BVerfG 22. September 2002
1 BvR 1717/00
BNotO § 8 Abs. 3 , GG Art. 12

Nebentätigkeit eines Notars im Aufsichtsrat einer Bank

2. § 8 Abs. 3 BNotO, Art. 12 GG (Nebentätigkeit eines
Notars im Aufsichtsrat einer Bank)
Die Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung eines
Notars für eine Tätigkeit im Aufsichtsrat einer auch im
Grundstücksgeschäft engagierten Volksbank unter Hinweis darauf, diese sei generell nicht genehmigungsfähig,
verstößt gegen Art. 12 GG. Soweit die Aufsichtsbehörden
Anhaltspunkte für die Besorgnis haben, Notare könnten
ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat zur Akquirierung neuer
Mandanten nutzen, und sie könnten im Bereich der Beurkundungen von ihren Aufsichtsratsmandaten profitieren,
kann diesen Gefahren mit milderen Mitteln als mit einer
generellen Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung
begegnet werden, beispielsweise mit Auflagen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BVerfG, Beschluss vom 22.9.2002 – 1 BvR 1717/00 –
Zum Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer sind Rechtsanwälte und Notare. Sie wurden
1999 in den Aufsichtsrat von Volksbanken gewählt, die sich nach
ihren Satzungen nicht nur mit der Gewährung von Krediten aller Art
und Dienstleistungen wie der Vermittlung oder dem Verkauf von
Bausparverträgen, Versicherungen und Immobilien befassen, sondern
auch mit dem Erwerb sowie gegebenenfalls der Erschließung, der Belastung und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen
Rechten sowie der Beteiligung an Unternehmen, die eines der vorgenannten Geschäfte zum Gegenstand haben.
1. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Genehmigung der Nebentätigkeit im jeweiligen Aufsichtsrat wurden von der Präsidentin
des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars werde durch eine solche
Nebentätigkeit gefährdet. Insoweit sei maßgeblich auf den Eindruck
abzustellen, der durch die organschaftliche Stellung bei der rechtsuchenden Bevölkerung verursacht werde. Ein besonders strenger
Maßstab sei anzulegen, wenn der Kernbereich der notariellen Tätigkeit betroffen sei. Dies sei insbesondere der Fall, wenn Grundstücksgeschäfte zur Erreichung des Geschäftszwecks typisch seien. Ein
milderes Mittel, insbesondere in Form einer Auflage, sei nicht ersichtlich.
2. Vor dem Oberlandesgericht hatten die Beschwerdeführer Erfolg. Es hob die Entscheidungen auf, weil die Präsidentin des Oberlandesgerichts ihr Ermessen nicht ausgeübt und den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nicht beachtet habe, indem sie eine nach dem
Wortlaut des § 8 Abs. 3 der Bundesnotarordnung (BNotO) grundsätzlich genehmigungsfähige Tätigkeit von vornherein als nicht genehmigungsfähig angesehen habe.
Der Bundesgerichtshof bestätigte hingegen die Entscheidung der Präsidentin des Oberlandesgerichts. Sie habe die unbestimmten Rechtsbegriffe der einschlägigen Norm zutreffend ausgelegt und angewandt. Im Interesse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege
gelte es, nicht erst konkreten, sondern bereits möglichen Gefährdungen des Leitbildes der Notare vorzubeugen und schon dem mit einer
bestimmten Nebentätigkeit verbundenen Anschein einer Gefährdung
der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars zu begegnen.
Bedenklich sei die Tätigkeit im Aufsichtsrat eines Unternehmens,
dessen satzungsmäßiger Geschäftszweck unter anderem die Vermittlung von Grundstücksgeschäften sei, weil dem Notar durch § 14
Abs. 4 BNotO ausdrücklich verboten sei, Grundstücksgeschäfte zu
vermitteln. Es solle verhindert werden, dass der Notar am Abschluss
oder an einem bestimmten Inhalt von Geschäften interessiert sei, mit
denen er amtlich befasst sei oder befasst werden könne. Für eine Gefährdung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
des Notars genüge es, dass sich die Volksbanken nach ihrer Satzung
mit Grundstücksgeschäften und deren Vermittlung beschäftigen
könnten; auf die tatsächliche Tätigkeit der Unternehmer in diesem
Bereich komme es nicht an. Die entscheidende Gefährdung liege in
dem „bösen Schein“. Soweit das Oberlandesgericht meine, dem mit
Auflagen begegnen zu können, fehlten Ausführungen dazu, welche
konkreten Auflagen insoweit sinnvoll und erfolgversprechend sein
könnten.
519MittBayNot 6/2002 Rechtsprechung
3. Mit ihren jeweils gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gerichteten Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12
Abs. 1 GG.
4. Zu den Verfassungsbeschwerden haben die Niedersächsische
Staatskanzlei, die Präsidentin des Oberlandesgerichts, die Bundesnotarkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Notarverein, der Deutsche AnwaltVerein, der Deutsche Sparkassen- und
Giroverband und der Bundesverband der Deutschen Volksbanken
und Raiffeisenbanken Stellung genommen.
a) Die Niedersächsische Staatskanzlei, die Präsidentin des Oberlandesgerichts sowie die Bundesrechtsanwaltskammer halten die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Das Grundstücksgeschäft habe
sich zu einem Kerngeschäft der Kreditinstitute entwickelt. Es müsse
der Eindruck vermieden werden, bei den Beschwerdeführern handele
es sich um den „Hausnotar“ einer Bank. Es stehe auch zu befürchten,
dass der Notar bei Entscheidungen, die er als Mitglied eines Aufsichtsrates zu treffen habe, von Kenntnissen profitiere und sie für das
Kreditinstitut fruchtbar mache, die er im Zusammenhang mit seiner
Amtstätigkeit gewonnen habe. Dem könne auch nicht mit der umfassenden Verschwiegenheitspflicht aus § 18 Abs. 1 BNotO begegnet
werden.
b) Demgegenüber halten die Bundesnotarkammer, der Deutsche
Notarverein, der Deutsche AnwaltVerein, der Deutsche Sparkassenund Giroverband und der Bundesverband Deutscher Volksbanken
und Raiffeisenbanken die Verfassungsbeschwerden für begründet.
Die Bundesnotarkammer und der Deutsche Notarverein stützen sich
darauf, dass im Einzelfall geprüft werden müsse, ob eine Bank die in
der Satzung aufgeführten Unternehmensgegenstände auch in der Praxis betreibe; entsprechende Feststellungen fehlten in den Ausgangsverfahren. Der Deutsche AnwaltVerein vertritt die Auffassung, das
Grundrecht der Berufsfreiheit werde nicht mit dem ihm gebührenden
Gewicht in die Güterabwägung eingestellt, wenn schon der Anschein
einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ausreiche, um eine Genehmigung zu versagen. § 8 Abs. 3 Satz 2 BNotO sei
verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Genehmigungen
nur versagt werden dürften, wenn nicht durch entsprechende Nebenbestimmungen eine derartige Gefährdung ausgeschlossen werden
könne. Die Verbände der Banken verweisen auf die Gesetzesmaterialien zur Ergänzung des § 8 BNotO und zu der unterbliebenen Verschärfung des § 3 BeurkG.
Aus den Gründen:
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1
BVerfGG genannten Rechten angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2
Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen
des § 93 c Abs. 1 BVerfGG sind gegeben. Die angegriffenen
Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrem
Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
1. Die Verfassungsbeschwerden werfen keine Fragen von
grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93 a
Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen Fragen zur
Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Notaren hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Notar einerseits einen freien Beruf
ausübt, für den die Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG
gelten, dass die Notare andererseits aber Inhaber eines öffentlichen Amtes sind, sodass Sonderregelungen in Anlehnung an
Art. 33 GG Anwendung finden, die die Wirkungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zurückdrängen können (vgl.
BVerfGE 7, 377 [398]; 17, 371 [377 ff.]; 73, 280 [292]).
Ebenso ist geklärt, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramts im Interesse einer geordneten Rechtspflege liegt und damit dem Gemeinwohl dient (vgl. BVerfGE
54, 237 [249]). Dabei steht es dem Gesetzgeber im Rahmen
des Art. 12 Abs. 1 GG weitgehend frei, wie er erkennbaren
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Gefährdungen für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
der Notare vorbeugt. Ihm obliegt es, diese Gefährdungen einzuschätzen und ihnen durch Berufsausübungsregelungen zu
begegnen. Sofern er Gefahren befürchtet und ihnen durch
Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit begegnen will,
müssen diese Regelungen allerdings der Verfassung entsprechen (vgl. BVerfGE 98, 49 [62]).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 12
Abs. 1 GG angezeigt. Sie werden in ihrer Berufsausübungsfreiheit als Anwaltsnotare durch die gesetzlich ermöglichte
und im konkreten Fall durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts angeordnete Inkompatibilitätsregelung ebenso empfindlich beeinträchtigt, wie Notare durch Sozietätsverbote betroffen werden, ohne dass es darauf ankäme, ob die weitere
Tätigkeit selbst schon als Beruf zu bezeichnen ist (vgl.
BVerfGE 98, 49 [62], insoweit übereinstimmend mit
BVerfGE 54, 237 [245 f.]). Die Versagung der Genehmigung
ist unverhältnismäßig.
a) Grundlage der angegriffenen Entscheidungen ist § 8 Abs. 3
BNotO, der durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31.8.1998 (BGBl I
S. 2585) neu gefasst wurde. Die Norm macht die Übernahme
eines Aufsichtsratsmandats in einer auf Erwerb gerichteten
Gesellschaft, Genossenschaft oder einem in einer anderen
Rechtsform betriebenen Unternehmen von einer Genehmigung abhängig. Die Aufsichtsbehörde hat die Genehmigung
zu versagen, wenn die Tätigkeit mit dem öffentlichen Amt des
Notars nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit gefährden kann. Zweck der Regelung ist es, im Interesse einer geordneten Rechtspflege die
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare sicherzustellen (vgl. BTDrucks. 13/4184, S. 19). Die gesetzliche Regelung dient damit dem Allgemeinwohl und ist auch generell
der Konfliktlage angemessen. Sie begegnet als solche keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
b) Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Bestimmungen sind vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte und können vom Bundesverfassungsgericht – abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot – nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des
betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines
Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den
Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die
Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt
oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18,
85 [92 f., 96]; 85, 248 [257 f.]; 97, 12 [27]). So liegt es hier.
Die angegriffenen Entscheidungen werden dem Maßstab des
Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht.
Der Bundesgerichtshof geht davon aus, die Streitfälle beträfen zwingende Rechtsanwendung, soweit der Tatbestand des
§ 8 Abs. 3 Satz 2 BNotO gegeben sei. Eine Ermessensausübung nach Satz 4 komme nur in Betracht, wenn die Nebentätigkeit als solche zulässig sei und lediglich sachlich und
zeitlich begrenzt werden soll. Die Mitwirkung eines Notars
im Aufsichtsrat eines mit dem Verkauf oder der Vermittlung
von Grundstücken befassten Unternehmens sei aber nicht genehmigungsfähig, weil sie geeignet sei, jedenfalls den Anschein möglicher Interessenkonflikte zu erwecken. Diesem
Anschein zu begegnen sei zur Wahrung der Unabhängigkeit
und Unparteilichkeit des Notars geboten. Der Gefährdung des
Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der
Notare lasse sich nicht durch Auflagen an den Notar begegMittBayNot 6/2002
nen, wenn Notare in den Aufsichtsrat einer Kreditgenossenschaft einträten, die satzungsmäßig auch Grundstücksgeschäfte betreibe; die entscheidende Gefährdung liege in dem
in der Öffentlichkeit möglichen „bösen Schein“.
Diese Argumentation beruht teilweise auf einer grundsätzlich
unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit.
aa) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist allerdings die
Auffassung des Bundesgerichtshofs, der Aufsichtsbehörde
komme kein Ermessen bei Auslegung und Anwendung von
§ 8 Abs. 3 Satz 2 BNotO zu, soweit die Pflichtenbindung in
§ 14 Abs. 3 und 4 BNotO ihre Entsprechung findet.
bb) Die Auslegung der dort verwendeten Begriffe durch den
Bundesgerichtshof hält sich jedoch nicht im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung einfachen Rechts durch die Fachgerichte. Die Versagung der
Nebentätigkeitsgenehmigung unter Hinweis darauf, eine
Tätigkeit im Aufsichtsrat einer auch im Grundstücksgeschäft
engagierten Volksbank sei generell nicht genehmigungsfähig,
greift empfindlich in das Grundrecht der Berufsfreiheit der
Notare ein. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs verlangt
vom Anwalt die Aufgabe seines Notaramtes, sofern er das
Mandat im Aufsichtsrat antreten will. Damit hat das Nebentätigkeitsverbot zugleich Rückwirkung auf die Tätigkeit im
Aufsichtsrat von Kreditinstituten, die gerade Wert darauf legen, in diesem Gremium auch die Kenntnisse und Fähigkeiten
von Notaren fruchtbar zu machen, wie in den Stellungnahmen
der Bankenverbände hervorgehoben worden ist. Dieser weitgehende Eingriff ist ein unangemessenes Mittel, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare zu sichern. Die
vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung vernachlässigt die Gewährleistungen der Berufsfreiheit, die auch den
Notaren zugute kommt; sie stellt eine unverhältnismäßige Beschränkung dar.
(1) Die Eignung kann dieser Maßnahme allerdings nicht abgesprochen werden. Es ist aber bereits zweifelhaft, ob ein solches generelles Verbot in der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen Auslegung und Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2
BNotO erforderlich ist. Gefährdungen der Unabhängigkeit
beugt der Gesetzgeber mit einer Vielzahl einzelner, ausdrücklich geregelter Ge- und Verbote vor. Sie haben zum Ziel, das
Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der
Notare wirkungsvoll zu sichern. Dies gilt insbesondere für die
Beurkundungsverbote des § 3 BeurkG, die Verschwiegenheitspflicht des § 18 BNotO, das Vermittlungs- und Beteiligungsverbot des § 14 Abs. 4 und 5 BNotO, der noch weitere
Einschränkungen im Zusammenhang mit Darlehen und Bürgschaften enthält. Das spezielle Werbeverbot in § 29 Abs. 2
BNotO stellt sicher, dass der Notar in seiner Amtstätigkeit
nicht auf sonstige – erlaubte – Nebentätigkeiten hinweist (vgl.
Ziff. VII 2. der Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer) und damit einen bösen Schein setzt, selbst wenn er
sein Amt einwandfrei wahrnimmt.
Nachdem der Bundesgesetzgeber aber von dem ursprünglichen Vorhaben Abstand genommen hat, in den Katalog der
Beurkundungsverbote des § 3 Abs. 1 Nr. 6 BeurkG auch die
Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat aufzunehmen, hat er zu
erkennen gegeben, dass die primär mit Überwachungsaufgaben verbundene Mitwirkung in einem Aufsichtsorgan nach
seiner Einschätzung keine Gefahren für die Unabhängigkeit
und Unparteilichkeit des Notars begründet, die es angezeigt
erscheinen lassen, diesen Notaren die Mitwirkung an Urkundsgeschäften der betreffenden Unternehmen zu untersagen (vgl. BTDrucks. 13/11034, S. 24, 40). Der Gesetzgeber
Berührungspunkte zwischen den Tätigkeiten als Notar und als
Aufsichtsratsmitglied ergeben, eine generelle Gefährdung der
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verneint. Er hat insoweit die Offenlegung der Beziehung als ausreichendes Mittel
angesehen, dem bösen Schein zu begegnen, weil die andere
Partei berechtigt ist, aus diesem Grund für die Beurkundung
einen Notarwechsel zu verlangen. Verneint der Gesetzgeber
bei der eigentlichen Beurkundung einen Gefährdungstatbestand, lässt sich aus dem Sachverhalt nicht ein böser Schein
im Hinblick auf die Unabhängigkeit des Amtes ableiten.
Auch wenn der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf den
Wortlaut des § 14 Abs. 3 BNotO darauf abstellt, dass der
Notar jedes Verhalten zu vermeiden hat, das den Anschein
eines Verstoßes gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeugt, geht es doch nicht nur um die Vermeidung eines
bösen Scheins. Beachtet man, dass Verbote, die die Berufstätigkeit betreffen, sich vor Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen
müssen, lässt eine solche gesetzliche Formulierung nicht zu,
den möglichen bösen Schein nur darauf zu stützen, dass die
Notare die ihnen auferlegten Pflichten durchweg missachten
könnten. Ginge man davon aus, dürfte man sie nicht länger als
selbstständige Amtsträger walten lassen.
Der Bundesgerichtshof hätte daher die Frage, ob ein böser
Schein entstehen könnte, unter Hinzuziehung aller gesetzlichen Ge- und Verbote prüfen, ihre Einhaltung unterstellen
und dennoch Gefahren sehen müssen. Dies ist nicht geschehen. Besonders deutlich wird dies an dem Argument, die Aufsichtsratstätigkeit stelle vor allem deshalb eine Gefährdung
dar, weil mehr und mehr Grundstücksgeschäfte zum Tätigkeitsbereich der Banken gehören. Diese schätzt der Gesetzgeber im Verhältnis zum Notaramt aber nicht anders ein als das
generelle Bankengeschäft überhaupt. Beide Arten von Geschäften sind dem Notar gleichermaßen in § 14 Abs. 4 BNotO
verboten; das Darlehensgeschäft wird nicht anders behandelt
als das Grundstücksgeschäft. Nach der Argumentation im
vorliegenden Fall wäre Notaren jede Aufsichtsratstätigkeit bei
Banken schon immer zu versagen gewesen.
(2) Soweit die Aufsichtsbehörden Anhaltspunkte für die Besorgnis haben, Notare könnten ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat
zur Akquirierung neuer Mandanten nutzen, ohne dass § 29
Abs. 2 BNotO hiergegen ausreichenden Schutz böte, und sie
könnten im Bereich der Beurkundungen trotz der Ge- und
Verbote des § 3 BeurkG ebenfalls von ihren Aufsichtsratsmandaten profitieren, kann diesen Gefahren mit milderen
Mitteln als mit einer generellen Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung begegnet werden. In Betracht kommen insoweit verschiedene Auflagen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 4
BNotO, die das Gesetz als weniger einschneidende Mittel
ausdrücklich vorsieht.
Zu denken ist dabei insbesondere an das vollständige oder ein
weitgehendes Verbot, in Angelegenheiten der Bank zu beurkunden oder sonst tätig zu werden. Selbst wenn die Tätigkeit
des Notars im Aufsichtsrat der Öffentlichkeit bekannt wird,
wäre dann die Befürchtung auszuschließen, dass hierdurch
der Notar in den Ruf kommt, für die Bank parteilich oder abhängig zu arbeiten. Die Stellung eines „Hausnotars“, der von
einem Kreditinstitut regelmäßig hinzugezogen wird, kann
völlig ohne Mitwirkung in irgendwelchen Organen der Banken und ohne festen rechtlichen Rahmen im Verhältnis zu
Bauträgern, Bausparkassen oder Maklern entstehen. Solche
regelmäßigen Geschäftsbeziehungen, denen durchaus Gefährdungspotenzial für das unabhängige und unparteiliche
Notariat innewohnt, beruhen vornehmlich auf der wirtschaftlichen Macht des die notarielle Dienstleistung nachfragenden
Rechtsprechung
Mandanten (vgl. BVerfGE 98, 49 [66 f.]). Das Gefährdungspotenzial wird aber trotz der Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats minimiert, wenn in Bezug auf das Kreditinstitut
von eben diesem Notar Urkundsgeschäfte gar nicht oder jedenfalls nicht gehäuft vorgenommen werden.
Die mögliche Gefahr, dass Notare ihr Aufsichtsratsmandat
nutzen, um das Gebührenaufkommen ihres Notariats zu erhöhen, wäre mit einer Auflage dieser Art ebenfalls unterbunden. Eine solche Auflage wäre auch effektiv und durch die
Aufsichtsbehörden kontrollierbar. Bei der Überprüfung des
Notars ließe sich leicht feststellen, ob sich unter den Urkunden Vorgänge befinden, die Angelegenheiten des Kreditinstituts betreffen, in dessen Aufsichtsrat der Notar mit einer Genehmigung unter Auflagen sitzt.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Möglichkeit der Erteilung einer Genehmigung unter Auflagen ausdrücklich ausgeschlossen, weil Auflagen erst dann in Betracht kämen,
wenn die Nebentätigkeit als solche zulässig sei. Hierin liegt
indessen eine Verkennung des Bedeutungsgehalts des Art. 12
Abs. 1 GG. Sofern die Ziele, die durch die Versagung einer
Genehmigung verfolgt werden sollen, auch durch das mildere
Mittel einer Auflage zu erreichen sind, gebietet es der in
Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine Genehmigung unter Auflagen zu erteilen, wenn damit die einschneidendere Maßnahme der Versagung vermieden werden kann.
3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den dargelegten Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 GG und sind daher
aufzuheben.
(...)
3. BNotO § 15, BeurkG § 53 (Bindung des Notars an Vollzugsanweisung)
1.
Der Notar hat eine ihm von den Vertragsparteien
hinsichtlich des Vollzugs der Urkunde übereinstimmend erteilte Weisung grundsätzlich auch dann zu
beachten, wenn eine Vertragspartei nachträglich einseitig die Unwirksamkeit der Weisung geltend macht,
sofern nicht diese Unwirksamkeit offensichtlich ist.
2.
Der mögliche Verstoß einer Kaufpreissicherungsklausel gegen AGB-Recht (vgl. BGHZ 148, 85) begründet
im konkreten Fall keine offensichtliche Unwirksamkeit der diesbezüglichen Weisung an den Notar.
BayObLG, Beschluss vom 16.9.2002 – 1Z BR 108/02 –, mitgeteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG
Zum Sachverhalt:
Am 3.8.1995 schlossen die Beteiligten zu 1 und 2 (Käufer) mit den
Beteiligten zu 3 und 4 (Verkäufer) einen notariellen Vertrag über den
Erwerb einer Eigentumswohnung in einer noch zu erstellenden
Wohnanlage. Der Vertrag enthält die Klausel: „Der beurkundende
Notar wird angewiesen, diese Urkunde zum Zwecke der Eigentumsumschreibung dem Grundbuchamt erst dann vorzulegen, wenn ihm
der Verkäufer bestätigt hat, dass sowohl der Kaufpreis samt etwaiger
Zinsen, als auch die Mehrkosten für etwa durchgeführte Sonderwünsche gezahlt sind ... “. Diese Bestätigung wurde bisher nicht erteilt.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11.3.2002
haben die Käufer beim Notar die Vorlage der Urkunde beim Grundbuchamt zur Eigentumsumschreibung beantragt. Sie tragen vor, dass
sie einen Kaufpreis-Restbetrag in Höhe von 21.875,– DM wegen umfangreicher Gegenansprüche insbesondere aus Mängelhaftung einbehalten hätten. Die Urkunde müsse gleichwohl beim Grundbuchamt
zum Vollzug eingereicht werden, da die Vertragsklausel, die den VollRechtsprechung
MittBayNot 6/2002

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BVerfG

Erscheinungsdatum:

22.09.2002

Aktenzeichen:

1 BvR 1717/00

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2002, 519-521

Normen in Titel:

BNotO § 8 Abs. 3 , GG Art. 12