28. April 2017
BGB § 890; BGB § 2113; GBO § 51; BGB § 2205; GBO § 5

Bestandteilszuschreibung bei Grundstück mit Nacherbenbindung

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Abruf-Nr.: 154059
letzte Aktualisierung: 28. April 2017

BGB §§ 2113, 2205, 890; GBO §§ 5 f., 51
Bestandteilszuschreibung bei Grundstück mit Nacherbenbindung

I. Sachverhalt
Im Grundbuch für das Hauptgrundstücks ist Herr Klausl F als Eigentümer eingetragen. Er ist
jedoch nur befreiter Vorerbe. Nacherbe ist J.F., Ersatznacherbe sind dessen eheliche
Abkömmlinge.
Das auf dem Grundstück befindliche Gebäude (Wohnhaus) ist überbaut auf dem Nachbargrundstück.
Der Vorerbe beabsichtigt, Teile des überbauten Grundstücks zu erwerben und
diesem dem Hauptgrundstück als Bestandteil zuschreiben lassen.

II. Fragen
1. Kann eine Bestandteilzuschreibung der durch den Vorerben erworbenen Grundstücke zum
Hauptgrundstück erfolgen?
2. Würde durch eine Bestandteilzuschreibung eine Verwirrung entstehen, weil ja ggf. beim
Tode des Vorerben unterschiedliche Eigentumsverhältnisse entstehen?
3. Kann man in Abteilung II eingetragene Nacherbenvermerke und Testamentsvollstreckervermerke
rechtlich pfanderstrecken?
4. Müssen die Nacherben und auch die Ersatzerben, wobei für die unbekannten ehelichen
Abkömmlinge des J. F. ein Pfleger bestellt werden müsste, dem Kauf, der Bestandteilszuschreibung
und der Pfanderstreckung, falls möglich, zustimmen ?
5. Wie verhält es sich, wenn der Vorerbe verstirbt und der Nacherbfall eintritt? Würden die
Nacherben auch die überbauten Grundstücke erwerben oder fallen diese dem Erben des
Herrn F. zu?

III. Zur Rechtslage
1. Nach § 890 Abs. 2 BGB kann der Eigentümer ein Grundstück (Bestandteilsgrundstück)
einem anderen Grundstück (Hauptgrundstück) als Bestandteil zuschreiben. Die Wirksamkeit
der Bestandteilszuschreibung setzt ihre Grundbucheintragung voraus. Nach § 6 Abs. 1 S. 1
GBO kann die Bestandteilszuschreibung nicht im Grundbuch eingetragen werden, wenn
hiervon Verwirrung zu besorgen ist. Die Besorgnis der Verwirrung besteht dann, wenn die
Eintragungen im Grundbuch durch die Grundstücksverbindung derart unübersichtlich und
schwer verständlich werden, dass der Rechtszustand nicht mit der erforderlichen Klarheit
und Bestimmtheit erkennbar ist und Streitigkeiten der Berechtigten untereinander bzw. mit
Dritten oder Verwicklungen insbesondere in der Zwangsversteigerung zu befürchten sind
(BayObLG DNotZ 1997, 398, 399 f.; OLG Brandenburg RNotZ 2009, 539 f.; OLG Hamm
Rpfleger 1998, 155; OLG Hamm DNotZ 2007, 225, 226; LG Augsburg MittBayNot 1998,
187; Stöber, MittBayNot2001, 281).
Fraglich ist, ob eine Verwirrung zu befürchten ist, wenn der Vorerbe ein der Nacherbenbindung
unterliegendes Grundstück mit einem weiteren Grundstück rechtlich verbinden
möchte.
Erwirbt der Vorerbe durch Rechtsgeschäft mit einem Dritten die Nachbargrundstücke zum
Alleineigentum, unterliegen diese Grundstücke grundsätzlich nicht der Nacherbenbindung,
es sei denn, dass der Vorerbe das Grundstück mit den Mitteln der Vorerbschaft erworben hat
(§ 2111 Abs. 1 BGB). Kommt es nunmehr zum Nacherbfall, geht das Stammgrundstück auf
die Nacherben über (§§ 2106 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB). Demgegenüber verbleibt das nicht
der Nacherbenbindung unterliegende Grundstück im Eigentum des Vorerben. Das Eigentum
von Stammgrundstück und Bestandteilsgrundstück würden damit mit Eintritt des Nacherbfalls
auseinanderfallen. Entsprechende Fragen können sich mit Blick auf die Testamentsvollstreckung
ergeben, wenn ein Grundstück der Testamentsvollstreckung unterliegt (§ 2205
BGB), das andere hingegen nicht.

2. Ob in dieser Situation eine Verwirrung zu befürchten ist, ist umstritten: Unterliegt eines der
Grundstücke einer Nacherbenbindung oder Testamentsvollstreckung, lässt die wohl überwiegende
Meinung eine rechtliche Verbindung der Grundstücke, und ihre katastertechnische
Verschmelzung zu (LG Aachen MittRhNotK 1983, 162; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
15. Aufl. 2012, Rn. 639). Teilweise hält man nur eine Flurstücksverschmelzung für unzulässig,
eine Vereinigung oder Bestandteilszuschreibung soll demgegenüber zulässig sein
(Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 36, 42). Nach einer weiteren Auffassung
scheidet eine rechtliche Verbindung der beiden Grundstücke wegen Verwirrungsgefahr aus
(BeckOK-GBO/Kral, Stand: 1.11.2016, § 5 Rn. 41; Weber, MittBayNot 2014, 497, 504).
Für die letztgenannte Auffassung spricht, dass das Gesetz strikt zwischen den der Verfügungsbeschränkung
und dem Eigenvermögen unterliegenden Vermögensbestandteilen
unterscheidet. Die Zwangsvollstreckung in das der Verfügungsbeschränkung unterliegende
Vermögen unterliegt anderen Voraussetzungen. Das spricht dafür, dass die Grundstücke
auch rechtlich weiter selbständig bleiben müssen. Anderenfalls würde eine Zwangsvollstreckung
in einzelne Grundstücksteile erfolgen, wenn diese nur hinsichtlich eines
Grundstücksteils zulässig wäre. Dies würde aber der Intention von § 5 Abs. 1 GBO zuwiderlaufen.
Gleichwohl erscheint es zumindest unter Berufung auf die h. M. und die Ausführungen
in der Literatur (LG Aachen MittRhNotK 1983, 162; Schöner/Stöber, Rn. 639)
nicht unwahrscheinlich, dass das Grundbuchamt den Antrag auf Bestandteilszuschreibung
vollziehen wird.

3. Ob eine Pfanderstreckung zulässig ist, hängt davon ab, ob nach materiellem Recht eine
Möglichkeit besteht, Vermögen des Vorerben in das nacherbengebundene Vermögen mit der
Folge zu überführen, dass sich die Nacherbfolge auch auf das Vermögen des Vorerben
erstreckt. Eine solche Möglichkeit lassen die §§ 2100 ff. BGB grds. nicht zu. Der Vorerbe
kann einen nachlassfremden Gegenstand nicht der Nacherbschaft durch Erklärung zuordnen
und der Nacherbschaft unterwerfen (BGH NJW 1963, 2320, 2323; OLG Stuttgart OLGZ
1973, 262, 263; BeckOGK-BGB/Mayer/Müller-Christmann, Stand: 1.8.2016, § 2111
Rn. 103; MünchKommBGB/Grunsky, 7. Aufl. 2017, § 2111 Rn. 6; Staudinger/Avenarius,
BGB, Neubearb. 2013, § 2111 Rn. 7; Wirtz, FG Weichler, 1997, S. 159, 172). Dies lässt
sich überzeugend mit der abschließenden Regelung des § 2111 Abs. 1 BGB sowie dem
sachenrechtlichen Typenzwang begründen (BeckOGK-BGB/Mayer/Müller-Christmann,
§ 2111 Rn. 104; Wirtz, S. 159, 172). Eine Ausnahme sieht lediglich § 2111 Abs. 2 BGB vor:
Hiernach gehört zur Erbschaft auch das, was der Vorerbe dem Inventar eines erbschaftlichen
Grundstücks einverleibt. Das Nachbargrundstück ist aber kein Inventar des Hauptgrundstücks
i. S. v. § 98 BGB. Die Vorschrift ist daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig.
Die Rechtslage wird in dem umgekehrten Fall durchaus differenziert gesehen, in dem nacherbengebundenes
Vermögen in nacherbenfreies Vermögen überführt wird. Eine Überführung
in das nacherbenfreie Vermögen ist zulässig, wenn eine entsprechende
Vereinbarung zwischen Nacherben und Vorerben vorliegt, wobei eine Zustimmung der
Ersatznacherben nicht erforderlich ist (vgl. zuletzt OLG Hamm RNotZ 2016, 467; eingehend
Heskamp, RNotZ 2014, 517, 518 ff.). Der BGH und das BayObLG gehen davon
aus, dass eine Überführung in das nacherbenfreie Vermögen auf der Grundlage einer Auseinandersetzungsvereinbarung
möglich ist (BGH RNotZ 2001, 166, 167; BayObLG RNotZ
2005, 366, 367). Nach anderer Ansicht handelt es sich um eine Freigabe nach §§ 2217 BGB
bzw. § 32 Abs. 3 InsO analog (OLG Hamm RNotZ 2016, 467, 468; Keim, DNotZ 2003,
822 ff.; Hartmann, ZEV 2009, 107 ff.).
Nach Auffassung der Literatur ist auch eine Vereinbarung zwischen dem Vor- und dem
Nacherben über den Umfang des Nachlasses zuzulassen (BeckOK-BGB/Litzenburger,
Stand: 1.11.2016, § 2111 Rn. 19; MünchKommBGB/Grunsky, § 2100 Rn. 6;
Staudinger/Avenarius, § 2111 Rn. 7; offen gelassen vom BGH NJW 1963, 2320, 2323). Die
dogmatischen Grundlagen sind insoweit ungeklärt. Es erscheint nicht unproblematisch, ob
bei einer Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen Vorerben und Nacherben weiteres
nacherbengebundenes Vermögen geschaffen werden kann, das mit Eintritt des Nacherbfalls
auf die Nacherben übergeht. Denn hier wird nicht ein Gegenstand mit unmittelbarer
Wirkung in das nacherbenfreie Vermögen des Vorerben überführt, sondern ein weiterer
Gegenstand der Nacherbenbindung unterworfen. Andere Stimmen gehen daher generell
davon aus, dass eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen Vor- und Nacherben über
eine Erweiterung des Umfangs der Nacherbschaft nicht möglich ist (BeckOGKBGB/
Mayer/Müller-Christmann, § 2111 Rn. 107).

4. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass das hinzuzuerwerbende Grundstück
noch nicht im Eigentum des Vorerben steht. Das wirft die Frage auf, ob es dem Vorerben
nicht von vornherein möglich ist, das Grundstück mit Wirkung für und gegen den
Nachlass zu erwerben. § 2111 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedoch insoweit abschließend.
Erforderlich ist, dass der Vorerbe den Gegenstand mit Mitteln der Erbschaft erwirbt. Allein
die objektive Verwendung von Nachlassmitteln ist für den Erwerb des Gegenstands entscheidend.
Verwendet der Vorerbe Privatmittel, kommt es selbst dann zu keiner
Surrogation, wenn sich das Rechtsgeschäft nach seinem erklärten Willen auf die Erbschaft
beziehen soll (BeckOGK-BGB/Mayer/Müller-Christmann, § 2111 Rn. 31; NK-BGB/Gierl,
4. Aufl. 2014, § 2111 Rn. 15).
Ein Erwerb des Grundstücks für die Vorerbschaft ist jedoch möglich, wenn der Vorerbe auf
Mittel der Erbschaft zurückgreift, um den Erwerb zu finanzieren. Befinden sich in der Erbschaft
allerdings keine weiteren Mittel, kommt ein Erwerb mit Wirkung für und gegen die
Erbmasse möglicherweise in Betracht, wenn der Vorerbe einen Kredit aufnimmt. Allerdings
muss die Kreditaufnahme zugunsten des Nachlasses erfolgen. Maßgeblich ist dafür, ob der
Kredit aus dem freien Vermögen des Vorerben oder aus dem Nachlass zurückgezahlt
werden soll. Im letztgenannten Fall fällt der erworbene Gegenstand in den Nachlass. Die
h.M. geht davon aus, dass der Gegenstand dann sofort in den Nachlass fällt und sich hieran
auch nichts ändert, wenn der Vorerbe den Kredit aus freien Mitteln zurückzahlt
(MünchKommBGB/Grunsky, § 2111 Rn. 22; NK-BGB/Gierl, § 2111 Rn. 199).
Einem Erwerb des Grundstücks mit Mitteln des Nachlasses müssen die Nacherben und die
Ersatznacherben nicht zustimmen, da der Grundstückserwerb keinen Fall der §§ 2113 ff.
BGB darstellt (vgl. MünchKommBGB/Grunsky, § 2113 Rn. 7).
Demzufolge erscheint es zulässig, dass der Vorerbe die Nachbargrundstücke für den
Nachlass erwirbt. Dabei dürfte es ausreichend sein, dass der Vorerbe in der Urkunde zum
Ausdruck bringt, das Grundstück mit Mitteln des Nachlasses zu erwerben und die Eintragung
eines Nacherbenvermerks beantragt. Der Nacherbenvermerk ist von Amts wegen
einzutragen (§ 51 GBO). Dem Grundbuchamt gegenüber ist kein Nachweis zu führen, dass
der Erwerb mit Mitteln der Erbschaft erfolgt (vgl. zum Eigenerwerb bei Gütergemeinschaft
BayObLGZ 1992, 85, 88; OLG München MittBayNot 2013, 404, 405). Die Eintragung
dürfte nur dann nicht erfolgen, wenn sicher feststeht, dass der Vorerbe das Grundstück nicht
für den Nachlass erwerben kann (vgl. zum Erwerb durch die Erbengemeinschaft Böhringer,
NotBZ 2011, 317, 322; Schöner/Stöber, Rn. 3137). Es ist nicht ausgeschlossen, dass das
Grundbuchamt erneut die Vorlage des Erbscheins als Nachweis dafür verlangen wird, dass
es sich um Vermögen der Erbschaft handelt (§ 29 Abs. 1 S. 2 GBO, vgl. Schöner/Stöber,
Rn. 3137).

5. Sollten das Eigentum am Nachlassgrundstück und das Eigentum am hinzuerworbenen
Grundstück (Bestandteilsgrundstück) auseinanderfallen, fragt sich, wie sich die Rechtslage
am Gebäudeteil auf dem hinzuerworbenen überbauten Grundstück darstellt. Es handelt sich
um eine Überbauproblematik. Ordnet man den Gebäudeteil dem überbauten Grundstück zu,
kommt es zu einer vertikalen Teilung des Gebäudes entlang der Grenze und damit zur Zerschlagung
von wirtschaftlichen Werten. Vor diesem Hintergrund hat die höchstrichterliche
Rechtsprechung eine differenzierende Betrachtung für die Überbaugrundsätze entwickelt:
Hat der Eigentümer des überbauenden Grundstücks den Überbau ohne Vorsatz oder grobe
Fahrlässigkeit über die Grenze gebaut und ist der Überbau entschuldigt (§ 912 Abs. 1 BGB),
ist der Überbau Bestandteil des Gebäudes des überbauenden Grundstücks und damit Bestandteil
des überbauenden Grundstücks (BGH NJW 1974, 794, 795; NJW 2004, 1237).
Dies gilt erst recht, wenn ein rechtmäßiger Überbau vorliegt, der Überbau also mit Zustimmung
des Eigentümers des überbauten Grundstücks erfolgt ist (BGH NJW 1974, 794,
795; NJW 2004, 1237).
Zu einer vertikalen Teilung kommt es demgegenüber, wenn der Eigentümer des überbauenden
Grundstücks nicht zur Duldung des Überbaus verpflichtet ist, der Überbau vorsätzlich
oder grob fahrlässig ohne Zustimmung des Eigentümers erfolgte (sog. unentschuldigter
Überbau).
Demzufolge ist für die Eigentumszuordnung maßgeblich, um was für einen Überbau es sich
gehandelt hat, als der Überbau errichtet wurde. Nur im Falle eines unentschuldigten Überbaus
wäre von einer vertikalen Teilung auszugehen. In den anderen Fällen wäre das
Gebäude als Bestandteil des überbauenden Grundstücks (hier: des Hauptgrundstücks) anzusehen.
Sollten sich die Verhältnisse nicht klären lassen, könnte man erwägen, durch
Bestellung einer Nutzungsdienstbarkeit (§ 1018 Var. 1 BGB) nachträglich den entsprechenden
Teil des Gebäudes zum Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks zu
machen (§ 95 Abs. 1 S. 2 BGB). Ob eine nachträgliche Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft
möglich ist, ist umstritten (vgl. hierfür Tersteegen, RNotZ 2006, 433, 449 ff.;
Hertel, MittBayNot 2006, 321, 323; Wicke, DNotZ 2006, 252, 264 f.; DNotI-Gutachten Nr.
125666 – anbei; andeutungsweise für diese Möglichkeit BGH NJW 2004, 1237; NJW 2014,
311 Rn. 9). Diese Dienstbarkeit könnte entweder der derzeitige Nachbar des Bestandteilsgrundstücks
bestellen (evtl. auch als Alternative zur Übereignung) oder auch der Vorerbe
nach dem Eigentumserwerb.

Gutachten/Abruf-Nr:

154059

Erscheinungsdatum:

28.04.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung
Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 890; BGB § 2113; GBO § 51; BGB § 2205; GBO § 5