27. Dezember 2024
BGB § 1097; BGB § 1094; BGB § 463; BGB § 1098

Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten als Ausübung seines Vorkaufsrechts; rangunterschiedliche dingliche Vorkaufsrechte; Auswirkung auf das nachrangige Vorkaufsrecht

BGB §§ 463, 1094, 1097, 1098
Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten als Ausübung seines Vorkaufsrechts; rangunterschiedliche dingliche Vorkaufsrechte; Auswirkung auf das nachrangige Vorkaufsrecht

I. Sachverhalt
Es soll ein Kaufvertrag über ein Grundstück zwischen V als Verkäufer und K als Käufer beurkundet werden. Das Grundstück ist in Abteilung II an erster Rangstelle mit einem dinglichen Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle zu Gunsten des Käufers K belastet und an zweiter Rangstelle mit einem dinglichen Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall zu Gunsten des Dritten D.

II. Fragen
1. Stellt der direkte Verkauf an K in Bezug auf das Vorkaufsrecht des D einen Vorkaufsfall dar, sodass D sein Vorkaufsrecht ausüben kann?

2. Falls ein Vorkaufsfall bejaht wird: Führt die Ausübung des Vorkaufsrechts durch D dazu, dass der hierdurch zwischen V und D zu Stande kommende Kaufvertrag wiederum in Bezug auf das vorrangige Vorkaufsrecht des K einen Vorkaufsfall darstellt? Kann K nunmehr sein vorrangiges Vorkaufsrecht ausüben? Falls nicht, wie wird dann der Situation Rechnung getragen, dass K bei einem Verkauf eigentlich vorrangig zum Vorkauf berechtigt ist?

3. Erlischt das für den ersten Verkaufsfall bestellte Vorkaufsrecht des D, wenn er es in Bezug auf den Verkauf des K nicht ausübt?

III. Zur Rechtslage
1. Auswirkungen des direkten Verkaufs an K auf das Vorkaufsrecht des D
a) Verhältnis der dinglichen Vorkaufsrechte zueinander
Zunächst ist festzuhalten, dass an ein und demselben Grundstück mehrere Vorkaufsrechte bestellt werden können. Das Rangverhältnis bestimmt sich gem. § 879 Abs. 1 S. 1 BGB nach der Reihenfolge der Eintragungen. Unter den Vorkaufsrechten setzt sich dann im Vorkaufsfall das rangbessere durch; das rangschlechtere Vorkaufsrecht kann aber etwa dann zum Zuge kommen, wenn der Inhaber des vorrangigen sein Recht nicht ausübt (BGH DNotZ 1961, 544; BeckOGK-BGB/Omlor, Std.: 1.10.2024, § 1094 Rn. 55, 56; MünchKommBGB/Westermann, 9. Aufl. 2023, § 1094 Rn. 8).

b) Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten als Vorkaufsfall gegenüber D und als Ausübung des Vorkaufsrechts durch K?
Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den nachrangigen D setzt einen Vorkaufsfall i. S. d. § 463 BGB i. V. m. § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, d. h. den Abschluss eines Kaufvertrages über das mit dem Vorkaufsrecht belastete Grundstück durch den Verpflichteten mit einem Dritten.

„Dritter“ i. S. d. Norm ist jeder außer dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten. Es muss sich um jemanden handeln, der am Vorkaufsverhältnis nicht teilnimmt (BGH NJW 1954, 1035; BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.10.2024, § 463, Rn. 62; Staudinger/Schermaier, BGB, 2021, § 1094 Rn. 20).

Fraglich ist also, ob auch beim unmittelbaren Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten K ein Vorkaufsfall gem. § 463 BGB vorliegt, sodass der nachrangig Vorkaufsrechtsberechtigte sein Vorkaufsrecht ausüben kann.

Orientiert man sich allein am Wortlaut des § 463 BGB, so stellt der Abschluss des Kaufvertrages zwischen V und K aus Sicht des D einen solchen Vorkaufsfall dar. Im Verhältnis zum Vorkaufsberechtigten D ist K als Dritter i. S. d. § 463 BGB einzuordnen.

Im Verhältnis zwischen V und K ist K allerdings kein Dritter i. S. d. Definition, da es sich um den Vorkaufsberechtigten selbst handelt. Beließe man es bei diesem Ergebnis, hätte dies allerdings zur Konsequenz, dass das vorrangige Vorkaufsrecht des K nur zum Tragen käme, wenn ein Vorkaufsfall aus Sicht beider Vorkaufsrechte (des K und des D) vorliegen würde, mithin bei einem Verkauf an einen Dritten (X). Bei einem direkten Verkauf des V an K hätte K (jedenfalls zunächst) eine schlechtere Rechtsposition gegenüber dem weiteren (nachrangigen) Vorkaufsberechtigten D. Insbesondere wäre seine Rechtsposition als vorrangiger Berechtigter nicht durch sein eigenes Vorkaufsrecht gem. §§ 1094, 1098 Abs. 2 BGB geschützt, denn insoweit (Rechtsverhältnis zwischen V und K) liegt eigentlich kein Vorkaufsfall vor.
Übte folglich D sein Vorkaufsrecht aus, käme ein Kaufvertrag zwischen V und D zustande. Im Anschluss hieran könnte dann zwar wiederum K sein Vorkaufsrecht ausüben und würde sich aufgrund des besseren Rangs seines Vorkaufsrechts im Ergebnis auch gegenüber D durchsetzen. Allerdings erscheint diese „Kaskade von Vorkaufsfällen“ gekünstelt und dürfte den Beteiligten auch nur schwer zu vermitteln sein.

Es wäre daher ein wenig sachgerechtes Ergebnis, wenn man davon ausginge, dass K nur dann von vorneherein die bessere Position hätte, wenn aus Sicht beider Vorkaufsberechtigter ein Vorkaufsfall (Kaufvertrag zwischen V und X) vorliegt. Es ist nämlich gerade Sinn und Zweck der Einräumung eines Vorkaufsrechts, den Erwerb des Grundstücks durch den (vorrangig) Vorkaufsberechtigten zu ermöglichen. Das dingliche Vorkaufsrecht soll auch über die Erzeugung einer Verpflichtung des Verkäufers hinaus den tatsächlichen Erwerb des Eigentums durch seine Wirkung gegen Dritte sichern (BGH NJW 1961, 1669, 1670). Genau dieser Zweck würde allerdings auch beim (unmittelbaren) Verkauf an den Vorkaufsberechtigten K erfüllt.

Deshalb stellt sich die Frage, ob der Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten als Ausübung des Vorkaufsrechts durch diesen (hier: K) gewertet werden kann. Da es insoweit um die Frage geht, wie das Konkurrenzverhältnis der beiden Vorkaufsrechte untereinander zu lösen ist, ist zur Beantwortung dieser Konkurrenzfrage nicht die Perspektive des am sog. Erstkaufvertrag beteiligten K, sondern die Perspektive des nicht am Verkauf beteiligten D maßgebend.

Aus der Sicht des D liegt ein Verkauf an einen Dritten vor, d. h. D ist so zu behandeln, als habe der Vorkaufsverpflichtete sein Grundstück an einen „wirklichen“ Dritten (X) verkauft und K hätte daraufhin sein vorrangiges Vorkaufsrecht ausgeübt. Der Umstand, dass der vorrangige Vorkaufsberechtigte (hier: K) mit dem Dritten i. S. v. 463 BGB personenidentisch ist, ist eine Zufälligkeit, die nicht aus dem Rechtsverhältnis zwischen V und D herrührt und demzufolge zur Beantwortung der Konkurrenzfrage „auszublenden“ ist. Dieses „Ausblenden“ geschieht in der Weise, dass man den Kaufvertrag zwischen V und K als Ausübung des Vorkaufsrechts durch K behandelt, was wiederum denklogisch voraussetzt (denn andernfalls käme eine Vorkaufsrechtsausübung durch K nicht in Betracht), dass man die Vorkaufsberechtigten im Verhältnis untereinander so behandelt, als habe V das Grundstück an einen Dritten (X) verkauft.

Dass der Verkauf an den Vorkaufsberechtigten einer Ausübung des Vorkaufsrechts durch diesen Berechtigten gleichzusetzen ist, hat auch das OLG Hamm zu Recht angenommen (DNotZ 1989, 786, 787). Das Gericht kommt allerdings in dem zu entscheidenden Fall dennoch zu keinem überzeugenden Ergebnis, da es sich dort um ein gemeinschaftliches Vorkaufsrecht i. S. v. § 472 BGB handelte, jedoch nur einer von zwei Vorkaufsberechtigten den Kaufvertrag mit dem Vorkaufsverpflichteten abgeschlossen hatte (OLG Hamm DNotZ 1989, 786, 787). In seiner solchen Situation kann u. E. in dem Kaufvertragsschluss durch einen von mehreren gemeinschaftlich Vorkaufsberechtigen nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts erblickt werden; denn ein gemeinschaftliches Vorkaufsrecht kann grds. auch nur gemeinschaftlich ausgeübt werden, vgl. § 472 BGB (vgl. hierzu Gutachten DNotI-Report 2024, 77).

Auch das OLG München erkennt u. E. zu Recht an, dass ein Verkauf an den rangbesseren Vorkaufsberechtigten jener Sachlage entspricht, bei der der vorrangige Vorkaufsberechtigte das Grundstück nach Ausübung seines Vorkaufsrechts beim Verkauf an einen „wirklichen“ Dritten erworben hätte (DNotZ 2012, 201, 202). Die Begründung des OLG München ist allerdings in sich widersprüchlich, wenn es ausführt, dass ein Verkauf an den rangbesseren Vorkaufsberechtigten zwar keine Ausübung seines Vorkaufsrechts darstellt, aber das nachrangige bedingte Vorkaufsrecht dennoch erlischt. Aufschiebende Bedingung des nachrangigen Vorkaufsrechts war im konkreten Fall nämlich, dass das vorrangige Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird. Dennoch geht das OLG München davon aus, dass diese Bedingung endgültig ausgefallen sei (OLG München DNotZ 2012, 201, 202). Richtigerweise hätte das OLG München entscheiden müssen, dass der Verkauf an den vorrangigen Vorkaufsberechtigten der Ausübung seines Vorkaufsrechts gleichsteht und demzufolge die Bedingung des nachrangigen Rechts endgültig nicht mehr eintreten kann. Die Entscheidung ist daher zwar im Ergebnis richtig, aber in der Begründung nicht überzeugend.

c) Schlussfolgerungen
Auf Grundlage dieser Ausführungen ergibt sich, dass der nachrangig Vorkaufsberechtigte D sein Vorkaufsrecht auch bei einem freihändigen Verkauf unmittelbar an den erstrangigen Vorkaufsberechtigten K nicht erfolgreich ausüben können dürfte. Der Verkauf eines Grundstücks an den erstrangigen (alleinigen) Vorkaufsberechtigten dürfte als Verwirklichung des Vorkaufsfalls und wie eine Ausübung des Vorkaufsrechts durch diesen zu behandeln sein; dies gilt jedenfalls im Verhältnis der Berechtigten verschiedener Vorkaufsrechte untereinander.

Für diese Frage kann im Ergebnis dahinstehen, ob dies deshalb gilt, da in diesem Fall bereits kein Vorkaufsfall i. S. d. § 463 BGB gegenüber dem nachrangig Vorkaufsberechtigten gegeben ist (so wohl BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 56; ebenso im Konkurrenzverhältnis zwischen Mietervorkaufsrecht und dinglichem Vorkaufsrecht: Gutachten DNotI-Report 2010, 137, 139) oder ob zwar ein Vorkaufsfall gegeben ist – da formal betrachtet ein Kaufvertrag mit einem Dritten vorliegt (vgl. oben) –, der nachrangig Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht allerdings nicht wirksam ausüben kann, weil ihm der Einwand des § 242 BGB entgegengehalten wird oder man im Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten (hier: K) eine Ausübung seines Vorkaufsrechts sieht.

Die Annahme, dass in dem Verkauf an den vorrangigen Vorkaufsberechtigten eine Ausübung seines Vorkaufsrechts liegt, führt u. E. aber auch zu sachgerechten Ergebnissen betreffend die Frage nach dem Schicksal des vorrangigen Vorkaufsrechts beim Verkauf an den vorrangigen Vorkaufsberechtigten.

Ginge man davon aus, dass der Verkauf an den vorrangigen Vorkaufsberechtigten nicht die Ausübung seines Vorkaufsrechts darstellt und der nachrangige Vorkaufsberechtigte dennoch sein Vorkaufsrecht nicht ausüben kann – entweder, weil schon kein Vorkaufsfall vorliegt oder weil ihm die Ausübung über § 242 BGB verwehrt ist – ist fraglich, ob das Vorkaufsrecht des vorrangig Berechtigten auch nach dessen Eigentumserwerb fortbesteht. Die Frage stellt sich gleichermaßen, wenn nur ein Vorkaufsrecht am Grundstück besteht und unmittelbar an diesen Vorkaufsberechtigten verkauft wird.

Gem. § 889 BGB erlischt ein Recht an einem fremden Grundstück nicht dadurch, dass der Eigentümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Diese Norm gilt für alle beschränkt dinglichen Rechte an Grundstücken, insbesondere auch für das dingliche Vorkaufsrecht (BayObLG, Beschl. v. 29.9.1983 – BReg. 2 Z 76/83, BeckRS 1983, 31150736; OLG München DNotZ 2012, 201, 202; BeckOGK-BGB/Assmann, Std.: 1.11.2024, § 889 Rn. 6f.; MünchKommBGB/Lettmaier, 9. Aufl. 2023, § 889 Rn. 3; Staudinger/Schermaier, BGB, 2021, § 1097 Rn. 16).

Demnach würde der Verkauf an den vorrangig und für alle oder mehrere Verkaufsfälle berechtigten Vorkaufsberechtigten nicht zu einem Erlöschen seines Vorkaufsrechts führen, wenn man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – davon ausginge, dass in dem Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten nicht zugleich auch die Ausübung seines Vorkaufsrechts liegt (vgl. zum Erlöschen aufgrund Ausübung des Vorkaufsrechts: BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 67; BeckOK-BGB/Reischl, Std.: 1.11.2024, § 1094 Rn. 21; MünchKommBGB/Westermann, § 1094 Rn. 15; Gutachten DNotI-Report 1999, 149).
Nur über die Annahme, der Verkauf an den vorrangigen Vorkaufsberechtigten stelle zugleich eine Ausübung seines Vorkaufsrechts dar, kommt man zu einem Erlöschen des vorrangigen Vorkaufsrechts. Es besteht auch kein Bedürfnis, dass das Vorkaufsrecht des vorrangigen Vorkaufsberechtigten fortbesteht; das mit dem Vorkaufsrecht gewünschte Ziel ist erreicht, der Vorkaufsberechtigte ist Eigentümer geworden. Als neuer Eigentümer könnte sich der vorrangig Vorkaufsberechtigte, z. B. im Rahmen eines späteren Weiterverkaufs, ein neues Vorkaufsrecht einräumen lassen. Hierbei müsste er sich aber sodann mit einem entsprechenden Nachrang gegenüber bereits bestehenden Vorkaufsrechten (hier: zugunsten des D) begnügen. Wollte man hingegen annehmen, der Verkauf an den vorrangigen Vorkaufsberechtigten stelle nicht zugleich die Ausübung seines Vorkaufsrechts dar, so müsste dieses – wenn es für mehrere oder alle Verkaufsfälle bestellt ist – konsequenterweise fortbestehen. Es ist allerdings kein sachlicher Grund ersichtlich, den vorrangigen Vorkaufsberechtigen besser (oder schlechter) zu stellen, als habe der Vorkaufsverpflichtete das Grundstück an einen Dritten verkauft.

Im Ergebnis lässt sich der Fall, dass ein Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten erfolgt, nur dergestalt interessengerecht lösen, dass man annimmt, dass darin zugleich eine Ausübung seines Vorkaufsrechts liegt. In diesem Fall werden weder der vorrangige Vorkaufsberechtigte noch der nachrangige Vorkaufsberechtigte besser oder schlechter gestellt, als habe der Verpflichtete das Grundstück an einen Dritten (X) verkauft.

Aufgrund der fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung muss die Rechtslage gleichwohl als nicht abschließend geklärt bezeichnet werden.

2. Auswirkungen auf das für den ersten Verkaufsfall bestellte Vorkaufsrecht des D
Nach § 1097 Hs. 1 BGB beschränkt sich ein Vorkaufsrecht grundsätzlich auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehörte, oder durch dessen Erben. Allerdings kann es auch für mehrere oder alle Verkaufsfälle bestellt werden, § 1097 Hs. 2 BGB.

Nach h. M. zulässig ist auch die Bestellung eines Vorkaufsrechts für den sog. ersten „echten“ Verkaufsfall, d. h. für den ersten Verkaufsfall, für den es auch ausgeübt werden kann, unabhängig davon, ob es durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehörte, oder einen Rechtsnachfolger verkauft wird (OLG München BeckRS 2010, 2183; BeckOGK-BGB/Omlor, § 1097 Rn. 5; MünchKommBGB/Westermann, 9. Aufl. 2023, § 1097 Rn. 2; a. A.: Staudinger/Schermaier, § 1097 Rn. 13).

Die Frage, ob zugunsten des D ein Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall i. S. d. § 1097 Hs. 1 BGB eingeräumt wurde oder ob ein Vorkaufsrecht für den sog. ersten „echten“ Verkaufsfall vorliegt, ist durch Auslegung des Grundbucheintrags nebst der regelmäßig gem. § 874 BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung zu bestimmen.

Ist das rangschlechtere Vorkaufsrecht für mehrere Vorkaufsfälle oder zumindest für den ersten „echten“ Vorkaufsfall bestellt, so bleibt es bestehen, wenn es aufgrund Ausübung des rangbesseren nicht zum Zuge kam (BGH NJW 1961, 1669; BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 56; Staudinger/Schermaier, § 1094 Rn. 11; Gutachten DNotI-Report 2010, 137, 138).

Ob dies auch auf ein Vorkaufsrecht übertragbar ist, das nur für einen Verkaufsfall bestellt ist, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden, jedoch zweifelhaft (BGH NJW-RR 2023, 863, 865 f.; Gutachten DNotI-Report 2010, 137, 138; Hahn, MittRhNotK 1994, 193, 195). Ein nur für den ersten Verkaufsfall bestelltes dingliches Vorkaufsrecht i. S. d. § 1097 Hs. 1 BGB erlischt grds., wenn das belastete Grundstück auf andere Weise als durch Verkauf in das Eigentum eines Sonderrechtsnachfolgers des Verpflichteten übergeht. Es erlischt auch, sofern es nicht oder nicht fristgemäß ausgeübt wird (BGH NJW 2016, 3242 Tz. 11; BeckOGK-BGB/Omlor, § 1097 Rn. 27; Staudinger/Schermaier, § 1097 Rn. 14 m. w. N.). Bei einem späteren Verkauf (durch K) liegt gerade kein „Verkauf durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört“ gem. § 1097 BGB mehr vor. Im Übrigen hat der Vorkaufsberechtigte von vornherein keine starke Position, da sein Recht auch durch andere Veräußerungsvorgänge, etwa eine schenkweise Übertragung, erlischt.

Demnach ist für die Frage des Erlöschens des nachrangigen Vorkaufsrechts des D beim Verkauf durch V an K entscheidend, ob es allein für den ersten Verkaufsfall i. S. v. § 1097 Hs. 1 BGB bestellt war oder für den sog. ersten „echten“ Verkaufsfall. Da nach der oben dargelegten Ansicht der D sein Vorkaufsrecht beim unmittelbaren Verkauf an K im Ergebnis nicht durchsetzen kann, müsste es bestehen bleiben, wenn es für den ersten „echten“ Verkaufsfall bestellt wurde. Wäre das Vorkaufsrecht des D jedoch allein für den ersten Verkaufsfall i. S. d. § 1097 Hs. 1 BGB bestellt, so müsste es nach unserem Dafürhalten erlöschen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man jener Ansicht folgt, die annimmt, dass beim Verkauf an den vorrangigen Vorkaufsberechtigten bereits kein Vorkaufsfall (im Verhältnis zu D) vorliegt (vgl. oben). Dies erscheint uns indes nicht überzeugend; vielmehr ist die Situation so zu behandeln, also habe V sein Grundstück an einen „wirklichen“ Dritten verkauft, sodass sowohl im Verhältnis zu K als auch im Verhältnis zu D ein Vorkaufsfall vorliegt, allerdings sich das rangbessere Vorkaufsrecht des K durchsetzt.

3. Ergebnisse
Der direkte Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten ist wie eine Ausübung seines Vorkaufsrechts zu behandeln. Der nachrangig Vorkaufsberechtigte kann sein Vorkaufsrecht bei einem Verkauf unmittelbar an den erstrangigen Vorkaufsberechtigten nicht erfolgreich ausüben. Infolge des direkten Verkaufs an den vorrangig Vorkaufsberechtigten erlischt dessen Vorkaufsrecht. Handelt es sich bei dem nachrangigen Vorkaufsrecht um ein Vorkaufsrecht i. S. v. § 1097 Hs. 1 BGB, so erlischt dieses nach hier vertretener Meinung ebenfalls beim Verkauf an den vorrangig Vorkaufsberechtigten.

Gutachten/Abruf-Nr:

206041

Erscheinungsdatum:

27.12.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Dingliches Vorkaufsrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 186-189

Normen in Titel:

BGB § 1097; BGB § 1094; BGB § 463; BGB § 1098