Gründung einer Tochter-GmbH durch unmittelbar zuvor eingetragene Mutter-GmbH; Kaskadengründung; Stafettengründung; Pyramidengründung
GmbHG §§ 19, 8 Abs. 2 S. 1;
Gründung einer Tochter-GmbH durch unmittelbar zuvor eingetragene Mutter-GmbH; Kaskadengründung; Stafettengründung; Pyramidengründung
Hinweis:
In Ziff. III.1 lit. c wird das Problem der „Abwärtsspirale“ bei Teileinzahlung der Einlagen erörtert. Das gegebene Bilanzierungsbeispiel geht von einer Aktivierung der Resteinlageforderung bei der Tochter-GmbH aus, die beim Hinzutreten einer zu passivierenden Verbindlichkeit bei der Mutter zur Unterbilanz bei der Mutter und damit zugleich zur Abwertung der Resteinlageforderung bei der Tochter führen könnte. Das Beispiel ist zu Demonstrationszwecken vereinfacht. Bilanziell ist zu beachten, dass die Resteinlageforderung bei der Tochter vor der Anforderung nicht aktiviert werden darf (vgl. Hopt/Merkt, HGB, 44. Aufl. 2025, § 272 Rn. 2 f.).
I. Sachverhalt
A möchte eine Einpersonen-GmbH gründen. Unmittelbar nach Eintragung der GmbH im Handelsregister soll diese GmbH ihrerseits eine 100%-ige Tochter-GmbH gründen.
II. Frage
Bestehen Bedenken gegen dieses Vorgehen, weil es sich um eine Art Kaskadengründung handelt?
III. Zur Rechtslage
1. Probleme der sog. Kaskadengründung
a) Allgemeines
Auf den ersten Blick könnten im vorliegenden Fall die Bedenken relevant werden, die gegen die sog. Kaskadengründung (auch: Stafetten- oder Pyramidengründung) geltend gemacht werden: Darunter versteht man die Gründung mehrerer untereinandergeschalteter Gesellschaften (GmbH oder AG) mit den Mitteln eines einzigen Stammkapitals; die erste gegründete Gesellschaft verwendet ihr Stammkapital zur Gründung einer Tochtergesellschaft, diese das ihre zur Gründung einer weiteren Tochter und so fort (hierzu und zum Folgenden Gutachten
Obwohl dies kapitalaufbringungsrechtlich nicht unproblematisch ist, fehlt es an einem klaren rechtlichen Anknüpfungspunkt für die Zurückweisung eines solchen Verfahrens. Der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage (bei der GmbH:
Je nach Gestaltung ist jedoch eine Unterbilanz bei der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften denkbar, die zum einen den Gesellschaftern der Muttergesellschaft als Haftung zur Last fallen kann und zum anderen ein erhöhtes Insolvenzrisiko birgt. Eine Unterbilanz liegt vor, wenn bei Subtraktion der echten Passiva von den Aktiva der Gesellschaft das Stammkapital nicht mehr gedeckt wird (MHLS/Heidinger, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 30 Rn. 27). Wie es dazu kommen kann, sei nachstehend am Beispiel der GmbH und der „einstufigen“ Tochtergründung erläutert.
b) Problem „Gründungskosten“
Wenn die Tochter-GmbH ihre Gründungskosten selbst trägt und aus ihrem Stammkapital bestreitet, wirkt sich dies prima facie mindernd auf den Wert der an ihr bestehenden Geschäftsanteile aus; zugleich entstünde bei ihr eine Unterbilanz (die Tatsache, dass die Gründungskosten auf die Tochter abgewälzt werden dürfen, ändert daran nichts). Die Mutter-GmbH könnte die Anteile an ihrer Tochter-GmbH dann nicht mehr mit dem Nominalwert aktivieren, sodass auch die Mutter-GmbH in die Unterbilanz geriete (andere Gründe für eine solche Unterbilanz, etwa die Gründungskosten der Mutter, die diese zulässigerweise selbst trägt, seien hier mangels Anhaltspunkt außer Acht gelassen).
Bsp.: Eine GmbH verwendet das volleingezahlte Stammkapital von 25.000 € zur Gründung einer Tochter-GmbH mit einem Stammkapital von ebenfalls 25.000 €. Grundsätzlich kann die Mutter-GmbH die Tochteranteile mit dem Nominalbetrag von 25.000 € aktivieren. Allerdings trägt die Tochter Gründungskosten von 1.500 €, diese könnten sich dergestalt wertmindernd auswirken, dass die Tochteranteile bei der Mutter nur mit 23.500 € zu aktivieren sind.
Wird die Tochter von der Mutter – wie durchaus üblich – im gleichen Termin wie die Mutter gegründet (also von der Mutter als Vorgesellschaft), dann bestünde die Unterbilanz bereits im Zeitpunkt der Eintragung (vgl. MHLS/Blath, § 11 Rn. 135; Servatius, § 11 Rn. 61) und zöge somit die Unterbilanz- oder Vorbelastungshaftung (vgl. BGH
Ob die von der Tochter-GmbH aufzubringenden Gründungskosten den Nominalwert der an ihr bestehenden Anteile wirklich mindern, ist allerdings nicht abschließend geklärt. Nach einer Ansicht handelt es sich dabei um Anschaffungskosten, die keine Vermögensminderung zur Folge haben (J. Weber, in: FS D. Mayer, 2020, S. 117, 121 f.; Wälzholz,
Welcher Ansicht zu folgen ist, soll hier nicht entschieden werden. Jedenfalls empfiehlt es sich zur Sicherheit, die Kosten für die Gründung der Tochter-GmbH zuvor in die Rücklage der Mutter-GmbH zu zahlen (Heckschen/Heidinger/Berkefeld, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 5. Aufl. 2023, Kap. 11 Rn. 326; vgl. auch Mayer/Weiler, § 22 Rn. 36b; im Erg. wohl ebenso J. Weber, S. 122). Die Literatur rät zudem, die Rücklagenzuführung in der Gründungsurkunde und in der Handelsregisteranmeldung zu vermerken (Mayer/Weiler, § 22 Rn. 36b).
c) Problem „Teileinzahlung“
Werden die Einlagen bei der Mutter-GmbH lediglich teileingezahlt und leitet die Mutter die Einlage zur Gründung der Tochter-GmbH mit Teileinzahlung weiter, dann entsteht allein dadurch noch keine Unterbilanz bei der Mutter oder der Tochter. Im Beispiel einer Mutter- und Tochtergründung mit jeweils 25.000 € Stammkapital und Halbeinzahlung gilt Folgendes: Die Mutter kann einerseits den (unterstellt werthaltigen) Resteinlageanspruch i. H. v. 12.500 € aktivieren und andererseits die Anteile an der Tochter zum Nominalbetrag von 25.000 €. Passivieren muss sie die Resteinlageverbindlichkeit gegenüber der Tochter i. H. v. 12.500 €. Die Tochter-GmbH kann 12.500 € gezahlte Einlagen und den Einlageanspruch gegenüber der Mutter aktivieren. Wenn nun bei Mutter und Tochter kein sonstiges Vermögen zu verzeichnen ist, könnte bei streng stichtagsbezogener Werthaltigkeitsprüfung jede weitere zu passivierende Verbindlichkeit der Mutter zur Unterbilanz bei der Mutter und dadurch zugleich zur Unterbilanz bei der Tochter führen: Denn die Unterbilanz bei der Mutter könnte den Einlageanspruch der Tochter gegenüber der Mutter abwerten; diese Abwertung würde gleichzeitig auf den Wert der bei der Mutter aktivierten Anteile an der Tochter zurückwirken und mithin die Unterbilanz bei der Mutter verstärken. Dadurch würde theoretisch eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die in die Zahlungsunfähigkeit und damit in die Insolvenzreife führen mag.
Bei Volleinzahlung und idealiter Einzahlung der für die Tochtergründung benötigen Mittel („Gründungskosten“) in die Rücklage der Mutter-GmbH besteht dieses Risiko hingegen nicht.
2. Vorliegender Fall: Tochtergründung nach Eintragung
Im vorliegenden Fall soll die Tochter-GmbH erst nach der Eintragung der Mutter-GmbH gegründet werden. In diesem Fall werden die oben erörterten Probleme der Kaskadengründung nur zum Teil relevant:
Es entspricht dem normalen Gang der Dinge, dass der Geschäftsführer nach der Eintragung der GmbH die Gesellschaftsmittel für Geschäfte aller Art verwendet (Einlagenrückgewähr an Gesellschafter freilich ausgenommen). Die Unterbilanzhaftung der Gesellschafter greift nicht hinsichtlich einer nach Eintragung entstehenden Unterbilanz bei der Mutter ein.
Die oben unter Ziff. 1 lit. c geschilderte Abwärtsspirale ist ein Problem, das sich unabhängig von der Eintragung der Mutter-GmbH einstellen könnte. Das Risiko sinkt lediglich insofern, als eine werbende GmbH mit Einnahmen nicht wegen jeder Verbindlichkeit in die Unterbilanz geraten muss. Das Stadium vor der Eintragung wäre für das Einsetzen einer Abwärtsspirale besonders sensibel, prinzipiell wäre es aber auch das Stadium unmittelbar nach der Eintragung.
Alle Bedenken verfangen nicht, wenn die Mutter-GmbH mit ausreichenden Mitteln ausgestattet ist, die ein „Abrutschen“ in die Unterbilanz infolge der Tochtergründung vermeiden. Insoweit lässt sich gegen die Tochtergründung auch unmittelbar nach der Muttergründung nichts einwenden (wenn sie denn vom Unternehmensgegenstand der Mutter gedeckt ist).
209778
Erscheinungsdatum:21.02.2025
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
GmbH
Aktiengesellschaft (AG)
GmbHG § 8 Abs. 2; GmbHG § 19; AktG § 26 Abs. 2