29. April 2022
BGB § 48; BGB § 21; VRV § 4; BGB § 1923; BGB § 47; BGB § 76; BGB § 49

Verein in Liquidation; Liquidationsverein; Erbfähigkeit des Liquidationsvereins

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 185119
letzte Aktualisierung: 29. April 2022

BGB §§ 21, 47, 48, 49, 76, 1923; VRV § 4
Verein in Liquidation; Liquidationsverein; Erbfähigkeit des Liquidationsvereins

I. Sachverhalt

Am 1.5.2019 verstarb in Frankfurt am Main der deutsche Staatsangehörige L. mit gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland. Er hat ein privatschriftliches Testament aus dem Jahr 2013 hinterlassen,
in dem er u. a. den Verein D e.V. – ursprünglich mit Sitz in München – zum Erben zu
35 % eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet hat. In einem privatschriftlichen
Nachtrag zu diesem Testament aus 2019 hat der Erblasser verfügt
„Mein Wunsch ist es, dass die Zuwendungen an die D e.V. und
an die (weiterer Miterbe) ausschließlich für die Krebsforschung
verwendet werden. Sollte keine Krebsforschung betrieben werden,
gehen die Zuwendungen dennoch an die beiden Organisationen.“
Der Verein hat seinen Sitz 2008 nach Münster und später nach Düsseldorf verlegt. Später hat
die Mitgliederversammlung die Auflösung beschlossen, die am 10.3.2017 im Vereinsregister eingetragen
wurde. Eine Vollbeendigung trat durch den Auflösungsbeschluss nicht ein, da Anfallsberechtigter
des Vereinsvermögens nicht der Fiskus ist. Laut Satzung fällt das Vereinsvermögen
„bei Auflösung des Vereins an das H-Krankenhaus in Jerusalem, Israel, das dieses zu dem
satzungsgemäßen Zweck zu verwenden hat.“

Zum Liquidator des Vereins wurde Rechtsanwalt K in München bestellt. Das Registerblatt
wurde am 1.8.2019 gem. § 4 Abs. 2 S. 3 VRV von Amts wegen geschlossen.

Der Testamentsvollstrecker hat dem Liquidator nach Ermittlung des Nachlasses mitgeteilt, dass
der Erbanteil des Vereins sich auf ca. 2.000.000,00 € beläuft. Der Testamentsvollstrecker hat
sich an das Registergericht Düsseldorf gewandt und um Eintragung einer Nachtragsliquidation
ersucht. Das Amtsgericht Düsseldorf hat mitgeteilt, dass eine Nachtragsliquidation beim Verein
nicht in Betracht komme. In diesem Schreiben hat es mitgeteilt, dass die Auflösung zum
31.12.2016 erfolgte.

II. Fragen

1. Kann bei einem gelöschten Verein, dem nach der Auflösung, aber vor dem Erlöschen eine
Erbschaft angefallen ist, vom früheren Liquidator eine Nachtragsliquidation beantragt werden?

2. Sofern dies zulässig ist oder sofern dies unzulässig ist: Kann anstelle einer Nachtragsliquidation
durch Rückgängigmachung der Schließung des Registerblattes nach § 4 Abs. 3 VRV das
Erlöschen des Vereins rückgängig gemacht werden, so dass der Verein wieder rechtlich
existent ist?

3. Sofern dies zulässig ist: Kann oder muss sodann die Fortsetzung des aufgelösten Vereins
beschlossen werden, oder darf der Liquidator über die Mittelverwendung entsprechend dem
Erblasserwillen in dem Testament verfügen?

III. Zur Rechtslage

1. Erbfähigkeit des Liquidationsvereins

Erben sind diejenigen Personen, auf die beim Tod des Erblassers dessen Vermögen übergeht,
§ 1922 Abs. 1 BGB. Erbe kann nur werden, wer rechtsfähig ist (Erbfähigkeit). Diese
Voraussetzung erfüllen alle natürlichen oder juristischen Personen, gleich ob es sich um juristische
Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts handelt. Die Erbfähigkeit
muss im Regelfall zum Zeitpunkt des Erbfalls gegeben sein (hierzu
MünchKommBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1923 Rn. 36).

Der rechtsfähige Verein erlischt, d. h. er verliert seinen Bestand als Personenverband und
damit auch seine Rechtsfähigkeit u. a. dann, wenn nach einer Liquidation des Vereinsvermögens
von den Liquidatoren die Schlussverteilung an die Anfallberechtigten vorgenommen
worden ist oder nach Auflösung des Vereins das Vereinsvermögen an den Fiskus fällt
(Schörnig, in: Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 14. Aufl. 2018,
Rn. 3939). Wird ein Liquidationsverfahren durchgeführt, so gilt nach § 49 Abs. 2 BGB der
Verein bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der
Liquidation es erfordert.

Aus der Formulierung des § 49 Abs. 2 BGB wurde früher gefolgert, dass die Fähigkeit des
Liquidationsvereins zur Trägerschaft auf die Rechte und Pflichten beschränkt ist, die dem
Liquidationszweck, also der Abwicklung, der Befriedigung der Gläubiger und der Vollbeendigung
dienen, insoweit also nur eine Teilrechtsfähigkeit des Liquidationsvereins besteht
(BGH NJW 1986, 1604; NJW-RR 2001, 1552, 1553). Früher wurde daher auch angenommen,
dass der Verein in Abwicklung nicht mehr Erbe werden kann (BayObLGZ 1918/19,
192, 196).

Die heute ganz h. M. handhabt indes die Rechtsfähigkeit des Liquidationsvereins weit weniger
restriktiv und geht auch im Liquidationsstadium von einer umfassenden Rechtsfähigkeit
aus (K. Schmidt, AcP 174, 55, 67 f.; K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im
Vereinsrecht, 1984, 298 f.; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, § 49 Rn. 11; Schörnig,
in: Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rn. 4090 ff.; Korte, in: Münchener
Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 5, 5. Aufl. 2021, § 65 Rn. 55). Nach dieser
Auffassung begrenzt § 49 Abs. 2 BGB den Zweck des Vereins, nicht aber seine Rechtsfähigkeit
in dem Sinne, dass jedes Rechtsgeschäft, das der Verein im Liquidationsverfahren
abschließt und das außerhalb des Liquidationszwecks liegt, als „ultra vires“ anzusehen und
damit nichtig wäre; das allgemeine Prinzip des deutschen Privatrechts, dass die Rechtsfähigkeit
juristischer Personen des Privatrechts unbegrenzt ist, würde durch § 49 Abs. 2 BGB
nicht aufgehoben. Dies ist konsequent, da sich das deutsche Verbandsrecht auch sonst
durchgängig gegen die Rezeption der ultra-vires-Theorie entschieden hat (dazu K. Schmidt,
AcP 184, 529, 533 ff.). Die freiwillige Auflösung des Vereins führt demnach lediglich zu einer
Überlagerung des satzungsmäßigen Zwecks durch den Liquidationszweck; diese Überlagerung
lasse aber die rechtliche Existenz des Vereins unberührt.

Für die zuletzt genannte Ansicht spricht entscheidend, dass eine rechtsfähige private
Körperschaft nach deren Auflösung im Stadium der Vermögensliquidation sich
grundsätzlich unter Abbruch der Liquidation wieder in einen aktiven, „werbenden“ Zustand
zurückumwandeln kann. Nach ganz überwiegender Auffassung folgt aus § 47 BGB kein
Liquidationsgebot; der Verein muss nicht zwangsläufig mit der Auflösung sein Vermögen
liquidieren – ist er im Zustand der Liquidation, so kann er diese auch wieder abbrechen
(Soergel/Hadding, § 47 Rn. 1; Kollhosser, ZIP 1984, 1434, 1438; Böttcher, Rpfleger 1988,
169, 173 f.; a. A. KG OLGE 44, 117).

2. Nachtragsliquidation bei einem gelöschten Verein

Der Verein ist grundsätzlich so lange rechtlich existent, wie nicht die Mitgliederzahl unter
zwei gefallen oder die Liquidation beendet ist oder aufgrund einer Anmeldung die
Beendigung der Liquidation und auch kein Erlöschen eingetragen ist. Mit Schließung des
Registerblatts ist er freilich kein eingetragener Verein mehr.

Wenn sich nach Abschluss der Liquidation unverteiltes Vermögen eines Vereins ergibt,
kann die Wiederaufnahme der Liquidation erforderlich sein; in einem solchen Fall ist eine
Vollbeendigung des Vereins – mag sie (wie hier) sich auch aus dem Vereinsregister ergeben
– eine bloß scheinbare (Reichert, Rn. 4057). Im Schrifttum wird sogar davon ausgegangen,
dass ein Vermögensanfall sich sogar noch nach dem Abschluss des Liquidationsverfahrens
ergeben kann, wenn z. B. erst zu dieser Zeit ein dem Verein zustehender Anspruch fällig
wird oder eine Erbschaft erst nach Beendigung der Liquidation anfällt (Soergel/Hadding,
§ 49 Rn. 15).

Nach h. M. kann auch für den eingetragenen Verein ein Nachtragsliquidator vom Vereinsregister
gestellt werden, wenn nach Liquidation und Löschung des Vereins noch Vermögen
offenbar wird. Diese Frage dürfte heute nicht mehr umstritten sein. Unterschiedlich wird
nur die Rechtsgrundlage beurteilt, ob § 29 BGB (analog) heranzuziehen ist (OLG Saarbrücken
NZG 2019, 152 Rn. 10; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 12. Aufl. 2021,
Rn. 1366; Baumann/Sikora/Weiß, Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts, 3. Aufl.
2022, § 13 Rn. 323; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. 2021,
Rn. 422; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 2209; BeckOK-BGB/Schöpflin, Std.:
1.2.2022, § 49 Rn. 16; BeckOGK-BGB/Könen, Std.: 1.3.2022, § 49 Rn. 15) oder § 273
Abs. 4 AktG (Staudinger/Schwennicke, BGB, 2019, § 49 Rn. 74 f.;
MünchKommBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, Vor § 41 Rn. 36; Schörnig, in: Reichert, Vereins-
und Verbandsrecht, Rn. 4323; Korte, § 65 Rn. 106, der auch § 66 Abs. 5 GmbHG
nennt). In der Sache macht das allerdings keinen Unterschied. Auch der vom Registergericht
benannte Streit um die Wirkung der Löschungseintragung dürfte mittlerweile entschieden
sein. Die überwiegende Meinung wendet im Vereinsrecht die Lehre vom Doppeltatbestand
der Vollbeendigung an, sodass die Löschung – neben der Vermögenslosigkeit – konstitutive
Bedeutung hat (s. Staudinger/Schwennicke, § 49 Rn. 50;
MünchKommBGB/Leuschner, Vor § 41 Rn. 33 f.; BeckOGK-BGB/Könen, § 49 Rn. 13;
BeckOK-BGB/Schöpflin, § 49 Rn. 14; Baumann/Sikora/Weiß, § 13 Rn. 318; vgl. auch
OLG Stuttgart BeckRS 2012, 08589).

Falls die Liquidation förmlich beendet gewesen wäre, wäre auch das Amt des Liquidators
beendet gewesen und er könnte beim Vereinsregister keine Anträge stellen (vgl. Krafka,
Registerrecht, Rn. 2209). Erfolgte die Schließung des Registerblatts – wie hier – jedoch von
Amts wegen könnte man argumentieren, dass der Liquidator noch im Amt ist. Dann läge
hier auch kein Fall der Nachtragsliquidation vor, sondern es hätte sich während der
laufenden Liquidation noch Vermögen gefunden. Dies setzt jedoch voraus, dass man die
Schließung nach § 4 Abs. 2 S. 3 VRV nicht einer Löschung von Amts wegen nach FamFG
oder einer aufgrund Anmeldung der Liquidatoren vorgenommen Löschung gleichsetzt (nur
letztgenannten Fall behandelt etwa OLG Hamm, Beschl. 8.5.2001 – 15 W 43/01 –, juris,
das Neubestellung fordert). Wenn der Liquidator in dieser Option noch im Amt ist, dann
braucht der Liquidator auch keine Nachtragsliquidation zu beantragen. Zu dieser Überlegung
konnten wir jedoch keine Literatur oder Rechtsprechung auffinden, weshalb die
Rechtslage in dieser Hinsicht ggf. als unsicher gelten muss.

Findet eine Nachtragsliquidation statt ist es Aufgabe und Befugnis des Liquidators, das
zusätzlich aufgefundene Vermögen (nach Befriedigung etwaiger Gläubiger) auszukehren.

Indes kann der Liquidator nicht selbst über die Mittel, bspw. im (vermeintlichen) Sinne des
Erblassers verfügen. So lange keine Fortsetzung beschlossen ist, ist der Liquidator sodann
verpflichtet, die Erbschaft unverzüglich einzufordern und an den Anfallberechtigten auszukehren.

3. Wiedereintragung des gelöschten Vereins

Mit dem Liquidationsbeschluss entsteht nach heute h. M. ein rechtsfähiger Liquidationsverein
– obwohl der Wortlaut des § 49 Abs. 2 BGB lediglich auf eine Fiktion des Fortbestands
hindeutet (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2018, 345 Rn. 17; BeckOK-BGB/Schöpflin,
§ 49 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Könen, § 47 Rn. 24; Staudinger/Schwennicke, § 49 Rn. 25).

Um einen solchen Liquidationsverein handelt es sich u. E. auch in der Nachtragsliquidation,
denn es ist eben der Liquidationsverein, der bei übersehenem Vermögen noch nicht vollbeendet
wurde (vgl. BeckOK-BGB/Schöpflin, § 49 Rn. 16; MünchKommBGB/Leuschner,
Vor § 41 Rn. 36). Träger des Vereinsvermögens ist also kein nicht rechtsfähiger Verein. Die
Liquidation folgt grundsätzlich allgemeinen Regeln, wobei ein neuerliches Sperrjahr nicht
einzuhalten sein dürfte, weil es sich um die bloße Fortsetzung der Liquidation handelt (so
zur GmbH Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 74 Rn. 22; Baumbach/
Hueck/Haas, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 60 Rn. 109; Scholz/K. Schmidt/Cziupka,
GmbHG, 12. Aufl. 2020, § 74 Rn. 37; MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl. 2018,
§ 74 Rn. 53; GroßkommGmbHG/Paura, 2. Aufl. 2016, § 74 Rn. 50; unklar zum Verein
Schörnig, in: Reichert, Rn. 4332, wonach „§§ 47 ff.“ Anwendung finden). Eine Wiedereintragung
des Vereins und des Nachtragsliquidators ist nur dann erforderlich, wenn noch
mehrere Liquidationshandlungen ausstehen; im Übrigen genügt – auch gegenüber dem
Grundbuchamt – ein Handeln aufgrund des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses (vgl.
Baumann/Sikora/Weiß, § 13 Rn. 324; Staudinger/Schwennicke, § 49 Rn. 72, 77; Krafka,
Rn. 2209). Im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit des Vereins sollten die statutarischen
Bestimmungen zur Anfallberechtigung beachtet werden.

4. Ergebnis

Im Ergebnis gehen wir daher mit der h. M. im Schrifttum davon aus, dass die Erbschaft
dem Verein noch zugefallen ist und dass für den Verein grundsätzlich eine Nachtragsliquidation
in Betracht kommt. Indes kann der Liquidator nicht selbst über die Mittel, bspw. im
(vermeintlichen) Sinne des Erblassers verfügen. So lange keine Fortsetzung beschlossen ist,
ist der Liquidator sodann verpflichtet, die Erbschaft unverzüglich einzufordern und an den
Anfallberechtigten auszukehren. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Eintritt
des Doppeltatbestandes bereits vor Anfall der Erbschaft erfolgt wäre. Dann wäre der Verein
vollständig erloschen und auch nicht „reaktivierbar“.

Gutachten/Abruf-Nr:

185119

Erscheinungsdatum:

29.04.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Verein
Gesetzliche Erbfolge

Normen in Titel:

BGB § 48; BGB § 21; VRV § 4; BGB § 1923; BGB § 47; BGB § 76; BGB § 49