Erteilung einer Untervollmacht durch Geschäftsführer der GmbH; Vertreter des Vertreters; Direktvertretung; Möglichkeit und Fortbestand der Untervollmacht in verschiedenen Konstellationen
BGB §§ 164, 167, 177, 185;
Erteilung einer Untervollmacht durch Geschäftsführer der GmbH; Vertreter des Vertreters; Direktvertretung; Möglichkeit und Fortbestand der Untervollmacht in verschiedenen Konstellationen
I. Sachverhalt
X ist Geschäftsführer zahlreicher Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Er möchte Y eine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilen, die Y bei bestimmten einzelnen Geschäften zur Vertretung der von X vertretenen Gesellschaften ermächtigt.
Die Vollmacht soll sich abstrakt auf sämtliche Gesellschaften beziehen, die von X vertreten werden; diese Gesellschaften sollen also nicht konkret benannt sein. Nach dem ausdrücklichen Willen von X soll die Vollmacht auch zukünftig gegründete oder zukünftig von ihm vertretene Gesellschaften erfassen.
II. Fragen
1. Zielt eine solche Vollmacht auf die Direktvertretung der jeweiligen Gesellschaft („Direktvertretung“) oder auf die Durchgangsvertretung durch den „Vertreter des Vertreters“?
2. Berechtigt die Vollmacht Y dazu,
a) die A-GmbH zu vertreten, deren Geschäftsführer der X von der Gründung an gewesen ist und auch im Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht noch ist? (Zeitliche Abfolge: 1. Errichtung der A-GmbH und Bestellung des X zum Geschäftsführer. – 2. X bevollmächtigt Y. – 3. Y übt die Vollmacht aus.)
b) die B-GmbH zu vertreten, deren Geschäftsführer der X von der Gründung an gewesen ist, aber im Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht nicht mehr ist? (Zeitliche Abfolge: 1. Errichtung der B-GmbH und Bestellung des X zum Geschäftsführer. – 2. X bevollmächtigt Y. – 3. X wird als Geschäftsführer abberufen. – 4. Y übt die Vollmacht aus.)
c) die C-GmbH zu vertreten, die bei Bevollmächtigung des Y noch nicht existierte oder deren Geschäftsführer X in diesem Zeitpunkt noch nicht war, wenn X danach deren Geschäftsführer geworden ist und dies im Ausübungszeitpunkt auch noch ist? (Zeitliche Abfolge: 1. X bevollmächtigt Y. – 2. Errichtung der C-GmbH und Bestellung des X zum Geschäftsführer. – 3. Y übt die Vollmacht aus.)
d) die D-GmbH zu vertreten, die bei Bevollmächtigung des Y noch nicht existierte oder deren Geschäftsführer der X in diesem Zeitpunkt noch nicht war, wenn X danach zwar deren Geschäftsführer wurde, er es wegen zwischenzeitlicher Abberufung im Ausübungszeitpunkt jedoch nicht mehr ist? (Zeitliche Abfolge: 1. X bevollmächtigt Y. – 2. Errichtung der D-GmbH und Bestellung des X zum Geschäftsführer. – 3. X wird als Geschäftsführer abberufen. – 4. Y übt die Vollmacht aus.)
3. Muss die jeweils betroffene Gesellschaft das Handeln des Y genehmigen, damit es für sie Wirkung entfaltet?
III. Zur Rechtslage
1. Problem: Vertreter des Vertreters
Die Beantwortung der gestellten Fragen hängt u. E. entscheidend von der Vorfrage ab, ob ein Unterbevollmächtigter als „Vertreter des Vertreters“ auftreten kann. Grundsätzlich kann nämlich Untervertretung zweierlei bedeuten:
(1) Der Hauptvertreter bevollmächtigt den Untervertreter im Namen des Geschäftsherrn (Hauptvollmachtgebers), sog. Direktvertretung.
(2) Der Hauptvertreter bevollmächtigt den Untervertreter im eigenen Namen, aber zum Handeln mit Wirkung für den Geschäftsherrn, sog. Vertreter des Vertreters (Durchgangsvertretung).
Der Streit um die Zulässigkeit des „Vertreters des Vertreters“ ist fast schon klassisch zu nennen: Die h. L. lehnt diese Rechtsfigur ab. Das Problem liege zwar nicht zwingend im Offenkundigkeitsprinzip, es sei aber darin zu sehen, dass der Hauptvertreter aus eigenem Recht keine Befugnis habe, eine Vollmacht zu erteilen, die den von ihm Vertretenen binde (MünchKommBGB/Schubert, 8. Aul. 2018, § 167 Rn. 82; s. ferner Staudinger/Schilken, BGB, 2014, § 167 Rn. 62; Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2019, § 167 Rn. 12; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 60; Erman/Maier-Reimer, BGB, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 63). Dagegen steht die offenbar ganz gefestigte Rechtsprechung, wonach der Unterbevollmächtigte den Geschäftsherrn auch als Vertreter des Vertreters binden kann (
Hält man den Vertreter des Vertreters für zulässig, so hängt es grundsätzlich vom Willen des Hauptbevollmächtigten ab, welche Form der Untervollmacht er wählt. Auch für die Erteilung von Vollmachten zum Handeln im Namen der GmbH ist im Übrigen der GmbH-Geschäftsführer zuständig (vgl. MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 238; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 22), wobei in diesem Fall der Bevollmächtigte streng genommen kein Unterbevollmächtigter des Geschäftsführers ist, sondern unmittelbarer Vertreter der GmbH. Wie bei der Unterbevollmächtigung ist jedoch der Geschäftsführer als Zwischenglied zwischen Geschäftsherrn und Letztbevollmächtigtem eingeschaltet.
Mögen grundsätzlich auch beide Erteilungsvarianten möglich sein, so ist doch der Unterbevollmächtigte in bestimmten Konstellationen nur als Vertreter des Vertreters denkbar:
Wenn der Hauptbevollmächtigte/Geschäftsführer lediglich gesamtvertretungsberechtigt ist, so kann er allein einen Dritten nicht zum Direktvertreter des Hauptvollmachtgebers/Hauptvertretenen machen. Eine solche Vollmacht im Namen des Hauptvertretenen (der GmbH) könnten nämlich nur (gesetzliche) Vertreter in vertretungsberechtigter Zahl erteilen.
Wenn der Untervollmachtgeber noch gar nicht Hauptbevollmächtigter/Geschäftsführer ist, dann bleibt es ihm mangels Vertretungsbefugnis ebenso verwehrt, eine wirksame Vollmacht im Namen des Hauptvollmachtgebers/Hauptvertretenen zu erteilen. Der künftige Hauptbevollmächtigte kann insoweit allenfalls als falsus procurator handeln, sodass die Unterbevollmächtigung genehmigungsbedürftig wäre (vorbehaltlich des
Mithin würde es die Rechtsfigur des Vertreters des Vertreters ermöglichen, dass bereits der Noch-nicht-Geschäftsführer einer GmbH eine Untervollmacht zum Handeln mit (späterer) Wirkung für die GmbH erteilt. Auf einem anderen Blatt steht die Frage nach einer etwaigen Gesellschafterzustimmung gem.
2. Möglichkeit der Untervollmacht in verschiedenen Fallvarianten
Mithilfe der soeben skizzierten Grundsätze dürften sich die weiteren Fragen relativ klar beantworten lassen.
a) Erloschene Geschäftsführerstellung im Ausübungszeitpunkt
Ist Y namens der GmbH von deren Geschäftsführer bevollmächtigt worden (Erteilungsform „Direktvertretung“), so sollte das Ausscheiden aus dem Geschäftsführeramt vor Ausübung der Vollmacht die Vollmacht nicht hinfällig machen. Es handelt sich letztlich um eine Vollmacht der GmbH, deren Fortbestand nicht vom Geschäftsführeramt der Erteilungsperson abhängt (vgl.
Anders wird dies zu sehen sein, wenn Y als Vertreter des Vertreters bevollmächtigt worden ist: Dann kann der Untervollmachtgeber als Bindeglied zwischen Geschäftsherrn (GmbH) und Unterbevollmächtigtem u. E. nur so lange fungieren, wie er das Geschäftsführeramt und die damit verbundene Vertretungsmacht innehat (KGJ 37, A 239, A 242; vgl. ausgehend von der Direktvertretung: KG
Soweit man die verschiedenen Konstellationen in einer Vollmacht von vornherein berücksichtigen will, kann man die Vertretungsmacht u. U. auf beide Erteilungsformen stützen.
b) Fehlende Geschäftsführerstellung im Erteilungszeitpunkt
Trotz fehlender Geschäftsführerstellung im Erteilungszeitpunkt dürfte X den Y als Vertreter des Vertreters bevollmächtigen können (s. bereits Ziff. 1).
c) Fehlende Geschäftsführerstellung im Erteilungszeitpunkt, zwischenzeitliche Erlangung, Erlöschen vor Ausübung
„Direktvertretung“: X wäre falsus procurator im Erteilungszeitpunkt. Wenn die GmbH die Vollmacht genehmigte, dann hätte diese fortan autonomen Bestand, unabhängig vom Geschäftsführeramt des X.
„Vertreter des Vertreters“: Zwar würde die Vollmacht mit der Geschäftsführerbestellung wirksam (s. bereits Ziff. 1), könnte nach der Abberufung aber nicht autonom fortbestehen (s. lit. a). Sie wäre demnach im Ausübungszeitpunkt ohne Wirkung.
3. Genehmigung des Handelns des Untervertreters?
Wenn der (Unter-)Vollmachtgeber die Vertretungsmacht für den Hauptvertretenen (Geschäftsführeramt) nachträglich erlangt, macht dies die zuvor vollmachtlos abgeschlossenen Geschäfte nicht automatisch ex tunc wirksam.
Anders könnte dies zu sehen sein, wenn die Gesellschaft die Bevollmächtigung des Y genehmigt, denn die Genehmigung wirkt gem.
168111
Erscheinungsdatum:10.04.2019
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
GmbH
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
BGB § 177; BGB § 167; BGB § 185; GmbHG § 35; BGB § 164