21. Februar 2025
EGBGB Art. 15; EGBGB § 14

EGBGB a. F. Art. 14, 15; EuGüVO Art. 22 Nordmazedonien/Bulgarien: Ehegüterstatut vormals mazedonischer, nun bulgarischer Eheleute; Rechtswahl

EGBGB a. F. Art. 14, 15; EuGüVO Art. 22
Nordmazedonien/Bulgarien: Ehegüterstatut vormals mazedonischer, nun bulgarischer Eheleute; Rechtswahl

I. Sachverhalt
Bulgarische Eheleute möchten ihr Vermögen strukturieren. Hierfür ist die güterrechtliche Ausgangslage zu klären. Die Eheleute haben 1993 geheiratet. Im Zeitpunkt der Eheschließung hatten beide die Staatsangehörigkeit der ehemaligen Republik Mazedonien, wo sie damals lebten. Seit 2009 sind beide Eheleute bulgarische Staatsangehörige. 2012 sind sie nach Deutschland gezogen.

II. Frage
In welchem Güterstand leben die Eheleute?

III. Zur Rechtslage
1. Ehegüterstatut
Da die Eheschließung nach dem 8.4.1983 und vor dem 29.1.2019 erfolgte, richtet sich das anwendbare Ehegüterrecht aus deutscher Sicht nach Art. 15 EGBGB a. F. (Art. 229 § 47 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB, Art. 69 Abs. 3 EuGüVO). Vorbehaltlich einer vorrangig zu berücksichtigenden Rechtswahl (Art. 15 Abs. 2 EGBGB a. F.) verweist Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a. F. auf das Recht des Staates, dem beide Eheleute im Zeitpunkt der Eheschließung angehörten. Da die Eheleute damals beide mazedonische Staatsangehörige waren, wird auf das nunmehr nordmazedonische Recht verwiesen.

Bei dieser Verweisung handelt es sich gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB um eine Gesamtverweisung, sodass zu prüfen ist, ob das nordmazedonische IPR die Verweisung annimmt oder eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht.

Das Internationale Privatrecht wurde in Nordmazedonien mit Gesetz vom 10.2.2020 neu geregelt (IPRG; deutsche Übersetzung von Jessel-Holst, in: Henrich/Dutta/Ebert, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderbericht Nordmazedonien, Std.: 1.11.2023, S. 34 ff.). Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 IPRG verweist für die gesetzlichen Vermögensverhältnisse der Eheleute auf das Recht des Staates, in dem sie nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Da sich dieser in der damaligen Republik Mazedonien befand, verweist das nordmazedonische IPRG ebenfalls auf das nordmazedonische Recht und nimmt die Verweisung des deutschen IPR an. Ehegüterstatut ist demnach das nordmazedonische Recht.

Allerdings ist unsicher, ob das neue IPRG auch für die vermögensrechtlichen Wirkungen von Ehen gilt, die vor dessen Inkrafttreten geschlossen worden sind. Art. 180 Abs. 1 IPRG bestimmt, dass die Vorschriften zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht auf Verhältnisse anzuwenden sind, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes entstanden sind. Dies könnte gegen die Anwendung des neuen IPRG sprechen. Literatur zum zeitlichen Anwendungsbereich des Gesetzes liegt uns keine vor.

Das zuvor geltende Internationale Privatrecht Nordmazedoniens war im Gesetz vom 4.7.2007 geregelt (IPRG a. F.; deutsche Übersetzung in IPRax 2008, 158). Davor wiederum galt das Jugoslawische Bundesgesetz über die Regelung von Kollisionen der Gesetze mit den Vorschriften anderer Staaten bei bestimmten Verhältnissen vom 15.7.1982 (jugosl. IPRG; deutsche Übersetzung in RabelsZ 1985, 544; s. a. Jessel-Holst, IPRax 2008, 154). Nach diesen beiden IPR-Gesetzen unterlagen die persönlichen und gesetzlichen Vermögensverhältnisse der Eheleute ihrem gemeinsamen Heimatrecht. Es handelte sich jeweils um eine wandelbare Anknüpfung, die nicht auf den Zeitpunkt der Eheschließung, sondern auf die aktuellen Verhältnisse abstellte. Da die Eheleute aktuell beide bulgarische Staatsangehörige sind, verweisen die beiden Vorgängergesetze auf das bulgarische Recht.

Bei dieser Verweisung handelt es sich gem. Art. 6 Abs. 1 IPRG a. F. bzw. gem. Art. 6 Abs. 1 jugosl. IPRG um eine Gesamtverweisung, die auch das bulgarische IPR umfasst.

Dieses knüpft in Art. 79 des Gesetzbuchs über das Internationale Privatrecht vom 4.5.2005 (bulgar. IPRG; deutsche Übersetzung in Jessel-Holst, RabelsZ 2007, 457) das Ehegüterstatut ebenfalls an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute an. Auch hierbei handelt es sich um eine wandelbare Anknüpfung, sodass das bulgarische IPR aufgrund der aktuellen gemeinsamen bulgarischen Staatsangehörigkeit der Eheleute die Verweisung des nordmazedonischen IPR annimmt.

Zwar trat das bulgar. IPRG ebenfalls erst nach der Eheschließung in Kraft. Allerdings regelte vor dessen Inkrafttreten Art. 133 Abs. 1 bulgar. FamGB a. F., dass wenn mindestens ein Teil der Eheleute bulgarischer Staatsangehöriger ist, das bulgarische Recht Anwendung findet. Demnach kommen das aktuelle bulgarische IPRG und das zuvor geltende FamGB a. F. hier zu demselben Ergebnis.

Im Ergebnis wäre im vorliegenden Fall bei Geltung des neuen nordmazedonischen IPRG 2020 das nordmazedonische Recht Ehegüterstatut, wohingegen bei Anwendung der zuvor geltenden IPR-Gesetze das bulgarische Recht zur Anwendung käme.

Die Experten für IPR aus verschiedenen Balkanstaaten, die das Deutsche Notarinstitut im November 2023 besucht hatten, tendierten anlässlich einer Präsentation dieser Problematik durch die Mitarbeitenden des DNotI dazu, in dieser Konstellation weiterhin das alte IPRG anzuwenden. Stellungnahmen aus der nordmazedonischen Literatur bzw. Rechtsprechung zu dieser Frage liegen uns allerdings nicht vor.

2. Zum bulgarischen materiellen Ehegüterrecht
Die gesetzlichen Güterstände bulgarischen Rechts sind gem. Art. 18 Abs. 1 Nr. 1, 2 des bulgarischen Familiengesetzbuchs vom 18.6.2009 (FamGB) die Gemeinschaft und die Trennung (Jessel-Holst, in: Henrich/Dutta/Ebert, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderbericht Bulgarien, Std.: 1.5.2021, S. 27 ff.). Daneben gibt es den vertraglichen Güterstand (Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 FamGB). Wenn die Eheleute keinen Güterstand wählen, gilt gem. Art. 18 Abs. 2 FamGB der Güterstand der Gemeinschaft. In diesem unterscheidet man das gemeinschaftliche Vermögen sowie das persönliche Vermögen der Ehefrau und des Ehemanns. Zum persönlichen Vermögen gehören vor allem der voreheliche Erwerb und das während der Ehe durch Erbschaft oder Schenkung Erworbene sowie während der Ehe erworbene Rechte, die nicht dinglicher Natur sind. In das gemeinschaftliche Vermögen fallen gem. Art. 21 Abs. 1 FamGB die während der Dauer der Ehe als Ergebnis eines gemeinsamen Beitrags erworbenen dinglichen Rechte, unabhängig davon, wer sie erworben hat (Jessel-Holst, Bulgarien, S. 28). Nach Art. 21 Abs. 3 FamGB wird ein gemeinsamer Beitrag bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

Die Ehe wurde zwar vor Anwendungsbeginn des bulgarischen Familiengesetzbuchs geschlossen. Jedoch finden die Regelungen im Hinblick auf die Vermögensbeziehungen zwischen den Eheleuten auch auf das von ihnen aus bereits vorhandenen Ehen erworbene Vermögen Anwendung (§ 4 Übergangs- und Schlussbestimmungen des FamGB).

Vorbehaltlich abweichender ehevertraglicher Vereinbarungen leben die Eheleute bei Geltung bulgarischen Rechts demnach im gesetzlichen Güterstand der Gemeinschaft.

3. Zum nordmazedonischen materiellen Ehegüterrecht
Bei nordmazedonischem Ehegüterstatut würden die Eheleute in Errungenschaftsgemeinschaft nordmazedonischen Rechts leben. Gem. Art. 67 des nordmazedonischen Gesetzes über das Eigentum und andere dingliche Rechte vom 20.2.2001 (EigentG; deutsche Übersetzung von Jessel-Holst, Nordmazedonien, S. 66 ff.) umfasst das gemeinsame Vermögen der Eheleute all das Vermögen, das sie im Verlauf der Ehe erwerben. Vermögen, das die Ehefrau oder der Ehemann bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung besessen haben, ist ihr jeweiliges besonderes Vermögen (Art. 68 EigentG). Hierzu zählt auch Vermögen, das einer der Eheleute durch Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung erworben hat.

Da mit Anwendungsbeginn des Eigentumsgesetzes die bisherigen Regelungen außer Kraft getreten sind (Art. 257 EigentG), gehen wir davon aus, dass das Gesetz auch auf die vorliegende Ehe Anwendung findet.

Demnach leben die Eheleute bei Geltung nordmazedonischen Rechts im gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft.

4. Fazit
Aus alledem ergibt sich, dass die Eheleute in Errungenschaftsgemeinschaft leben, wobei unklar ist, ob das bulgarische oder das nordmazedonische Ehegüterrecht gilt. Um Klarheit hinsichtlich des anwendbaren Ehegüterrechts herbeizuführen, könnten die Eheleute eine Rechtswahl vereinbaren.

Auch für Ehen, die vor dem 29.1.2019 geschlossen wurden, richtet sich die Möglichkeit einer Rechtswahl nach der Europäischen Güterrechtsverordnung (Art. 69 Abs. 3 Hs. 2 EuGüVO). Nach Art. 22 Abs. 1 lit. a, lit. b EuGüVO können die Eheleute das deutsche Recht als das Recht ihres aktuellen gewöhnlichen Aufenthaltsorts oder ihr bulgarisches Heimatrecht als Ehegüterstatut wählen. Die Rechtswahl hätte ex-nunc-Wirkung, es sei denn, die Eheleute würden etwas anderes vereinbaren (Art. 22 Abs. 2 EuGüVO). Da die Eheleute in Deutschland leben, wäre die Rechtswahl bei Beachtung der deutschen Formvorschriften formwirksam, Art. 23 Abs. 1, 2 EuGüVO i. V. m. § 1410 BGB.

Sollten die Eheleute das deutsche Ehegüterrecht wählen, käme es zu einem Statutenwechsel. Auf materiell-rechtlicher Ebene würde die Errungenschaftsgemeinschaft beendet werden und wäre abzuwickeln. Insofern könnten die Eheleute neben der Rechtswahl auch die Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens regeln.

Gutachten/Abruf-Nr:

209603

Erscheinungsdatum:

21.02.2025

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2025, 22-24

Normen in Titel:

EGBGB Art. 15; EGBGB § 14