17. Mai 2019
BGB § 26 Abs. 2; BGB § 33; BGB § 70; BGB § 32; BGB § 68

Allgemeine oder abstrakte Vertretungsregelung beim eingetragenen Verein: Satzungsbestimmung, wonach einzig bestelltes Vorstandsmitglied einzelvertretungsberechtigt ist, mehrere bestellte Vorstandsmitglieder aber gesamtvertretungsberechtigt zu zweien sind

BGB §§ 26 Abs. 2, 32, 33, 68, 70
Allgemeine oder abstrakte Vertretungsregelung beim eingetragenen Verein: Satzungsbestimmung, wonach einzig bestelltes Vorstandsmitglied einzelvertretungsberechtigt ist, mehrere bestellte Vorstandsmitglieder aber gesamtvertretungsberechtigt zu zweien sind

I. Sachverhalt
Ein eingetragener Verein soll durch Satzungsregelung folgende allgemeine Vertretungsregelung erhalten:

„Der Verein wird gerichtlich und außergerichtlich durch ein Vorstandsmitglied vertreten, sofern nur ein Vorstandsmitglied bestellt ist; in allen übrigen Fällen wird er durch je zwei Vorstandsmitglieder gemeinschaftlich vertreten.“

Die Beteiligten halten diese Vertretungsregelung für zulässig und verweisen auf die Rechtslage und Praxis bei der GmbH. Die Zulässigkeit folge bereits aus der gesetzlichen Vertretungsregelung, denn diese zeige, dass sich die Vertretungsmacht in Abhängigkeit von der Vorstandsmitgliederzahl verändere.

II. Frage
Ist die gewünschte Vertretungsregelung beim eingetragenen Verein zulässig?

III. Zur Rechtslage
1. Vertretungsbefugnis des ein- oder mehrgliedrigen Vereinsvorstands    
Gem. § 26 Abs. 2 S. 1 BGB wird der Verein durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten, wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht (anders das Gesamtvertretungsprinzip im Kapital- und Genossenschaftsrecht, vgl. BeckOGK-BGB/Segna, Std.: 1.4.2019, § 26 Rn. 33). Das Gesetz schreibt allerdings nicht vor, dass für den Verein mehr als eine Person zum Vorstand zu bestellen ist. Im Gegenteil: Das gesetzliche Leitbild war und ist der Einpersonenvorstand (Reichert/Wagner, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018, Kap. 2 Rn. 2390; vgl. auch § 26 Abs. 1 S. 2 BGB a. F.). Nach lapidarer Aussage der Kommentarliteratur soll es dabei bleiben, solange die Satzung nichts Anderes bestimmt (BeckOGK-BGB/Segna, § 26 Rn. 13; BeckOK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.2.2019, § 26 Rn. 9). Dies dürfte es jedoch nicht ausschließen, dass die Mitgliederversammlung auch ohne Satzungsgrundlage weitere Vorstände bestellt (so wohl auch Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, § 26 Rn. 6).

Der Alleinvorstand muss einzelvertretungsbefugt sein (MünchKommBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, § 26 Rn. 18), sonst wäre er als Vertretungsorgan untauglich. Davon abgesehen lässt sich die Einzelvertretungsbefugnis des Alleinvorstands auch e contrario aus der gesetzlich angeordneten Mehrheitsvertretung herleiten oder – begrifflich – durch das notwendige Zusammenfallen von Mehrheitshandeln und Alleinhandeln im Falle des Einzelvorstands.

2. Zulässigkeit fluktuierender Vertretungsbefugnis
U. E. spricht nichts dagegen, dass der Verein – jedenfalls auf entsprechender Satzungsgrundlage – einen oder mehrere Vorstände haben kann. Aus dem Gesetz lässt sich nicht herleiten, dass sich der Verein für das eine oder andere entscheiden müsste. Lässt man dem Verein aber die Wahl, so müsste auch ein Nebeneinander von Einzelvertretungsbefugnis und Gesamtvertretungsbefugnis möglich sein, abhängig von der Zahl der Vorstandsmitglieder (so auch Schwarz, Rpfleger 2003, 1, 2). Dagegen halten Stöber/Otto (Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rn. 389) eine Alternativität von ein- und mehrgliedrigem Vorstand nur dann für denkbar, wenn zugleich jedes Vorstandsmitglied als einzelvertretungsberechtigt bestimmt wird (ähnlich wohl Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 20. Aufl. 2016, Rn. 224a; BeckOGK-BGB/Segna, § 26 Rn. 12.1). Die Vertretungsberechtigung wäre ansonsten von der Anzahl der konkret bestellten Vorstandsmitglieder abhängig und damit unbestimmt (Stöber/Otto, Rn. 389). Die Rechtslage möge hier anders sein als in der GmbH, denn dies gebiete die negative Publizität des Vereinsregisters (§ 68 BGB); anders als das Handelsregister (§ 15 Abs. 3 HGB, positive Publizität) sei sie keine sichere Grundlage für das Vertrauen darauf, dass der Verein einen oder mehrere Vorstände habe. Diese Argumentation ist u. E. nicht ganz überzeugend, weil sie die materiell-rechtlichen Möglichkeiten der Satzungsgestaltung von registerrechtlichen Gegebenheiten abhängig macht. Registerrecht ist aber dienendes Recht und kann die Möglichkeiten der Satzungsgestaltung nicht beschränken.

Nicht ohne Weiteres behaupten lässt sich hingegen, dass eine fluktuierende Vertretungsbefugnis bereits aus der gesetzlichen Vertretungsregelung folge. Dies könnte nur stimmen, wenn das Gesetz von vornherein eine fluktuierende Vorstandsmitgliederzahl vorsähe. Das wird aber von der Kommentarliteratur offenbar gerade bestritten: Ohne Satzungsregel soll der Verein nur über einen Einzelvorstand verfügen dürfen (s. Ziff. 1).

Auch wenn eine gewisse Unwägbarkeit der fluktuierenden Vertretungsbefugnis nicht von der Hand zu weisen ist, kann man sich schließlich fragen, ob sich diese Unwägbarkeit nicht hin­nehmen ließe. Dafür spricht ebenfalls ein Interesse des Rechtsverkehrs, wenn man bedenkt, dass die gewünschte Vertretungsregelung etwa bei der GmbH zu den gebräuchlichsten und zweifellos anerkannten Regelungen gehört. Dass die Zulässigkeit der Regelung beim Verein grundlegend anders zu bewerten sein soll, müsste gewichtigere materiell-rechtliche Gründe haben.

3. Ergebnis
Wir halten die vorgeschlagene Vertretungsregelung im Ergebnis eher für zulässig. In Anbetracht der durchaus komplexen Rechtslage lässt sich aber auch die gegenteilige Ansicht vertreten.

Gutachten/Abruf-Nr:

168441

Erscheinungsdatum:

17.05.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Verein

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 73-74

Normen in Titel:

BGB § 26 Abs. 2; BGB § 33; BGB § 70; BGB § 32; BGB § 68