OLG Hamm 15. Mai 2017
7 WF 240/16
BGB §§ 1638, 1778 Abs. 1 Nr. 5, 1917, 2197

Ausschluss des Vaters von der Vermögensverwaltung im Rahmen eines Geschiedenen-Testaments; Personenidentität von Testamentsvollstrecker und Ergänzungspfleger; Auswahl des Ergänzungspflegers

BGB §§ 1638, 1778 Abs. 1 Nr. 5, 1917, 2197
Ausschluss des Vaters von der Vermögensverwaltung im Rahmen eines Geschiedenen-Testaments; Personenidentität von Testamentsvollstrecker und Ergänzungspfleger; Auswahl des Ergänzungspflegers

1. Der Erblasser kann grundsätzlich rechtswirksam verfügen, dass der Testamentsvollstrecker zugleich Ergänzungspfleger für den minderjährigen Erben in Bezug auf das ererbte Vermögen sein soll. Die Bestellung als Ergänzungspfleger scheidet nur dann aus, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die berufene Person als Ergänzungspfleger des Minderjährigen dessen Belange in Bezug auf den Nachlass nicht ordnungsgemäß wahrnehmen wird.

2. Widerspricht der Minderjährige der Bestellung der vom Erblasser als Ergänzungspfleger berufenen Person, so steht dies deren Bestellung nicht grundsätzlich entgegen. Es entfällt aber die Bindung des Gerichts an die Benennung durch den Erblasser, so dass dem Gericht nach § 1779 Abs. 2 BGB ein Ermessen bei der Auswahl des Ergänzungspflegers eingeräumt ist.

OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.2017 – 7 WF 240/16

Problem
Die Erblasserin hinterließ bei ihrem Tod im Jahr 2016 zwei Kinder (den im Jahr 1998 geborenen Sohn S und die im Jahr 2000 geborene, noch minderjährige Tochter T). Die Kinder stammten aus der im Jahr 2015 rechtskräftig geschiedenen Ehe mit dem Kindesvater V. Im Rahmen der Scheidung hatte die Erblasserin ein notarielles „Geschiedenen-Testament“ nach Wahl der sog. Erblösung errichtet, in dem sie ihre beiden Kinder zu Vorerben und zu Nacherben deren Erben (mit Ausnahme des geschiedenen Ehegatten der Erblasserin und seiner Verwandten) eingesetzt hat. Im Testament hat die Erblasserin Dauervollstreckung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres des jüngsten Kindes angeordnet und zum Testamentsvollstrecker ihre engste Vertrauensperson, ihren Bruder B, bestimmt. Außerdem schloss sie ihren geschiedenen Ehemann von der Vermögenssorge in Bezug auf ihren Nachlass aus (§ 1638 BGB). Zum Ergänzungspfleger für dieses Vermögen bestimmte sie ebenfalls ihren Bruder B.

Nach Eintritt des Erbfalls und Eröffnung des Testaments ordnete das zuständige Familiengericht nach Anhörung der noch minderjährigen Tochter T Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis „Wahrnehmung der Rechte des Kindes T gegenüber dem Testamentsvollstrecker B“ an. Zum Ergänzungspfleger bestellte das Familiengericht nicht den von der Erblasserin berufenen Bruder B, sondern das beteiligte Jugendamt und begründete dies damit, dass B als Testamentsvollstrecker nicht zugleich Ergänzungspfleger sein könne. Hiergegen wandte sich B im Wege der Beschwerde mit dem Ziel, selbst zum Ergänzungspfleger bestellt zu werden.

Entscheidung
Das OLG Hamm hält die Beschwerde des B für un-begründet. Interessanterweise wird dies aber nicht mit einer Inkompatibilität der Ämter von Testamentsvollstrecker und Ergänzungspfleger (bzw. gesetzlicher Vertreter) begründet, wie diese in der Vergangenheit zum Teil in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung vertreten worden ist (vgl. OLG Schleswig-Holstein NJW-RR 2007, 1597; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 272; OLG Hamm FamRZ 1993, 1122; vgl. dazu auch ausführlich Gutachten DNotI-Report 2003, 145 ff.). Insoweit schließt sich das OLG Hamm vielmehr der neueren Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2008, 1156 = DNotZ 2008, 782 = MittBayNot 2008, 297) an, wonach der Erblasser einen Elternteil eines minderjährigen Erben wirksam zum Testamentsvollstrecker berufen könne, ohne dass dieser Elternteil nach den §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2 i. V. m. § 181 BGB an der Ausübung der elterlichen Sorge für den Minderjährigen in Bezug auf das ererbte Vermögen gehindert sei und (stets) ein Ergänzungspfleger bestellt werden müsse.

In derartigen Fällen wird daher nicht mehr zwangsläufig und in jedem Fall ein erheblicher Gegensatz zwischen den Interessen des minderjährigen Erben einerseits und denen des gesetzlichen Vertreters und Testamentsvollstreckers angenommen (ebenso MünchKommBGB/Zimmermann, 7. Aufl. 2017, § 2197 Rn. 10; Staudinger/Reimann, BGB, 2016, § 2197 Rn. 85 ff.). Anhaltspunkte, dass der Bruder B der Erblasserin als Ergänzungspfleger in dem konkreten Fall die Belange der Tochter T in Bezug auf den Nachlass nicht ordnungsgemäß wahrnehmen würde, lagen nicht vor.

Die Unbegründetheit der Beschwerde folgt aus Sicht des OLG Hamm vielmehr daraus, dass die von dem Verwaltungsausschluss betroffene, fast volljährige Tochter der Bestellung von B zum Ergänzungspfleger gem. den §§ 1917 Abs. 1 S. 2, 1778 Abs. 1 Nr. 5 BGB widersprochen hat und diesem Willen von T bei der Auswahl des Ergänzungspflegers entscheidende Bedeutung zukommt. Das OLG Hamm führt aus, dass im Falle eines Verwaltungsausschlusses i. S. v. § 1638 BGB als Ergänzungspfleger nach § 1917 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich diejenige Person berufen ist, die der Erblasser in seinem Testament hierzu bestimmt hat. Dies war in Bezug auf B der Fall.

Eine vom Erblasser bestimmte Person darf allerdings nach den §§ 1917 Abs. 1 S. 2, 1778 BGB übergangen werden. Dies gilt nach Abs. 1 Nr. 5 dieser Vorschrift insbesondere dann, wenn der Minderjährige, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, der Bestellung widersprochen hat. Der hier vorliegende Widerspruch von T führte dazu, dass das Familiengericht nicht an die Benennung des Ergänzungspflegers durch die Erblasserin gebunden war, sondern i. S. v. § 1779 BGB eine Ermessensentscheidung über die Auswahl des Ergänzungspflegers zu treffen war. Die getroffene Entscheidung zugunsten des Jugendamts hält das OLG Hamm im Hinblick auf die in der Anhörung von T geäußerte Bevorzugung einer neutralen Stelle (wie z. B. des beteiligten Jungendamtes) als Ergänzungspfleger für nicht ermessensfehlerhaft.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

15.05.2017

Aktenzeichen:

7 WF 240/16

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2017, 183
MittBayNot 2018, 46-50
RNotZ 2017, 529-532

Normen in Titel:

BGB §§ 1638, 1778 Abs. 1 Nr. 5, 1917, 2197