BGH 12. September 2023
II ZB 6/23
GNotKG §§ 108, 105, 97; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4

Geschäftswert eines Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals; Kapitalerhöhung; Agio; Berücksichtigung einer Zuzahlung in das Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB

letzte Aktualisierung: 30.10.2023
BGH, Beschl. v. 12.9.2023 – II ZB 6/23

GNotKG §§ 108, 105, 97; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4
Geschäftswert eines Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals; Kapitalerhöhung;
Agio; Berücksichtigung einer Zuzahlung in das Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4
HGB

Für die Bemessung des Geschäftswerts eines Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals
einer GmbH ist innerhalb der durch § 105 Abs. 1 Satz 2 und § 108 Abs. 5 GNotKG vorgegebenen
Grenzen der den Ausgabepreis übersteigende Wert des auszugebenen Geschäftsanteils maßgeblich.
Für die Bewertung kann eine mit dem Übernehmer der Geschäftsanteile geschlossene Vereinbarung
über eine Zuzahlung in das Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB berücksichtigt werden.

Gründe:

I.
Der Beteiligte zu 1 (nachfolgend Notar) beurkundete für die Beteiligte zu
2, eine GmbH, am 2. November 2020 einen Beschluss über die Erhöhung des
Gehatten
die Gesellschafter der Beteiligten zu 2 mit dieser und Investoren einen
als Investment Agreement bezeichneten Vertrag geschlossen, in dem für die in
der Kapitalerhöhung ausgegebenen Geschäftsanteile eine Zuzahlung in die
vereinbart worden war. Der Notar hat in seiner Kostenberechnung die Zuzahlung
bei der Bemessung des Geschäftswerts berücksichtigt.

Das Landgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 2 auf gerichtliche Entscheidung
gegen die Kostenberechnung zurückgewiesen. Der Senat hat auf
Antrag der Beteiligten zu 2 die Sprungrechtsbeschwerde zugelassen, soweit
der Beteiligte zu 1 in der Kostenberechnung bei der Bemessung des Ge-

II.
Die Sprungrechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet: Der Notar habe in die Berechnung des Geschäftswerts zu Recht die
vereinbarte Zuzahlung in die Kapitalrücklage unter Ansatz des Höchstwerts von
GNotKG Bezug. Der Geschäftswert sei daher gemäß § 36 GNotKG nach billigem
Ermessen zu bestimmen. Die Verpflichtung zur Einzahlung eines Aufgelds
sei bei der Festsetzung des Geschäftswerts auch dann werterhöhend zu berücksichtigen,
wenn die Einzahlungsverpflichtung in einer gesonderten Vereinbarung
der Gesellschafter vor oder zeitgleich mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss
getroffen worden sei. Das sogenannte schuldrechtliche Agio führe zu
einer über die Nennbeträge hinausgehenden Werterhöhung der neu geschaffenen
Geschäftsanteile.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand. Das
Landgericht hat die im Investment Agreement vereinbarte Zuzahlung für die in
der Kapitalerhöhung ausgegebenen Geschäftsanteile im Ergebnis zutreffend
bei der Bemessung des Geschäftswerts berücksichtigt.

a) Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich d

b) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Für die
Bemessung des Geschäftswerts eines Beschlusses über die Erhöhung des
Stammkapitals einer GmbH ist innerhalb der durch § 105 Abs. 1 Satz 2 und
§ 108 Abs. 5 GNotKG vorgegebenen Grenzen der den Ausgabepreis übersteigende
Wert des auszugebenen Geschäftsanteils maßgeblich. Für die Bewer-
tung kann eine mit dem Übernehmer der Geschäftsanteile geschlossene Vereinbarung
über eine Zuzahlung in das Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4
HGB berücksichtigt werden.

aa) Der Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals ist nach allgemeiner
Auffassung ein Beschluss, dessen Gegenstand einen bestimmten
Geldwert hat, § 108 Abs. 1 Satz 2 GNotKG (OLG München, ZIP 2018, 526;
LG Düsseldorf, Beschluss vom 19. April 2023 - 19 OH 1/21, juris Rn. 28;
Bormann in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl., § 108 Rn. 15;
Leipziger Gerichts- und Notarkosten-Kommentar/Heinze, 3. Aufl., § 108 Rn. 27;
Heisel in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 108
GNotKG Rn. 27; BeckOK KostR/Neie, Stand 1.1.2022, § 108 Rn. 20;
Korintenberg/Tiedke, GNotKG, 22. Aufl., § 108 Rn. 43; Toussaint/Uhl, Kostenrecht,
§ 108 GNotKG Rn. 12; Waldner in Rohs/Wedewer, GNotKG,
Stand Juni 2017, § 108 Rn. 17). Dies ergibt sich schon aus dem Verweis auf
§ 105 Abs. 1 GNotKG, der verschiedene Beschlussfassungen benennt, bei denen
ein bestimmter Geldbetrag im Handelsregister eingetragen wird und in dessen
Nr. 3 der Beschluss über die Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausdrücklich benannt wird. Der
Geschäftswert für die Beurkundung eines solchen Beschlusses beträgt nicht
weniger als der sich nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GNotKG ergebende Wert,
im Fall der Erhöhung des Stammkapitals mithin der in das Handelsregister einzutragende
Betrag, um den das Stammkapital erhöht wurde
(BeckOK KostR/Neie, Stand 1.7.2023, § 105 Rn. 10; Korintenberg/Tiedke,
GNotKG, 22. Aufl., § 105 Rn. 20, § 108 Rn. 1), mindestens
(§ 105 Abs. 1 Satz 2 GNotKG) und, auch wenn mehrere Beschlüsse mit verschiedenem
Gegenstand in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasst

bb) Der Geschäftswert eines Beschlusses über die Erhöhung des
Stammkapitals kann innerhalb der durch § 108 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 GNotKG
vorgegebenen Grenzen unter ergänzender Heranziehung von § 97 Abs. 1,
Abs. 2 GNotKG ermittelt werden (OLG München, ZIP 2018, 526; Bormann in
Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl., § 108 Rn. 12; BeckOK
KostR/Neie, Stand 1.1.2022, § 108 Rn. 19; Stephan in Heinemann/Trautrim,
Notarrecht, § 127 GNotKG Rn. 24; Korintenberg/Tiedke, GNotKG, 22. Aufl.,
§ 108 Rn. 1; Toussaint/Uhl, Kostenrecht, § 108 GNotKG Rn. 11; Diehn in
Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht,
3. Aufl., § 36 Rn. 68; Diehn/Diehn, Notarkostenberechnungen, 8. Aufl.,
Kap. 3 Rn. 1252; Fackelmann, ZNotP 2018, 159; Strauß, MittBayNot 2018, 487,
488). Soweit das Landgericht unmittelbar auf § 36 Abs. 1 GNotKG zurückgegriffen
hat (so auch LG Gera, Beschluss vom 17. Juli 2018 - +-6 OH 16/16, Umdruck
S. 4; Leipziger Gerichts- und Notarkosten-Kommentar/Heinze, 3. Aufl.,
§ 108 Rn. 18; Heinze, NotBZ 2015, 201, 205), vermag der Senat dem nicht zu
folgen.

(1) Aus der Regelung des § 108 Abs. 1 Satz 2 GNotKG kann entgegen
der Sicht des Landgerichts diesbezüglich nichts abgeleitet werden. Diese Bestimmung
sieht nach ihrem Wortlaut für Beschlüsse, "deren Gegenstand einen
bestimmten Geldwert hat", einen Mindestwert vor. Wie bereits die Kostenordnung
(vgl. § 30 Abs. 1 Halbsatz 2, § 41c Abs. 1 KostO, dazu BGH, Beschluss
vom 23. Oktober 2008 - V ZB 89/08, NJW-RR 2009, 228 Rn. 6 ff.;
OLGR Braunschweig 2007, 577, 578; OLG Stuttgart, ZNotP 2008, 503, 504)
enthält das GNotKG hierzu keine nähere Begriffsbestimmung. Es geht, wie zuvor
die entsprechenden Bestimmungen der Kostenordnung, davon aus, dass
der Geschäftswert dem jeweiligen Geldwert entspricht (zur KostO: BGH,
Beschluss vom 23. Oktober 2008 - V ZB 89/08, NJW-RR 2009, 228 Rn. 7;
OLG Hamm, DNotZ 1994, 126, 128; zum GNotKG: Waldner in Rohs/Wedewer,
GNotKG, Stand Juni 2017, § 108 Rn. 13; Pfeiffer, NZG 2013, 244, 245).

(2) Die Wertvorschriften für das Beurkundungsverfahren sehen in § 97
Abs. 1 GNotKG vor, dass sich bei der Beurkundung von Verträgen und Erklärungen
der Geschäftswert nach dem Wert des Rechtsverhältnisses bestimmt,
das Beurkundungsgegenstand ist. Die Norm ist auch auf Beschlüsse anwendbar,
soweit § 108 GNotKG keine spezielle Regelung vorsieht (Stephan in
Heinemann/Trautrims, Notarrecht, § 97 GNotKG Rn. 2; Korintenberg/Tiedke,
GNotKG, 22. Aufl., § 97 Rn. 1; Uhl in Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 97
Rn. 3; Diehn in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und
Unternehmensrecht, 3. Aufl., § 36 Rn. 68; aA LG Gera, Beschluss vom 17. Juli
2018 - 6 OH 16/16, Umdruck S. 4; Wudy in Rohs/Wedewer, GNotKG,
Stand September 2022, § 97 Rn. 34). Die Beurkundung eines Gesellschafterbeschlusses
kann in der Form eines Tatsachenprotokolls im Sinne der §§ 36,
37 BeurkG erfolgen (OLG Celle, ZIP 2017, 1623, 1624; Wicke, GmbHG,
4. Aufl., § 53 Rn. 13; Scheller, GmbHR 2023, 20 Rn. 2; vgl. für das Hauptversammlungsprotokoll
einer AG: BGH, Urteil vom 16. Februar 2009
- II ZR 185/07, DNotZ 2009, 688 Rn. 11). Daneben wird überwiegend auch eine
Beurkundung als Willenserklärung gemäß §§ 8 ff. BeurkG für zulässig erachtet
(OLG Köln, BB 1993, 317, 318; Nordholtz/Hupka, DNotZ 2018, 404, 405 ff.;
Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 53 Rn. 16; BeckOGKGmbHG/
Born, Stand: 15.4.2023, § 53 Rn. 265 ff.; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 53
Rn. 13; kritisch: Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 53
Rn. 70). Aus § 108 GNotKG und Teil 2, Hauptabschnitt 1, Abschnitt 1 der Anlage
1 zu § 3 Abs. 2 GNotKG ergibt sich, dass der Geschäftswert für die Beurkundung
von Beschlüssen von Organen unabhängig von der konkret gewählten
Form der Beurkundung einheitlich erfolgen soll. Die systematische Stellung von
§ 108 GNotKG spricht dabei für die Anknüpfung an § 97 GNotKG, der als allgemeine
Geschäftswertvorschrift Anwendung findet, soweit § 108 GNotKG keine
spezielle Regelung enthält (Korintenberg/Tiedke, GNotKG, 22. Aufl., § 97
Rn. 1; BeckOK KostR/Glaser, Stand: 1.4.2022, § 97 GNotKG Rn. 1).
cc) Der Wert der Beschlussfassung über eine Erhöhung des Stammkapitals
bei der GmbH entspricht dem Wert des neu geschaffenen oder erhöhten
Geschäftsanteils, wenn dieser den Ausgabebetrag der Anteile übersteigt (OLG
München, ZIP 2018, 526; Bormann in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG,
4. Aufl., § 108 Rn. 15; Thelen, RNotZ 2020, 121, 145; aA Korintenberg/Tiedke,
GNotKG, 22. Aufl., § 108 Rn. 44; Waldner in Rohs/Wedewer, GNotKG,
Stand Juni 2017, § 108 Rn. 17; Leipziger Gerichts- und Notarkosten-
Kommentar/Heinze, 3. Aufl., § 108 Rn. 27 Fn. 27; Heinze, NotBZ 2015, 201,
205).

(1) Für den Wert des Rechtsverhältnisses im Sinn des § 97 Abs. 1
GNotKG kommt es im Fall einer Beschlussfassung darauf an, ob der Gegenstand
des Beschlusses geeignet ist, eine Wertverschiebung herbeizuführen. Bei
dem Beschlussgegenstand muss es sich demnach grundsätzlich um die Begründung
eines neuen Rechtsverhältnisses von bestimmten Wert oder um die
Herbeiführung solcher Änderungen handeln, bei denen sich der Wert des geänderten
Rechtsverhältnisses in einer bestimmten Summe vom Wert des geänderten
Rechtsverhältnisses unterscheidet (BayObLG, DNotZ 1991, 401, 402).
(2) Bei der Beschlussfassung über die Erhöhung des Stammkapitals wird
das von dem Übernehmer erstrebte Mitgliedschaftsrecht nicht von der Gesellschaft
"geliefert". Es entsteht vielmehr auf der Grundlage des (satzungsändernden)
Kapitalerhöhungsbeschlusses und des Übernahmevertrags kraft Gesetzes
mit der Eintragung im Handelsregister, vgl. § 54 Abs. 3, § 57 GmbHG (BGH,
Urteil vom 3. November 2015 - II ZR 13/14, ZIP 2015, 2315 Rn. 13). Übersteigt
der objektive Wert der neuen Geschäftsanteile den Ausgabebetrag, führt dies
nach durchgeführter Kapitalerhöhung zu einer Wertverschiebung im Verhältnis
der Gesellschafter untereinander (Bormann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG,
5. Aufl., § 55 Rn. 13). Der Wert des Gegenstands der Beschlussfassung wird
daher bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht nur durch die nach der Beschlussfassung
vom Gesellschafter zu erbringende Leistung in das Gesellschaftsvermögen
geprägt, sondern auch durch den Wert des Gesellschaftsanteils, den
der Übernehmer mit der Eintragung im Handelsregister erwirbt (Thelen,
RNotZ 2020, 121, 145 f.; aA Strauß, MittBayNot 2018, 487, 488 f.). Verpflichtet
sich der Übernehmer für die in der Kapitalerhöhung ausgegebenen Geschäftsanteile
eine Zuzahlung in die Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu
leisten, ist dies ein relevanter Anhaltspunkt für die Wertbestimmung (OLG
München, ZIP 2018, 526; Thelen, RNotZ 2020, 121, 145 f.; auf den engen Zusammenhang
mit der Kapitalerhöhung abstellend Korintenberg/Tiedtke,
GNotKG, 22. Aufl., § 108 Rn. 1b).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

12.09.2023

Aktenzeichen:

II ZB 6/23

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Beurkundungsverfahren
Kostenrecht
GmbH

Normen in Titel:

GNotKG §§ 108, 105, 97; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4