OLG Bremen 24. April 2023
4 AV 1/22
FamFG §§ 107, 109

Anerkennung einer im Iran durchgeführten Ehescheidung

letzte Aktualisierung: 28.9.2023
OLG Bremen, Beschl. v. 24.4.2023 – 4 VA 1/22

FamFG §§ 107, 109
Anerkennung einer im Iran durchgeführten Ehescheidung

Nach iranischem Recht durchgeführte Scheidungen, denen ein gerichtliches Verfahren gemäß
Art. 26 ff. des Gesetzes zum Schutze der Familie vom 19.2.2013 (FSG 2013) vorausgeht, sind als
gerichtliche Scheidungen gemäß § 107 FamFG anerkennungsfähig. Das gilt auch für
Scheidungsanträge des Ehemannes, weil Art. 1133 Iran. ZGB in der seit dem Jahr 2002 geltenden
Fassung auch für den Ehemann einen gerichtlichen Antrag auf Scheidung vorsieht.

Gründe:

I.
Die Beteiligten, die jeweils sowohl deutsche als auch iranische Staatsangehörige sind,
haben am 1989 im Iran die Ehe miteinander geschlossen. Sie leben seit Juni 2015
getrennt voneinander in einer im jeweiligen hälftigen Miteigentum stehenden, in X
belegenen Immobilie.

Der Antragsgegner hat im Jahre 2020/2021 im Iran ein Scheidungsverfahren betrieben.
Mit Urteil vom 20.10.2020 (Nr. des Urteils: ) hat das Familiengericht Teheran
auf Ersuchen des Antragsgegners eine Bescheinigung über die Unmöglichkeit der
ebensfortsetzung ausgestellt. Mit Endurteil vom 2.12.2020 (Urteils-Nr. ) hat
das Revisionsgericht/Provinz Teheran auf die Revision der Antragstellerin das Urteil
des Familiengerichts Teheran vom 21.10.2010 (zutreffend: 20.10.2020) bestätigt. Mit
einem weiteren Endurteil vom 12.5.2021 (Urteil Nr. ) hat das Revisionsgericht/
Provinz Teheran auf die Revision der Antragstellerin das Urteil des Familiengerichts
Teheran vom 20.10.2020 (erneut) bestätigt. Am 25.5.2021 führte der Antragsgegner
in Abwesenheit der Antragstellerin im Notariat Nr. /Teheran (Reg.-Nr. )
die Scheidungszeremonie durch.

Mit Schriftsatz vom 6.7.2022 beantragte der Antragsgegner bei der Landesjustizverwaltung
Bremen die Anerkennung der im Iran erfolgten Scheidung. Der Antrag wurde
zuständigkeitshalber an die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in
Bremen zur Bearbeitung weitergeleitet. Die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts
in Bremen stellte ohne vorherige Anhörung der Antragstellerin mit Entscheidung
vom 26.10.2022 ohne nähere Begründung fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
für die Anerkennung der Ehescheidungsurkunde Reg.-Nr. des
Scheidungsnotariats Nr. Teheran/Iran, vom 25.5.2021 vorlägen.

Mit Schriftsatz vom 10.11.2022 hat die Antragstellerin beim Hanseatischen Oberlandesgericht
in Bremen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Zur Begründung rügt sie zunächst die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör,
weil sie im Anerkennungsverfahren nicht beteiligt worden sei. Überdies sei die
iranische Scheidung nicht anerkennungsfähig, weil sie mit wesentlichen Grundsätzen
des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Insbesondere verstoße das iranische
Scheidungsrecht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Antragstellerin beantragt,
1. über die Entscheidung der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts
in Bremen vom 26.10.2022, Geschäftszeichen 3465 E Nr. 29/2022
betreffend die Anerkennung der Ehescheidung Urkunderegisternummer
des Scheidungsnotariats Nr. in Teheran/Iran vom 25.5.2021 gerichtlich
zu entscheiden (§ 107 Abs. 6 S. 1 FamFG);
2. die Entscheidung der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts
in Bremen vom 26.10.2022, Geschäftszeichen 3465 E Nr. 29/2022 aufzuheben
und den Antrag des Antragsgegners auf Anerkennung der Ehescheidung
Urkundenregisternummer des Scheidungsnotariats Nr.
Teheran/Iran vom 25.5.2021 zurückzuweisen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag der Antragstellerin vom 10.11.2022, die Entscheidung der Präsidentin
des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 26.10.2022
3465 E Nr. 29/2022 - aufzuheben und den Antrag des Antragsgegners auf Anerkennung
der Ehescheidung im Iran zurückzuweisen, zurückzuweisen.

Soweit die Antragstellerin die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rüge,
sei dies im gerichtlichen Verfahren nachgeholt worden, so dass der Antrag darauf
nicht gestützt werden könne.

Auch unter Berücksichtigung von § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG sei die im Iran ausgesprochene
Ehescheidung in Deutschland anzuerkennen. Die Antragstellerin sei im
Iran anwaltlich vertreten gewesen. Da die Ehegatten bereits seit 2015 getrennt voneinander
lebten, wäre die Scheidung auch in Deutschland ohne weiteres durchgeführt
worden.

II.
Der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 107 Abs. 6
S. 1, Abs. 7 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg.

1.
Soweit die Antragstellerin rügt, ihr sei im Verwaltungsverfahren rechtliches Gehör versagt
worden, ist dies zwar zutreffend, wirkt sich aber im Ergebnis deswegen nicht aus,
weil die Gewährung rechtlichen Gehörs im vorliegenden gerichtlichen Verfahren
nachgeholt worden ist (vgl. BayObLG, FamRZ 2000, 485; Prütting/Helms/Hau, FamFG,
6. Auflage, § 107 Rn. 42; Staudinger/Spellenberg, BGB (2016), § 107 FamFG
Rn. 184).

2.
Im Ergebnis zu Recht hat die Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts in
Bremen festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der im Iran erfolgten
Scheidung vorliegen.

a) Der Antrag des Antragsgegners auf Anerkennung der im Iran erfolgten Scheidung
ist gem. § 107 Abs. 1 FamFG zulässig. Insbesondere liegt keine Heimatstaatentscheidung
im Sinne von § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG vor, die ein Anerkennungsverfahren
erübrigen würde. Denn beide Ehegatten haben neben der iranischen auch die
deutsche Staatsangehörigkeit (vgl. BGH, FamRZ 2020, 1811 Rn. 18ff.; OLG Braunschweig,
FamRZ 2023, 349, 350).

b) Anerkennungshindernisse im Sinne von § 109 Abs. 1 FamFG sind nicht festzustellen.

aa) § 109 Abs. 1 FamFG ist vorliegend anwendbar, weil es sich bei der im Iran erfolgten
Scheidung nicht um eine Privatscheidung, sondern um eine gerichtliche Scheidung
handelt. Würde es sich um eine Privatscheidung handeln, wäre Maßstab für die
Anerkennung nicht § 109 Abs. 1 FamFG, sondern die Wirksamkeit der Privatscheidung
müsste anhand des kollisionsrechtlich anzuwendenden Sachrechts beurteilt
werden (vgl. BGH, FamRZ 2020, 1811 Rn. 23).

Ob nach iranischem Recht durchgeführte Scheidungen als Privatscheidungen oder
gerichtliche Entscheidungen zu qualifizieren sind, wird unterschiedlich beurteilt.
Das iranische Scheidungsrecht sieht sowohl streitige als auch einvernehmliche
Scheidungen vor. Die einvernehmliche Scheidung, die sogenannte Khol-Scheidung,
ist in Art. 1146 f. iran. ZGB (im Folgenden: ZGB) geregelt. Daneben gibt es das in Art.
1133 ZGB geregelte Scheidungsrecht des Mannes in Form der Verstoßungsscheidung
(talaq). Auch der Ehefrau steht ein Scheidungsrecht zu, allerdings nur, wenn sie
bestimmte Scheidungsgründe anführt (vgl. zu den Einzelheiten: Finger, FamRB 2023,
161, 165ff.; Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders/Yassari, BGB, Familienrecht, 4. Auflage,
Länderbericht Iran Rn. 25).

Allen im iranischen ZGB geregelten Scheidungsverfahren ist gemein, dass ihnen ein
gerichtlicher Antrag vorausgehen muss (vgl. Finger, FamRB 2023, 161, 165ff.; Kaiser/
Schnitzler/Schilling/Sanders/Yassari, a.a.O.). Nach Art. 27 des Gesetzes zum
Schutze der Familie vom 19.2.2013 (im Folgenden: FSG 2013), von welchem Yassari
eine Teilübersetzung in StAZ 2014,195 ff. veröffentlicht hat, muss das Gericht bei allen
Scheidungsanträgen im streitigen Verfahren zum Zwecke der Versöhnung zunächst
ein Schlichtungsverfahren durchführen. Art. 26 FSG 2013 regelt zudem, dass
das Gericht, wenn der Antrag auf Ehescheidung einvernehmlich oder durch den Ehemann
gestellt wurde, die Bescheinigung über die Unmöglichkeit der Versöhnung erlässt.
Hat die Ehefrau den Antrag auf Ehescheidung gestellt, erlässt das Gericht nach
den gegebenen Umständen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ein Urteil,
mit dem der Ehemann zum Ausspruch der Scheidung verpflichtet wird, oder es erlässt
ein Scheidungsurteil im Falle einer Vollmacht der Ehefrau zur Ehescheidung (vgl.
Yassari, StAZ 2014, 125, 126; Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders/Yassari, a.a.O., Rn.
38f.). Die gerichtlichen Entscheidungen sind sodann gem. Art. 32 und 39 FSG 2013
bei den zuständigen Eheschließungs- und Ehescheidungsstellen vorzulegen. Art. 24
FSG 2013 bestimmt zudem, dass die Eintragung der Ehescheidung bei den zuständigen
Eheschließungs- und Ehescheidungsstellen nur nach Erlass der Bescheinigung
über die Unmöglichkeit der Versöhnung oder eines entsprechenden Gerichtsurteils
zulässig ist (vgl. zum ganzen Schnitzler/Schilling/Sanders/Yassari, a.a.O., Rn. 38 ff.;
Yassari, FamRZ 2023, 351, zugleich Anmerkung zu OLG Braunschweig, FamRZ
2023, 349; vgl. auch Finger, FamRB 2023, 161, 165ff.).

Im Hinblick auf die vorstehend erwähnte, hier nicht vorliegende, in § 1146 f. ZGB geregelte
einvernehmliche Khol-Scheidung ist das OLG Düsseldorf der Auffassung,
dass es sich um eine Privatscheidung handele, weil das vorstehend beschriebene
gerichtliche Verfahren nur vorbereitenden Charakter habe, während der Ausspruch
der Scheidungsformel, der die Eheauflösung herbeiführe, gem. Art. 1134 ZGB allein
dem Ehemann obliege (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2015, 13 VA 2/15,
juris Rn. 22). Davon abweichend ist das OLG Braunschweig der Auffassung, dass es
sich bei der (einvernehmlichen) Khol-Scheidung um eine gerichtliche Scheidung handele,
weil aufgrund der gesetzlichen Regelungen nach Durchführung eines Gerichtsverfahrens
über die Unmöglichkeit einer Versöhnung nach dem FSG (das OLG
Braunschweig hat in seiner Entscheidung das durch das FSG 2013 wohl überholte
Familienschutzgesetz vom 4.2.1975 zitiert, vgl. insofern Yassari, FamRZ 2023, 351)
keiner der Ehegatten allein den Vollzug der Scheidung mehr verhindern könne (OLG
Braunschweig, FamRZ 2023, 349). Die Entscheidung des OLG Braunschweig ist in
der Literatur jedenfalls im Hinblick auf das Ergebnis - auf breite Zustimmung gestoßen
(Yassari, FamRZ 2023, 351; Finger, FamRB 2023, 472; Johanson, jurisPR-FamR
24/22; wohl auch Unger, NZFam 2023 ,44).

Vorliegend handelt es sich allerdings nicht um eine einvernehmliche Khol-Scheidung
gemäß § 1146 f. ZGB, sondern um eine durch den Ehemann durchgeführte Verstoßungsscheidung
gemäß § 1133 ZGB. Im Hinblick auf eine solche Verstoßungsscheidung
hat der BGH für den Iran die Auffassung vertreten, dass die Auflösung der Ehe
durch Ausspruch des talaq ein privatrechtlicher Akt sei (BGH, Urteil vom 6.10.2004,
XII ZR 225/01, juris Rn. 38).

Demgegenüber haben Yassari und Finger aber nachvollziehbar dargestellt, dass
§ 1133 ZGB dem Ehemann zwar weiterhin das Recht einräume, sich ohne Angabe
von Gründen von seiner Ehefrau scheiden zu lassen. Aufgrund einer im Jahre 2022
erfolgten Gesetzesnovellierung müsse aber auch der Ehemann die Scheidung gerichtlich
beantragen. Art. 1133 ZGB n.F. laut
der gesetzlichen Voraussetzungen
Deswegen dürften keine Zweifel mehr darüber bestehen, dass im Iran außergerichtliche
Scheidungen nicht mehr zulässig seien (Kaiser/
Schnitzler/Schilling/Sanders/Yassari, a.a.O., Rn. 25). Die gemäß § 1133 ZGB
i.V.m. Art. 26 FSG 2013 zu beantragende gerichtliche Bescheinigung sei konstitutiv
(Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders/Yassary, a.a.O., Rn. 25; Finger, FamRB 2023,
161,167).

Dass die Einschätzung von Yassari und Finger zutreffend ist, wird nicht zuletzt durch
den Ablauf des iranischen Scheidungsverfahrens in der vorliegenden Sache verdeutlicht.
Auf Antrag des Ehemannes hat zunächst das Familiengericht Teheran mit Urteil
vom 20.10.2020 eine Bescheinigung über die Unmöglichkeit der Ehelebensfortsetzung
zwecks Ehescheidung ausgestellt. Die Revision der Ehefrau gegen dieses Urteil
ist vom Revisionsgericht Teheran mit Endurteil vom 12.5.2021 zurückgewiesen worden.
Erst nach Erlass dieser Revisionsentscheidung hat der Ehemann am 25.5.2021
vor dem Notariat 190/Teheran die gem. Art. 1134 ZGB vorgesehene Scheidungszeremonie
durchgeführt. In der Scheidungsurkunde wird ausdrücklich aufgeführt, dass
der Ehemann die gerichtliche Entscheidung vorgelegt hat. Auch der Inhalt der gerichtlichen
Entscheidung wird referiert. Die vorgelegte Übersetzung des Urteils des Familiengerichts
Teheran vom 20.10.2020 enthält darüber hinaus unter anderem die Formueinem
Scheidungsnotar
vollziehen und eintragen zu lassen. Anhand dieses Formulierung und des
Verfahrensablaufs wird deutlich, dass der Ehemann die Scheidungszeremonie erst
nach rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Gerichtsverfahrens durchführen
konnte und die gerichtliche Entscheidung somit konstitutiv für die Scheidung ist.
bb) Da es sich bei der vom Ehemann im Iran erwirkten Scheidung somit um eine gerichtliche
Scheidung handelt, richtet sich die Anerkennung nach § 109 Abs. 1 FamFG.

(1) § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG steht der Anerkennung nicht entgegen. Danach ist eine
Anerkennung ausgeschlossen, wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem
Recht nicht zuständig sind. Die internationale Zuständigkeit beurteilt sich für
den verfahrensgegenständlichen Zeitraum 2020/2021 nach der damals noch geltenden
Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Brüssel IIa Verordnung). Dass die Ehegatten
neben der deutschen auch die iranische Staatsangehörigkeit haben, ist für die Anwendung
der vorgenannten Verordnung irrelevant (Prütting/Helms/Hau, a.a.O., § 98
Rn. 12). Gemäß Art. 3 Abs. 1 a) Brüssel IIa-Verordnung bestand die internationale
Zuständigkeit deutscher Gerichte, weil unter anderem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland hatten. Allerdings regelt § 109 Abs. 2 S. 2 FamFG,
dass § 98 FamFG (und somit auch die dieser Vorschrift vorgehende Brüssel IIa Verordnung)
der Anerkennung der Ehescheidung nicht entgegen steht, wenn die ausländische
Entscheidung in einer Ehesache von den Staaten anerkannt wird, denen die
Ehegatten angehören. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da beide Ehegatten
auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen und die im Iran nach iranischem
Recht erfolgte Scheidung dort unzweifelhaft anerkannt wird (OLG Braunschweig, FamRZ
2023, 349, 350).

(2) Eine Gehörsverletzung im ausländischen Verfahren im Sinne von § 109 Abs. 1 Nr.
2 FamFG kann nicht festgestellt werden. Zwar macht die Antragstellerin geltend, sie
sei von den iranischen Gerichten nicht persönlich angehört worden. Nach § 109 Abs.
1 S. 2 FamFG ist die Anerkennung der ausländischen Entscheidung aber nur dann
ausgeschlossen, wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat
und sich darauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß
oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen
konnte. Der Antragsgegner hat jedoch unbestritten vorgetragen, dass die Antragstellerin
in den iranischen Gerichtsverfahren anwaltlich vertreten war. Sie hat sich somit im
iranischen Verfahren zur Hauptsache eingelassen, sodass eine Berufung auf § 109
Abs. 1 Nr. 2 FamFG ausscheidet (vergleiche OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 1887,
1888; Dutta/JacobiySchwab/Heiderhoff, FamFG, 4. Auflage, § 109 Rn. 9).

(3) Die Anerkennung der Entscheidung führt auch nicht zu einem Ergebnis, das mit
wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten,
offensichtlich unvereinbar ist (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. Art. 6 EGBGB).

Eine Anwendung von § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG setzt voraus, dass das Ergebnis der
Anerkennung im konkreten Fall schlechterdings untragbar erscheint, weil sich ein ek-
latanter Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in
ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen abzeichnet (vergleiche BGH, FamRZ
2018, 1846,1847; FamRZ 2016,43; FamRZ 2015, Prütting/Helms/Hau, a.a.O., § 109
Rn. 46).

Zwar stellen die Regelungen des iranischen Scheidungsrechts, die dem Mann Befugnisse
einräumen, welche die Frau nicht hat, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG dar
(vgl. Finger, FamRB 2023, 161, 167).

Ein geschlechterdiskriminierendes Scheidungsrecht ist allerdings unter anderem dann
nicht zu missbilligen, wenn die Ehe auch bei Anwendung deutschen Rechts zweifellos
zu scheiden gewesen wäre (BGH, NJW 2020, 3592 Rn. 57; OLG München, FamRZ
2022, 127; Sternal/Dimmler, FamFG, Z. 21. Auflage, § 109 Rn. 20).
So liegen die Dinge hier. Die Ehegatten leben unstreitig seit Juni 2015 voneinander
getrennt, sodass die Ehe auch nach deutschem Scheidungsrecht zweifellos zu scheiden
gewesen wäre (§§ 1565, 1566 Abs. 2 BGB).

Im Hinblick auf die in den iranischen gerichtlichen Entscheidungen festgelegten Zahlungsverpflichtungen
des Ehemannes an die Ehefrau kann ebenfalls keine Unvereinbarkeit
mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts festgestellt werden. Gegenstand
der Anerkennung ist allein die Ehescheidung (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 722
Rn. 17; Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Auflage, § 107 Rn. 5; MüKo/Rauscher, FamFG,
3. Auflage, § 107 Rn. 29). Die Geltendmachung von nachehelichen Unterhaltsansprüchen
durch die Ehefrau wird durch die Anerkennung der iranischen Scheidung
nicht ausgeschlossen.

Es stellt auch keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public dar, dass im Rahmen
der iranischen Scheidung der Versorgungausgleich nicht geregelt wurde. Gemäß Art.
17 Abs. 4 S. 1 EGBGB unterliegt der Versorgungsausgleich dem nach der Verordnung
(EU) Nr. 1259/2010 auf die Scheidung anzuwendenden Recht; er ist nur durchzuführen,
wenn danach deutsches Recht anzuwenden ist und ihn das Recht eines der
Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit
des Scheidungsantrages angehören. Da beide Ehegatten auch deutsche Staatsangehörige
sind, ist gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB insofern deutsches Recht maßgeb-
lich (vergleiche Erman/Stürner, BGB, 16. Auflage, Art. 17 EGBGB Rn. 33). Art. 17
Abs. 4 EGBGB wird nicht durch Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens
vom 17.2.1929 abbedungen. Denn letzteres findet nur Anwendung, wenn
beide Ehegatten ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit haben (vergleiche
OLG Celle, Beschluss vom 15. August 2011,10 WF 73/11, juris Rn. 13 m.w.N.). Der
Antragstellerin bleibt es danach unbenommen, ein isoliertes Versorgungsausgleichsverfahren
gemäß § 217 ff. FamFG zu betreiben. Allein der Umstand, dass der Versorgungsausgleich
nicht in einem Verbund mit der Scheidung geregelt wurde, erfüllt nicht
die Voraussetzungen des § 109 Abs. 1 S. 4 FamFG.

3.
Die Kostenentscheidung beruht im Hinblick auf die Gerichtskosten auf Nr. 1714 KV
FamGKG und im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für die außergerichtlichen Kosten erfolgt gem.
§ 42 Abs. 3 FamGKG (vgl. BeckOK Streitwert/Dürbeck, 43. Edition, Familienrecht
Anerkennung ausländischer Entscheidungen Rn. 5).

4.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 107 Abs. 7 S. 3 FamFG i.V.m. 70 Abs. 2 S. 1 Nr.
2 FamFG im Hinblick auf die Frage, ob nach iranischem Recht durchgeführte Scheidungen
als gerichtliche Scheidungen zu qualifizieren sind, zuzulassen.
Dr. Haberland Dr. Siegert Küchelmann

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Bremen

Erscheinungsdatum:

24.04.2023

Aktenzeichen:

4 AV 1/22

Rechtsgebiete:

Ehevertrag und Eherecht allgemein
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

FamFG §§ 107, 109