BGH 22. Februar 1990
V ZR 231/88
BGB §§ 912 ff.

Zur Frage nach dem Stammgrundstück beim Eigengrenzüberbau

Regelung die Parteien getroffen hätten, so muß eine ergänzende Vertragsauslegung ausscheiden (BGHZ 90, 69, 80
m.w. N.). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Es hat auch keinen wesentlichen Prozeßstoff unberücksichtigt gelassen. Soweit es darauf abstellt, der Beklagte
habe seinen Hof nicht etwa aufgeben wollen und die veräußerte Teilfläche sei im Vergleich zur Hoffläche relativ gering gewesen, fehlen nicht die tatrichterlichen Feststellungen. Das Berufungsgericht nimmt auf das,Ersturteil und den
dort wiedergegebenen Sachvortrag Bezug, aus dem sich ergibt, daß der Beklagte einen Hof von über 100 ha bewirtschaftet. Das Berufungsgericht hat ferner den Vortrag des
Klägers zur Höhe des Kaufpreises berücksichtigt. Die Revision unternimmt nur den Versuch, die tatrichterliche Feststellung und Auslegung durch ihre eigene zu ersetzen. Dies
ist unzulässig.
4. Zu Recht verneint das Berufungsgericht auch eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung von § 314 BGB.
Das Rübenlieferrecht ist kein Zubehör der verkauften Ackerfläche. Zubehör sind nur bewegliche Sachen, keine Rechte
(§ 97 BGB; RGZ 83, 54, 56). Auch aus § 98 Nr.2 BGB folgt
nichts anderes.
Es mag offenbleiben, ob und inwieweit § 314 BGB über
seinen Wortlaut hinaus einen verallgemeinerungsfähigen
Rechtsgedanken enthält (vgl. MünchKomm/Kanzteiter
2.Aufl. § 314 Fn. 3 und 4; Soergel/Wolff, BGB 11.Aufl. § 314
Rdn. 5; Staudinger/Wufka, BGB 12.Aufl. §314 Rdnr. 9;
Patandt/Heinrichs, BGB 49.Aufl. § 314 Anm. 1). Die Auslegungsregel des § 314 BGB zielt darauf ab, eine wirtschaftliche Einheit von Hauptsache und Zubehör zu erhalten (vgl.
auch BGH Urt. v. 23.10.1968, VIII ZR 228166, NJW 1969, 36).
Grund dafür ist der allgemeine Erfahrungssatz, daß die Vertragsparteien im Zweifel eine solche Einheit nicht zerreißen
wollen. Eine entsprechende Anwendung von § 314 BGB auf
Rechte käme also allenfalls dort in Betracht, wo sie mit der
veräußerten oder belasteten Sache eine solche wirtschaftliche Einheit bilden. So wird beispielsweise für gewerbliche
Schutzrechte bei Veräußerung eines Betriebes (RGZ 112,
242, 247) sowie für Gewinnanteilscheine bei Veräußerung
einer Aktie (Luther in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz
Bd.1 § 58 Rdnr. 117) eine zubehörähnliche Verbindung angenommen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Wie das Berufungsgericht im einzelnen ausführt, bildet das jährlich neu
zwischen Zucker-AG und Landwirt abgeschlossene Rübenlieferrecht keine zubehörähnlicne wirtschaftliche Einheit
mit einer bestimmten Ackerfläche, sondern ist allenfalls betriebsbezogen. Dem hält die Revision nur entgegen, die
Lieferleistungen des Betriebes bauten, auf der Betriebsfläche auf, denn die Zuckerfabrik sei bei der Kontingentierung nicht frei. Dies belegt jedoch allenfalls die auch vom
Berufungsgericht in Betracht gezogene zubehörähnliche Zuordnung des Rübenlieferrechts zum jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieb, nicht aber zur verkauften Einzelfläche.
Deshalb kann der Erwerber einer einzelnen Ackerfläche die
Übertragung eines .(anteiligen) Rübenlieferrechts nur dann
verlangen, wenn es zwischen ihm und dem Veräußerer vereinbart wurde (vgl. auch Grages a.a.O. S.197).
5. BGB §§ 912 ff. (Zur Frage nach dem Stammgrundstück
beim Eigengrenzüberbau)
Auch beim Eigengrenzüberbau beantwortet sich die Frage,
welches der beiden Grundstücke als Stammgrundstück im
Sinne von § 912 BGB anzusehen ist, soweit möglich, nach
den Absichten des Erbauers (Ergänzung zu BGHZ 64, 333
[= MittBayNot 1975, 218 = DNotZ 1976, 224]). Indizien für
diese Absichten können bestimmte objektive Gegeben.
heiten sein, z. B. die wirtschaftliche Interessenlage, die
Zweckbeziehung des übergebauten Gebäudes und die räumliche Erschließung durch einen Zugang.
BGH, Urteil vom 23.2.1990 — V ZR 231/88 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Vorsitzender Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien sind jede für sich zu gleichen Bruchteilen Eigentümer
benachbarter Grundstücke, die ursprünglich beide den Klägern gehörten. Auf dem Grundstück Nr.12 unterhielt der Kläger zu 2 gewerblich genutzte Räume mit einem Anbau, der bis zur Grenze des Grundstücks Nr.10 heranreichte. 1976/78 erweiterte er den Anbau zu einer
Halle, die nunmehr etwa je zur Hälfte dieseits und jenseits der Grundstücksgrenze steht. Das Grundstück Nr.10 veräußerten die Kläger
1986 an die Beklagten. Diese nahmen in der Folgezeit an dem Teil der
Halle, der auf ihrem Grundstück steht, bauliche Veränderungen vor
und benutzten ihn als Garage.
Die Kläger, die das Eigentum an der Halle weiterhin allein für sich
in Anspruch nehmen, verlangen mit ihrer Klage Beseitigung der baulichen Veränderungen, Entfernung des eingebrachten Pkw und die
Unterlassung weiterer Nutzung durch die Beklagten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht
hat sie abgewiesen. Die — zugelassene — Revision der Kläger führte
zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Aus den Gründen:
II. Die Kläger sind alleinige Eigentümer der von den Beklagten veränderten und mitgenutzten Halle. Ihre Klage ist daher
nach § 1004 Abs.1 Satz 1 BGB gerechtfertigt, soweit sie auf
Beseitigung gerichtet ist, bzw. nach § 1004 Abs. 1 Satz 2
BGB, soweit Unterlassung weiterer Benutzung durch die
Beklagten begehrt wird.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes über
das Eigentum beim Eigengrenzüberbau aus.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 26.4.
1961, V ZR 203/59, WM 1961, 761; BGHZ 64, 333, 337 [= MittBayNot 1975, 218 = DNotZ 1976, 224]; 102, 311,314 [= MittBayNot 1988, 570]; 105, 202, 203) finden die Überbauregeln
der §§ 912 ff. BGB sinngemäß auf den Fall Anwendung, daß
ein Eigentümer zweier Grundstücke mit dem Bau auf einem
derselben die Grenze des anderen überschreitet und in der
Folge die Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen gelangen. Daran ist festzuhalten.
b) Ein Grenzüberbau kann auch dort vorliegen, wo — wie
hier — ohne vollständigen Neubau unter Verwendung bereits vorhandener Wände eine Gebäudeerweiterung über die
Grenze hinaus stattgefunden hat (Senatsurt. v. 26.4.1961,
a.a.O.).
c) Wer Eigentümer des über die Grenze gebauten Gebäudeteils ist, regelt § 912 BGB zwar nicht unmittelbar (BGHZ 64,
333, 336). Dies ergibt sich nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch als mittelbare Folge der Vorschrift (vgl. Mot.
BGB III, S.287 unter Ziff. VII). Soweit das Recht des Eigentümers zur Duldung seines Überbaus durch den Nachbarn
240 MittBayNot 1990 Heft 4


besteht, unterliegt der hinübergebaute Gebäudeteil nicht
der Grundregel der § 94 Abs. 1, § 946 BGB, sondern es tritt
entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB die Wirkung ein, daß er
als Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks gemäß
§93, 94 Abs.2 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks bleibt, von dem aus übergebaut wurde (BGHZ 62, 141,
145 f.; Senatsurt. v. 22.5.1981, V ZR 102/80, WM 1981, 908 =
NJW 1982, 756 [= DNotZ 1982, 43]). Das gilt auch beim
Eigengrenzüberbau (BGHZ 64, 333, 336 f.; 102, 311, 314).
d) Daraus ergibt sich, daß die §§ 93, 94 Abs. 2, § 95 Abs. 1
Satz 2 BGB für das Eigentum am Überbau nur eingreifen,
wenn ein einheitliches Gebäude über die Grundstücksgrenze gebaut ist (Senatsurt. v. 22.5.1981, a.a.O., und 4.12.
1987, V ZR 189/86, NJW-RR 1988, 458; vgl. auch BGHZ 102,
311, 313 ff.). Denn der Bestandteilszugriff beider Grundstücke auf ein Gebäude, welches ihre Grenze überspannt,
ohne eine tatsächliche und rechtliche Einheit gemäß §§ 93,
94 Abs. 2 BGB zu bilden, würde nach § 94 Abs. 1, § 946 BGB
stärker sein als der unter dieser Voraussetzung nur lockere
Zusammenhang innerhalb des Gebäudes.
Das Berufungsgericht hat ersichtlich .die Halle aufgrund der
in Bezug genommenen, von den Klägern als Schriftsatzanlage überreichten Bauzeichnungen als einheitliches
Gebäude gewürdigt. Hiergegen erhebt die Revisionserwiderung keine Einwendungen. Die Annahme der Einheitlichkeit
begegnet aufgrund der baulichen Beschaffenheit der Halle
und der Verkehrsauffassung keinen Bedenken, selbst wenn
der neue und alte Teil der Bodenplatte keine statische Verbindung haben sollten, wozu Feststellungen vom Berufungsgericht nicht getroffen worden sind. Für die Einheitlichkeit
der Halle spricht ihre einheitliche Konstruktion und Gestaltung, der auch eine entsprechende Planung zugrunde lag,
sowie in besonderem Maße ihre funktionale Einheit als
Lagerhalle für den Gewerbebetrieb des Klägers zu 2 (Senatsurt. v. 4.12.1987, V ZR 189186, NJW-RR 1988, 458 und v.
2.6.1989, V ZR 167/88, WM 1989, 1541). Die Erwägung des
Berufungsgerichts, daß es möglich sei, die Halle an der
Grundstücksgrenze ohne Zerschlagung von Werten durch
eine Zwischenwand zu teilen, ändert an der Einheitlichkeit
des Gebäudes nichts.
2. Das Berufungsgericht hat nach allem die entscheidende
Frage richtig dahin gestellt, ob die Halle vom Grundstück
der Kläger - Nr.12 - seinerzeit auf das später von den Beklagten erworbene Grundstück - Nr.10 - übergebaut worden ist. Insoweit ist jedoch seine Auslegung der §§ 93, 94
Abs.2, § 912 BGB nicht rechtsirrtumsfrei.
a) Die Bestandteilszuordnung eines Grenzgebäudes im
Regelungszusammenhang der §93, 94, 95 Abs.1 Satz 2,
§ 912 BGB an nur eines der bebauten Nachbargrundstücke
setzt voraus, daß eines derselben als Stammgrundstück angesehen werden kann, von dem aus der Überbau vorgenommen worden ist (BGHZ 62, 141, 145 f.; 64, 333, 337). Für die
Frage, woraus sich die Bestimmung des Stammgrundstücks
ableiten läßt, hat die Rechtsprechung bislang im wesentlichen drei Fallgruppen unterschieden.
aa) Für den Normalfall, daß sich das Gebäude auf Grundstücken verschiedener Eigentümer befindet, kommt es darauf an, wer nach der Verkehrsanschauung „Geschäftsherr"
des Bauvorhabens ist, das heißt, in wessen Namen und wirtschaftlichem Interesse gebaut wurde (Senatsurt. v.
16.3.1960, V ZR 17159, LM BGB § 912 Nr.7 und vom 25.2.1983,
V ZR 299181, NJW 1983, 2022). Diesen Grundsatz hat der
Senat für die Beantwortung der Frage, von welchem GrundMittBayNot 1990 Heft 4
stück aus über eine fremde Grenze gebaut wurde, dahin fortentwickelt, daß es allein darauf ankomme, welche Absichten
und wirtschaftlichen Interessen den Erbauer geleitet hätten,
ohne daß .daneben der handwerkliche Bauablauf und die
Größe oder die Wichtigkeit des übergebauten Gebäudeteils
im Verhältnis zu dem auf dem Grundstück des Erbauers
liegenden „Stammteil"eine Rolle spielen (BGHZ 62, 141,146;
ebenso Urt. v. 12.7.1984, IX ZR 124183, LM BGB Nr.20 § 95
BI. 3 R = WM 1984, 1283 = NJW 1985, 789). Indizien für die
maßgeblichen Absichten des Erbauers können bestimmte
objektive Gegebenheiten sein, z. B. die wirtschaftliche.Interessenlage, die Zweckbeziehung des überbauten Gebäudes
und die räumliche Erschließung durch einen Zugang (vgl.
BGH Urt. v. 26.4.1961, V ZR 203/59, LM BGB § 912 Nr.9 = WM
1961, 716; vgl. auch schon RGZ 169, 172, 179)
bb) Wird das Gebäude auf einem einheitlichen Grundstück
errichtet und dieses erst später geteilt, so ist eine unmittelbare Anknüpfung an die Absichten des Erbauers allerdings
praktisch nicht möglich (BGHZ 64, 333, 337 f.). In diesem
Sonderfall kann die Zuordnung des Eigentums deshalb nur
an objektive Kriterien anknüpfen. Bei natürlicher Betrachtungsweise erscheint es dann sachgerecht, als Stammgrundstück das Grundstück anzusehen, auf dem sich nach
Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung der eindeutig
maßgebende Gebäudeteil befindet (BGHZ a.a.O.; ebenso
seither BGHZ 102, 311, 314; 105, 202, 204).
cc) Auch für den - hier gegebenen - Fall des Eigengrenzüberbaus mag eine unmittelbare Anknüpfung an die Absichten des Erbauers nicht immer möglich sein (vgl. BGHZ 64,
333, 337). Doch können sich diese Absichten hier aus den
objektiven Gegebenheiten eher erschließen. Wenn sich der
Erbauer nicht anders geäußert hat, kann vermutet werden,
daß die objektiven Gegebenheiten seinen Absichten entsprechen.
b) Das Berufungsurteil kann hiernach nicht bei Bestand bleiben, da es die Existenz eines Stammgrundstücks ohne ausreichende Berücksichtigung aller rechtlich dafür maßgeblichen Gesichtspunkte verneint hat, indem es nur Umfang,
Lage und wirtschaftliche Bedeutung der Hallenteile beiderseits der Grundstücksgrenze herangezogen hat. Eine solche
Beschränkung wird auch durch das vom Berufungsgericht
angeführte sachenrechtliche Offenkundigkeitsprinzip nicht
getragen. Ausdruck dieses in BGHZ 64, 333, 338 im Blick auf
Motive BGB III, Seite 43, eher beiläufig erwähnten Gedankens ist hauptsächlich die Publizität von Grundbuch und
Fahrnisbesitz nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften
über den gutgläubigen Erwerb. Bei einer Grenzlage des Gebäudes hat gerade die Tatsache, ob mehr auf das eine oder
andere Grundstück gebaut worden ist, keine Publizitätswirkung für das Gebäudeeigentum, wenn schon bei Innengrenzlage des Gebäudes der durch Augenschein und § 94
Abs.1, § 946 BGB vermittelte Rechtsschein nicht geschützt
ist, weil er von § 95 BGB durchbrochen wird. Sonst könnte
auch vom Grundstück des Eigentümers nicht über eine
fremde Grenze gebaut werden, wenn das Gebäude mehr als
zur Hälfte jenseits der Grenze zu stehen käme.
III.- Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen
sind, entscheidet der Senat gemäß § 565 Abs.3 Nr.1 ZPO in
der Sache selbst.
Das Grundstück der Kläger ist Stammgrundstück geworden.
Die Absicht des Eigentümers, die Halle bei ihrer Errichtung
insgesamt als Bestandteil zum Grundstück Nr.12 gehören zu
lassen, geht daraus hervor, daß sie für Zwecke seines auf
der Halle an das Stammgrundstück und die rechtliche
Sicherung dieses Bandes im Interesse des Betriebes waren
hier auch bestimmend für die wirtschaftliche Interessenlage
des Eigentümers beim Überbau schlechthin. Die nach ihrer
wirtschaftlichen Zweckbeziehung gegebene Zugehörigkeit
der Halle zum Grundstück Nr.12 wird zusätzlich dadurch
unterstrichen, daß im Gebäudeinneren ein Zugang- zu der
Halle nur vom Hause Nr.12 aus vorhanden ist. Aus diesen
Umständen hat bereits das Landgericht im Ergebnis zutreffend entnommen, daß das Grundstück der Kläger Stammgrundstück des Eigengrenzüberbaues gewesen sei.
6. ErbbauVO §§ 32, 33 (Vergütung für das Erbbaurecht bei
Ausübung des Heimfallanspruchs)
Der Vergütungsanspruch aus § 32 ErbbauVO entsteht erst
mit Erfüllung des Heimfallanspruchs durch Einigung und
Grundbucheintragung (insoweit Abweichung von dem
Senatsurteil vom 6.2.1976, V ZR 191/74, NJW 1976, 895). Erst
damit geht auch die Haftung für die durch ein Grundpfandrecht gesicherte persönliche Schuld des Erbbauberechtigten nach § 33 Abs.2 ErbbauVO auf den Grundstückseigentümer über.
BGH, Urteil vom 20.4.1990 - V ZR 301/88 — mitgeteilt von
entschiedenen Frage der Abtretbarkeit des Vergütungsanspruchs davon ausgegangen, daß dieser Anspruch schon
dann entsteht und fällig wird, wenn der Grundstückseigentümer den Heimfallanspruch geltend macht. Daran hält der
Senat-nicht fest.
Die Vergütung wird nach § 32 Abs.1 Satz 1-ErbbauVO ,,für
das Erbbaurecht" gewährt. Sie ist eine Entschädigung für
den Rechtsverlust, den der Erbbauberechtigte durch die
Übertragung des Erbbaurechts erleidet (Senatsurt. v.
6.2.1976, a.a.O.). Die Vergütung soll mithin den durch Erfüllung des Heimfallanspruchs eintretenden Vermögensnachteil ausgleichen. Daraus folgt, daß dem Erbbauberechtigten
der Vergütungsanspruch erst in dem Augenblick erwächst,
in dem er das Erbbaurecht an den Grundstückseigentümer
oder an einen von diesem gemäß § 3 ErbbauVO bezeichneten Dritten verliert, also mit dem dinglichen Vollzug des
Heimfallanspruchs durch Einigung und Grundbucheintragung. Das ergibt sich auch aus § 32 Abs.2 Satz 3 ErbbauVO.
Denn danach ist. Bezugswert für die Bemessung der Vergütung der Wert des Erbbaurechts im Zeitpunkt der Übertragung.
Dies bedeutet nicht, daß der Erbbauberechtigte zur Vorleistung gezwungen wäre. Der Anspruch auf Heimfallvergütung begründet ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273
Abs. 1 BGB, denn dafür genügt, daß der Gegenanspruch mit
Erfüllung der eigenen Leistung entsteht und fällig wird
(BGHZ 73, 317, 319; BGH, Urt. v. 29.4.1986, IX ZR 145/85,
LM BGB § 273 Nr.41).
D. Bundschuh, Vorsitzender Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte bestellte durch notariellen Vertrag vom 31.1.1980 den
.Eheleuten A. ein Erbbaurecht, das sie im Jahre 1982 an F. veräußerten. F. belastete das Erbbaurecht zugunsten der Klägerin mit einer
Grundschuld von 310.000 DM. Daraus betrieb die Klägerin die
Zwangsversteigerung des Erbbaurechts und erhielt am 22.1.1986
gegen ein Gebot von 210.000 DM den Zuschlag. Das Erbbaurecht veräußerte sie weiter.
Der Beklagte hatte nach Anordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens den ihm deswegen nach dem vertragsmäßigen Erbbaurechtsinhalt zustehenden Heimfallanspruch gegen F. geltend gemacht. Dieser wurde durch — rechtskräftiges — Versäumnisurteil
vom 6.11.1985 verurteilt, dem Beklagten die im Erbbaugrundbuch verzeichnete „Parzelle" aufzulassen, Zug um Zug gegen Freistellung von
der für die Klägerin eingetragenen Grundschuld. Die Umschreibung
des Erbbaurechts auf den Beklagten unterblieb, weil er einer Zwischenverfügung des Grundbuchamts nicht nachkam.
Die Klägerin ließ-am 6.1.1987 wegen einer ihr gegen F. zustehenden
Restforderung von 100.000 DM dessen angebliche Ansprüche gegen
den Beklagten auf Heimfallvergütung „bzw." auf Freistellung von den
Verpflichtungen aus der für sie eingetragen gewesenen Grundschuld
und von den hierdurch gesicherten Forderungen pfänden und sich
zur Einziehung überweisen.
Die auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen gerichtete Klage ist in
den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auch die Revision hat keinen
Erfolg.
Aus den Gründen:
Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt kann dem Beklag.
ten entgegengehalten werden, er hätte aufgrund des gegen
den Erbbauberechtigten F. erwirkten Versäumnisurteils die
den Vergütungsanspruch auslösende Umschreibung des
Erbbaurechts auf sich herbeiführen müssen, bevor es die
Klägerin ersteigerte. Der Grundstückseigentümer ist nicht
verpflichtet, einen ihm zustehenden Heimfallanspruch auszuüben (Glaß/Scheidt, Erbbaurecht 2.Aufl., § 32 Anm. II A a;
Weichhaus, Rpfleger 1979, 329, 330 f.; allg. Auff.) oder den
schon geltend gemachten Anspruch durchzusetzen. Eine
Verpflichtung zur Rücknahme des Erbbaurechts kann nur
durch schuldrechtliche Vereinbarung begründet werden, die
gemäß § 11 Abs.2 ErbbauVO, § 313 Satz 1 BGB notarieller
Beurkundung bedarf. Ohne eine solche Vereinbarung konnte
der Beklagte nicht in Schuldnerverzug kommen, so daß auch
keine Grundlage für einen Schadensersatzanspruch des
Erbbauberechtigten besteht. Ob der Beklagte mit der Rücknahme des Erbbaurechts in Gläubigerverzug war, ist unerheblich, weil sich daraus keine Schadensersatzpflicht
ergäbe.
2. Der frühere Erbbauberechtigte F. hat auch den von der
Klägerin gepfändeten und ihr zur Einziehung überwiesenen
Anspruch auf Freistellung von ihrer grundschuldgesicherten
Forderung nicht erworben.
a)...
1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Anspruch
des früheren Erbbauberechtigten F. gegen den Beklagten
auf Zahlung einer Heimfailvergütung.
Dem Erbbauberechtigten steht nach § 32 Abs.1 Satz 1
ErbbauVO eine Vergütung für das Erbbaurecht zu, wenn
der Grundstückseigentümer von dem Heimfallanspruch
Gebrauch macht. Der Senat ist in dem Urteil vom 6.2.1976,
V ZR 191/74, NJW 1976, 895 im Zusammenhang mit der dort
b) Die Vereinbarung in § 13 - Abs.5 des Erbbaurechtsvertrages, wonach der Erbbauberechtigte eine Heimfallentschädigung mindestens in Höhe der noch bestehenden Grundpfandrechte verlangen kann, legt das Berufungsgericht unangegriffen als eine bloße Wiedergabe der Regelung des
§ 33 ErbbauVO aus. Nach § 33 Abs. 1 ErbbauVO bleiben beim
Heimfall des Erbbaurechts darauf lastende Fremdgrundpfandrechte bestehen; zugleich geht bis zur Höhe des
MittBayNot 1990 Heft 4

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

22.02.1990

Aktenzeichen:

V ZR 231/88

Erschienen in:

MittBayNot 1990, 240-242

Normen in Titel:

BGB §§ 912 ff.