28. Mai 2019
ZPO § 794 Abs. 1; BGB § 488; BGB § 780

Abstraktes Schuldanerkenntnis; Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung; „Entlas­sung“ aus der Haftung; Notwendigkeit der Änderung der Vollstreckungsklausel

ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5; BGB §§ 488, 780 f.

Abstraktes Schuldanerkenntnis; Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung; „Entlas­sung“ aus der Haftung; Notwendigkeit der Änderung der Vollstreckungsklausel

I. Sachverhalt
Zwei Eheleute sind Miteigentümer eines Grundstücks zu je ½. Zur Finanzie­rung des Kaufpreises haben sie eine Grundschuld bestellt. In die Urkunde wurde ein abstraktes Schuldanerkennt­nis aufgenommen, wonach sich beide wegen des Anerkenntnisses der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen.

Die Eheleute haben sich getrennt und die Ehefrau hat den Grundbesitz nebst Grund­schuld übernommen. Die finanzierende Bank, zu deren Gunsten die Grundschuld bestellt worden war, hat den Ehemann aus der persönlichen Haftung entlassen.
Der Ehemann verlangt nun eine entsprechende Änderung der Vollstreckungsklausel. Die Bank lehnt dies als unüblich ab. Ihre Erklärung sei zur Absicherung des Ehemanns ausreichend. Durch die Änderung der Vollstreckungsklausel würden nur unnötige Kosten entstehen.

II. Fragen
1. Kann sich der Ehemann tatsächlich darauf verlassen, dass er wegen der persönlichen Haf­tung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis nicht mehr in Anspruch genommen wird, wenn die Vollstreckungsklausel nicht eingeschränkt wird?

2. Müsste er die Erklärung der Bank bis zur Löschung der Grundschuld aufbewahren?

3. Besteht die Gefahr, dass die Bank die Grundschuld mit dem abstrakten Schuldaner­kenntnis und der Unterwerfungserklärung an eine andere Bank abtritt und der Ehemann von dort in Anspruch genommen werden kann?

4. Sollte der Ehemann auf einer Änderung bestehen?

III. Zur Rechtslage

1. Rechtsnatur der „Entlassung“ aus der persönlichen Haftung
Einleitend soll zunächst die Rechtsnatur der „Entlassung“ aus der persönlichen Haftung geklärt werden.

Mit dem Schlagwort „persönliche Haftung“ umschreibt man im Kontext des Immobi­lienerwerbs die Haftung des Käufers gegenüber seiner finanzierenden Bank (1) aus dem Darlehensvertrag selbst sowie (2) aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis gem. §§ 780 f. BGB. Das abstrakte Schuldanerkenntnis wird dabei in der Regel in die Grundschuldbestellungsurkunde mit aufgenommen. Es dient der Bank neben der Grundschuld (sog. „dingliche Haftung“) als zusätzli­che Sicherheit, indem es ihr den Zugriff auf das sonstige Vermögen des Käufers ermög­licht. Üblicherweise wird die Verpflichtung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis tituliert, indem sich der Käufer gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft (vgl. BeckOGK-BGB/Rebhan, Std.: 15.5.2018, § 1191 Rn. 69 ff.).

Mit der „Entlassung“ aus der persönlichen Haftung bringt die finanzierende Bank u. E. ihren Willen zum Ausdruck, in Zukunft gegen den zu entlassenden Schuldner (hier: Ehemann) dauerhaft weder aus dem Darlehensvertrag noch aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis vorzugehen. Darin kann man zwar noch keinen einseitigen Verzicht auf die Forderungen aus dem Darlehensvertrag und dem abstrakten Schuldanerkenntnis sehen, denn das deutsche Recht kennt die Möglichkeit eines einseitigen Verzichts auf eine Forderung nicht
(BeckOGK-BGB/Paffenholz, Std.: 15.11.2018, § 397 Rn. 21). Wohl aber dürfte diese Erklärung materiell-rechtlich als Angebot auf Abschluss eines – formfrei möglichen – Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB) zu verstehen sein. Dieses Angebot kann der Ehemann (auch konkludent) annehmen; der Zugang der Annahmeerklärung des Schuldners ist nach §§ 397 Abs. 1, 151 BGB regelmäßig entbehrlich (Münch­KommBGB/Schlüter, 8. Aufl. 2019, § 397 Rn. 3). Ein Verständnis der „Entlassung“ aus der persönlichen Haftung als bloßes Stillhalteabkommen (pactum de non petendo), wonach der Gläubiger sich verpflichtet, eine Forderung zeitweise nicht mehr geltend zu machen, ohne dass dadurch die Forderung erlischt, scheidet u. E. aus. Dagegen spricht vor allem der Wortlaut der Erklärung, der auf die Absicht einer dauerhaften Gestaltung der Rechtslage zwischen den Parteien hindeutet („Entlassung“).

Die Wirkung des Erlasses beschränkt sich vorliegend auf das Verhältnis des Ehemanns zur Bank. Eine „Gesamtwirkung“ dergestalt, dass der Erlass auch für die weitere Gesamt­schuldnerin (= die Ehefrau) wirkte, tritt nicht ein, da nicht das ganze Schuldverhältnis auf­gehoben werden soll (vgl. § 423 BGB).

2. Änderung der Vollstreckungsklausel notwendig?
Fraglich ist nun, ob der dergestalt aus der Haftung „entlassene“ Schuldner auf eine Änderung der Vollstreckungsklausel bzgl. der Haftung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis hinwirken sollte (bzgl. der Haftung aus dem Darlehensvertrag stellt sich diese Frage nicht, da die Bank diesen Anspruch in der Regel nicht titulieren lässt).

Rechtstechnisch lässt sich eine solche Beschränkung dadurch herbeiführen, dass die Bank die vollstreckbare Ausfertigung an den Ehemann herausgibt und Antrag auf Erteilung einer neuen vollstreckbaren Ausfertigung stellt, die sich auf die Ehefrau beschränkt. Denn nach dem im Klauselverfahren geltenden Antragsprinzip steht es dem Voll­streckungsgläubiger frei, seinen Antrag auf einen beliebigen Teil des Anspruchs im pro­zessualen Sinn, bei einem Titel gegen Gesamtschuldner auch auf einen oder einzelne der Schuldner, zu beschränken (Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 4. Aufl. 2019, 35.3). Um eine „weitere vollstreckbare Ausfertigung“ i. S. d. § 733 ZPO, deren Erteilung an die dort genannten Voraussetzungen geknüpft ist, handelt es sich dabei nicht, da § 733 ZPO seinem Telos nach – Schutz vor Mehrfachvollstreckung – nicht greift, wenn die erste Ausfertigung zurückgegeben wurde (Wolfsteiner, 41.14). Dabei genügt die Rückgabe an den Schuldner (BGH NJW 1955, 1556).

Freilich müsste in Fällen, in denen sich – wie auch vorliegend – der Vollstreckungsgläubiger wei­gert, eine Beschränkung der Klausel herbeizuführen, aufseiten des entlassenen Gesamtschuldners ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung bestehen. Nur durch Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung wird der Vollstreckungsgläubiger gezwungen, eine neue vollstreckbare Ausfertigung zu beantragen, die er zur Vermeidung einer erneuten Herausgabepflicht sinniger- und zulässigerweise (s. o.) auf den verbleibenden Ge­samtschuldner beschränkt. Ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung besteht nach gefestigter BGH-Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur analog § 371 S. 1 BGB, wenn die titulierte Schuld erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat und auch sonst – auch nicht wegen der Kosten – aus dem Titel nicht mehr vollstreckt werden kann (vgl. BGH DNotZ 1995, 139, 140; Mu­sielak/Voit/Lackmann, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 767 Rn. 14 m. w. N.). Eine entsprechende Klage ist aber ohne vorhergehende oder gleichzeitige Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 Abs. 1 ZPO nur dann zulässig, wenn der Gläubiger die Herausgabe verweigert, ob­wohl das Erlöschen des titulierten Anspruchs unstreitig ist (BGH NJW-RR 2014, 195 Tz. 19). Diese Voraussetzung mag man hier noch annehmen, da die Bank selbst behauptet, wegen der Entlassung sei der Ehemann vor künftiger Geltendmachung sicher; inso­weit kann das Erlöschen der titulierten Forderung infolge des Erlassvertrags (s. o.) als unstreitig gelten. Gleichzeitig weigert sich die Bank, eine Änderung hinsichtlich der vollstreckbaren Ausfertigung herbeizuführen. Völlig ungeklärt ist jedoch die Frage, ob ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines Gesamtschuldners analog § 371 S. 1 BGB besteht, wenn die titulierte Schuld nur ihm gegenüber erlo­schen ist und – wie auch vorliegend – nur eine gemeinsame vollstreckbare Ausfertigung erteilt wurde. Dagegen spricht u. E., dass der Vollstreckungsgläubiger die vollstreckbare Ausfertigung noch zur Vollstreckung gegen den anderen Gesamtschuldner benötigt.

Letztlich mag die Frage offenbleiben. Beim entlassenen Gesamtschuldner dürfte kaum ein Bedürfnis bestehen, sich derart gegen künftige Zwangsvollstreckungs­maßnahmen der Bank abzusichern. Denn zum einen kann er, sollte die Bank gegen ihn vor­gehen, der Zwangsvollstreckung im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Abs. 1 ZPO) den materiellen Einwand des Erlasses (§ 397 Abs. 1 BGB) entgegenhalten (vgl. BeckOK ZPO/Preuß, Std.: 1.3.2019, § 767 Rn. 18), sodass mit Vorlage des obsiegenden Urteils die Zwangsvollstreckung einzustellen wäre, § 775 Nr. 1 ZPO. Das gilt auch für den Fall, dass die Bank abtritt und der Zessionar aus dem auf ihn umgeschriebenen (§ 727 Abs. 1 ZPO) Titel vollstreckt; materielle Einwendungen gegen die Forderung, die zur Zeit der Abtre­tung bereits begründet waren, können dem Zessionar nämlich entgegengehalten (§ 404 BGB) und deshalb auch zur Begründung einer gegen den Zessionar gerichteten Vollstreckungsabwehrklage herangezogen werden.

Zum anderen lässt sich in der „Entlassungserklärung“ der Bank eine vom Vollstreckungsgläubiger ausgestellte Privaturkunde i. S. d. § 775 Nr. 4 ZPO sehen, aus der sich ergibt, dass der Vollstreckungsgläubiger nach Titulierung „befriedigt wurde“. Dass hierunter auch der Erlass zu verstehen ist, ist einhellig anerkannt (MünchKommZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl. 2016, § 775 Rn. 19 m. w. N.). Der Ehemann wäre demnach nicht einmal darauf verwiesen, bei Vollstreckung durch die Bank Vollstreckungsabwehrklage zu erheben, sondern könnte die Einstellung der Zwangsvollstreckung (durch die Bank oder ihren Rechtsnachfolger) unmittelbar durch Vorlage der (Original-)Erklärung der Bank bewirken, aus der sich der Erlass ergibt.

Freilich ist zuzugestehen, dass die Maßnahmen nach § 775 ZPO weniger hergeben als die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung, denn die Bank kann ohne die vollstreckbare Ausfertigung von vornherein nicht vollstrecken. Da andererseits aber ebenso unsicher ist, ob der Ehemann die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung von der Bank notfalls analog § 371 BGB erzwingen kann, halten wir es für ausreichend, dass sich der Ehemann im Falle der Zwangsvollstreckung der Bank oder ihres Rechtsnachfolgers gegen diese erfolgreich wehren kann. Dafür sollte die Entlassungserklärung der Bank – die wahlweise als Beweismittel für den materiellen Einwand des Erlasses im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO benötigt wird oder als Privaturkunde des Vollstreckungsgläubigers im Zusammenhang mit § 775 Nr. 4 ZPO – aufbewahrt werden.

Die Gefahr, dass die Bank den Anspruch aus dem abstrakten Schuldversprechen materiell-rechtlich wirksam abtritt, besteht nach dem Erlassvertrag nicht mehr, da der gutgläubige Erwerb einer titulierten, aber erloschenen Forderung nicht möglich ist (vgl. arg. e contrario aus § 405 BGB). Würde die Vollstreckungsklausel jedoch nach § 727 ZPO umgeschrieben, so müsste der Schuldner ggf. Vollstreckungsklage gegen den Zessionar erheben.

Gutachten/Abruf-Nr:

170144

Erscheinungsdatum:

28.05.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Bürgschaft u.a. Personalsicherheiten
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 81-83

Normen in Titel:

ZPO § 794 Abs. 1; BGB § 488; BGB § 780