OVG Nordrhein-Westfalen 08. Juni 2021
15 A 299/20
BauGB §§ 127 ff., 133 Abs. 3; VwVfG NW § 53

Erschließungsbeitragsrecht – Eintritt der Vorteilslage

letzte Aktualisierung: 11.11.2021
OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 8.6.2021 – 15 A 299/20

BauGB §§ 127 ff., 133 Abs. 3; VwVfG NRW § 53
Erschließungsbeitragsrecht: Eintritt der Vorteilslage

1. Die Erhebung eines Erschließungsbeitrags ist auch ohne die unter dem Blickwinkel der
Belastungsklarheit verfassungsrechtlich gebotene Regelung einer zeitlichen Obergrenze jedenfalls
nach mehr als 30 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage in analoger Anwendung von § 53 VwVfG
NRW i. V. m. dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässig.
2. Ein Verständnis des Begriffs der Vorteilslage, nach dem diese in jedem Fall erst dann eintritt,
wenn die Erschließungsanlage dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und
sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht, wird
dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit
nicht gerecht.
3. Der Eintritt der Vorteilslage ist für das Erschließungsbeitragsrecht dann anzunehmen, wenn eine
dem Grundsatz nach beitragsfähige Erschließungsanlage – für den Beitragspflichtigen erkennbar –
den an sie im jeweiligen Fall zu stellenden technischen Anforderungen entspricht. Es ist unter dem
Blickwinkel der Erkennbarkeit ausreichend, wenn die unmittelbar in der
Erschließungsbeitragssatzung definierten Herstellungsmerkmale erfüllt sind, eine
zweckentsprechende Anlagennutzung möglich ist, die Anlage aus Sicht eines objektiven Betrachters
endgültig fertiggestellt erscheint und ein solcher nur durch das Studium des unveröffentlichten
Bauprogramms von der mangelnden Umsetzung Kenntnis erlangen könnte.
4. Die 30jährige Höchstfrist für die Beitragserhebung seit Eintritt der Vorteilslage wird durch den
Erlass eines Vorausleistungsbescheides nicht unterbrochen.
5. Wenn eine sachliche Beitragspflicht – wie etwa nach Ablauf der 30jährigen Höchstfrist –
endgültig nicht mehr entstehen kann, entfällt mit Blick auf die gesetzliche Zweckbestimmung einer
Vorausleistung deren Rechtfertigungsgrund. Denn die Abhängigkeit der Vorausleistung von der
späteren Beitragspflicht bewirkt, dass unbeschadet des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB die
Vorausleistung das rechtliche Schicksal des endgültigen Erschließungsbeitrags insofern teilt, als auch
ihre Rechtsgrundlage entfällt, sobald feststeht, dass eine Beitragspflicht endgültig nicht entstehen
kann.

Entscheidungsgründe

I. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten
übereinstimmend auf die Durchführung einer solchen verzichtet haben (§ 101 Abs. 2
VwGO). Die entsprechende Prozesserklärung konnte die Klägerin auch ohne die beim
Oberverwaltungsgericht nach § 67 Abs. 4 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich
notwendige anwaltliche Vertretung wirksam abgeben.

So im Ergebnis auch Hess. VGH, Urteil vom 9. März 2015 - 10 A 1084/14 -, juris Rn. 23 ff.
An dieser, für die bis zum 30. Juni 2008 geltende Rechtslage vom
Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht,
siehe dazu BVerwG, Beschluss vom 8. November 2005 - 10 B 45.05 -, juris Rn. 6, und
Urteil vom 28. April 1981 - 2 C 51.78 -, juris Rn. 17 m. w. N.,
ist auch nach der Neufassung des § 67 VwGO durch das Gesetz zur Neuregelung des
Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2840) jedenfalls in der hier
vorliegenden Konstellation festzuhalten. In der Neufassung ist zwar der vorher in der
Vorschrift enthaltene Zusatz entfallen, dass sich die Beteiligten (nur) vertreten lassen
müssen, soweit sie einen Antrag stellen. Eine ausdrückliche Ausnahme vom
Vertretungserfordernis ist jetzt lediglich noch für das Prozesskostenhilfeverfahren
vorgesehen. Allerdings sind aus Gründen der Praktikabilität nach wie vor ungeschriebene
Ausnahmen vom Vertretungszwang anzuerkennen, soweit sie dem Sinn und Zweck der
Anwaltspflicht nicht entgegenstehen.

So kann etwa auch nach der geltenden Rechtslage ein ohne Beachtung des
Vertretungszwangs eingelegtes Rechtsmittel wirksam in derselben Weise
zurückgenommen werden.

Siehe BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - 3 B 101.08 -, juris Rn. 1.
Eine Ausnahme vom Vertretungszwang ist ferner gerechtfertigt für den Verzicht auf
mündliche Verhandlung einer - wie hier - anwaltlich nicht vertretenen Berufungsbeklagten.
Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung hat für die Berufungsbeklagte in diesem Fall
keine weitergehenden nachteiligen Folgen als das Fehlen der anwaltlichen Vertretung an
sich. Insofern ist anerkannt, dass bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung der
Rechtsmittelgegnerin diese keinen einer Sachentscheidung zugänglichen Antrag stellen
kann; ferner sind ihre Ausführungen zum Sachverhalt und zur Rechtslage unbeachtlich,
auch in einer mündlichen Verhandlung darf sie sich nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 137
Abs. 4 ZPO nicht zur Sache äußern.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 1983- 9 C 1007.81 -, juris Rn. 4; OVG Sachs.-
Anh., Beschluss vom 17. Oktober 2006 - 1 L 90/06 -, juris Rn. 30.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung würde angesichts dessen ihre
prozessuale Situation insbesondere wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes und unter
dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verbessern.

II. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht
stattgegeben; sie ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni
2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu einer Vorausleistung auf den
Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Erschließungsanlage „I.----------straße ,
Stichstraße“ sind die § 133 Abs. 3, §§ 127 ff. BauGB i. V. m. den Vorschriften der Satzung
der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 21. Dezember 1988 in
der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 15. Dezember 2015 (im Folgenden: EBS).
Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB können Vorausleistungen auf einen künftigen
Erschließungsbeitrag unter anderem dann verlangt werden, wenn mit der Herstellung der
Erschließungsanlage begonnen wurde und die endgültige Herstellung der Anlage
innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist.

Dies zugrunde gelegt war der angefochtene Vorausleistungsbescheid im Zeitpunkt seines
Erlasses dem Grunde nach rechtmäßig (1.). Er ist jedoch nachträglich rechtswidrig
geworden (2.). Denn die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten sind bis zum Ablauf
der sich aus § 53 Abs. 2 VwVfG NRW i. V. m. dem Grundsatz von Treu und Glauben
ergebenden 30jährigen Ausschlussfrist nicht (mehr) entstanden [a)]; der
Vorausleistungsbescheid kann deshalb keinen Rechtsgrund mehr für das Behaltendürfen
der vereinnahmten Vorausleistung bilden und ist aufzuheben [b)].

1. a) Im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 30. Juni 2017 durch die Beklagte war mit der
Herstellung der Erschließungsanlage bereits begonnen worden und es war mit ihrer
endgültigen Herstellung innerhalb von vier Jahren zu rechnen. Eine Anbaustraße ist -
abgesehen von der Ermittelbarkeit des entstandenen Aufwands - erst dann erstmalig
endgültig hergestellt, wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen
Teileinrichtungsprogramm (für die nicht flächenmäßigen Teileinrichtungen) und dem
(dieses Teileinrichtungsprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen
ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem
jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 - 8 C 13.94 -, juris Rn. 19.
Ausgehend davon war die Erschließungsanlage erst im Zeitpunkt des
Anpassungsbeschlusses der Bezirksvertretung C1. vom 16. Januar 2018 endgültig
technisch hergestellt. Nach dem Ausbau der Anlage bis zum Jahr 1987 wies sie die nach
dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm erforderlichen (nicht flächenmäßigen)
Teileinrichtungen (betriebsfertige Entwässerungs- und Beleuchtungsanlagen) und die
erforderliche Befestigung aus Pflaster auf (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EBS). Im Hinblick auf die
flächenmäßigen Teileinrichtungen Fahrbahn und Gehweg war das im Jahr 1978
beschlossene und als Bauprogramm fungierende Gestaltungskonzept aber zunächst noch
nicht vollständig umgesetzt, weil in Abweichung von diesem u. a. im Wendehammer ein
Baumbeet von der Pflasterung ausgespart worden war. Eine Übereinstimmung des
tatsächlichen Ausbauzustands mit dem Bauprogramm wurde erst durch den
Anpassungsbeschluss der Bezirksvertretung C1. vom 16. Januar 2018 herbeigeführt,
mit dem eine Änderung des Bauprogramms im Hinblick auf die bestehenden
Abweichungen beschlossen wurde.

Eine vorherige formlose Änderung des Bauprogrammes - etwa durch die Vergabe des
Auftrages zur Baumpflanzung an die Gartenbaufirma oder dadurch, dass der Zustand
nach der Baumpflanzung nicht mehr verändert wurde - kommt nicht in Betracht. Denn das
förmlich aufgestellte Bauprogramm hätte nur durch einen förmlichen Beschluss geändert
werden können,
vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2017 - 15 A 2321/14 -, juris Rn. 27 m. w. N.,
an dem es hier fehlte.

Da eine solche (förmliche) Anpassung des Bauprogramms an den vorhandenen Bestand
im Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides bereits geplant war, war mit der
endgültigen Herstellung der Anlage innerhalb von vier Jahren zu rechnen.

b) Die Beitragspflicht war im Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides auch
noch nicht verjährt. Da die Beitragspflicht im Zeitpunkt des Erlasses des
Vorausleistungsbescheides ausgehend von den obigen Darlegungen mangels endgültiger
Herstellung der Anlage noch nicht entstanden war (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB), konnte
sie auch noch nicht verjährt sein, weil die Verjährungsfrist nach § 1 Abs. 3, § 12 Abs. 1
Nr. 4 Buchst. b) KAG NRW, § 169 Abs. 1 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO erst mit der Entstehung
der Beitragspflicht zu laufen begann.

2. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid ist jedoch dem Grunde nach rechtswidrig
geworden und aufzuheben, weil der Beitrag im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen
Beitragspflicht bereits (endgültig) nicht mehr erhoben werden konnte.

a) Das nordrhein-westfälische Kommunalabgabengesetz verstößt gegen den
verfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (Art. 2
Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG), weil und soweit es nach dem Eintritt der
Vorteilslage, die jedenfalls mit der endgültigen technischen Herstellung der
Erschließungsanlage entsteht, eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung ohne gesetzliche
Bestimmung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung erlaubt [dazu aa)].
Einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG
oder an den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen nach Art. 100
Abs. 1 GG, § 50 Abs. 1 VerfGHG bedarf es gleichwohl nicht, weil eine Beitragserhebung
mehr als 30 Jahre nach Eintritt der Vorteilslage auch unabhängig von der
verfassungsrechtlich gebotenen spezialgesetzlichen Regelung in analoger Anwendung
von § 53 VwVfG NRW i. V. m. dem Grundsatz von Treu und Glauben unter
Berücksichtigung des Gebots der Belastungsklarheit ausgeschlossen ist und die
Erschließungsbeitragspflicht hier vor Ablauf dieser Frist nicht entstanden ist. Die
Verfassungswidrigkeit der nordrhein-westfälischen Regelungen kommt daher vorliegend
nicht entscheidungserheblich zum Tragen [dazu bb)].

aa) Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit, der auch im
Erschließungsbeitragsrecht gilt, schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher
Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten
herangezogen werden können. Es darf daher nicht ganz von einer Regelung abgesehen
werden, die der Erhebung einer Abgabe - ausgehend vom Eintritt der Vorteilslage - eine
bestimmte zeitliche Grenze setzt. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten
Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit
durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen
Ausgleich zu bringen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 12 ff. m. zahlr. w. N.
Diesen Anforderungen wird das nordrhein-westfälische Kommunalabgabenrecht nicht
gerecht. Die Regelung der § 1 Abs. 3, § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG NRW i. V. m.
§ 170 Abs. 1 AO gewährleistet keine hinreichende Berücksichtigung des Interesses des
Beitragsschuldners an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme. Zwar endet
danach die Festsetzungsfrist vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Abgabe
entstanden ist (§ 1 Abs. 3, § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG NRW, § 169 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO). Indes entsteht die Beitragspflicht nach § 133 Abs. 2
BauGB nicht notwendig bereits mit der tatsächlichen Fertigstellung der Straße
entsprechend dem zugrunde liegenden Bauprogramm und den Satzungsbestimmungen,
sondern bedarf es daneben der oben bereits dargelegten weiteren Voraussetzungen, wie
der Widmung und der planungsrechtlichen Rechtmäßigkeit der Herstellung. Ferner bedarf
es - soweit die jeweilige Satzung dies als Herstellungsmerkmal vorsieht - neben der
„technischen" Fertigstellung auch des vollständigen Grunderwerbs der Fläche der Anlage
durch die Gemeinde. Geht die technische Herstellung der Widmung, dem
Eigentumserwerb oder der Herstellung der planungsrechtlichen Rechtmäßigkeit voraus, so
beginnt daher ungeachtet der Dauer des dazwischen liegenden Zeitraums keine
Festsetzungsfrist zu laufen.

Vgl. (in Bezug auf die Entstehungsvoraussetzung der Widmung) BVerwG, Beschluss vom
6. September 2018 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 24; Driehaus/Raden, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 38.

Folglich müssen die Eigentümerinnen und Eigentümer erschlossener Grundstücke damit
rechnen, dass sie wegen fehlender Widmung oder fehlendem Eigentumserwerb zeitlich
unbegrenzt von der Gemeinde zu Erschließungsbeiträgen herangezogen werden.

Eine über § 1 Abs. 3, § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG NRW i. V. m. § 170 Abs. 1 AO
hinausgehende absolute, d. h. (allein) an den Zeitpunkt der Erlangung des Vorteils
anknüpfende abgabenrechtliche Ausschlussfrist besteht in Nordrhein-Westfalen nicht. Die
gebotene gesetzliche Befristung folgt darüber hinaus weder aus einer
verfassungskonformen Auslegung der vorgenannten Normen noch aus anderen
Rechtsvorschriften oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

Die bestehenden Verjährungsregelungen können nicht verfassungskonform dahingehend
ausgelegt werden, dass der Beginn der Festsetzungsfrist nicht an die Entstehung der
Beitragspflicht, sondern an den Eintritt der Vorteilslage, d. h. die technische Herstellung
der Straße anknüpft, weil eine solche Auslegung die Grenzen richterlicher
Rechtsfortbildung überschritte. Einer analogen Anwendung von § 53 Abs. 2 VwVfG NRW
sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben kann eine gesetzesgleiche und eindeutige
zeitliche Begrenzung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen auf 30 Jahre nach Eintritt
der Vorteilslage ebenfalls nicht entnommen werden. Dies entspräche nicht den
Anforderungen des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Denn § 53
Abs. 2 VwVfG regelt einen Sonderfall, der nicht dergestalt auf die Heranziehung zu
Erschließungsbeiträgen übertragen werden kann, dass diese nicht schon vor Ablauf einer
Frist von 30 Jahren seit dem Eintritt der Vorteilslage ausgeschlossen ist.
Ausführlich zum Ganzen in Bezug auf die vergleichbare Rechtslage in Rheinland-Pfalz
BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018- 9 C 5.17 -, juris Rn. 27 ff. m. w. N.; ferner
BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, juris Rn. 33 (für der Erhebung
sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeiträge).

bb) Die danach vorliegende Verfassungswidrigkeit der Regelungen des nordrheinwestfälischen
Kommunalabgabenrechts kommt im vorliegenden Fall nicht
entscheidungserheblich zum Tragen. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass
die Erhebung eines Erschließungsbeitrags auch ohne die unter dem Blickwinkel der
Belastungsklarheit verfassungsrechtlich gebotene Regelung einer zeitlichen Obergrenze
jedenfalls nach mehr als 30 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage in analoger Anwendung
von § 53 VwVfG NRW i. V. m. dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässig ist [dazu
(1)]. Die Erschließungsbeitragspflicht ist hier vor Ablauf dieser Frist nicht entstanden [dazu
(2)].

(1) Gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW beträgt die Verjährungsfrist bei einem
unanfechtbaren Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs
eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, 30 Jahre. Die Vorschrift betrifft
den Sonderfall eines titulierten und damit endgültig bestimmten, eindeutigen Anspruchs
und bezweckt einen Ausgleich zwischen den Grundsätzen von Rechtssicherheit und
Rechtsfrieden einerseits und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
andererseits. Diesen Zweck verfolgt auch das Gebot der Belastungsklarheit und
-vorhersehbarkeit, in dessen einfach-rechtlicher Umsetzung es dem Gesetzgeber obliegt,
die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an
Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu
einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Allerdings unterscheiden sich die
Interessenlagen in der Konstellation eines bestandskräftig durch Verwaltungsakt
festgestellten Anspruchs auf der einen Seite und der Erhebung von Beiträgen, die dem
Grunde wie auch der Höhe nach vor ihrer bestandskräftigen Feststellung ungewiss,
insbesondere von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig sind, und deren Ermittlung
wiederum mit zunehmendem Zeitablauf erschwert wird, auf der anderen Seite. Dem
Interesse des Abgabenschuldners, jedenfalls durch Zeitablauf Klarheit über seine
Inanspruchnahme zu erlangen, kommt deutlich größeres Gewicht zu als demjenigen des
Betroffenen in den Fällen des § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW, in denen Grund und Höhe
der Belastung bereits aufgrund der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts feststehen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 32.

Diese unterschiedlichen Interessenlagen verbieten zwar nach der angeführten
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine (generelle) analoge Anwendung des
§ 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW mit der Folge, dass dem Gebot der Belastungsklarheit
Genüge getan und Beitragserhebungen, die weniger als 30 Jahre seit Eintritt der
Vorteilslage erfolgen, als rechtmäßig zu erachten wären. Allerdings lässt sich aus dem
Vergleich der in den beiden Konstellationen vom Gesetzgeber gegeneinander
abzuwägenden Interessen der Schluss ziehen, dass wenn gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1
VwVfG NRW selbst bestandskräftig festgestellte Ansprüche nach 30 Jahren nicht mehr
durchgesetzt werden können, spätestens nach Verstreichen dieser Frist auch vor Erlass
einer dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügenden gesetzlichen
Regelung die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ausgeschlossen sein muss.
In diese Richtung weisend („allenfalls“) BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018 - 9 C
5.17 -, juris Rn. 42.

Insoweit ist die 30-Jahres-Frist als längst mögliche Erhebungsfrist für Beiträge auch
Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben.

Dass diese Schlussfolgerung inhaltlich gerechtfertigt ist, zeigen auch die unterschiedlichen
Ausschlussfristen, die von der überwiegenden Zahl der Bundesländer in Reaktion auf den
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 -) erlassen
worden sind. Bei den Regelungen haben die Landesgesetzgeber eine 30jährige Frist zwar
als Ausgangspunkt ihrer Abwägung angenommen, als deren Ergebnis jedoch ausdrücklich
abgelehnt und sämtlich (z. T. deutlich) kürzere Fristen erlassen, die sich im Bereich
zwischen zehn und 25 Jahren bewegen.

Vgl. zu den landesgesetzlichen Regelungen BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018-
9 C 5.17 -, juris Rn. 41.

Lediglich für Altfälle hat der Bayerische Gesetzgeber eine Frist von 30 Jahren vorgesehen
(Art. 19 Abs. 2 KAG).

Ausgehend davon gebietet der Grundsatz der Belastungsklarheit und-vorhersehbarkeit
zwar auch in Nordrhein-Westfalen den Erlass einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die
der Beitragserhebung in zeitlicher Hinsicht - nach Eintritt der Vorteilslage - eine absolute
Obergrenze setzt. Gleichwohl bedarf es in Fällen, in denen die Beitragspflicht mehr als 30
Jahre nach diesem Zeitpunkt entsteht, keiner Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
oder den Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, weil dann eine Beitragserhebung
auch nach dem derzeit geltenden einfachen Recht ausgeschlossen ist.

(2) In Anwendung der dargelegten Grundsätze kam eine Beitragserhebung im Zeitpunkt
der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im Januar 2018 nicht mehr in Betracht, weil
seit dem Eintritt der Vorteilslage bereits ein Zeitraum von mehr als 30 Jahren verstrichen
war. Die Vorteilslage ist mit Abschluss der maßgeblichen Bauarbeiten Ende des Jahres
1987 eingetreten.

(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es im
Erschließungsbeitragsrecht für das Entstehen der Vorteilslage maßgeblich auf die
tatsächliche - bautechnische - Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme an,
nicht jedoch darauf, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den Betroffenen nicht
erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht
vorliegen. Beurteilungsmaßstab hierfür ist die konkrete Planung der Gemeinde für die
jeweilige Anlage. Entscheidend ist, ob diese sowohl im räumlichen Umfang als auch in der
bautechnischen Ausführung nur provisorisch her- oder schon endgültig technisch
fertiggestellt ist, d. h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und
sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig
entspricht.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Dezember 2019 - 9 B 53.18 -, juris Rn. 7, und vom
6. September 2018 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 55.

Es kommt demnach für die Ausschlussfrist mit Blick auf eine beitragsfähige
Erschließungsanlage auf die tatsächliche - bautechnische - Durchführung der jeweiligen
Erschließungsmaßnahme im Sinne der oben [unter II.1.a)] definierten endgültigen
Herstellung nach § 133 Abs. 2 BauGB (mit Ausnahme der Erforderlichkeit des Eingangs
der letzten Unternehmerrechnung) an.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. November 2017- 15 A 1812/16 -, juris Rn. 54.
Unerheblich für den Eintritt der Vorteilslage ist hingegen das Vorliegen der rechtlichen
Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten, wie die Widmung der
Anlage, die planungsrechtliche Rechtmäßigkeit ihrer Herstellung, die Wirksamkeit der
Beitragssatzung oder der vollständige Grunderwerb.

Bleibt der Ausbau hinter dieser Planung zurück, ist zu prüfen, ob die Gemeinde ihre
weitergehende Planung - wirksam - aufgegeben hat und den erreichten technischen
Ausbauzustand nunmehr als endgültig mit der Folge ansieht, dass mit Aufgabe der
Planung die Vorteilslage eingetreten ist.

Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 24. Februar 2017- 6 BV 15.1000 -, juris Rn. 31.

(b) Gemessen daran wäre die Vorteilslage erst mit dem Anpassungsbeschluss der
Bezirksvertretung C1. vom 16. Januar 2018 eingetreten. Die Herstellung der Anlage in
vollständiger Entsprechung zum Bauprogramm erfolgte nicht durch die Pflasterung des
Bereichs des Baumbeets und die Freilegung der mit der Garage überbauten Fläche,
sondern vielmehr durch die spätere Anpassung des Bauprogramms an den vorhandenen
Bestand mit dem genannten Beschluss der Bezirksvertretung.

Ein Verständnis des Begriffs der Vorteilslage, nach dem diese in jedem Fall erst dann
eintritt, wenn die Erschließungsanlage dem gemeindlichen Bauprogramm für die
flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen
Ausbauprogramm vollständig entspricht, wird jedoch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip
abgeleiteten Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht gerecht. Es ist
vielmehr unter dem Blickwinkel der Erkennbarkeit ausreichend, wenn die unmittelbar in der
Erschließungsbeitragssatzung definierten Herstellungsmerkmale erfüllt sind, eine
zweckentsprechende Anlagennutzung möglich ist, die Anlage aus Sicht eines objektiven
Betrachters endgültig fertiggestellt erscheint und ein solcher nur durch das Studium des
unveröffentlichten Bauprogramms von der mangelnden Umsetzung Kenntnis erlangen
könnte.

Vgl. zur Problematik der Erkennbarkeit der Erfüllung des Bauprogramms OVG NRW, Urteil
vom 5. März 1991 - 3 A 1629/87 -, juris Rn. 25 ff.; vgl. ferner OVG NRW, Urteil vom
29. September 1998 - 3 A 1193/94 -, juris Rn. 12; Driehaus/Raden, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 11 Rn. 61.

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt Klarheit darüber, ob ein Vorteilsempfänger die erlangten
Vorteile durch Beiträge auszugleichen hat, und damit eine für den Beitragsschuldner
konkret bestimmbare Frist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013- 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 43, 45.
Dieser muss selbst feststellen können, bis zu welchem Zeitpunkt er mit seiner
Heranziehung rechnen muss. Dies wiederum setzt die Erkennbarkeit des Zeitpunkts
voraus, in dem der beitragsrechtliche Vorteil entsteht und die Frist für eine mögliche
Inanspruchnahme zu laufen beginnt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 54.
Es ist daher folgerichtig, wenn im Erschließungsbeitragsrecht für den Eintritt der
Vorteilslage grundsätzlich auf die tatsächliche - bautechnische - Durchführung der
jeweiligen Erschließungsmaßnahme abgestellt wird, nicht jedoch auf das Vorliegen der
weiteren, für den Betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das
Entstehen der sachlichen Beitragspflicht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 55.
Denn ein bestimmter, durch die Durchführung von Baumaßnahmen herbeigeführter
(Ausbau-)Zustand ist zum einen Inbegriff des mit dem Erschließungsbeitrag abzugeltenden
Vorteils,
zur Abgeltung des erlangten Vorteils als Anknüpfungspunkt vgl. BVerfG, Beschluss vom
5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C
11.13 -, juris Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 24. November 2017 - 15 A 1812/16 -, juris
Rn. 45,
und zum anderen für die Beitragspflichtigen - anders als die rechtlichen
Beitragsentstehungsvoraussetzungen - in aller Regel als solcher auch ohne weiteres zu
erkennen. Das Erfordernis der Erkennbarkeit kann indes nicht pauschal lediglich auf die
rechtlichen Voraussetzungen der Entstehung der Beitragspflicht bezogen werden, sondern
muss auch im Hinblick auf die tatsächliche - bautechnische - Durchführung der Maßnahme
Berücksichtigung finden. Deswegen ist der Eintritt der Vorteilslage für das
Erschließungsbeitragsrecht nur dann anzunehmen, wenn eine dem Grundsatz nach
beitragsfähige Erschließungsanlage - für den Beitragspflichtigen erkennbar - den an sie im
jeweiligen Fall zu stellenden technischen Anforderungen entspricht.

Vgl. OVG NRW Urteil vom 24. November 2017- 15 A 1812/16 -, juris Rn. 47; Driehaus,
KStZ 2014, 181, 183 f.; anders VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9. März 2021 - 2 S
3955/20 -, juris Rn. 36.

Ausgehend davon ist die Vorteilslage zwar jedenfalls und spätestens dann eingetreten,
wenn die nach § 132 Nr. 4 BauGB in der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde
festgelegten, zum Teil durch das jeweilige Bauprogramm konkretisierten tatsächlichen
Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage erfüllt sind.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. November 2017- 15 A 1812/16 -, juris Rn. 49.
Die Vorteilslage kann mit Blick auf die notwendige Erkennbarkeit im Einzelfall aber auch
bereits vor diesem Zeitpunkt eintreten. Die Frage, ob die Erschließungsanlage endgültig
technisch hergestellt ist, bedarf eines Abgleichs der satzungsmäßigen
Herstellungsmerkmale sowie bei Straßen zusätzlich des gemeindlichen Bauprogramms mit
dem tatsächlichen Ausbauzustand. Dabei ist die Erfüllung der satzungsmäßigen
Anforderungen in der Regel mit einem überschaubaren und zumutbaren Aufwand
festzustellen. Denn zum einen ist die Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde als
Ortsrecht ohne weiteres öffentlich zugänglich, und zum anderen lässt sich die technische
Erfüllung der überschaubaren satzungsmäßigen Anforderungen (etwa zur notwendigen
Deckschicht von Gehwegen u. ä.) auch für Laien in aller Regel nachvollziehen.
Etwas anderes gilt jedoch mit Blick auf das etwa bei Straßen zusätzlich notwendige
Bauprogramm,
kritisch zur Bedeutung des Bauprogramms OVG NRW, Urteil vom 5. März 1991 - 3 A
1629/87 -, juris Rn. 25 ff.; vgl. ferner OVG NRW, Urteil vom 29. September 1998 - 3 A
1193/94 -, juris Rn. 12; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl.
2018, § 11 Rn. 61.

Hierbei besteht die erste Schwierigkeit für die betroffenen Beitragspflichtigen darin, das
Bauprogramm als solches zu identifizieren. Denn ein Bauprogramm kann formlos
aufgestellt werden und sich (mittelbar) aus Beschlüssen des Rats oder seiner Ausschüsse
sowie den zugrunde liegenden Unterlagen oder sogar aus der Auftragsvergabe ergeben.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 1995 - 8 C 13.94 -, juris Rn. 19, und vom 18. Januar
1991- 8 C 14.89 -, juris Rn. 26; OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Oktober 2019 - 15 B
1090/19 -, juris Rn. 14, vom 14. Juli 2017 - 15 A 2321/14 -, juris Rn. 9, und vom
29. September 2015 - 15 A 1163/14 -, juris Rn. 12.

Die Erfüllung des Bauprogramms kann ferner von der zutreffenden rechtlichen
Qualifikation der Festsetzungen des Bebauungsplans abhängig sein: Nimmt etwa eine
Unterteilung der ausgewiesenen Verkehrsfläche nach verschiedenen Zwecken (z. B.
Fahrbahn und Gehwege) im Bebauungsplan an dessen Rechtssatzqualität teil, so kommt
im Falle eines Minderausbaus einer Teilanlage (etwa der Fahrbahn), dessen
Unbeachtlichkeit nach § 125 Abs. 3 BauGB in Betracht. Liegen dessen Voraussetzungen
vor, ist die Herstellung der Fahrbahn sowohl erschließungs- als auch planungsrechtlich
rechtmäßig, weil die Festsetzungen des Bebauungsplans ein formloses Bauprogramm
verdrängen. Die durch das Einstellen der Ausbauarbeiten abgeschlossene Maßnahme ist
dann auch rechtlich als mit der tatsächlichen Beendigung der Ausbauarbeiten
abgeschlossen im Sinne des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu qualifizieren. Sind die
Angaben im Bebauungsplan über die Unterteilung der Gesamtfläche der Anlage hingegen
lediglich von nachrichtlicher Qualität, bedarf es im Falle eines abweichenden Ausbaus
planungsrechtlich keiner Rechtfertigung nach § 125 BauGB. Dann können diese Angaben
aber als das für die Anlage aufgestellte Bauprogramm zu verstehen sein. In diesem Fall ist
die Anlage wegen des Minderausbaus noch nicht endgültig hergestellt und folglich diese
Maßnahme noch nicht abgeschlossen im Sinne des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB.
Vgl. zu diesen Konstellationen BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1991 - 8 C 14.89 -, juris
Rn. 25 ff.; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 11
Rn. 61.

Hinzu kommt, dass das Bauprogramm solange mit Auswirkungen auf das
Erschließungsbeitragsrecht geändert werden kann, wie die Straße insgesamt noch nicht
einem für sie aufgestellten Bauprogramm entspricht. An die Änderung des Bauprogramms
sind dabei keine anderen formellen Anforderungen zu stellen als an seine Aufstellung.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 1995 - 8 C 13.94 -, juris Rn. 19, und vom 18. Januar
1991- 8 C 14.89 -, juris Rn. 26.

Ausgehend davon bedarf es für die Prüfung der Frage, ob eine Straße als
Erschließungsanlage endgültig technisch hergestellt ist, zunächst der Einsicht in die
betreffenden Behördenakten, da das Bauprogramm in der Regel nicht veröffentlicht ist.
Sodann muss geprüft werden, welchen Inhalt das Bauprogramm hat und ob es nach der
Aufstellung in wirksamer Form geändert worden ist. Ist das geltende Bauprogramm auf
diese Weise identifiziert worden, ist im Anschluss ein Abgleich mit dem tatsächlichen
Ausbauzustand notwendig. Um insoweit insgesamt zu einem zutreffenden Ergebnis zu
gelangen, ist in der Regel nicht unerheblicher juristischer und technischer Sachverstand
bzw. entsprechende Vorbildung erforderlich. Ein mit diesen Bereichen nicht vertrauter Laie
wird an einer solchen in juristischer wie technischer Hinsicht anspruchsvollen Prüfung
oftmals scheitern, sofern nicht augenfällig ist, dass die technische Herstellung nur eine
provisorische ist. Die endgültige technische Herstellung dürfte für den Anlieger ohne
vertiefte Kenntnis aller - auch der nichtöffentlichen - Planungsvorgänge oftmals - so auch
hier - wesentlich schwerer zu beurteilen sein als etwa die Fragen der Widmung und des
Eigentumserwerbs, die wegen der fehlenden Erkennbarkeit für den Eintritt der Vorteilslage
nach der herrschenden Rechtsprechung nicht relevant sind. Dies verdeutlichen auch die
Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass es für einen Anlieger im vorliegenden
Einzelfall nicht ohne Kenntnis der Verwaltungsvorgänge und rechtliche Erwägungen
erkennbar gewesen sei, dass die endgültige technische Herstellung bis zur Änderung des
Bauprogramms an dem fehlenden Abriss der Gebäudeecke scheiterte. Auf diese
zutreffenden Erwägungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug
genommen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erwägung, es komme für die Erkennbarkeit
nicht subjektiv auf die „Laiensicht“ der einzelnen beitragspflichtigen Bürgerinnen und
Bürger an, sondern auf eine Erkennbarkeit nach dem objektiven Empfängerhorizont eines
Beitragspflichtigen. Ein Vorteilsempfänger müsse nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (nur) in zumutbarer Weise Klarheit darüber gewinnen können,
ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse.
Dies schließe auch erforderliche tatsächliche oder rechtliche Bewertungen nicht aus; dabei
sei es dem Beitragspflichtigen zumutbar, notfalls fachkundigen Rat einzuholen.
So VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9. März 2021 - 2 S 3955/20 -, juris Rn. 36.
Denn die Inanspruchnahme fachkundigen Rates ist dem Anlieger für die Beantwortung der
Frage, ob und wann die tatsächliche Vorteilslage eingetreten ist, nur insoweit zuzumuten,
als es um die Realisierung des durch die Erschließungsbeitragssatzung geregelten
tatsächlichen Ausbaus geht, oder wenn sonstige Umstände in der Örtlichkeit beim Laien
Zweifel wecken müssen, dass das - nicht durch Rechtssatz aufgestellte - Bauprogramm
noch nicht vollständig realisiert ist. In anderen Fällen erscheint der Hinweis auf die
Möglichkeit der Einholung fachkundigen Rates hingegen verfehlt. Zum einen spielt dieser
Gesichtspunkt auch für die Frage der Erkennbarkeit der rechtlichen Voraussetzungen für
das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht keine Rolle, obwohl diese sich in aller Regel
ebenfalls (und oftmals einfacher als hier) unter Zuhilfenahme fachkundigen Rates
beantworten lässt. Zum anderen lässt sich auch in Bezug auf - wie hier - die
Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigende Abweichungen vom Bauprogramm der
Gedanke heranziehen, dass - wenn diese den Eintritt der Vorteilslage hindern - die
Erlangung des Vorteils und die Entstehung der Beitragspflicht zeitlich unbegrenzt
zusammenfallen könnten und das Gebot der Belastungsklarheit damit leer liefe.
So in Bezug auf die fehlende Widmung BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018 - 9 C
5.17 -, juris Rn. 55.

Gegen eine Definition der beitragsrelevanten Vorteilslage unter Berücksichtigung der
Erkennbarkeit der endgültigen technischen Herstellung nach § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB
im oben dargestellten Sinn lässt sich schließlich auch nicht anführen, dass vor dem
vollständigen Abschluss der endgültigen technischen Herstellung noch gar kein Vorteil
entstanden sei. Der Erschließungsvorteil besteht in der Möglichkeit der Inanspruchnahme
der Erschließungsanlage vom erschlossenen Grundstück aus.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1995 - 8 C 11.94 -, juris Rn. 22;
Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 9 Rn. 3.
Eine solche Möglichkeit setzt zwar die Herstellung einer funktionstüchtigen
Erschließungsanlage voraus; die exakt bauprogrammgemäße Ausführung ist dafür indes
nicht erforderlich. Überdies ist der „vollständige“ Erschließungsvorteil auch dann noch nicht
eingetreten, wenn es an den - für den Eintritt der Vorteilslage nach der o. g.
Rechtsprechung unerheblichen - rechtlichen Voraussetzungen der endgültigen Herstellung
fehlt.

Nach diesen Maßgaben ist die Vorteilslage hier bereits Ende des Jahres 1987 mit dem
Abschluss der Pflanzarbeiten an der Anlage eingetreten, weil die unmittelbar in der
(damals geltenden) Erschließungsbeitragssatzung definierten Herstellungsmerkmals erfüllt
waren [dazu (aa)], lediglich einer zweckentsprechenden Anlagennutzung nicht
entgegenstehende, nur mittels Aktenstudium erkennbare Abweichungen der Ausführung
vom Bauprogramm vorlagen [dazu (bb)], und die Anlage aus Sicht eines objektiven
Betrachters nicht nur den Charakter eines Provisoriums hatte, sondern als endgültig
fertiggestellt erschien [dazu (cc)].

(aa) Für die Beurteilung der Erfüllung der satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale ist die
im Zeitpunkt des Abschlusses der (Bau-)Arbeiten geltende Erschließungsbeitragssatzung
der Gemeinde heranzuziehen; etwaige Änderungen bis zum Entstehen des
Beitragsanspruchs infolge der Erfüllung weiterer notwendiger Anspruchsvoraussetzungen
bleiben außer Betracht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. November 2017- 15 A 1812/16 -, juris Rn. 51.
Zu diesem Zeitpunkt galt die Satzung der Stadt C. über die Erhebung von
Erschließungsbeiträgen - Erschließungsbeitragssatzung - vom 24. Oktober 1980 in der
Fassung der 4. Änderungssatzung vom 13. Oktober 1986 (im Folgenden: EBS 1986).
Nach § 10 Abs. 1 EBS 1986 waren Straßen, Wege, Plätze, Sammelstraßen und
Parkflächen für Fahrzeuge endgültig hergestellt, wenn die Stadt Eigentümerin der
Erschließungsflächen war, sie auf tragfähigem Unterbau mit einer Decke aus Gussasphalt,
Asphaltbeton, Beton, Platten, Pflaster, Klinker oder mit einer ähnlichen Decke neuzeitlicher
Bauweise hergestellt und mit betriebsfertigen Entwässerungs- und
Beleuchtungseinrichtungen versehen waren. Diese Voraussetzungen waren erfüllt: Die
Anlage war mit einer Deckschicht aus Klinker versehen und wies die nach der Satzung
erforderlichen nicht flächenmäßigen Teileinrichtungen Entwässerung und Beleuchtung auf,
die sich auch entsprechend § 10 Abs. 1 Nr. 3 EBS 1986 in betriebsfertigem Zustand
befanden. Das in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EBS 1986 normierte (rechtliche) Erfordernis des
Grunderwerbs ist für den Eintritt der Vorteilslage unerheblich.

Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 4. Juli 2016- 12 K 6462/14 -, juris Rn. 55; Driehaus, KStZ
2014, 181, 184; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 24. Februar 2017 - 6 BV 15.1000 -, juris
Rn. 30 (zur ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nach bayerischem Landesrecht).

(bb) Die Abweichungen vom Bauprogramm standen einer zweckentsprechenden
Anlagennutzung nicht entgegen und waren allenfalls erkennbar, wenn Einsicht in das in
den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindliche Bauprogramm genommen worden
wäre.

(cc) Der bis heute unverändert bestehende Ausbauzustand vermittelt(e) schließlich auch
insgesamt nicht den Eindruck, unfertig zu sein, etwa weil einzelne Teileinrichtungen
offensichtlich nur provisorisch hergestellt worden wären.
Vgl. zu einem derartigen Fall OVG NRW, Beschluss vom 3. Juni 2020 - 15 A 1110/19 -,
juris Rn. 14 ff.

Dass die Anlegung des Baumbeetes in der Mitte des Wendehammers in dem
Gestaltungskonzept vom 25. April 1978 nicht vorgesehen war und über dieses hinausging,
war weder offensichtlich noch musste sich dies den Beitragspflichtigen aufdrängen.
In der Örtlichkeit war der Wendehammer bei der Abnahme der Kanal- und Tiefbauarbeiten
am 19. August 1986 ersichtlich noch nicht fertig, weil bei der Klinkerpflasterung die
Kreisfläche mit Durchmesser 3,70 m ausgespart und das Baumbeet durch provisorische
Kantensteine vorbereitet worden waren. Nachdem der Baum zu einem nicht genau
bekannten Zeitpunkt zwischen der Auftragsvergabe am 24. November 1987 und der
Rechnungsstellung am 2. Dezember 1987 gepflanzt worden und die Efeubepflanzung
sowie die Baumverankerung durch einen Dreibock abgeschlossen waren, waren aber
keine Anhaltspunkte mehr dafür ersichtlich, dass weitere Bau- oder Pflanzarbeiten folgen
würden. Der Eintritt der Vorteilslage wurde auch nicht durch die nach der Bepflanzung bis
1989 erfolgte Fertigstellungs- und Jahrespflege nach hinten verschoben. Denn aus der
objektiven Sicht der Anliegerinnen und Anlieger ist mit einer Baumpflanzung die
Baumaßnahme zur Herstellung des Straßenbegleitgrüns abgeschlossen. Dass danach
noch gärtnerische Arbeiten stattfinden, stellt sich für jene als allgemeine Pflegemaßnahme
dar. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug
genommen, die sich der Senat zu eigen macht.

Die 30jährige Höchstfrist für die Beitragserhebung lief ausgehend davon noch im
Dezember 2017 ab. Sie wurde durch den Erlass des Vorausleistungsbescheides auch
entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unterbrochen. Die Annahme einer solchen
Unterbrechung rechtfertigt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass bereits durch
den Vorausleistungsbescheid dem Grundsatz der Belastungsklarheit und
-vorhersehbarkeit genüge getan worden wäre, weil die Beitragspflichtigen in der Folge mit
dem Erlass eines endgültigen Beitragsbescheides rechnen mussten. Denn bei der 30-
Jahres-Frist handelt es sich um eine absolute Ausschlussfrist. Das durch sie verwirklichte
Gebot der Belastungsklarheit und-vorhersehbarkeit schützt unter Abwägung des
staatlichen Interesses an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten nicht
das Vertrauen, sondern das Interesse der Bürgerinnen und Bürger, irgendwann nicht mehr
mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können.
Die verfassungsrechtliche Grenze der Beitragserhebung setzt folglich keinen
Vertrauenstatbestand voraus, sondern knüpft allein an den seit der Entstehung der
Vorteilslage verstrichenen Zeitraum an.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013- 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 41, 43 f.; BVerwG,
Beschluss vom 6. September 2017 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 16.
Die sachliche Beitragspflicht ist erst nach Ablauf der Frist - im Januar 2018 infolge des
Anpassungsbeschlusses der Bezirksvertretung C1. - entstanden.

b) Unabhängig davon, ob nach dem Ablauf der 30-Jahres-Frist jegliche
Beitragsfestsetzung ausscheidet und der Vorausleistungsbescheid schon deshalb keinen
Behaltensgrund für die vereinnahmten Beiträge bildet,
so für den Fall der unterbliebenen endgültigen Beitragsfestsetzung vor Ablauf der
vierjährigen Festsetzungsfrist: OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2009 - 15 B 524/09 -,
juris Rn. 16,
oder ob dies nur gilt, wenn nicht zuvor eine Tilgung der entstandenen Beitragspflicht durch
die geleistete Vorausleistung eingetreten ist,
so für eine spezialgesetzliche, an den Eintritt der Vorteilslage anknüpfende Höchstfrist Bay.
VGH, Urteil vom 16. November 2018 - 6 BV 18.445 -, juris Rn. 28; Driehaus, Lösung von
Praxisfällen zum Erschließungs- und Straßenbaubeitragsrecht, 2. Aufl. 2021, S. 112 f.,
ist der streitgegenständliche Vorausleistungsbescheid im Zeitpunkt der
Berufungsentscheidung rechtswidrig geworden und aufzuheben. Die Vorausleistung ist
nach § 133 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB mit der endgültigen Beitragsschuld zu
verrechnen. Das heißt, sie ist dazu bestimmt, die spätere endgültige Beitragsforderung in
Höhe des gezahlten Betrags zu tilgen. Die Tilgungswirkung tritt von selbst („ipso facto“),
ohne dass es hierzu eines Verwaltungsakts bedarf, in dem Zeitpunkt ein, in dem die
endgültige sachliche Beitragspflicht für das betreffende Grundstück entsteht.
Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. März 2009- 9 C 10.08 -, juris Rn. 11, und vom
5. September 1975 - IV CB 75.73 -, juris Rn. 20 f.; Bay. VGH, Urteil vom 16. November
2018 - 6 BV 18.445 -, juris Rn. 28.

Die von der Beklagten angenommene Tilgungswirkung setzt mithin eine Entstehung der
sachlichen Beitragspflicht vor Ablauf der Ausschlussfrist voraus,
vgl. dazu ebenfalls Bay. VGH, Urteil vom 16. November 2018 - 6 BV 18.445 -, juris Rn. 28;
Driehaus, Lösung von Praxisfällen zum Erschließungs- und Straßenbaubeitragsrecht,
2. Aufl. 2021, S. 112 f.,
und konnte hier nicht mehr eintreten. Denn die 30-Jahres-Frist endete noch im Jahr 2017,
und die sachliche Beitragspflicht war zuvor nicht mehr entstanden, weil der
Anpassungsbeschluss der Bezirksvertretung C1. erst im Januar 2018 erging.
Eine sachliche Beitragspflicht kann seit Ablauf der Frist endgültig nicht mehr entstehen. In
einem solchen Fall entfällt mit Blick auf die gesetzliche Zweckbestimmung einer
Vorausleistung ihr Rechtfertigungsgrund,
vgl. BVerwG, Urteil vom 4. April 1975 - IV C1.73 -, juris Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom
30. Juni 2009 - 15 B 524/09 -, juris Rn. 7.

Denn die Abhängigkeit der Vorausleistung von der späteren Beitragspflicht bewirkt, dass
für den Erlass des Vorausleistungsbescheids zwar die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1
BauGB gegeben sein müssen, dass die Vorausleistung aber im Übrigen das rechtliche
Schicksal des endgültigen Erschließungsbeitrags insofern teilt, als auch ihre
Rechtsgrundlage entfällt, sobald feststeht, dass eine Beitragspflicht endgültig nicht
entstehen kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 1975 - IV CB 75.73 -, juris Rn. 18; vgl. auch Bay.
VGH, Urteil vom 16. November 2018 - 6 BV 18.445 -, juris Rn. 32.
Das war mit Ablauf der Ausschlussfrist der Fall. In diesem Zeitpunkt ist der
Vorausleistungsbescheid rechtswidrig geworden und hat seine Eigenschaft als
Rechtsgrundlage für das weitere Behaltendürfen der von der Klägerin erbrachten
Leistungen verloren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) sowie Divergenz im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 6. September 2018 - 9 C 5.17 - zur Frage des Zeitpunkts des Eintritts der Vorteilslage
(§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OVG Nordrhein-Westfalen

Erscheinungsdatum:

08.06.2021

Aktenzeichen:

15 A 299/20

Rechtsgebiete:

Öffentliches Baurecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BauGB §§ 127 ff., 133 Abs. 3; VwVfG NW § 53