BGB §§ 1018, 1019, 1105
Pflicht zur Aufforstung als Inhalt einer Grunddienstbarkeit oder Reallast; Anforderungen an einen Vorteil i. S. d. § 1019 BGB
I. Sachverhalt
A ist Eigentümer des Grundstücks Flst. 1. Dieses soll abgeholzt und sodann bebaut werden. Die Bebauung wird öffentlich-rechtlich genehmigt, wenn A dafür die rechtlich bindende Aufforstung eines anderen Grundstücks nachweist. Zu diesem Zweck soll mit B, der Eigentümer des Grundstücks Flst. 2 ist, eine Grunddienstbarkeit bestellt werden, in der sich der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Flst. 2 zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Flst. 1 verpflichtet, das Flst. 2 entsprechend den baurechtlichen Vorgaben aufzuforsten.
Das Grundbuchamt ist der Ansicht, die Grunddienstbarkeit sei nicht eintragungsfähig, da sie keinen Vorteil i. S. d. § 1019 BGB zugunsten des herrschenden Grundstücks biete.
II. Fragen
1. Ist die Rechtsauffassung des Grundbuchamts zutreffend?
2. Kann die Pflicht zur Aufforstung zulässiger Inhalt einer Reallast sein?
III. Zur Rechtslage
1. Vorteil i.S.v. § 1019 S. 1 BGB
Nach der zwingenden Vorschrift des § 1019 S. 1 BGB muss eine Grunddienstbarkeit für die Benutzung des herrschenden Grundstücks einen Vorteil bieten, d. h. objektiv nützlich sein (Staudinger/Weber, BGB, 2017 § 1019 Rn. 1; Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1019 Rn. 1). Der Vorteil muss dem jeweiligen Eigentümer und damit dem herrschenden Grundstück selbst zugutekommen (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1139). Ein rein persönlicher Vorteil des derzeitigen Eigentümers des herrschenden Grundstücks genügt nicht; für diesen Zweck steht das Rechtsinstitut der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) zur Verfügung (Staudinger/Weber, § 1019, Rn. 2; MünchKommBGB/Mohr, 9. Aufl. 2023, § 1019 Rn. 4 m. w. N.). Eine Nachbarschaft des dienenden und des herrschenden Grundstücks ist nicht erforderlich; allerdings kann eine weite Entfernung der beiden Grundstücke voneinander je nach Fall einen Vorteil und somit eine Grunddienstbarkeit ausschließen (MünchKommBGB/Mohr, § 1019 Rn. 4; Schöner/Stöber, Rn. 1139).
Dazu, wie der Vorteil beschaffen sein muss, führt Kazele (in: BeckOGK-BGB, 1.2.2023, § 1019 Rn. 35-35.2) instruktiv aus:
„Angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Nutzungen von Grundstücken kommen ganz unterschiedliche Vorteile in Betracht. Der Klärung bedarf, ob § 1019 eine besondere Vorteilsqualität verlangt. Die Rspr. hat in einigen Entscheidungen angedeutet, dass Vorteile nur solche wirtschaftlicher Art seien. Auch im Schrifttum wird zT die Auffassung vertreten, § 1019 erfasse nur wirtschaftliche Vorteile.
Nach Ansicht des RG sei dem Wortlaut von § 1019 die Deutung zu entnehmen, dass nur wirtschaftliche Vorteile erfasst seien.
Der BGH knüpfte unter Hinweis auf das RG an diese Rspr. an, ließ aber neben unmittelbaren auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile für die Benutzung des herrschenden Grundstücks ausreichen. Nach Auffassung des BGH bildet es beispielsweise einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil, wenn auf benachbarten Grundstücken kein Gewerbe ausgeübt und der Charakter der Wohnsiedlung nicht durch bauliche Veränderungen beeinträchtigt wird. In der Erhaltung der Annehmlichkeit des Wohnens liege ein wirtschaftlicher, den Wohnwert beeinflussender Vorteil für die Benutzung des Grundstücks, wenn das herrschende Grundstück als Wohngrundstück genutzt werde. […]“
§ 1019 S. 1 BGB verlangt nach der Rechtsprechung somit einen – wenn auch möglicherweise nur mittelbaren – wirtschaftlichen Vorteil. In diesem Zusammenhang zeigt sich bei Betrachtung zweier ähnlicher Entscheidungen, dass bei Übertragung der dort aufgestellten Grundsätze auch vorliegend ein ausreichender wirtschaftlicher Vorteil gegeben sein dürfte:
So hat der BGH (Urt. v. 24.9.1982, NJW 1983, 115 ff.) entschieden, dass eine zugunsten eines Garagengrundstücks eingetragene Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass auf dem dienenden Hausgrundstück kein Gewerbe ausgeübt und die einheitliche Gestaltung der umliegenden Wohnsiedlung nicht durch bauliche Maßnahmen verändert werden darf, nicht am Vorteilserfordernis des § 1019 S. 1 BGB scheitert. Ein ausreichender Vorteil liege zwar nicht darin, dass die auf dem dienenden Grundstück eingetragenen Bau- und Benutzungsbeschränkungen den ideellen persönlichen Interessen des Berechtigten an der Wahrung einer einheitlichen Baugestaltung des ganzen Siedlungsgebiets dienen. Für die Benutzung des herrschenden Grundstücks könne es aber wirtschaftlich vorteilhaft sein, wenn auf dem benachbarten Grundstück kein Gewerbe ausgeübt und der Charakter der Wohnsiedlung nicht durch bauliche Veränderungen beeinträchtigt werde. So könne beispielsweise die Garagenvermietung verhindert oder erschwert werden, wenn statt der bisherigen Wohnnutzung der dienenden Grundstücke diese in Zukunft gewerblich genutzt würden (BGH NJW 1983, 115, 116).
Das OLG Oldenburg (BeckRS 1998, 10203 = NdsRpfl 1998, 223) befasste sich mit einer Grunddienstbarkeit, die den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks dazu berechtigt, eine Teilfläche des dienenden Grundstücks als Ausgleichs- und Ersatzfläche gem. § 8 BNatSchG nach Maßgabe der Vorgaben der jeweiligen Stadt und des jeweiligen Landkreises zu nutzen. Auch dort sicherte die Grunddienstbarkeit die Bebaubarkeit des herrschenden Grundstücks ab. Das OLG Oldenburg sah darin einen ausreichenden wirtschaftlichen Vorteil (BeckRS 1998, 10203 Rn. 4; zust. wohl Staudinger/Weber, § 1019, Rn. 11 a. E.). Anders als vorliegend war dort zwar eine Benutzungsdienstbarkeit bewilligt worden, d. h. der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks durfte die Teilfläche des dienenden Grundstücks aufforsten. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen Aspekt der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit i. S. v. § 1019 S. 1 BGB.
Vor diesem Hintergrund scheitert die Bestellung einer Grunddienstbarkeit nicht an dem Fehlen eines Vorteils für das herrschende Grundstück.
2. Pflicht zu aktivem Tun als unzulässiger Inhalt einer Grunddienstbarkeit
Allerdings soll durch die Grunddienstbarkeit die Pflicht des jeweiligen Eigentümers des dienenden Grundstücks begründet werden, sein Grundstück (Flst. 2) aufzuforsten und den jeweiligen Aufforstungszustand zu erhalten.
Eine Pflicht zu einem positiven Tun kann indes nicht Hauptinhalt einer Dienstbarkeit sein. Zulässig sind positive Leistungspflichten nur, wenn es sich dabei um bloße Nebenpflichten des Dienstbarkeitsverpflichteten handelt (BGH DNotZ 1959, 240, 241; BGH DNotZ 1989, 565; BayObLG DNotZ 1966, 538; Schöner/Stöber, Rn. 1133 ff.; MünchKommBGB/Mohr, 9. Aufl. 2023, § 1018 Rn. 46 ff.). Mit Mohr (in: MünchKommBGB, § 1018 Rn. 47) dürften als unzulässige Hauptpflichten „jedenfalls solche Leistungspflichten einzustufen [sein], die so wesentliche Bedeutung haben, dass ohne ihre Erfüllung die Durchführung der Vereinbarung sinnlos erscheint“. Die Rechtsprechung ist demgemäß u. a. von der Unzulässigkeit von Dienstbarkeiten ausgegangen, die eine Pflicht zur Errichtung eines Zauns (OLG Colmar OLGE 26, 82) oder zur erstmaligen Baumbepflanzung (BGH WM 1985, 1003, 1004) zum Inhalt haben.
Vorliegend ist die Dienstbarkeit auf die Aufforstung gerichtet. Genau eine solche Pflicht hatte die vorgenannte Entscheidung des BGH (WM 1985, 1003, 1004) zum Gegenstand. Die dieser Entscheidung zugrunde liegende Dienstbarkeit hatte folgenden Inhalt:
„Sämtliche, außerhalb des im Bebauungsplan Nr. 29 der Gemeinde E. in seiner bei der Eintragung dieser Dienstbarkeit gültigen Fassung festgelegten Bauteppichs liegenden Grundstücksteile müssen mit einer landschaftsgerechten Baumbepflanzung versehen werden. Ein dort bereits vorhandener Baumbestand ist in seiner Substanz zu erhalten.“
Der BGH wertete dies als unzulässig:
„Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers aus der Grunddienstbarkeit, weil diese […] unzulässigerweise entgegen § 1018 BGB ein positives Tun (Bepflanzungspflicht) als Hauptpflicht zum Leistungsinhalt hat […]. Ohne Erfolg bleibt der Versuch der Revision, die Bepflanzungspflicht als Nebenpflicht eines Veränderungsverbots (keine Veränderung des „Waldcharakters der Landschaft“) analog § 1021 Abs. 1 Satz 1 BGB […] aufzufassen. Ein solches Veränderungsverbot ist nicht Gegenstand der Dienstbarkeit. […] In Buchstabe c) Satz 2 der Dienstbarkeit ist nur die Substanzerhaltung des vorhandenen Baumbestandes angesprochen. Auch darum geht es im vorliegenden Fall aber nicht, sondern um die erstmalige Bepflanzung von Streifen an der Nord-, Süd- und Ostgrenze des Grundstücks des Beklagten.“
Auch Schöner/Stöber (Rn. 1133) führen als Beispiel für eine unzulässige Hauptpflicht die Pflicht zur „Aufforstung eines Grundstücks“ an.
Die hier angedachte Grunddienstbarkeit hat demnach einen unzulässigen Inhalt.
3. Pflicht zur Aufforstung als zulässiger Inhalt einer Reallast
Nach § 1105 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind (Reallast). Nach § 1105 Abs. 2 BGB kann die Reallast auch zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt werden (sogenannte subjektiv-dingliche Reallast). Inhalt einer Reallast sind aktive Handlungen, nicht hingegen bloße Unterlassungen (Grüneberg/Herrler, vor § 1105 Rn. 3; Lange-Rapart RNotZ 2008, 377, 382). Die Leistungen müssen, sofern sie nicht ohnehin auf Geldzahlung gerichtet sind, zumindest einen bestimmbaren Geldwert aufweisen, denn die Vollstreckung aus dem dinglichen Recht „Reallast“ ist nur auf Geld gerichtet (Staudinger/Reymann, BGB, 2017, § 1105 Rn. 15 m. w. N.).
Inhalt einer Reallast können Dienstleistungen aller Art sein (BGH DNotZ 1996, 93; Lange-Rapart RNotZ 2008, 377, 384; Staudinger/Reymann, § 1105 Rn. 20). Daher spricht auch nichts dagegen, die Pflicht zur Unterhaltung von Baumbestand mittels einer Reallast dinglich zu sichern.
Vorliegend geht es A als Eigentümer von Flst. 1 jedoch in erster Linie darum, dass das Flst. 2 aufgeforstet wird. Insofern ist fraglich, ob wiederkehrende Leistungen i. S. v. § 1005 Abs. 1 S. 1 BGB oder vielmehr nur eine einmalige Verpflichtung abgesichert werden sollen. Das Erfordernis wiederkehrender Leistungen wurde bis vor Kurzem so verstanden, dass die Leistung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auf mehrfache Ausführung angelegt sein musste und sich die Leistungen von Zeit zu Zeit wiederholen (Schöner/Stöber, Rn. 1301; OLG Nürnberg NotBZ 2022, 73).
Der BGH hat in einer Entscheidung aus 2022 die Anforderungen diesbezüglich jedoch konkretisiert (DNotZ 2022, 943). In dem zugrunde liegenden Sachverhalt sollte mittels einer Reallast eine Verpflichtung des Eigentümers des belasteten Grundstücks zur Wiedererrichtung einer Schallschutzmauer für den Fall der Entfernung der aktuell einzigen Schallschutzmauer gesichert werden. Die Vorinstanz war zu dem Ergebnis gelangt, dass hierdurch keine wiederkehrenden Leistungen im vorgenannten Sinne vereinbart seien. Der BGH bestätigte zunächst, dass die Bestellung einer Reallast für eine einmalige Leistung grundsätzlich ausscheide (DNotZ 2022, 943 Rn. 10).
Sodann führt er jedoch aus:
„Ob eine Leistung nur einmal oder mehrfach und damit „wiederkehrend“ i. S. d. § 1105 Abs. 1 BGB erbracht werden soll, bestimmt sich alleine danach, ob die Leistungspflicht als wiederkehrende Verpflichtung ausgestaltet ist. Ist dies zu bejahen, hat die Reallast einen zulässigen Inhalt. Wie wahrscheinlich es ist, dass die Pflicht mehrfach entsteht, ist unerheblich (…).
Eine (…) [mit § 258 ZPO, Erg. d. DNotI] vergleichbare Einschränkung der wiederkehrenden Leistungen ist in § 1105 Abs. 1 BGB nicht enthalten; diese müssen weder „regelmäßig“ noch „laufend“ sein (…). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts muss die Leistungspflicht auch nicht „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge“ auf eine mehrfache Ausführung angelegt sein. Zwar werden wiederkehrende Leistungen in den Motiven als Leistungen beschrieben, die sich „von Zeit zu Zeit wiederholen“ (…). Das schließt es aber nicht aus, auch Verpflichtungen, die auf ein wiederkehrendes tätiges Verhalten gerichtet sind, von denen aber nicht sicher feststeht, ob und wie häufig sie in der Zukunft entstehen werden, durch eine Reallast abzusichern. Angesichts des Numerus clausus der Sachenrechte besteht – im Gegenteil – ein praktisches Bedürfnis, den Anwendungsbereich der Reallast weit zu verstehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Reallast typischerweise dazu dient, langlaufende Verpflichtungen abzusichern; es ist also nicht sachfremd, dass das Sicherungsmittel verwendet werden kann, um Verpflichtungen dinglich abzusichern, die wiederkehren können, von denen im Zeitpunkt der Bestellung des Rechts aber noch nicht absehbar ist, ob und wann dies künftig der Fall sein wird.
Hinzu kommt, dass eine Überforderung des auf dem formellen Konsensprinzip und der Beweismittelbeschränkung beruhenden Grundbuchverfahrens vermieden wird, wenn sich die Zulässigkeit einer Reallast danach richtet, ob die zu sichernde Verpflichtung wiederkehren kann. (…)
Demnach ist in Fällen, in denen Gegenstand einer Reallast eine Verpflichtung zum Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes oder – wie hier – der Wiedererrichtung einer entfernten Schallschutzmauer sein soll, zu unterscheiden. Beschränkt sich die Pflicht auf einen einmaligen Wiederaufbau oder auf eine einmalige Wiedererrichtung, hat die Reallast keinen zulässigen Inhalt; es fehlt an dem Erfordernis einer wiederkehrenden Leistung i. S. d. § 1105 Abs. 1 S. 1 BGB. Ist der Wiederaufbau oder die Wiedererrichtung aber in allen künftigen Fällen einer Zerstörung oder Entfernung geschuldet, liegen ungeachtet der Wahrscheinlichkeit dieser Fälle wiederkehrende Leistungen vor. (…).“
Für die Frage, ob die Pflicht zur Aufforstung Inhalt einer Reallast sein kann, kommt es somit maßgebend darauf an, ob diese als wiederkehrende Leistung ausgestaltet wird, was angesichts der naheliegenderweise bestehenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben nicht nur zur einmaligen Aufforstung, sondern auch zum Erhalt des Forstbestands und somit auch zur Wiederaufforstung im Falle des Untergangs des Bestands naheliegen dürfte.
4. Ergebnis
Im Ergebnis dürfte die Grunddienstbarkeit jedenfalls nicht deshalb unzulässig sein, weil sie dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks keinen ausreichenden Vorteil i. S. v. § 1019 S. 1 BGB bietet. Die Grunddienstbarkeit ist jedoch deshalb unzulässig, weil und sofern sie darauf gerichtet ist, dem jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks die Pflicht zur Aufforstung aufzuerlegen. Eine Pflicht zum aktiven Tun kann nämlich nicht der Hauptinhalt (Hauptpflicht) einer Dienstbarkeit sein. Möglich ist jedoch die dingliche Absicherung der Verpflichtung zur Aufforstung über die Bestellung einer Reallast, wobei insoweit erforderlich ist, dass die Pflicht als wiederkehrende Leistung ausgestaltet wird.