27. Juni 2019

Vormerkung; Rangrücktritt

BGB §§ 880, 883 Abs. 3
Vormerkung; Rangrücktritt

I. Sachverhalt
Im Grundbuch ist eine Rückauflassungsvormerkung für X eingetragen. Der Anspruch auf Rückübertragung entsteht, wenn der Eigentümer des Grundstücks einer Bauverpflichtung nicht nachkommt.

Der Eigentümer veräußert das Grundstück. Zur Sicherung des Auflassungsanspruchs soll für den Erwerber (E) eine Auflassungsvormerkung eingetragen werden. Die Vormerkung soll vorrangig vor der Rückauflassungsvormerkung sein. X tritt mit seiner Vormerkung im Rang hinter diejenige des E zurück.

Der Rangrücktritt wird im Grundbuch eingetragen.

II. Fragen
Kann E aufgrund seiner vorrangigen Käufervormerkung (nach Eintritt der weiteren Voraussetzungen, also nach Umschreibung oder bei Umschreibungsreife) aus § 888 Abs. 1 BGB von X die Zustimmung zur Löschung der Rückauflassungsvormerkung verlangen? Setzt sich die aufgrund des Rangrücktritts „vorgelassene“ Vormerkung zugunsten des E in allen Rechtswirkungen gegen die Vormerkung des X durch?

III. Zur Rechtslage
1. Rechtliche Ausgangslage: Rangrücktrittsvereinbarung gem. § 880 BGB
a) Rangrücktritt einer Auflassungsvormerkung
Das Rangverhältnis zwischen eingetragenen Rechten an einem Grundstück kann durch Vereinbarung geändert werden (§ 880 Abs. 1 BGB). In materiell-rechtlicher Hinsicht erfordert dies eine Einigung des zurücktretenden und des vortretenden Berechtigten (§ 880 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB). Grundbuchverfahrensrechtlich bedarf es der Bewilligung des zurücktretenden Berechtigten nach § 19 GBO in der Form des § 29 Abs. 1 GBO (BeckOGK-BGB/Kesseler, Std.: 1.1.2019, § 880 Rn. 26). § 880 Abs. 2 BGB ist auch dann anwendbar, wenn – wie hier – ein erst einzutragendes Recht Vorrang vor einem bereits eingetragenen (Vormerkung) erhalten soll (BGH DNotZ 2010, 710; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 325).

Nach überwiegender Auffassung sind auch (Auflassungs-)Vormerkungen einer Rangrücktrittsvereinbarung gem. § 880 Abs. 1 BGB zugänglich (vgl. RGZ 55, 270; KG JFG 10, 225; Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl. 2019, § 880 Rn. 1; Staudinger/S. Heinze, BGB, 2018, § 880 Rn. 2; Schöner/Stöber, Rn. 1531a; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl. 2015, § 45 Rn. 106; zum Wirksamkeitsvermerk vgl. Schultz, RNotZ 2001, 541). Die Möglichkeit des Rangrücktritts folgt aus der ganz überwiegend befürworteten Rangfähigkeit der Auflassungsvormerkung (vgl. BGHZ 46, 124, 127 = NJW 1967, 566; BGH DNotZ 2014, 769, 770 ff.; NJW 2000, 805, 807; NJW 1998, 224, 225; DNotZ 1986, 406, 409; KGJ 39, A 198, A 200; OLG Bremen WM 2005, 1241; OLG Celle NJOZ 2013, 1460; OLG Köln DNotZ 1998, 311, 312; OLG München BWNotZ 2002, 12, 13; OLG Saarbrücken MittRhNotK 1995, 25, 26; a. A. BGH NJW 2007, 2993 Tz. 16 = DNotZ 2007, 686, wobei diese Entscheidung den Sonderfall betraf, dass aus einer vorrangigen Hypothek die Zwangsversteigerung betrieben wurde). Eine teilweise in der Literatur vertretene Gegenauffassung lehnt die Rangfähigkeit der Vormerkung im Allgemeinen (BeckOGK-BGB/Kesseler, § 880 Rn. 11) oder zumindest der Auflassungsvormerkung im Besonderen (MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2017, § 880 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Assmann, Std.: 1.5.2019, § 883 Rn. 202) und demzufolge auch einen Rangrücktritt ab. Die h. M. beruft sich dagegen auf § 883 Abs. 3 BGB (RGZ 124, 202; RGZ 142, 331; OLG München BWNotZ 2002, 12, 13; Staudinger/S. Heinze, § 879 Rn. 8; Wilhelm, JZ 1990, 501; Blank, ZfIR 2001, 419). Hiernach bestimmt sich der Rang des später eingetragenen Rechts nach der Eintragung der Vormerkung. Für die Auflassungsvormerkung gilt nichts anderes. Zwar steht das Eigentum an einem Grundstück in keinem Rangverhältnis zu daran lastenden Rechten: Bei der Auflassungsvormerkung handele es sich aber um ein Sicherungsmittel eigener Art, das als solches prinzipiell in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Grundstücksrechten stehe und auf die Verschaffung eines Rechts am Grundstück gerichtet sei (OLG Celle NJOZ 2013, 1460). Nach der für die Praxis maßgeblichen Rechtsprechung ist deshalb davon auszugehen, dass Rangrücktrittsvereinbarungen mit Auflassungsvormerkungen möglich sind.

b) Rangtausch zwischen verschiedenen Vormerkungen
Im vorliegenden Fall geht es um den Rangrücktritt einer (Rück-)Auflassungsvormerkung aus dem Erstkaufvertrag hinter die Auflassungsvormerkung für den Käufer aus dem Zweitkaufvertrag. Konkurrierende „Rechte“ sind also zwei sich gegenseitig ausschließende Eigentumsverschaffungsansprüche.

Wenngleich der BGH entschieden hat, dass das Eigentum als Vollrecht für sich genommen nicht rangfähig ist (NJW 2007, 2993 Tz. 16), so steht diese Aussage u. E. doch nicht im Widerspruch dazu, dass zwei durch Vormerkung gesicherte Ansprüche auf Eigentumsverschaffung rangfähig und damit einer Rangvereinbarung zugänglich sind. § 880 BGB ermöglicht letztlich die privatautonome Gestaltung des Prioritätsgrundsatzes. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch für die Vormerkung gelten soll. Schließlich wäre es unstrittig zulässig, dass die bereits eingetragene Vormerkung gelöscht und direkt anschließend – zeitlich der Auflassungsvormerkung für den Zweitkäufer nachfolgend – wieder eingetragen würde, was die gleiche Wirkung erzielen dürfte. Dieses komplizierte, teure und mit der Unsicherheit von Zwischeneintragungen behaftete Vorgehen soll § 880 BGB gerade vermeiden. Wir halten daher auch den Rangrücktritt einer Auflassungsvormerkung hinter eine andere Auflassungsvormerkung für möglich.

2. Wirkung des Rangrücktritts
Erachtet man den Rangrücktritt der Vormerkung als zulässig, so ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dieser Rangrücktritt auch die Elisionswirkung des § 883 Abs. 2 BGB auslöst. Nach § 883 Abs. 2 S. 1 BGB ist die Verfügung über ein Recht, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück getroffen wird, insoweit unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln würde. Es fragt sich, ob dies in gleicher Weise gilt, wenn ein Recht (hier: die Rückauflassungsvormerkung) hinter die Auflassungsvormerkung (hier: die Vormerkung des E) zurücktritt. Wendete man § 883 Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend an, so könnte der Vormerkungsberechtigte gem. § 888 BGB vom Inhaber des Rechts, das ihm gegenüber unwirksam ist, die Löschung (bzw. nach der Eigentumsumschreibung auf den Inhaber des vormerkungswidrigen Rechts die Zustimmung zur Eigentumsumschreibung) verlangen.

Der Wortlaut des § 883 Abs. 2 BGB spricht eher dagegen, die Elisionswirkung der Vormerkung im Verhältnis zum zurücktretenden Recht anzunehmen, denn das zurücktretende Recht entsteht zeitlich nicht erst nach der Eintragung der Vormerkung. Entscheidend ist nach dem Wortlaut des § 883 Abs. 2 BGB nicht der Rang, sondern die zeitliche Reihenfolge.

Nimmt man die Rangfähigkeit der Vormerkung jedoch ernst, so muss § 883 Abs. 2 BGB analog auch für hinter die Vormerkung zurücktretende Rechte gelten (BayObLGZ 1990, 318, 321; Bertolini, MittBayNot 1987, 174, 176; Frank, MittBayNot 2004, 245, 246; S. Schmidt, BWNotZ 1992, 35, 38; Albrecht, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Aufl. 2001, Rn. 490; i. E. auch Schubert, DNotZ 1999, 967, 972; a. A Staudinger/Gursky, 2013, § 883 Rn. 289; Bühler, BWNotZ 1995, 171, 172). Das BayObLG hat dies mit der Erwägung begründet, dass infolge des Rangrücktritts das zurücktretende Recht als mit dem Rang nach der Vormerkung entstanden anzusehen ist (BayObLGZ 1990, 318, 321). Diese Erwägung ist u. E. zutreffend. Hält man die Vormerkung für rangfähig und lässt man einen Rangrücktritt zu, dann ist auch § 883 Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend anzuwenden; anderenfalls würde der Rangrücktritt nämlich keine Wirkungen zeitigen.

Lehnt man die Auffassung des BayObLG ab, so würde dies zu Verwicklungen führen. Man könnte die Rangrücktrittserklärung zwar auch als Zustimmung zur Eintragung des an sich vormerkungswidrigen Rechts auslegen (Staudinger/Gursky, § 883 Rn. 289; Schubert, DNotZ 1999, 967, 972). Einem „Rangrücktritt“ dürfte nach dem Verständnis eines objektiven Empfängers nämlich zu entnehmen sein, dass der Vormerkungsberechtigte nicht gegen die neu eingetragene Vormerkung vorgehen würde. Damit wäre die Eintragung der Vormerkung für E nicht vormerkungswidrig i. S. d. § 883 Abs. 2 BGB, denn für Rechte, die mit Zustimmung des Vormerkungsberechtigten eingetragen werden, gilt § 883 Abs. 2 BGB nicht (Staudinger/Gursky, § 883 Rn. 248; MünchKommBGB/Kohler, § 883 Rn. 58). Fraglich wäre aber, auf welcher Grundlage dem Auflassungsvormerkungsberechtigten (hier: E) ein Löschungsanspruch zustünde, wenn man nicht von einer relativen Unwirksamkeit des zurücktretenden Rechts (hier: der Rückauflassungsvormerkung für X) ausginge. Der Löschungsanspruch nach § 888 BGB setzt nämlich die Unwirksamkeit des zu löschenden Rechts gegenüber dem Vormerkungsgläubiger voraus. Denkbar wäre allenfalls, dass man in der Zustimmung zugleich die Grundlage für einen schuldrechtlichen Löschungsanspruch sieht, der wiederum nach § 886 BGB eine dauerhafte Einrede und deshalb einen Löschungsanspruch begründet.

Im Ergebnis erscheint uns dieser Umweg über die Auslegung der Erklärung als Zustimmung eher gekünstelt. Wir halten die Auffassung des BayObLG für konsequent, dass die Anerkennung der Rangwirkung auch zu einer entsprechenden Anwendung des § 883 Abs. 2 BGB führen muss.

3. Ergebnis
Unseres Erachtens ist der Rangrücktritt der bereits eingetragenen (Rück-)Auflassungsvormerkung hinter die neu einzutragende Auflassungsvormerkung für den Käufer rechtlich möglich. Der zwar später eingetragenen, aber vorrangigen Vormerkung dürfte analog § 883 Abs. 2 BGB gegenüber der zuerst eingetragenen, aber nachrangi­gen Vormerkung Elisionswirkung zukommen.

Gutachten/Abruf-Nr:

169246

Erscheinungsdatum:

27.06.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormerkung
Sachenrecht allgemein

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 97-99