Generalhandlungsvollmacht zum Handeln für GmbH (und KG); unzulässige organersetzende Vollmacht; Umdeutung in Vollmacht zulässigen Umfangs; Fortbestand der Vollmacht des übertragenden Rechtsträgers nach Verschmelzung; Vollmachtsbescheinigung gem. § 21 Abs. 3 BNotO
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Abruf-Nr.: 141427
letzte Aktualisierung: 16. August 2016
Generalhandlungsvollmacht zum Handeln für GmbH (und KG); unzulässige organersetzende
Vollmacht; Umdeutung in Vollmacht zulässigen Umfangs; Fortbestand der
Vollmacht des übertragenden Rechtsträgers nach Verschmelzung; Vollmachtsbescheinigung
gem.
I. Sachverhalt
Der Geschäftsführer zahlreicher Konzern-GmbHs und KGs hat einer Vertrauensperson folgende
jeweils gleichlautende Vollmachten erteilt:
„Jede Gesellschaft bevollmächtigt die Vertrauensperson, den
jeweiligen Vollmachtgeber in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten
umfassend zu vertreten, soweit eine Stellvertretung
zulässig ist. Der Bevollmächtigte ist von
kann für einzelne Geschäfte oder Arten von Geschäften Untervollmacht
erteilen.“
Ferner enthält die Vollmacht folgenden Passus:
„Die Vollmacht umfasst insbesondere die Befugnis (ohne dass
mit diesem Beispielskatalog eine Einschränkung verbunden
wäre):
- Kauf und Verkauf von Grundstücken [weiter ausformuliert,
erfassend auch übliche Nebenerklärungen, z. B. Bestellung von
Grundpfandrechten etc.]
- Kauf und Verkauf von Gesellschaftsanteilen
- Abschluss von Darlehensverträgen und Bestellung von
Sicherheiten aller Art
- Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung
- Vornahme von Handelsregisteranmeldungen aller Art und
beliebigen Inhalts.“
Schließlich heißt es in der Vollmacht:
„Eine Übertragung zur Ausübung organschaftlicher Befugnisse ist
mit dieser Vollmacht nicht verbunden. Sollte diese Vollmacht in
einem Punkt unwirksam sein, so soll sie in dem größtmöglichen
rechtlich zulässigen Umfang fortbestehen.“
II. Fragen
1. Liegt eine „unzulässige Übertragung von Organbefugnissen“ vor, auch wenn die Übertragung
zur Ausübung organschaftlicher Befugnisse ausdrücklich ausgenommen ist?
2. Falls nein: Kommt eine Umdeutung gem. BGH
Betracht, dass neben der Aufrechterhaltung als Generalhandlungsvollmacht die in der
Vollmacht aufgeführten besonderen Befugnisse gem.
Darlehen), die ja in einer Generalhandlungsvollmacht nur bei ausdrücklicher
Erwähnung enthalten sind, erhalten bleiben? Mit anderen Worten: Geht die „Standard-
Umdeutung“ in eine Generalhandlungsvollmacht auf den Umfang nach
zurück oder kommt (gerade bei ausdrücklicher Erwähnung) eine Umdeutung unter Einbeziehung
des
3. Bestehen infolge der Verschmelzungen Zweifel am Fortbestand der Vollmacht, wenn
sowohl aufnehmende als auch übertragende Gesellschaften Vollmacht erteilt haben?
4. Kann der Notar eine Bescheinigung nach
(nach Verschmelzung als aufnehmender Rechtsträger) nicht mehr so heißt wie im
Vollmachtstext beschrieben (sondern unter einer anderen Firma auf einem anderen Registerblatt
steht), oder muss er zusätzlich noch Bescheinigungen gem.
ergänzen?
III. Zur Rechtslage
Die gestellten Fragen betreffen im Kern die Auslegung konkret erteilter Vollmachten. Auslegungsfragen
kann das DNotI im Rahmen eines Gutachtens aber nicht abschließend beantworten.
Wir bitten dies bei den folgenden Ausführungen zu berücksichtigen.
1. Grenzen der Generalhandlungsvollmacht und etwaige Umdeutung
a) Der Geschäftsführer der GmbH (ggf. auch als „mittelbarer“ Vertreter der KG) kann
einem Dritten eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zum Handeln im Namen der GmbH
erteilen (BeckOK-GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, Stand: 1.6.2016, § 35 Rn. 8;
Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 18). Eine
solche Vollmacht unterliegt jedoch gewissen Grenzen: Unzulässig ist die sog. organersetzende
(oder auch lediglich organvertretende, vgl. Schippers,
365) Vollmacht. Die Befugnisse des Geschäftsführers zur organschaftlichen Willensbildung
und -erklärung und die damit verbundene Verantwortung sind nämlich im
Grundsatz unübertragbar. Zulässig bleibt jedoch eine rechtsgeschäftliche Generalhandlungsvollmacht,
die dem Bevollmächtigten in den handelsrechtlichen Grenzen
Vertretungsmacht in allen Angelegenheiten einräumt, die ein organschaftliches Handeln
nicht erfordern. Eine unzulässige Generalvollmacht kann in eine zulässige Generalhandlungsvollmacht
(
Generalhandlungsvollmacht, die sich auf sämtliche im Geschäftsbetrieb üblichen
Geschäfte bezieht, dürfte noch einmal die sog. „rechtsgeschäftliche Generalvollmacht“
zu unterscheiden sein. Diese geht darüber hinaus und nimmt nur zwingend organschaftliches
Handeln aus. Ihre Zulässigkeit hat der BGH offengelassen (
Tz. 8, für die vom Komplementär einer KG erteilte Vollmacht; s. dazu auch
Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 35 Rn. 19).
Eine rechtsgeschäftliche Vollmacht fände ihre Grenze also jedenfalls in den zwingend
organschaftlichen Zuständigkeiten, womöglich aber bereits in den Grenzen der Prokura
(vgl.
Vertretungsmacht markieren (vgl. MünchKommHGB/Krebs, 4. Aufl. 2016, Vor § 48
Rn. 91). Die Frage ist aber noch nicht abschließend geklärt. Die zwingend dem
Geschäftsführer als Organ vorbehaltenen Zuständigkeiten sind nicht sehr zahlreich.
Insbesondere fallen darunter: Buchführungspflicht,
Kleindiek, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 41 Rn. 2; GroßkommGmbHG/Paefgen,
3. Aufl. 2016, § 37 Rn. 25), Insolvenzantragspflicht,
2009, 353, 371; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 35 Rn. 3), öffentlich-rechtliche
Pflichten, etwa zur Abführung von Steuern (
(GroßkommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 25), aber auch Einreichungs- und Bekanntmachungspflichten,
der Gesellschafterversammlung gem.
KommGmbHG/Liebscher, 2. Aufl. 2016, § 49 Rn. 33 f.).
Die vorliegend namens der GmbH erteilte Vollmacht setzt sich über die Grenzen der
übertragbaren Befugnisse nicht ausdrücklich hinweg; zwingend organschaftliche
Befugnisse werden im Gegenteil sogar ausdrücklich ausgenommen. Die regelbeispielhaft
aufgeführten Befugnisse sind im Rahmen einer Generalhandlungsvollmacht grundsätzlich
übertragbar (vgl.
keine zwingenden Organgeschäfte (soweit man die Trabrennbahn-Entscheidung des
BGH,
des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers keine Rolle spielen). Entsprechendes
gilt für die enthaltene Registervollmacht, die allerdings über eine Prokura
hinausgeht (s. etwa OLG Karlsruhe
dagegen, wenn der Geschäftsführer einen Dritten zu Handelsregisteranmeldungen ausdrücklich
bevollmächtigt (vgl. MünchKommGmbHG/Herrler, 2. Aufl. 2016, § 78 Rn.
26 f.; zur Frage „höchstpersönlicher“ Anmeldungen vgl. Seebach,
f.; s. auch BeckOK-GmbHG/C. Jaeger, Stand: 1.6.2016, § 78 Rn. 7; höchstpersönliche
Versicherung und Anmeldung i. Ü. dürften sich allerdings i. d. R. voneinander trennen
lassen). Zu berücksichtigen ist indes, dass das OLG Frankfurt (
rechte Sp.) die Handelsregisteranmeldung in die Nähe der zwingenden (?) Organbefugnisse
rückt (vgl. a. a. O.: „Demnach handelt es sich inhaltlich um eine umfassende
Bevollmächtigung, die … dem Bevollmächtigten neben dem Geschäftsführer in unzulässiger
genereller Weise auch umfassende organvertretende Befugnisse einräumt und
damit – zumindest soweit es diese Organbefugnisse betrifft, zu denen z.B. auch die
Handelsregisteranmeldungen gehören – unwirksam ist.“). Bedenklich mag die
Handelsregistervollmacht auch insoweit sein, als sie den Umfang der Generalhandlungsvollmacht
über die Grenzen der Prokura hinaus ausdehnt (vgl. bereits oben).
Unseres Erachtens erscheint die Aufnahme der aufgeführten Befugnisse im Kontext
einer umfassenden Generalhandlungsvollmacht aber grundsätzlich möglich. Dass die
Vollmacht zu einem Großteil der Handlungen berechtigt, die genuin in die
Zuständigkeit des Geschäftsführers fallen, dürfte noch keinen organersetzenden oder -
vertretenden Charakter der Vollmacht begründen. Zwingende Organbefugnisse sind ja
gerade ausgenommen. Eine „rechtsgeschäftliche Generalvollmacht“ ist genau betrachtet
nicht gegeben, denn die Vollmacht beschränkt sich auf vermögensrechtliche
Angelegenheiten.
b) Eine unzulässige Generalvollmacht kann in eine zulässige Generalhandlungsvollmacht
gem.
147), so jedenfalls auch eine „rechtsgeschäftliche Generalvollmacht“, die sich auf
sämtliche Geschäfte mit Ausnahme der organschaftlichen erstreckt (BGH NJW 2009,
293, 294). Hinsichtlich der Art der Umdeutung ist die Rechtsprechung u. E. womöglich
nicht ganz schlüssig. Zielvollmacht soll eine allgemeine Handlungsvollmacht sein, die
nicht auf eine „unmittelbare Vertretung der GmbH“, sondern lediglich auf ein Handeln
in (Unter-)Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet ist. Dahinter steht offenbar die
Vorstellung, dass von einer Organverdrängung nicht mehr die Rede sein könne, wenn
Vollmachtgeber nunmehr der Geschäftsführer als natürliche Person sei (vgl. auch BGH,
Beschl. v. 29.9.2011 – V ZB 3/11, Tz. 10 [juris];
Näherliegend erscheint aber evtl., an den Vollmachtsumfang anzuknüpfen und diesen
entsprechend zu reduzieren (dass auch die GmbH selbst durch einen Generalhandlungsbevollmächtigten
vertreten werden kann, dürfte nicht zweifelhaft sein, vgl. BeckOKGmbHG/
Wisskirchen/Kuhn, § 35 Rn. 8; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 35
Rn. 18). Anderenfalls ist zu fragen, welchen inhaltlichen Grenzen wiederum die
„Untervollmacht“ des Geschäftsführers unterliegt.
Allgemein zu beachten ist, dass die obergerichtliche Rechtsprechung die Möglichkeit
der Umdeutung mitunter restriktiv handhabt. So scheidet nach Ansicht des OLG
Brandenburg (Beschl. v. 18.1.2010 – 5 W 56/09 [juris]) die Umdeutung einer notariell
beurkundeten Generalvollmacht aus, wenn aus Sicht des objektiven Empfängers eine
umfassende Übertragung der organschaftlichen Vertretung und keine Generalhandlungsvollmacht
gewollt war. So sollen die Bezeichnung „Generalvollmacht für die
GmbH“ und die Umschreibung der Vertretungsmacht mit „Vertretung als Geschäftsführer“
schädlich sein (Tz. 17). Dieses Verständnis ist u. E. zu eng und verkennt
zumindest teilweise das Wesen einer Umdeutung. Das OLG Frankfurt (GmbHR 2012,
751, 753 rechte Sp.) hat die Umdeutung bzgl. der Befugnis zur
Handelsregisteranmeldung abgelehnt: Sie komme nicht in Betracht, da diese Befugnis
gerade nicht von den Vollmachten erfasst sei, in die man umdeuten könne. Dies berührt
die gestellte Frage nach dem Umfang der umgedeuteten Vollmacht. Unseres Erachtens
erfolgt diese Umdeutung nicht typisiert, sondern gem.
hypothetischen Parteiwillen im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung (vgl. allg. auch
MünchKommBGB/Busche, 7. Aufl. 2015, § 140 Rn. 19 ff.). Dass die Befugnisse nach
eher dafür, dass sie – soweit zulässig – auch von einer Vollmacht nach Umdeutung
umfasst sein sollten. Aus der Entscheidung des OLG Frankfurt folgt nicht unbedingt
etwas anderes, denn hier konnte das OLG mangels konkreter Hinweise (die Vollmacht
war pauschal umfassend formuliert: „Erklärungen jeglicher Art“ – „Erklärungen …,
wofür auch immer“) die Zielvollmacht nur auf den typisierten Umfang der
Generalhandlungsvollmacht stützen.
2. Vollmacht und Verschmelzung
Jedenfalls hinsichtlich der Prokura und der Generalhandlungsvollmacht ist noch nicht
abschließend geklärt, ob sie nach einer Verschmelzung beim übernehmenden Rechtsträger
fortbestehen. Nach herkömmlicher Ansicht erlischt die Generalhandlungsvollmacht ebenso
wie die Prokura (Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 7. Aufl. 2016, § 20
UmwG Rn. 10; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 5. Aufl. 2013, § 20 Rn. 24; a. A. etwa
KölnKommUmwG/Simon, 2009, § 20 Rn. 4; Semler/Stengel/Kübler, UmwG, 3. Aufl. 2012,
§ 20 Rn. 17). Bis zur endgültigen Klärung der Frage sollte die Praxis daher vorsorglich von
einem Erlöschen ausgehen. Davon abgesehen erscheint ein Fortbestand nicht undenkbar.
Insbesondere liegt kein Fall der „Konfusion“ vor, in dem Vollmachtgeber und Bevollmächtigter
in eins fallen (zu Letzterem OLG Hamm
Unberührt bleiben in aller Regel die Vollmachten des übernehmenden Rechtsträgers.
3. Vollmachtsbescheinigung nach Verschmelzung/Firmenänderung
2013, 185, 186;
begründete Vertretungsmacht (die beweisrechtliche Anerkennung ergibt sich
dagegen aus anderen Rechtsvorschriften, derzeit aus
für den Grundbuch- und Handelsregisterverkehr). Der Notar darf die Bescheinigung gem.
oder öffentlich beglaubigte Vollmachtsurkunde über die Begründung der Vertretungsmacht
vergewissert hat (vgl. dazu auch OLG Bremen
durch die Urkunde belegt sind, kann der Notar zur Vergewisserung nicht heranziehen; hängt
die Vollmacht etwa von weiteren Voraussetzungen ab, so genügt die eigene Wahrnehmung
des Notars nicht (BeckOK-GBO/Otto, Stand: 1.6.2016, § 34 Rn. 7; Gutachten DNotI-Report
2013, 185, 186). Ergänzende Urkunden in der Form des
darf der Notar berücksichtigen (BeckOK-GBO/Otto, a. a. O.). Vorliegend ergibt sich
aus der Vollmacht nicht, dass Vollmachtgeber die nunmehr anders firmierende Gesellschaft
ist. Die Kenntnis des Notars gleicht diesen „Mangel“ nicht aus. Der Notar wird daher eine
zusätzliche Bescheinigung nach
141427
Erscheinungsdatum:16.08.2016
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Beurkundungsverfahren
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Umwandlungsrecht
BNotO § 21 Abs. 3; HGB § 54; BGB § 164; UmwG § 20 Abs. 1