungserbbaurechten in anteilsgleiche und raumgleiche Wohnungseigentumsrechte auf direktem Wege ist nicht möglich. Erforderlich ist ein schrittweises Vorgehen (OLG München NJOZ 2011, 342, 342; BayObLG MittBayNot 1999, 375, 376; Winkler/Schlögel, ErbbauR-HdB, 7. Aufl. 2021, § 3 Rn. 130; BeckOGK-WEG/Schulz, § 30 Rn. 27). Da es sich beim Wohnungserbbaurecht nach § 30 WEG nur um eine besondere Art der Mitberechtigung an einem Erbbaurecht handelt, kann nur das Erbbaurecht insgesamt aufgehoben werden – es verbleibt dann das unbelastete Grundstück, die Wohnungserbbaurechte erlöschen und die Erbbaugrundbücher sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 WEG zu schließen. Denn ohne fortbestehende Mitberechtigung am Erbbaurecht ist damit verbundenes Sondereigentum rechtlich nicht möglich. Nicht denkbar ist daher eine Aufhebung des Erbbaurechts in der Weise, dass nur die Wohnungseigentumseinheiten bestehen bleiben würden, denn das Wohnungseigentum als solches ist eine besondere Form des Bruchteilseigentums am Grundstück. Um Wohnungseigentum zu erhalten, muss somit zunächst das Erbbaurecht am Grundstück (bzw. hier die Wohnungserbbaurechte) aufgehoben werden. Dies ist hier bereits geschehen. In einem zweiten Schritt kann sodann das Grundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt werden (BeckOGK-WEG/Schulz, § 30 Rn. 27).

2. Grundbuchverfahrensrechtliche Erfordernisse: Neuer Aufteilungsplan und Abgeschlossenheitsbescheinigung
Zur Begründung von Wohnungseigentum bedarf es nach § 7 Abs. 4 WEG eines Aufteilungsplanes sowie einer Abgeschlossenheitsbescheinigung. Diese Anforderungen gelten auch bei der Begründung von Wohnungserbbaurechten (§ 30 Abs. 3 S. 2 WEG).

U. E. ist es dabei möglich, den bereits vorhandenen Aufteilungsplan und die vorhandene Abgeschlossenheitsbescheinigung zur Grundlage der Neubegründung von Wohnungseigentum zu machen. Insbesondere ist in der Abgeschlossenheitsbescheinigung auch die Abgeschlossenheit der Wohnungen als solche bescheinigt und nicht etwa die des Wohnungserbbaurechts, vgl. § 3 Abs. 3 WEG. Für eine einmal erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung gibt es weder ein Verfalldatum noch eine Beschränkung auf eine einmalige Verwendung (OLG Schleswig RNotZ 2012, 335, 336; BeckOK-WEG/Kral, Std.: 1.1.2024, § 7 Rn. 82; Bärmann/Armbrüster, WEG, 15. Aufl. 2023, WEG § 7 Rn. 115).

Für eine bereits erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung kann grundsätzlich auch die Neufassung der AVA (Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz) im Jahr 2021 nicht erheblich sein, wenn weder Sondereigentum an Grundstücksflächen noch an Stellplätzen begründet werden soll, es also auf die inhaltlichen Vorgaben gem. §§ 6, 7 AVA nicht ankommt. Ausreichend ist zunächst, dass die alte Bescheinigung weiterhin richtig ist und dabei insbesondere der der Bescheinigung zugrunde liegende Aufteilungsplan mit den aktuellen tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der Abgeschlossenheit der Räume übereinstimmt (OLG Schleswig RNotZ 2012, 335, 336; BeckOK-WEG/Kral, § 7 Rn. 82; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 7 Rn. 46). Dem Grundbuchamt ist die Übereinstimmung der aktuellen Verhältnisse mit dem (alten) Aufteilungsplan allerdings nicht nachzuweisen. Vielmehr hat das Grundbuchamt grundsätzlich von einer entsprechenden Deckungsgleichheit auszugehen, sofern sich nicht aus dem konkreten Sachverhalt berechtigte Zweifel ergeben (vgl. OLG Schleswig RNotZ 2012, 335, 336 f. zu einzelnen, gerade keine Zweifel begründenden Umstände).

Nach dem geschilderten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Aufteilung in Wohnungseigentum der bisherigen Aufteilung in Wohnungserbbaurechte entsprechen soll und dass Raumgleichheit besteht. Demnach dürften sich auch für das Grundbuch keine Anhaltpunkte gegen die Richtigkeit der Abgeschlossenheitsbescheinigung ergeben. Allein der Zeitablauf dürfte angesichts der bei Immobilien üblichen Gebrauchsdauer jedenfalls keine diesbezüglichen Zweifel begründen (vgl. OLG Schleswig, RNotZ 2012, 335, 337).

Weiter ist es aber erforderlich, dass die Eintragungsunterlagen bei Einreichung zum Grundbuchamt die derzeit geltenden gesetzlichen Erfordernisse erfüllen. Selbst wenn mangels Sondereigentums an Grundstücksflächen oder Stellplätzen die strengeren Anforderungen der AVA nicht zu erfüllen sind, verlangt jedoch nunmehr das WEG stets die Einreichung eines Lageplans, aus dem sich gem. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WEG die Aufteilung des Gebäudes und des Grundstücks sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile des Gebäudes und des Grundstücks ergeben müssen. Ein solcher Plan ist auch dann erforderlich, wenn das Grundstück selbst nicht aufgeteilt werden soll (BeckOGK/Meier, Std.: 1.6.2023, § 7 Rn. 57; Wobst, DNotZ 2021, 582, 585; Zimmer ZWE 2021, 436, 439). Diese Anforderungen des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WEG müssen die älteren Pläne erfüllen. Ob hier der alte Aufteilungsplan die Anforderungen wahrt, ist freilich eine Tatfrage.

Im Ergebnis kann damit grundsätzlich eine bereits erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung erneut als Nachweis im Grundbuchverfahren verwendet werden. Materiell-rechtlich ist aber ein neuer Aufteilungsakt gem. § 3 WEG bzw. gem. § 8 WEG erforderlich, d. h. ein neuer rechtsgeschäftlicher Begründungsakt, der materiell- und grundbuchverfahrensrechtlich den Anforderungen einer erstmaligen Begründung von Wohnungseigentum unterliegt.

Gutachten/Abruf-Nr:

201012

Erscheinungsdatum:

04.03.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 33-35

Normen in Titel:

WEG § 30; WEG § 3; WEG § 7 Abs. 4