01. Januar 2000
ZPO § 977; ZPO § 946; BGB § 927

Aufgebot des Grundstückseigentümers bei Gesamthand (Erbengemeinschaft)

DNotI
Deutsches Notarinstitut Dokumentnummer: 11146 letzte Aktualisierung: 02.06.2000

BGB § 927; ZPO §§ 946, 977 ff. Aufgebot des Grundstückseigentümers bei Gesamthand (Erbengemeinschaft)

Zur Frage, inwieweit ein Aufgebot des Grundstückseigentümers nach § 927 BGB möglich ist, wenn das Grundstück mehreren Eigentümern zur Gesamthand gehört (hier eine Erbengemeinschaft). In dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt sind im Grundbuch für ein unbebautes Grundstück 12 Miterben in Erbengemeinschaft eingetragen. 3 der eingetragenen Miterben haben ein Ausschlußurteil nach §§ 927 BGB, 977 ff. ZPO gegen 7 andere Miterben erwirkt. Das Grundbuc hamt hält eine Grundbuchberichtigung jedoch nicht für möglich, da eine Ausschließung einzelner von mehreren Gesamthändern nach § 927 BGB nicht möglich sei. 1. § 927 BGB ermöglicht dem langjährigen Eigenbesitzer die Aneignung des Grundstücks aufgrund eines gerichtlichen Aufgebotes und gehört daher wie die Buchersitzung (§ 900 Abs. 1 BGB) zu den Vorschriften, die das Auseinanderfallen von Eigenbesitz und Eigentum, Buchund Rechtslage, Rechtsschein und Rechtswirklichkeit beenden sollen (Süß, Durchgangsherrenlosigkeit, Zur Problematik von Aneignung und Ersitzung, insbesondere des § 927 BGB, AcP 151 (1950/51), S. 1, 13 ff.; Siebels, Die Ersitzung im Liegenschaftsrecht, MittRhNotK 1971, 439; Staudinger/Pfeifer, BGB, 13. Bearb. 1995, § 927 BGB Rn. 1). § 927 BGB ermöglicht die Aneignung des Grundstücks, insbesondere wenn die Erben nicht mehr in der Lage sind, das Eigentum ihres selbst nicht eingetragenen Erblassers nachzuweisen oder wenn der zu Unrecht als Eigentümer Eingetragene bereits seit 30 Jahren Eigenbesitzer ist, aber noch nicht seit 30 Jahren im Grundbuch eingetragen ist, oder wenn ein Grundstückskaufvertrag noch nicht vollzogen wurde, der Käufer aber bereits seit 30 Jahren Eigenbesitzer ist. § 927 Abs. 1 BGB regelt den Ausschluß des bisherigen Eigentümers durch gerichtliches Ausschlußurteil nach §§ 946, 977 ff. ZPO. § 927 Abs. 2 BGB ermöglicht die Aneignung des Grundstücks durch denjenigen, der das Ausschlußurteil erwirkt hat, dadurch daß er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen läßt. 2. Hier ist zum einen fraglich, ob ein Ausschluß nach § 927 Abs. 1 BGB überhaupt möglich war. Denn nach ganz überwiegender Auffassung ist bei einem in Gesamthand stehenden Grundstück lediglich ein Ausschluß aller Gesamthänder möglich ­ und zwar unter Einschluß ggf. des Antragstellers ­ (OLG Bamberg, Beschl. v 14.2.1966, NJW 1966, 1413) ­ nicht . hingegen der Ausschluß eines einzelnen Gesamthänders (LG Aurich, Beschl. v. 3.9.1993, NJW-RR 1994, 1170) (ebenso die ganz überwiegende Literatur: Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl. 1997, Rn. 1020; Erman/Hagen, BGB, 9. Aufl. 1993, § 927 BGB Rn. 11; Palandt/Bassenge, BGB, 59. Aufl. 2000, § 927 BGB Rn. 1; RGRK Augustin, BGB, 12. Aufl., § 927 BGB Rn. 2; Staudinger/Pfeifer, § 927 BGB Rn. 5; Siebels, MittRhNotK 1971, 439, 467; unklar: MünchKomm/Kanzleiter, BGB, 3. Aufl. 1997, § 927 BGB Rn. 3; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 927 BGB Rn. 1).

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Die korrekte Verfahrensweise wäre daher hier der Ausschluß sämtlicher Miterben (bzw. pauschal des ,,Eigentümers") gewesen ­ und dann ggf. die Aneignung durch die in Eigenbesitz befindlichen Miterben. Jedenfalls insofern ist daher das vorliegende Ausschlußurteil unrichtig. Das Gericht hätte bereits das Aufgebot mangels Zulässigkeit des Antrages nach § 947 Abs. 2 ZPO ablehnen müssen. (Darüber hinaus ist es unklar, worauf sich hier der ebenfalls für den Eigenbesitz nach § 872 BGB erforderliche Wille, die Sache als sich gehörend zu besitzen, stützen sollte. Erforderlich wäre hier gewesen, daß die 3 Miterben meinten, daß ihnen ­ und ggf. den beiden anderen, nicht vom Verfahren betroffenen Miterben ­ bzw. ihren Rechtsvorgängern das Grundstück von den übrigen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung übereignet wurde oder ein ähnlicher Vorgang). 3. Fraglich ist dabei, welche Folgen die Tatsache hat, daß ein entsprechendes Ausschlußurteil ergeht. Denn durch das Ausschlußurteil verlieren alle das Eigentum, gegen die das Urteil wirkt; das Grundstück würde herrenlos, wenn es daran kein Eigentum Dritter gibt (RGZ 76, 359; Staudinger/Pfeifer, § 927 BGB Rn. 15). Stattdessen hat der Eigenbesitzer hieran ein Aneignungsrecht nach § 927 Abs. 2 BGB. Diese Wirkung hat das Ausschlußurteil auch, wenn es sachlich unrichtig ist (Staudinger/Pfeifer, § 927 BGB Rn. 15). Ist das Ausschlußurteil rechtskräftig, steht dem bisherigen Eigentümer kein Bereicherungsanspruch zu, auch wenn das Urteil sachlich unrichtig ist oder mangels einer seiner Voraussetzungen nicht hätte erlassen werden dürfen (LG Koblenz NJW 1963, 254; Staudinger/Pfeifer, § 927 BGB Rn. 15). Gegen das Urteil ist lediglich eine Anfechtungsklage nach Maßgabe der §§ 957 ff. ZPO zulässig. Für den Eigentumsverlust wäre daher irrelevant, falls das Ausschlußurteil mangels Glaubhaftmachung des Eigenbesitzes der Antragsteller unzulässig war oder es sonst sachlich unrichtig war. 4. Es fragt sich, ob dies auch gelten kann, wenn ­ wie hier ­ unzulässigerweise ein Ausschlußurteil gegen einzelne von mehreren Gesamthändern erging. Würde das Ausschlußurteil auch insoweit wirken, so wäre Eigentümer des Grundstücks nun nicht mehr die bestehende Gesamthand mit 12 Miterben, sondern nurmehr 5 Miterben zur gesamten Hand. Zwischen diesen 5 Miterben gibt es aber bisher keine gesamthänderische Gemeinschaft; eine Miterbengemeinschaft besteht nur zwischen allen 12 Miterben. Durch das Urteil würde damit ­ wenn es wirksam wäre ­ eine neue gesamthänderische Gemeinschaft mit nur 5 Miterben geschaffen. Eine solche wäre als Erbengemeinschaft jedenfalls nicht möglich, da deren Rechtsgrundlage ja kein Erbfall wäre, sondern ein Gerichtsurteil - und daß nun aus einer Miterbengemeinschaft plötzlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 ff. BGB würde, wäre doch eine sehr merkwürdige Rechtsfolge. Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, daß das Urteil hier keine Rechtsfolgen für das Eigentum am Grundstück entfaltet, da es auf eine sachenrechtlich nicht mögliche Rechtsfolge gerichtet ist. Hierfür spielt es keine Rolle, ob das Urteil als solches noch anfechtbar ist. Vergleichbar wäre dies dem Fall, daß ein Nichteigentümer durch rechtskräftiges Urteil zur Auflassung eines Grundstücks verurteilt wurde. Zwar ersetzt das Urteil mit Rechtskraft die

Seite 3 Auflassungserklärung des Betroffenen (§ 894 ZPO). Ist der Betroffene jedoch zur Auflassung eines ihm gar nicht gehörenden Grundstücks verurteilt worden, so kann aufgrund des Urteils keinerlei Grundbucheintragung erfolgen. Ebensowenig könnte bei einem rechtskräftigen Urteil auf Grundbuchberichtigung, das gegen einen anderen als den eingetragenen Bucheigentümer ergeht, gegen den Bucheigentümer eine Grundbuchberichtigung erfolgen. Im Ergebnis geht das Urteil daher u. E. ins Leere.

Gutachten/Abruf-Nr:

11146

Erscheinungsdatum:

01.01.2000

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

ZPO § 977; ZPO § 946; BGB § 927