Ausgliederung aus dem Vermögen einer GmbH & Co. KG auf eine GmbH & Co. KG zur Aufnahme; Mutter-Tochter-Verhältnis; Anteilsgewährungspflicht; Verzicht
UmwG §§ 54 Abs. 1 S. 3, 123 Abs. 3 Nr. 1, 125 S. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 S. 3
Ausgliederung aus dem Vermögen einer GmbH & Co. KG auf eine GmbH & Co. KG zur Aufnahme; Mutter-Tochter-Verhältnis; Anteilsgewährungspflicht; Verzicht
I. Sachverhalt
Die A-GmbH & Co. KG ist alleinige Kommanditistin der B-GmbH & Co. KG (Mutter-Tochter- Verhältnis). Aus der A-GmbH & Co. KG (übertragender Rechtsträger) soll ein Teilbetrieb auf die B-GmbH & Co. KG (übernehmender Rechtsträger) ausgegliedert werden. Dabei sollen von dem übernehmenden Rechtsträger keine Anteile an den übertragenden Rechtsträger gewährt werden.
II. Frage
Ist die Ausgliederung auf die Tochtergesellschaft ohne Anteilsgewährung möglich, obwohl die Zulässigkeit des Verzichts auf die Anteilsgewährungspflicht für den hier vorliegenden Fall im UmwG nicht ausdrücklich geregelt ist?
III. Zur Rechtslage
Auch nach über 25 Jahren Geltung des Umwandlungsgesetzes ist die Frage der Anteilsgewährungspflicht bei der Verschmelzung und Spaltung neben dem Identitätsgrundsatz beim Formwechsel eine der umstrittensten des Umwandlungsrechts (s. dazu jüngst wieder Heckschen,
1. Anteilsgewährungspflicht im Allgemeinen
Die Gewährung von Anteilen am Zielrechtsträger an die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers stellt bei der Verschmelzung und Spaltung den gesetzlichen Regelfall dar (vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG, 6. Aufl. 2019, § 20 Rn. 60 ff.). Verankert ist dies für die Verschmelzung in
Der zivilrechtliche Grundsatz der Anteilsgewährung korrespondiert mit den steuerlichen Regelungen des Umwandlungsgesetzes (§§ 20, 24 UmwStG; Weiler,
2. Gesetzlich geregelte Fälle ohne Anteilsgewährungspflicht
Im Umwandlungsgesetz finden sich einige Ausnahmen von der Anteilsgewährungspflicht.
a) Verbotsnormen
In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Verbot der Anteilsgewährung bei Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 HS 2 UmwG) und Spaltung (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 HS 2) zu nennen, wenn diese von der Tochter- auf die Muttergesellschaft erfolgt (sog. „upstream merger“). Diese Regelungen gelten für alle Formen der umwandlungsfähigen Rechtsträger und werden für die GmbH in § 54 Abs. 1 S. 1 UmwG und für die AG in § 68 Abs. 1 S. 1 UmwG durch Regelungen über die Frage der Bildung neuer Anteile zur Anteilsgewährung flankiert. Der Gesetzgeber wollte damit insbesondere die Entstehung eigener Anteile bei der GmbH oder AG vermeiden, die bei der Personengesellschaft, wie der hier vorliegenden GmbH & Co. KG, allgemein gar nicht für zulässig bzw. rechtlich unmöglich gehalten werden (BGH
Für die hier vorliegende umgekehrte Konstellation der Umwandlung einer Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft findet sich weder für die Verschmelzung in
b) Wahlrecht und Verzichtsmöglichkeit
§ 54 UmwG für die GmbH und
So besteht nach § 54 Abs. 1 S. 2 UmwG für die GmbH und nach § 68 Abs. 1 S. 2 UmwG für die AG bei der Verschmelzung einer Mutter- auf ihre Tochtergesellschaft ein Wahlrecht, ob die Anteile für Zwecke der Anteilsgewährung durch Kapitalerhöhung neu geschaffen werden oder die beteiligten Gesellschaften die vorhandenen Anteile an der aufnehmenden Tochtergesellschaft zur Anteilsgewährung verwenden.
Die in
Sowohl das Wahlrecht über die Kapitalerhöhung zur Schaffung der für die Anteilsgewährung erforderlichen Gesellschafterbeteiligungen in § 54 Abs. 1 S. 2 UmwG als auch die Verzichtsmöglichkeit in
c) Die Spaltung zu Null
§ 128 UmwG eröffnet für die Spaltung auch bei einer KG die Möglichkeit einer quotenabweichenden (nicht verhältniswahrenden) Anteilsgewährung. Die inzwischen h. A. in Rechtsprechung und Literatur (OLG München
3. Ausgliederung aus dem Vermögen einer GmbH & Co. KG auf eine GmbH & Co. KG
a) Verbot von Anteilsgewährung
Aus den Ausführungen ergibt sich, dass für den hier vorliegenden Fall der Ausgliederung von der Mutter- auf die Tochtergesellschaft keine ausdrückliche Regelung im Gesetz existiert, die eine Ausnahme von der Anteilsgewährungspflicht regeln würde. Selbst bei der Ausgliederung einer Tochter- auf ihre Muttergesellschaft stellt sich nicht das Problem der unerwünschten oder unmöglichen Schaffung eigener Anteile, da die Beteiligung an der aufnehmenden Gesellschaft nicht den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers, sondern diesem selbst gewährt werden.
Auch das Prinzip der Einheitlichkeit von Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften verhindert grundsätzlich nicht die Anteilsgewährung in der hier vorliegenden Konstellation der Ausgliederung aus dem Vermögen der Mutter- auf ihre Tochtergesellschaft. Denn die Anteilsgewährungspflicht besteht auf Seiten der aufnehmenden Tochter-GmbH & Co. KG, die eine Kommanditistenstellung an ihre übertragende Mutter-GmbH & Co. KG gewähren müsste. Da die Mutter-GmbH & Co. KG bereits Kommanditanteile an der Tochter-GmbH hält, kämen weitere separate Kommanditbeteiligungen für die Mutter-GmbH & Co. KG als gewährte Anteile nicht in Frage. Es entspricht aber der ganz h. M., dass auch die „Aufstockung“ der bestehenden Beteiligung durch Erhöhung des Kapitalkontos 1 zusätzliche Gesellschafterrechte verschafft und damit der Anteilsgewährungspflicht genügt (dazu Wicke,
b) Verzicht auf Anteilsgewährung bei der Personengesellschaft
Unabhängig von der Art des Umwandlungsvorganges stellt sich für Personenhandelsgesellschaften wie die hier vorliegende GmbH & Co KG die Frage, ob
c) Verzicht auf Anteilsgewährung bei der Ausgliederung
Für die Spaltung gilt nach § 125 UmwG weitestgehend das Recht der Verschmelzung. In § 125 S. 1 UmwG wird aber gerade für die hier vorliegende Ausgliederung nicht auf §§ 54 und 68 UmwG verwiesen (Weiß, in: FS Dieter Mayer, 2020, S. 127, 145; KölnKommUmwG/Simon, 2009, § 126 Rn. 30; Weiler,
Entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes will dennoch ein erheblicher Teil der Literatur einen Verzicht auch bei einer Ausgliederung zulassen (Lieder, in: Lutter, § 123 Rn. 42 und § 125 Rn. 64; Limmer, in: Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung, 6. Aufl. 2019, Teil 3, Rz. 141 f.; Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 125 Rn. 55, 57; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 126 UmwG Rn. 47, 48; Semler/Stengl/Schröer, UmwG, 4. Aufl. 2017, § 126 Rn. 31; Priester, in: Lutter, § 126 UmwG Rn. 26; J. Schmitt, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 8, 5. Aufl. 2018, § 22 Rn. 20; BeckOGK-UmwG/Verse, Std.: 1.1.2022, § 125 Rn. 55, 56, § 126 Rn. 35). Diese Meinung argumentiert, es sei kein sachlicher Grund erkennbar, warum bei der Ausgliederung die Verzichtsmöglichkeit nicht bestehen solle. Insbesondere bei konzernrechtlichen Ausgliederungsmaßnahmen könne man keinerlei Drittinteressen gefährdet sehen. Auf der Basis einer teleologischen Reduktion müsse auch bei der Ausgliederung der Verzicht auf Anteilsgewährung möglich sein (Lieder, in: Lutter, § 125 Rn. 64). Die verdeckte Regelungslücke ergebe sich aus den Materialien zum 2. UmwG-Änderungsgesetz (Verweis auf Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, 13, 18). Dort habe sich der Gesetzgeber keine Gedanken über die Anwendung bei der Ausgliederung gemacht (BeckOGK-UmwG/Verse, § 125 Rn. 55, 56). Der Regelungszweck treffe bei der Ausgliederung nicht weniger zu als bei der Ab- oder Aufspaltung (Lieder, in: Lutter, § 125 Rn. 64). Der strukturelle Unterschied zur Abspaltung bleibe insofern erhalten, dass für den Verzicht der ausgliedernde Rechtsträger selbst und bei der Abspaltung die Gesellschafter zuständig seien. Die Anteilsgewährungspflicht sei jedenfalls kein Dogma mehr (arg.
Demgegenüber geht die Gegenmeinung davon aus, dass § 125 S. 1 UmwG bewusst gerade nicht auf §§ 54 Abs. 1 S. 3 bzw. 68 Abs. 1 S. 3 UmwG verweise. Denn der Gesetzgeber habe in Kenntnis des bereits in der Vergangenheit geführten Meinungsstreits zur Verzichtmöglichkeit in Ausgliederungsfällen auch im Rahmen der nachfolgenden Anpassungen des Umwandlungsgesetzes keine Ausnahme vorgesehen (3. Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 11.7.2011, BGBl. I, 2011, 1338; 4. Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 9.12.2018, BGBl. I, 2018, 2694). Diese Meinung nimmt daher keine Gesetzeslücke an, sondern geht von einer abschließenden gesetzlichen Regelung aus (Weiler,
4. Ergebnis
Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die hier aufgeworfene Rechtsfrage mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist. Die überwiegende Ansicht in der Literatur hält einen Anteilsgewährungsverzicht bei der Ausgliederung einer Personenhandelsgesellschaft auf eine andere Personenhandelsgesellschaft analog
Die Spaltung zu Null kann für die hier vorliegende Ausgliederung u. E. nicht fruchtbar gemacht werden, da die Ausgliederung in § 128 UmwG nicht genannt ist und die Norm nur Fälle der Abspaltung und Aufspaltung regeln wollte.
Für die Praxis besteht die Möglichkeit, in Absprache mit dem Registergericht den Ausgliederungsvorgang ohne Anteilsgewährung zu gestalten. Wenn die Ausgliederung im Handelsregister eingetragen ist, wird diese nach § 131 Abs. 2 UmwG zumindest bestandskräftig.
186048
Erscheinungsdatum:29.04.2022
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Umwandlungsrecht
Erschienen in: Normen in Titel:UmwG § 125; UmwG § 54 Abs. 1