04. März 2024
GBO § 51; BGB § 2113; GBO § 40

Veräußerung eines Grundstücks durch befreite Vorerbin vor Grundbuchberichtigung und Eintragung des Nacherbenvermerks; Notwendigkeit der Zustimmung der Nacherben; Handeln aufgrund transmortaler Vollmacht

BGB § 2113; GBO §§ 51, 40
Veräußerung eines Grundstücks durch befreite Vorerbin vor Grundbuchberichtigung und Eintragung des Nacherbenvermerks; Notwendigkeit der Zustimmung der Nacherben; Handeln aufgrund transmortaler Vollmacht

I. Sachverhalt
Eheleute sind zu je ½ Anteil als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Nach dem Tod des Ehemannes möchte die Ehefrau das Grundstück verkaufen. Der Ehemann hat die Ehefrau im notariellen Testament als befreite Vorerbin und als Nacherben zwei eigene Töchter sowie die einseitige Tochter der Ehefrau eingesetzt. Eine Grundbuchberichtigung ist noch nicht erfolgt, insbesondere ist im Grundbuch noch kein Nacherbenvermerk eingetragen.

II. Fragen
1. Müssen die drei Töchter als Nacherben dem beabsichtigten Verkauf zustimmen?

2. Ergibt sich etwas anderes, wenn die Ehefrau auf der Basis einer trans- bzw. postmortalen notariellen Vollmacht für den verstorbenen Ehemann handelt? Kann sie für diesen Fall auch die Nacherben vertreten, ohne den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2112, 2113 BGB unterworfen zu sein?

III. Zur Rechtslage
1. Zur fehlenden Grundbuchberichtigung
Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Voreintragung der Vorerbin im Grundbuch erforderlich ist. Nach § 39 Abs. 1 GBO soll eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da nach dem Tod des Erblassers noch keine Grundbuchberichtigung auf die Vorerbin erfolgt ist.

Nach § 40 Abs. 1 Var. 1 GBO ist die Voreintragung entbehrlich, wenn die Person, deren Recht von der Bewilligung betroffen wird, Erbe ist und die Übertragung eines Rechts eingetragen werden soll. Beides ist vorliegend der Fall. Eine Voreintragung dürfte daher entbehrlich sein, soweit es um die Eintragung der Auflassung geht.

Fraglich ist aber, ob dies auch im Hinblick auf die Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld gilt, da hierbei eine Belastung des Grundstücks erfolgt, die vom Wortlaut des § 40 Abs. 1 GBO nicht ausdrücklich erfasst ist. Die h. A. in der Rechtsprechung bejaht mittlerweile die entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 GBO (KG MittBayNot 2021, 245; OLG Frankfurt MittBayNot 2018, 247; OLG Köln FGPrax 2018, 106; OLG Stuttgart DNotZ 2019, 194; OLG Celle DNotZ 2020, 672; a. A. KG FGPrax 2011, 270, allerdings für den Erben; vgl. dazu auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 142c; Weber, DNotZ 2018, 884, 895 ff.; BeckOK-GBO/Zeiser, Std.: 1.11.2023, § 40 GBO Rn. 20). Eine höchstrichterliche Klärung der Frage steht allerdings nach wie vor aus, so dass im Falle einer gewünschten Belastung ggf. mit dem Grundbuchamt vorab geklärt werden sollte, ob es sich der oben dargelegten, im Vordringen befindlichen Rechtsansicht der Oberlandesgerichte anschließt.

2. Zur Verfügungsbefugnis des befreiten Vorerben
Das Grundstück würde durch die geplante Veräußerung aus der Nacherbenbindung ausscheiden, wenn die Verfügung der Vorerbin über den Eintritt des Nacherbfalls hinaus wirksam wäre. Im Falle der Nicht-Befreiung des Vorerben (vgl. § 2113 Abs. 1 BGB) ist dies der Fall, wenn die Verfügung mit Zustimmung der Nacherben erfolgt ist. Erforderlich ist dabei die Zustimmung aller Nacherben, auch die der bedingt eingesetzten und der sog. weiteren Nacherben, nicht aber die Zustimmung von reinen Ersatznacherben (vgl. BGHZ 40, 115, 119. Im Falle der Befreiung des Vorerben ist die Zustimmung vonnöten, wenn es sich um eine unentgeltliche Verfügung handelt, da insoweit keine Befreiung erteilt werden kann (§§ 2136, 2113 Abs. 2 S. 1 BGB).

Im vorliegenden Fall liegt eine befreite Vorerbschaft vor. Der befreite Vorerbe darf grundsätzlich über den Grundbesitz verfügen, sofern er hierbei nicht unentgeltlich verfügt (vgl. §§ 2136, 2113 Abs. 2 BGB; vgl. zum Grundstücksverkauf durch den befreiten Vorerben Hartmann, DNotZ 2017, 28). Im vorliegenden Fall ist materiell-rechtlich betrachtet die Zustimmung der Nacherben nicht erforderlich, wenn entgeltlich verfügt werden soll. Nach h. A. muss aber vor Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch aufgrund Grundbuchunrichtigkeit der Nacherbe durch das Grundbuchamt zumindest angehört werden (vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 1360; OLG Düsseldorf RNotZ 2012, 328; Schöner/Stöber, Rn. 3521; BeckOK-GBO/Zeiser, Std.: 1.11.2023, § 51 GBO Rn. 109 m. w. N.).

Der „Nachweis“ der Entgeltlichkeit der Verfügung sowie die Anhörung des Nacherben sind entbehrlich, wenn der Nacherbe der Verfügung explizit zugestimmt hat. Ist der Nacherbe zustimmungsbereit, kann daher die Einholung der Zustimmung in öffentlich beglaubigter Form (vgl. § 29 GBO) der Erleichterung und Beschleunigung des Grundbuchverfahrens dienen und empfehlenswert sein (vgl. Hartmann, DNotZ 2017, 28, 34). Voraussetzung ist, dass alle berufenen Nacherben volljährig und zustimmungsbereit sind.

3. Zum Nacherbenschutz im Grundbuchverfahren
Die Eintragung des Nacherbenvermerks gem. § 51 GBO bewirkt keine Grundbuchsperre. Verfügungen des Vorerben können daher – wenn der Nacherbenvermerk eingetragen ist – jederzeit grundbuchlich vollzogen werden, egal ob diese Verfügungen im Hinblick auf die angeordnete Nacherbfolge wirksam sind oder nicht (vgl. Schöner/Stöber Rn. 3489 m. w. N.). Das Grundbuchamt muss die Frage der Wirksamkeit der Verfügung also grundsätzlich nicht prüfen, solange der Nacherbenvermerk eingetragen bleibt (vgl. Bergermann, MittRhNotK 1972, 775; Haegele, Rpfleger 1957, 20; Rpfleger 1971, 127). Denn solange kann kein gutgläubiger (nacherbenfreier) Erwerb stattfinden (vgl. BeckOK-GBO/Zeiser, Std.: 1.11.2023, § 51 GBO Rn. 43 m. w. N.).

Allerdings wird die Wirksamkeit der Verfügung in Bezug auf die angeordnete Nacherbfolge vom Grundbuchamt dann geprüft, wenn die Wirksamkeit im Grundbuch verlautbart werden soll, wie etwa durch Löschung des Nacherbenvermerks oder – bei Belastung eines Grundstücks – durch Eintragung eines sog. Wirksamkeitsvermerks (vgl. Gutachten DNotI-Report 2006, 125 ff.).

Ist dagegen der Nacherbenvermerk – wie hier – nicht im Grundbuch eingetragen, da das Grundbuch nicht auf den Vorerben berichtigt ist (s. § 51 GBO: Die Eintragung des Nacherbenvermerks erfolgt erst „bei der Eintragung“ eines Vorerben), oder soll dieser im Zusammenhang mit der Verfügung des Vorerben gelöscht werden, so lässt sich das Grundbuchamt Unterlagen vorlegen, die die Wirksamkeit der Verfügung des Vorerben belegen (vgl. Schöner/Stöber, Rn. 3491). Dies gilt beispielsweise für die Zustimmung des Nacherben zu einer Grundstücksverfügung des nicht befreiten Vorerben oder für die Zustimmung des Nacherben zu einer unentgeltlichen Verfügung des befreiten Vorerben. Ist dies nicht möglich, muss sich der Vorerbe zunächst im Wege der Grundbuchberichtigung in das Grundbuch eintragen lassen, wobei der Nacherbenvermerk von Amts wegen (§ 51 GBO) miteingetragen wird (vgl. Schöner/Stöber, Rn. 3491).

Der nicht eingetragene Nacherbenvermerk wird also nicht etwa vom Grundbuchamt ignoriert; vielmehr hat das Grundbuchamt bei Bekanntwerden der Nacherbfolge dafür zu sorgen, dass das Grundbuch nicht unrichtig wird. Ansonsten kann sich hieran ein gutgläubiger nacherbenfreier Erwerb Dritter anschließen (vgl. § 2113 Abs. 3 BGB), der zu Amtshaftungsansprüchen führen kann.

Daher ist auch allgemein anerkannt, dass dann, wenn der Vorerbe über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück ohne seine Voreintragung (§ 40 GBO) verfügt und damit auch ohne, dass der Nacherbenvermerk eingetragen werden kann, die Rechte des Nacherben von Amts wegen zu wahren sind (Schöner/Stöber, Rn. 3477; Meikel/Böhringer, GBO, 12. Aufl. 2021, § 51 Rn. 144). Das Grundbuchamt muss die Eintragung einer solchen Verfügung von der Zustimmung des Nacherben sowie evtl. Nachnacherben abhängig machen (Schöner/Stöber, Rn. 3477). Handelt es sich – wie hier – um eine befreite Vorerbschaft, ist die Entgeltlichkeit der Verfügung zu prüfen (Schöner/Stöber, Rn. 3477; Meikel/Böhringer, § 51 Rn. 144). Bestehen insoweit keine Zweifel des Grundbuchamts, so wären vor Umschreibung des Eigentums – wenn keine Zustimmung der Nacherben vorliegt – zumindest die Nacherben anzuhören (vgl. dazu oben 2).

4. Rechtslage bei Handeln aufgrund einer transmortalen Vollmacht
Der transmortal Bevollmächtigte handelt aus vom Erblasser (Vollmachtgeber) abgeleiteten Recht. Er kann dabei alle Rechtsgeschäfte so vornehmen, wie der Erblasser (Vollmachtgeber) dies selbst zu Lebzeiten hätte tun können (OLG Hamburg DNotZ 1967, 31). Der post- oder transmortal Bevollmächtigte vertritt also zwar die Erben (Gutachten DNotI-Report 2019, 140, 141; OLG München ZEV 2012, 376; OLG Frankfurt a. M. DNotZ 2012, 140; BGHZ 87, 19; Grüneberg/Weidlich, BGB, 83. Aufl. 2024, Einf. v. § 2197 Rn. 10), jedoch handelt er aus vom Erblasser abgeleiteten Recht.

Hat der die Vor- und Nacherbfolge anordnende Erblasser eine transmortale Vollmacht an den Vorerben erteilt, ist fraglich, ob der transmortal bevollmächtigte Vorerbe mit Wirkung auch für die Nacherben handeln und diese bei Abgabe grundbuchtauglicher Erklärungen für die Löschung des Nacherbenvermerks vertreten kann. Die Frage, ob der durch den Erblasser transmortal Bevollmächtigte nur den Vorerben, auch den Nacherben oder Letzteren nur unter bestimmten Voraussetzungen vertreten kann, ist nach wie vor in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt. Das OLG Stuttgart (ZEV 2019, 530 ff. = DNotI-Report 2019, 126 f.) hat in seinem Beschluss vom 29.5.2019 angenommen, dass der transmortal Bevollmächtigte (im dortigem wie im vorliegenden Fall der Vorerbe) auch den Nacherben vertreten könne (vgl. dazu Weidlich, ZEV 2016, 64; Amann, MittBayNot 2013, 363; Grüneberg/Weidlich, § 2112 Rn. 4; Strobel, NJW 2020, 502 ff.). Diese Rechtsansicht ist allerdings nicht unumstritten (vgl. Litzenburger, FD-Erbrecht 2019, 418920; Muscheler, ZEV 2019, 532 f.; Keim, ZEV 2020, 1 ff.; ders., MittBayNot 2021, 207, 212) und steht auch nicht in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des OLG München (ZEV 2019, 533 = DNotI-Report 2019, 125). Letzteres entschied, dass der Vorerbe die Zustimmung zu einer Verfügung sich selbst gegenüber nicht unter Berufung auf eine vom Erblasser erteilte Generalvollmacht namens des Nacherben erklären könne, wenn nicht der Nacherbe ihm gegenüber zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet sei.

Eine höchstrichterliche Klärung der umstrittenen Rechtsfrage, ob auch eine Vertretung der Nacherben möglich ist, steht nach wie vor aus, so dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass bei Handeln der Vorerbin aufgrund transmortaler Vollmacht des Erblassers keine Beteiligung der Nacherben erforderlich wäre. Zumindest könnten Schadensersatzansprüche von Seiten der Nacherben drohen, wenn mittels der transmortalen Vollmacht die Interessen der Nacherben beeinträchtigt werden (vgl. Keim, MittBayNot 2021, 207, 212).

5. Ergebnis
Da es sich im vorliegenden Fall um eine befreite Vorerbschaft handelt, ist aus materiell-rechtlicher Sicht keine Zustimmung der Nacherben zur Verfügung erforderlich, wenn entgeltlich verfügt wird. Nach h. A. bedarf es aber zumindest der Anhörung der Nacherben, wenn ein eingetragener Nacherbenvermerk im Wege der Grundbuchunrichtigkeit gelöscht werden soll. Entsprechendes gilt, wenn die Vorerbin wie hier gem. § 40 GBO ohne Voreintragung – und ohne Eintragung eines Nacherbenvermerks – verfügen will.

Ob die Vorerbin bei Handeln aufgrund der transmortalen Vollmacht des Erblassers auch berechtigt wäre, die Nacherben zu vertreten, ist nach wie vor umstritten und höchstrichterlich ungeklärt.

Gutachten/Abruf-Nr:

197032

Erscheinungsdatum:

04.03.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 35-37

Normen in Titel:

GBO § 51; BGB § 2113; GBO § 40