30. April 2020
GmbHG § 73

Sperrjahr bei einer aufgelösten GmbH & Co. KG ohne Auflösung der Komplementär- GmbH

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letzte Aktualisierung: 30. April 2020

GmbHG § 73
Sperrjahr bei einer aufgelösten GmbH & Co. KG ohne Auflösung der Komplementär-
GmbH

I. Frage

Ist § 73 GmbHG auf die GmbH & Co. KG analog anwendbar? Es geht um die Anmeldung der
Auflösung bzw. der Löschung der KG ohne Auflösung der Komplementär-GmbH.

II. Zur Rechtslage

1. Bei der Beendigung der GmbH & Co. KG ist streng zwischen der GmbH & Co. KG einerseits
und ihrer Komplementär-GmbH andererseits zu unterscheiden; eine (zwingend synchron
laufende) Gesamtauflösung gibt es (vorbehaltlich zu empfehlender gesellschaftsvertraglicher
Bestimmungen) nicht (Scholz/Cziupka, GmbHG, 12. Aufl. 2020, § 60 Rn. 135
– juris). Beide Gesellschaften durchlaufen eigenständige Beendigungsverfahren, für die
rechtsformbedingt unterschiedliche Regelungen gelten. Wird – genau anders als im hier zu
begutachtenden Fall – nur die Komplementär-GmbH liquidiert, würde diese mit ihrer Vollbeendigung
analog § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB aus der Gesellschaft ausscheiden
(Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2019, § 131 Rn. 20). Handelt es sich bei ihr – wie in der
Praxis regelmäßig – um den einzigen Komplementär, führt sein Ausscheiden zur Auflösung
und Abwicklung der KG (ZIP 2007, 1233, 1237 f.). Einer Vollbeendigung der GmbH vor
Erlöschen der KG steht aber – selbst dann, wie die Beteiligung der Komplementär-GmbH
ohne Kapitalanteil ausgestaltet ist – nach mittlerweile wohl überwiegender Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur schon ihre Stellung als persönlich haftende Gesellschafterin
in der KG entgegen, weil diese Stellung fortwährende Abwicklungsaufgaben indiziert, die
nach der Lehre vom sog. erweiterten Doppeltatbestand eine Vollbeendigung der GmbH
verhindern (OLG Frankfurt v. 14.5.1976 – 20 W 313/76, DNotZ 1976, 619; OLG Düsseldorf
v. 17.10.1994 – 3 Wx 354/94, DNotZ 1995, 977, 978; OLG Frankfurt v. 16.6.2005 –
W 408/04, FGPrax 2005, 269, 269 f.; vgl. dazu Scholz/Cziupka, § 60 Rn. 135 m. w. N. –
juris). Wird dagegen nur die KG aufgelöst, schlägt diese Auflösung nicht auf die
Komplementär-GmbH durch: Die Auflösung der KG löst nicht automatisch die GmbH
auf.

2. Wird die GmbH & Co. KG liquidiert, ist das nach Berichtigung der Schulden verbleibende
Vermögen der Gesellschaft von den Liquidatoren unter die Gesellschafter zu verteilen
(§ 155 Abs. 1 HGB). Nach Durchführung der Schlussverteilung des Vermögens ist die
Liquidation abgeschlossen und die Gesellschaft beendet. Die Liquidatoren haben das
Erlöschen der Firma der GmbH & Co. KG zum Handelsregister anzumelden (§ 157 Abs. 1
HGB). Eine Sperrfrist sieht das HGB insoweit nicht vor.

3. Nach h. M. im Schrifttum ist indes bei der GmbH & Co. KG ohne natürliche Person als
persönlich haftenden Gesellschafter § 73 GmbHG auf die KG entsprechend anzuwenden
(vgl. etwa MünchKommHGB/K. Schmidt, 4. Aufl. 2016, § 155 Rn. 49) Danach ist eine
Verteilung des Restvermögens der KG erst dann zulässig, wenn sämtliche Schulden getilgt
sind und das Sperrjahr abgelaufen ist. Diese Sichtweise ist mittlerweile weitgehend gefestigt,
sodass die dogmatische Begründung, die in der Literatur hierfür geliefert wird, den Umfang
dieses Gutachtens sprengen würde: Hingewiesen sei zusammenfassend nur darauf, dass die
analoge Anwendung des Sperrjahres, die eine Verschärfung des Kapitalschutzes bei der
GmbH bewirkt, eine konsequente Fortführung der höchstrichterlichen Erstreckung des
Kapitalschutzes der §§ 30, 31 GmbHG auf die GmbHG & Co. KG bei Auszahlungen aus
dem Vermögen der KG darstellt (ähnlich auch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Gesell,
GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 73 Rn. 37), da bei einer GmbH als einziger Komplementärin der
Gläubigerschutz über die §§ 128, 171 f., 159 HGB nicht ausreicht (vgl. etwa
Henssler/Strohn/Klöhn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 155 HGB Rn. 3).

Diese entsprechende Anwendung soll nach einer teilweise vertretenen Ansicht indes nur
dann gelten, wenn nicht nur die KG, sondern auch die GmbH aufgelöst ist. Ist nur die KG
aufgelöst, soll es danach bei der alleinigen Anwendung des § 155 HGB verbleiben
(Reichert/Salger, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 47 Rn. 67). Die überwiegende Literaturmeinung
differenziert indes nicht in diesem Sinne. Vielmehr soll – sofern die Problematik
überhaupt diskutiert wird und nicht nur pauschal (wie meist) von einer Analogiebildung
bei der GmbH & Co. KG gesprochen wird – die entsprechende Anwendung des § 73
GmbHG auch dann zum Tragen kommen, wenn nur die KG, nicht aber die Komplementär-
GmbH aufgelöst ist (ausdrücklich dafür jüngst Danzeglocke/Fischer, NZG 2019, 886,
888; deutlich auch vor allem auch Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 73
Rn. 40: „Ist nur die KG, nicht aber die GmbH aufgelöst, so ist § 155 HGB zu beachten.
(…). Daneben tritt eine konkurrierende analoge Anwendung des § 73 zum Schutz der KGGläubiger.“;
weiterhin in diesem Sinne Habersack, in: Habersack/Schäfer, Das Recht der
OHG, 2. Aufl. 2019, § 155 Rn. 17: „Bei Auflösung der Personengesellschaft, sei es allein
oder gemeinsam mit der Komplementärgesellschaft, sind in Fortentwicklung der
Grundsätze über die Kapitalerhaltung bei der GmbH & Co. KG die Vorschriften der
§§ 272 AktG, 73 GmbHG auch insoweit analog anzuwenden, als es um die Verteilung des
Vermögens der Personengesellschaft geht.“). Sofern hierfür überhaupt eine Begründung
geliefert wird, wird darauf verwiesen, dass die Komplementär-GmbH den Gläubigern der
KG als unbeschränkt haftende Gesellschafterin nur so lange Schutz bieten könne, wie ihr
Freistellungsanspruch gegen die KG (§§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 2 HGB) bestehe (§ 155 HGB
ist disponibel und bietet diesen Schutz daher selbst nicht); dies sei aber nicht mehr der Fall,
sofern die KG aufgrund vollständiger Vermögensverteilung erloschen sei. Dieses Ergebnis
halten wir für überzeugend, da auch bei alleiniger Auflösung der GmbH & Co. KG das aufgezeigte
Gläubigerschutzdefizit besteht, dessen Überwindung die analoge Anwendung des
§ 73 GmbHG dienen soll. Die einzige, soweit ersichtliche ausdrückliche Gegenstimme in
der Literatur (Reichert/Salger, § 47 Rn. 67) liefert denn auch keine Begründung für ihre
Sichtweise, sondern verweist auf K. Schmidt, in: MünchKommHGB, wohl (noch) in Fassung
der 2. Aufl. 2006, der in der Tat an dieser besagten Kommentarstelle von einer sinngemäßen
Anwendung des § 73 GmbHG im Falle der Auflösung von GmbH und KG spricht,
wohingegen es bei einer Auflösung der KG, nicht aber der GmbH, bei einer entsprechenden
Anwendung des § 155 HGB zu bleiben habe. Eine Begründung wird indes
nicht geliefert. An anderer Stelle (in: Scholz, § 73 Rn. 40) bringt K. Schmidt dagegen nun klar
zum Ausdruck, dass er das Sperrjahr indes auch in diesem Fall gewahrt wissen möchte,
ohne freilich die frühere Ansicht explizit aufzugeben, die daher aber womöglich zu
relativieren ist, wofür auch spricht, dass K. Schmidt in der aktuellen Fassung des
MünchKommHGB, 4. Aufl. 2016, § 155 Rn. 49 (und auch schon zuvor in der 3. Aufl. 2011,
§ 155 Rn. 49) die von Salger zur Stützung seiner Ansicht zitierte Passage gestrichen hat und
dort nunmehr nur noch den Fall der Doppelauflösung (KG und GmbH) behandelt.

4. Ist das Sperrjahr damit richtigerweise zu wahren, stellt sich die Folgefrage, ob auch die Auflösung
der KG – ggf. in entsprechender Anwendung des § 65 Abs. 2 GmbHG – im
Bundesanzeiger zu veröffentlichen und ein Gläubigeraufruf erforderlich ist
(Danzeglocke/Fischer, NZG 2019, 886, 889; Roth, GmbHR 2017, 901, 904). Diese Folgefrage
wird in der Literatur, sofern sie sich dazu überhaupt verhält, verneint. Das bedeutet:

Werden KG und GmbH aufgelöst, beginnt das Sperrjahr mit demjenigen bei der KG zu
laufen (Scholz/K. Schmidt, § 65 Rn. 28). Mangelt es, wie hier, an der Auflösung der GmbH,
beginnt das Sperrjahr – in Ermangelung eines dann verfügbaren anderweitigen
Anknüpfungspunktes – mit der Eintragung der Auflösung der KG im Handelsregister
(Danzeglocke/Fischer, NZG 2019, 886, 889; Roth, GmbHR 2017, 901, 904). Zur Begründung
wird angeführt, dass anderenfalls, d. h. bei einer entsprechenden Anwendung des § 65
Abs. 2 GmbHG, die Gefahr bestünde, dass die Sperrjahresfrist mangels entsprechender
Kenntnis der Liquidatoren von diesem Erfordernis allzu oft nicht zu laufen begänne; dies
sei angesichts einer fehlenden gesetzlichen Anordnung eine zu strenge Sanktion (Roth,
GmbHR 2017, 901, 904). Auch wenn diese (etwas ergebnisgetriebene) Argumentation nicht
wirklich überzeugend ausfällt, ist doch zu bemerken, dass es – soweit ersichtlich – abweichende
Stellungnahmen bislang nicht gibt. Von einer gefestigten Meinung dürfte sich
wohl dennoch noch nicht sprechen lassen, sodass eine gewisse Rechtsunsicherheit verbleibt.

Gutachten/Abruf-Nr:

174856

Erscheinungsdatum:

30.04.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Normen in Titel:

GmbHG § 73