29. November 2021
BGB § 577

Mietervorkaufsrecht bei fehlender Kongruenz von Wohnräumen und mitverkauften Nebenräumen (hier: Garage)

BGB § 577
Mietervorkaufsrecht bei fehlender Kongruenz von Wohnräumen und mitverkauften Nebenräumen (hier: Garage)

I. Sachverhalt
Ein vermietetes Mehrfamilienwohnhaus mit separater Garagenanlage soll nach den Bestimmungen des WEG in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt und einzelne Sondereigentumseinheiten anschließend an Kapitalanleger veräußert werden. Die Kaufverträge umfassen dabei jeweils eine Wohnung und eine Garage, wobei man sich hier nicht an den Mietverhältnissen orientiert, sondern es durchaus so sein kann, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs die Wohnung an den Mieter A und die Garage an den Mieter B vermietet ist. Soweit bekannt, bestehen einheitliche Mietverträge, d. h. mit jeder Wohnung ist auch eine Garage vermietet.

II. Fragen
1. Kann der Mieter A (an den die Wohnung vermietet ist) bei Ausübung seines Vorkaufsrechts auch die Garage (separate Teileigentumseinheit) miterwerben, obwohl die Garage nicht an ihn vermietet ist? Hilfsweise: Kann er die Mit-Veräußerung „seiner“ Garage, d. h. die Garage, die er angemietet hat (und die gemäß Erst-Kaufvertrag nicht veräußert wurde) bei Ausübung seines Vorkaufsrechts verlangen?

2. Hat der Mieter B (der Garage) ein Vorkaufsrecht beim Verkauf „seiner“ Garage, auch wenn seine Wohnung nicht veräußert wird?

3. Wenn beide Fragen mit ja beantwortet werden, welcher Mieter erhält die Garage?

III. Zur Rechtslage
1. Voraussetzung eines einheitlichen Mietvertrags
Im Folgenden wird unterstellt, dass hier ein einheitlicher Mietvertrag über Wohnung und Garage vorliegt. Ein einheitlicher Mietvertrag ist Voraussetzung für die Erstreckung des Mietervorkaufsrechts auf die Garage. Denn bestünde hinsichtlich der Garage ein selbstständiger Mietvertrag, fehlte es an dem für das Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB erforderlichen Tatbestandsmerkmal der „vermieteten Wohnräume“ (MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 577 Rn. 4; Wirth, NZM 1998, 390).

2. Mietervorkaufsrecht bei fehlender Deckungsgleichheit von verkauften und vermieteten Wohnräumen und Garage
Rechtsprechung zu der vorliegenden Fallkonstellation konnten wir auch nach vertiefter Recherche nicht finden. In der Literatur wird das Problem dagegen behandelt, wobei es hier darum geht, den Konflikt zwischen dogmatischer Strenge (nämlich dem Verweis des Vorkaufsrechts streng auf den Gegenstand des Kaufvertrags und der darin Ausdruck findenden Eigentumsfreiheit des Vermieters) mit dem sozialen Aspekt des Mietervorkaufsrechts (gerade auch in Umgehungsfällen, z.B. bei willkürlicher Aufteilung) zu lösen. Es müssen dabei verschiedene Fallgruppen unterschieden werden.

a) Verkauft und vermietet sind dieselbe Wohnung und dieselbe Garage
Unproblematisch und nachfolgend nicht näher erörtert wird der Fall, dass genau die Wohnung und genau die Garage veräußert werden, die ein Mieter angemietet hat; in diesem Fall erstreckt sich das Vorkaufsrecht auch hierauf (vgl. Wirth, NZM 1998, 390, 390).

b) Vermietet sind eine Wohnung und eine Garage, verkauft wird nur die Wohnung
In diesem Fall ist zunächst unstreitig, dass sich das Mietervorkaufsrecht auf die Wohnung erstreckt. Auf Gegenstände, die nicht Gegenstand des Kaufvertrags mit dem Dritten sind, erstreckt sich das Vorkaufsrecht dagegen grundsätzlich nicht (MünchKommBGB/Häublein, § 577 Rn. 16).

Zwar wird auch hier teilweise angenommen, § 242 BGB verpflichte den Vermieter/Verkäufer, dem Mieter zu einer Garage zu verhelfen. Dies soll jedoch nur in Ausnahmefällen so weit gehen, dass der Mieter eine andere Aufteilung des Wohnungseigentums verlangen könne (für Missbrauchsfälle Wirth, NZM 1998, 390, 391; ihm folgend Bachmayer, BWNotZ 2004, 25, 29). In Betracht kommt hier im Wesentlichen eine missbräuchliche Aufteilung durch den Eigentümer, der den Wohnungen keine Garagen zuweist, um die Mieter von der Ausübung des Vorkaufsrechts abzuhalten. Im Normalfall ist ein solcher Anspruch auf Neuaufteilung dagegen nicht anzunehmen. Ein solcher Anspruch lässt sich auch nicht mehr unter den Wortlaut „Vorkauf“ subsumieren, da die Garage gerade nicht verkauft wird. Würde man einen solchen Anspruch annehmen, wäre dies ein erheblicher Eingriff in die Sphäre des Eigentümers, da dieser dann nicht mehr frei entscheiden könnte, ob er die Garage nicht behalten (und z. B. ggf. erst später veräußern) möchte. Auch der Sinn des § 577 BGB, der die Verdrängung des Mieters gerade aus den Wohnräumen vermeiden will, deckt diese Erweiterung nicht (streng auch BeckOGK-BGB/Klühs, Std.: 1.10.2021, § 577 Rn. 8.3; Baer, NotBZ 2015, 121, 124 und 126 f., der auf den hinreichenden Schutz durch Kündigungsschutzvorschriften nach § 577a BGB verweist).

Es verbleibt daher beim Vorkaufsrecht nur an der Wohnung.

c) Vermietet ist eine Wohnung, verkauft wird diese Wohnung und eine Garage
Ist nur eine Wohnung vermietet, wird aber auch eine Garage mitverkauft, ist die erste Frage, ob es sich bei beiden um separate Einheiten handelt (ein Wohnungs- und ein Teileigentum) oder ob die Garage (bzw. ein Stellplatz) der Wohnung zugeordnet ist (also Wohnung und Garage eine Sondereigentumseinheit bilden).

aa) Wohnungs- und separates Teileigentum
Handelt es sich um separate Einheiten, wird der Fall überwiegend über die allgemeinen Regeln zum Vorkaufsrecht gelöst, da § 467 BGB diesen Fall bereits regelt (Wirth, NZM 1998, 390, 391; Bachmayer, BWNotZ 2004, 25, 29; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 577 BGB Rn. 13; BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 8.4; MünchKommBGB/Häublein, § 577 Rn. 26). Grundsätzlich bezieht sich das Vorkaufsrecht nur auf die Wohnung zu einem entsprechend § 467 S. 1 BGB geminderten Preis; der Verkäufer kann unter den Voraussetzungen des § 467 S. 2 BGB jedoch verlangen, dass die Garage miterworben wird.

Teilweise wird in diesem Miterwerbsverlangen eine unzulässige Aushöhlung des Vorkaufsrechts des Mieters gesehen, weil der Mieter u. U. kein Interesse am Stellplatz hat (Brambring, ZAP 1993, 963, 968). Dies ist u. E. so pauschal nicht zutreffend. Es ist zu beachten, dass § 467 S. 2 BGB bereits eine Lösung im Einzelfall ermöglicht; u. E. kann bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals „Nachteil“ für den Verkäufer auch der Zweck des Vorkaufsrechts des Mieters mitberücksichtigt werden. Im Ergebnis dürfte eine Abwägung sachgerecht sein, die auch die Verwertungsinteressen des Vermieters (diese betonend Wirth, NZM 1998, 390, 391) berücksichtigt.

Nach anderer Ansicht soll der Mieter nicht nur unter den Voraussetzungen des § 467 S. 2 BGB verpflichtet, sondern auch unabhängig davon berechtigt sein, das Vorkaufsrecht auch für die Garage auszuüben (so wohl Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 577 Rn. 30; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl. 2007, § 577 Rn. 5). Dies dürfte jedoch dogmatisch nicht fundiert sein. Die Räume sind weder vom Mietvertrag umfasst noch Wohnräume im Sinn des § 577 BGB (MünchKommBGB/Häublein, § 577 Rn. 26; Baer, NotBZ 2015, 121, 127 f.).

Aus unserer Sicht kann diese Konstellation über § 467 BGB befriedigend gelöst werden.

bb) Wohnung und Garage bilden eine Sondereigentumseinheit
Bilden Wohnung und Garage eine Sondereigentumseinheit, gibt es drei Möglichkeiten:

- Entweder besteht ein Anspruch gegen den Eigentümer, die Einheiten anders aufzuteilen. Dies ist mit den oben genannten Argumenten für die ganz überwiegende Anzahl der Fälle abzulehnen (siehe b.).

- Oder es besteht kein Vorkaufsrecht, weder an der Wohnung noch an der Garage. Dies lässt sich zwar damit begründen, dass Gegenstand von Verkauf und Vermietung nicht identisch sind (Baer, NotBZ 2015, 121, 128). Allerdings würde dann die WEG-rechtliche Zuordnung nicht angemieteter Räume bzw. Flächen die Ausübung des Mietervorkaufsrechts verhindern (BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 8.4). Dies wäre mit dem sozialen Aspekt des Mietervorkaufsrechts kaum zu vereinbaren.

- Am überzeugendsten ist daher die dritte Lösung, auf die Wohnung als Hauptgegenstand abzustellen und das Vorkaufsrecht daher auch auf die Nebenräume zu erstrecken (so auch BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 8.4). Dies entspricht im Übrigen wirtschaftlich auch der oben unter aa) gefundenen Lösung, wenn ein Miterwerbsverlangen nach § 467 S. 2 BGB berechtigt ist, mit dem Unterschied, dass der Mieter hier von vorneherein wüsste, auf was er sich einlässt.

d) Verkauft und vermietet sind dieselbe Wohnung und eine gleiche (aber nicht dieselbe) Garage
Wird eine Wohnung mit einer Garage verkauft, die nicht der Mieter der Wohnung angemietet hat, die aber gleichartig ist (so verstehen wir den Sachverhalt), entsteht im Ausgangspunkt nur ein Vorkaufsrecht des Wohnraum-, nicht des Garagenmieters. Nur für den Wohnraummieter ist der Tatbestand des § 577 BGB erfüllt.

Bei dieser Fallgruppe handelt es sich um eine Unterfallgruppe der vorstehend unter b) diskutierten Fallgruppe, bei der lediglich der Mieter zudem eine Garage gemietet hat, die allerdings per se mit dem Kaufvertrag nichts zu tun hat. An und für sich würde man bei Anwendung der vorgenannten Ergebnisse dazu kommen, dass ein Vorkaufsrecht des Mieters an der Garage auch hier im Ausgangspunkt und bei sachenrechtlicher Trennbarkeit von Wohnung und Garage nicht besteht, sondern der Erwerb allenfalls vom Verkäufer nach § 467 S. 2 BGB verlangt werden kann.

aa) Vorherrschende Literaturansicht
Nach einer (in der Literatur wohl vorherrschenden) Ansicht wird jedoch für diese Sonderkonstellation eine Ausnahme gemacht. Das Vorkaufsrecht des Mieters der Wohnräume soll in diesem Fall auch auf die mitverkaufte Garage erstreckt werden. Dies wird als zwar nicht dogmatisch zwingende, aber „pragmatische“ Lösung bezeichnet, die jedenfalls besser sei als die andere denkbare Lösung, den Eigentümer zu einer abweichenden Aufteilung zu verpflichten. Vom Eigentümer eine Aufteilung entsprechend der Mietverträge zu verlangen, würde unnötig weit in dessen Rechte eingreifen, während eine Wohnung ohne Stellplatz gerade in Ballungsräumen das Mietervorkaufsrecht aushöhlen kann. Dieser zwischen den Interessen des Mieters und des Eigentümers gefundene Kompromiss wird, soweit ersichtlich, weitgehend anerkannt, sofern diese (Sonder-)Konstellation diskutiert wird (Wirth, NZM 1998, 390; Bachmayer, BWNotZ 2004, 25, 29; BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 8.2). Ist die Garage bereits an einen anderen Mieter vermietet, dürfte nach allgemeinen Regeln § 566 BGB anwendbar sein.

bb) Ansicht von Baer
Eine strengere Ansicht vertritt (auch) zu dieser Fallgruppe explizit vor allem Baer (NotBZ 2015, 121, 127 f.). Dieser wendet die für b) gefundenen Ergebnisse auch hier an und kommt so zu dogmatisch stringenten Ergebnissen. Aus seiner Sicht besteht kein Anspruch des Mieters darauf, Flächen zu erwerben, die er nicht gemietet hat. Geschützt von § 577 BGB sei nur die Wohnnutzung, das Mietervorkaufsrecht könne keine „subjektive Lebensqualitätsgarantie“ leisten. Eine Erstreckung könne ohnehin nur bei annähernd gleichen Nebenräumen erfolgen, wobei ein weiches Abgrenzungskriterium neue Fragen aufwerfe (tatsächlich wird von der überwiegenden Auffassung hier teilweise ein Wahlrecht eingeräumt, BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 8.2).

cc) Stellungnahme
An der Ansicht von Baer besticht zunächst die dogmatische Stringenz der Begründung. Allerdings ist aus unserer Sicht zu beachten, dass ein mit der Angelegenheit befasstes Gericht vermutlich auch auf die soziale Seite des Mietervorkaufsrechts abstellen würde. Gerade in Ballungsräumen kann eine Wohnung ohne Stellplatz für den Mieter deutlich weniger attraktiv sein, sodass das Mietervorkaufsrecht ausgehöhlt würde. Die Verweigerung von Stellplätzen kann zudem für böswillige Vermieter eine Stellschraube sein, um missbräuchlich die Ausübung von Vorkaufsrechten zu vereiteln. Wenn Mieter A etwa Wohnung A und Garage A gemietet hätte und Mieter B die entsprechenden Räume B, könnte der Veräußerer Wohnung A mit Garage B und Wohnung B mit Garage A verkaufen, wodurch keiner der beiden Mieter eine Garage erwerben könnte, obwohl die Rechtsprechung grundsätzlich die Erstreckung des Mietervorkaufsrechts auch auf Nebenräume gerade bejaht. In der hier unter d) diskutierten Konstellation liegt eine Lösung im Sinn des Mietervorkaufsrechts deswegen besonders nahe, weil bei „gleichen“, d. h. zumindest vergleichbaren, Garagen die Freiheit des veräußernden Eigentümers, sein Eigentum zu verwerten, nicht übermäßig angegriffen wird. Er wird gerade nicht gezwungen, eine von seiner ursprünglich geplanten Einteilung abweichende Unterteilung vorzunehmen oder andere Gegenstände zu verkaufen als er ursprünglich beabsichtigt hat (dies ist der Ansatz der „mieterfreundlichen“ Auslegung in Fallgruppe b). Zugleich steht eine pragmatische Lösung im Interesse des Mieters bereit, die sein (von der Rechtsprechung im Grundsatz anerkanntes) Interesse am Erwerb auch von Nebenräumen (hierin liegt der Unterschied zur Konstellation oben c) berücksichtigt.

dd) Ergebnis
Aus unserer Sicht dürfte es in dieser Konstellation die sicherere Annahme sein, vom Bestehen eines Vorkaufsrechts auszugehen, das entsprechend der überwiegenden Literaturauffassung konstruiert ist. Da die Konstellation durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist, verbleibt hier allemal eine Rechtsunsicherheit.

3. Ergebnis
Die vorstehend skizzierten Ergebnisse zeigen, dass nach Fallgruppen zu differenzieren ist. Für den aufgeworfenen Fall, dass Mieter A der Wohnung auch eine Garage gemietet hat, nun aber mit seiner Wohnung eine andere (vergleichbare) Garage verkauft wird, besteht daher nach überwiegender und u. E. letztlich auch überzeugender Ansicht ein Vorkaufsrecht auch für die verkaufte Garage. Er kann nicht stattdessen die Mitveräußerung der an ihn vermieteten Garage verlangen. Ein Vorkaufsrecht für den Mieter B der Garage entsteht in diesem Fall nicht, da § 577 BGB immer auf die vermieteten Wohnräume abstellt (vgl. auch Wirth, NZM 1998, 390, 390). Mieter B hat daher kein Vorkaufsrecht, solange nicht die von ihm angemieteten Wohnräume veräußert werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

185477

Erscheinungsdatum:

29.11.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Miete

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 177-180

Normen in Titel:

BGB § 577