28. Februar 2019
GmbHG § 2 Abs. 1; GmbHG § 11 Abs. 1

Vertretung einer Vor-GmbH vor Geschäftsführerbestellung

GmbHG §§ 2 Abs. 1, 11 Abs. 1
Vertretung einer Vor-GmbH vor Geschäftsführerbestellung

I. Sachverhalt
In der Gründungsurkunde einer Einpersonen-GmbH wurde ein Rechtsanwalt ermächtigt bzw. bevollmächtigt, im unmittelbaren Anschluss an die Gründung für die neu gegründete Gesellschaft einen Grundstückskaufvertrag zu schließen. Ein Geschäftsführer wurde noch nicht bestellt. Er soll erst später bestellt werden, weil noch offene Punkte in Bezug auf den Geschäftsführervertrag zu regeln sind.

II. Frage
Kann der Bevollmächtigte die GmbH vertreten?

III. Zur Rechtslage
1. Vor-GmbH
Die Vor-GmbH ist ein Personenverband eigener Art, sie ist rechtsfähig (Heidinger/Blath, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018, Kap. 3 Rn. 5 m. w. N.). Dies gilt nach Auffassung der h. L. und der Rechtsprechung auch für die Einpersonenvorgesellschaft (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 167; Blath, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 74; Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 11 Rn. 5, 38 m. w. N. auch zur Gegenauffassung; für Rechtsfähigkeit implizit OLG Dresden GmbHR 1997, 215; wohl auch BGH NJW-RR 1999, 1554, 1555). Mit ihrer Eintragung wandelt sich die Vor-GmbH mit allen Aktiva und Passiva in die GmbH um (Bayer, § 11 Rn. 5).

2. Vertretung der Vor-GmbH
Fraglich ist, ob die Vor-GmbH beim Abschluss des Vertrags wirksam vertreten wurde. Für die Vor-GmbH soll nicht ein Geschäftsführer handeln, sondern ein im Gesellschaftsvertrag von den Gesellschaftern bevollmächtigter Rechtsanwalt. Entscheidend ist also, ob die Gesellschafter die Vor-GmbH vertreten und in ihrem Namen eine Vollmacht erteilen können.

Nach § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG können die Gesellschafter eine GmbH nur bei der Entgegennahme von Willenserklärungen vertreten, wenn die GmbH führungslos ist. Das bedeutet umgekehrt, dass die Gesellschafter i. Ü. keine Vertretungsmacht für die GmbH haben und für sie keine Willenserklärungen abgeben können. Dies gilt auch dann, wenn die GmbH keinen Geschäftsführer hat (BGH NZG 2011, 26 Tz. 13; LG Bonn NJW-RR 2009, 1342, 1343; MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves/Jaeger/Steinbrück, 3. Aufl. 2019, § 35 Rn. 246; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl. 2014, § 35 Rn. 136). Es besteht daher keine subsidiäre Vertretungsmacht der Gesellschafter für den Fall, dass die GmbH führungslos ist.

Zu prüfen ist, ob diese Grundsätze auch für die Vor-GmbH gelten. Grundsätzlich finden die §§ 35 ff. GmbHG bereits auf die Vor-GmbH Anwendung (Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 3, 5. Aufl. 2018, § 16 Rn. 60). Die Vor-GmbH wird durch ihren Geschäftsführer vertreten. Dies gilt nach h. M. auch für eine Ein-Personen-Vor-GmbH (Scholz/K. Schmidt, § 11 Rn. 170; Gummert, § 16 Rn. 164). Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur kommen, wenn man in der Einpersonenvorgesellschaft nicht einen eigenen Rechtsträger, sondern nur ein Sondervermögen des Einpersonen-Gründers sehen würde (Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rn. 146 ff.). Allerdings ist auch damit nicht gesichert, dass der Träger des Sondervermögens dieses verpflichten könnte oder, ob insoweit nicht bereits § 35 GmbHG gelten würde. Auch ein Erbe kann etwa keine Verfügungen treffen, wenn über das Sondervermögen des Nachlasses Testamentsvollstreckung angeordnet wurde. Von der Rechtsträgerschaft des Vermögens kann also nicht auf die Frage der Vertretungsmacht geschlossen werden.

Umstritten ist, ob die Vertretungsmacht der Geschäftsführer der Vor-GmbH nach § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG unbeschränkt ist oder die Vertretungsmacht nur im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis besteht (Blath, § 11 Rn. 63 m. w. N.). Nach Auffassung des BGH ist die Vertretungsmacht der Geschäftsführer auf gründungsnotwendige Rechtsgeschäfte beschränkt, sofern die Gesellschafter nicht eine Erweiterung der Vertretungsmacht einstimmig beschließen oder in der Satzung festlegen (BGH NJW 1981, 1373, 1375; BGHZ 80, 129, 139).

Das dürfte aber nicht dazu führen, dass die Gesellschafter die Vor-GmbH subsidiär vertreten können, sofern die Geschäftsführer nicht vertretungsberechtigt sind oder keine Geschäftsführer bestellt wurden. Wendet man die §§ 35 ff. GmbHG auf die Vor-GmbH entsprechend an, ist es konsequent, die alleinige Vertretungszuständigkeit im Außenverhältnis beim Geschäftsführer zu verorten – und zwar auch dann, wenn die Vor-GmbH noch keinen Geschäftsführer oder nur einen Geschäftsführer mit eingeschränkter Vertretungsmacht hat. Es wäre nicht überzeugend, von einer gespaltenen Vertretungsmacht zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern auszugehen. Die Vor-GmbH ist in ihrer Rechtsstellung der GmbH so weitgehend angenähert, dass es nicht gerechtfertigt wäre, für die Vertretungsmacht im Außenverhältnis von einer abweichenden Kompetenzordnung auszugehen.

Die Literatur weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Geschäftsführer der Vor-GmbH zur Erteilung einer Prokura oder Vollmacht berufen seien (MünchKommGmbHG/Merkt, § 11 Rn. 67), ohne dass eine subsidiäre Vertretungsmacht der Gesellschafter auch nur erwähnt wird (Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 11 Rn. 70). Für die Wirksamkeit der Vollmacht sei entscheidend, ob die Geschäftsführer die Vertretungsmacht zur Erteilung einer Vollmacht hätten (Scholz/K. Schmidt, § 11 Rn. 74; MünchKommGmbHG/Merkt, § 11 Rn. 67).

Dass die Gesellschafter keine Vertretungsmacht zur Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht haben, ergibt auch ein Blick auf die Zuständigkeitsverteilung für die Erteilung einer Prokura oder einer Generalhandlungsvollmacht in § 46 Nr. 7 GmbHG. Die Vorschrift gilt bereits während des Stadiums der Vor-GmbH (vgl. allg. Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 46 Rn. 5; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 46 Rn. 1). Die Gesellschafterversammlung beschließt zwar im Innenverhältnis über die Erteilung der Vollmacht. Der Beschluss hat aber keine Außenwirkung (BGH NJW 1974, 1194). Im Außenverhältnis wird die Gesellschaft nach ganz h. M. von ihren Geschäftsführern vertreten (Ganzer, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 46 Rn. 56; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, § 46 Rn. 73; Römermann, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, § 46 Rn. 363; Hüffer/Schürnbrand, § 46 Rn. 94; a. A. van Veenroy, GmbHR 1999, 800, 806).

Die Gesellschafter haben keine Vertretungsmacht, um den Beschluss im Außenverhältnis umzusetzen (MünchKommGmbHG/Liebscher, 2. Aufl. 2016, § 46 Rn. 216). Diese Zuständigkeitsregelung ist zwingend. Es besteht nach Auffassung der Literatur nicht einmal die Möglichkeit, durch eine besondere Regelung in der Satzung den Gesellschaftern eine entsprechende Vertretungsmacht einzuräumen. Begründet wird dies von Manchen mit der zwingenden Kompetenzordnung nach § 35 GmbHG (Römermann, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, § 46 Rn. 387; Ganzer, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 46 Rn. 60; ohne nähere Begründung Hüffer/Schürnbrand, § 46 Rn. 99). Andere stützen sich demgegenüber auf den Wortlaut von §§ 48 Abs. 1, 54 Abs. 1 HGB, wonach die Prokuraerteilung nur durch „den gesetzlichen Vertreter“ möglich ist (MünchKommGmbHG/Liebscher, § 46 Rn. 225; Scholz/K. Schmidt, § 11 Rn. 134). Der Hinweis auf die zwingende Regelung des § 35 GmbHG ist überzeugend. Das GmbHG lässt es nicht zu, den Gesellschaftern oder der Gesellschafterversammlung Vertretungsmacht im Außenverhältnis dort einzuräumen, wo eine Vertretungsmacht für den Geschäftsführer vorgegeben ist.

Legt man diesen strengen Maßstab zugrunde, dürfte es den Gesellschaftern der GmbH nicht möglich gewesen sein, für die Vor-GmbH in deren Namen eine Vollmacht an den Rechtsanwalt zu erteilen. Auch eine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag wäre nicht möglich gewesen. Die Vollmachterteilung hätte im Außenverhältnis zwingend der Geschäftsführer vornehmen müssen. Auch wenn eine andere Rechtsauffassung vertretbar erscheint, besteht zumindest ein erhebliches Risiko, dass es an einer wirksamen Vollmacht fehlt.

Gutachten/Abruf-Nr:

165918

Erscheinungsdatum:

28.02.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 32-33

Normen in Titel:

GmbHG § 2 Abs. 1; GmbHG § 11 Abs. 1