OLG Frankfurt a. Main 14. Juli 2011
20 W 50/06
KostO § 44 Abs. 2

Gegenstandsgleichheit bei gleichzeitiger Beurkundung von Grundschuld und Löschungsbewilligungen

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 20w50_06
letzte Aktualisierung: 3.2.2012
OLG Frankfurt a. M., 14.7.2011 - 20 W 50/06
KostO § 44 Abs. 2
Gegenstandsgleichheit bei gleichzeitiger Beurkundung von Grundschuld und Löschungsbewilligungen
Wird eine Grundschuld in einer Urkunde mit Erklärungen zur Löschung vorrangiger Grundpfandrechte beurkundet, so handelt es sich grundsätzlich um verschiedene Gegenstände gemäß
§ 44 Abs. 2 KostO. Etwas anderes gälte nur dann, wenn auch der Darlehensvertrag, welcher die
Pflicht zur Löschung enthält, beurkundet würde; dann handelte es sich um eine Durchführungserklärung (Leitsatz der DNotI-Redaktion).


Gründe
I.
Mit UR-Nr. .../04 des Kostengläubigers vom ....2004 (Bl. 4 ff. d. A.) bestellte der Kostenschuldner der O1 Bank eine Grundschuld ohne Brief über 70.000,-- EUR an seinem im Grundbuch von
O2, Blatt ..., eingetragenen Grundstück. Unter Ziffer 1 der Urkunde heißt es:
„Die Grundschuld soll Rang nach folgenden Voreintragungen
haben:
Abteilung II nach Nr. ...
Abteilung III = ... Rangstelle.
Sie kann jedoch zunächst an rangbereitester Stelle eingetragen
werden.“
In der gleichen Urkunde bewilligte und beantragte der Kostenschuldner die Eintragung der
Grundschuld. Darüber hinaus bewilligte er, die Löschung der Post Abteilung III Nr. ... in das
Grundbuch einzutragen.
Mit der verfahrensgegenständlichen Kostenberechnung vom ...2004 (Bl. 8 d. A.) stellte der
Kostengläubiger dem Kostenschuldner eine volle Gebühr nach § 36 Abs. 1 KostO nach einem
Geschäftswert von 70.000,-- EUR für die „Beurkundung einseitiger Erklärungen“ in Rechnung.
Neben Auslagen für Fotokopien und Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen
stellte der Kostengläubiger dem Kostenschuldner für die Beurkundung des Löschungsantrags
gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 5 a KostO eine halbe Gebühr aus einem Geschäftswert gemäß § 18 Abs.
1 KostO von 71.580,-- EUR, mithin 88,50 EUR, in Rechnung. Letztere Gebühr beanstandete die
Bezirksrevisorin in ihrer Eigenschaft als Prüfungsbeauftragte am 15.03.2005 unter Hinweis auf
eine Entscheidung des Landgerichts Kassel vom 30.01.1997, Az. 3 T 9/97 (Bl. 10 ff. d. A.), denn
Löschungsbewilligungen und Grundschuldbestellungen bildeten einen einheitlichen Gegenstand,
so dass eine gesonderte Gebühr für die Beurkundung der Löschungsbewilligung nicht anfalle.
Auf Weisung der Bezirksrevisorin hat der Kostengläubiger mit Schriftsatz vom 04.11.2005 die
Entscheidung des Landgerichts beantragt.
Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 21 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen
wird, hat das Landgericht die Kostenberechnung des Kostengläubigers dahingehend abgeändert,
dass die oben aufgeführte Gebühr für die Beurkundung des Löschungsantrags gemäß § 38 Abs. 2
Nr. 5 a KostO nebst anteiliger Umsatzsteuer entfällt, und hat dementsprechend die Kostenberechnung neu gefasst. Das Landgericht hat die weitere Beschwerde zugelassen. Gegen diesen
am 19.01.2006 zugestellten Beschluss hat der Kostengläubiger mit am 13.02.2006 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 47 ff. d. A.) weitere Beschwerde eingelegt. Auf die Einzelheiten
seines Vorbringens wird verwiesen. Die Dienstaufsicht im Sinne des § 156 Abs. 6 KostO a. F. ist
der weiteren Beschwerde entgegengetreten. Der Kostenschuldner hat sich – ebenso wie im Verfahren vor dem Landgericht – nicht geäußert.
II.
Die weitere Beschwerde des Notars als Kostengläubiger ist gemäß § 156 Abs. 2 Satz 2 KostO a.
F., Art. 111 Abs. 1 FGG-RG, kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss des Landgerichts
statthaft. Sie ist auch ansonsten zulässig. Der Notar ist durch die Herabsetzung seiner Kostenberechnung durch das Landgericht beschwert; das Erreichen einer Beschwerdesumme ist nicht
erforderlich (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 156 KostO Rz. 51; Korintenberg/Bengel/
Tiedtke, KostO, 17. Aufl., § 156 Rz. 83).
In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg, da die angefochtene Entscheidung des Landgerichts im
Rahmen des hier lediglich maßgeblichen Angriffs des Kostengläubigers einer Überprüfung auf
Rechtsfehler, § 156 Abs. 2 Satz 3 KostO a. F., nicht standhält. Entgegen der Rechtsauffassung
des Landgerichts ist es nicht zu beanstanden, dass der Notar vorliegend in seiner bezeichneten
Kostenberechnung eine halbe Gebühr nach § 38 Abs. 2 Nr. 5 a KostO in Ansatz gebracht hat.
Entsprechend der von der Dienstaufsicht in ihrer Verfügung vom 07.03.2006 zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 166, 189) ist zunächst festzuhalten, dass § 44
KostO regelt, wie zu verfahren ist, wenn mehrere selbständige rechtsgeschäftliche Erklärungen
in einer Verhandlung beurkundet werden. Haben die Erklärungen verschiedene Gegenstände,
findet – in Abhängigkeit der maßgeblichen Gebührensätze – entweder eine Zusammenrechnung
der Gegenstandswerte (§ 44 Abs. 2 a KostO) oder eine nach Gegenständen getrennte Berechnung der Gebühren (§ 44 Abs. 2 b KostO) statt. Betreffen die Erklärungen dagegen denselben
Gegenstand, wird die Gebühr nur einmal von dem Wert dieses Gegenstands nach dem höchsten
in Betracht kommenden Gebührensatz berechnet (§ 44 Abs. 1 Satz 1 KostO), sofern nicht die
Berechnung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 KostO für den Kostenschuldner günstiger ist. Der Begriff
des Gegenstands bezeichnet dabei nicht die Sache, die von den beurkundeten Erklärungen wirtschaftlich betroffen wird, sondern das Rechtsverhältnis, welches sich aus den Erklärungen der
Beteiligten ergibt. Derselbe Gegenstand im Sinne des § 44 Abs. 1 KostO ist gegeben, wenn sich
die Erklärungen auf dasselbe Recht oder Rechtsverhältnis beziehen oder – sofern mehrere
Rechtsverhältnisse vorliegen – wenn sich aus der Gesamtheit der Erklärungen ein Hauptgeschäft
heraushebt und das weitere Rechtsgeschäft mit diesem in einem engen inneren Zusammenhang
steht. Selbständige Rechtsgeschäfte, die zur Erfüllung, zur sonstigen Durchführung oder zur
Sicherung eines anderen selbständigen Rechtsgeschäfts mit diesem zusammen vorgenommen
werden, sind demnach gegenstandsgleich (so BGHZ 166, 189 unter Hinweis auf BGHZ 153, 22;
vgl. auch Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 18. Aufl., § 44 Rz. 15 ff.; Filzek, KostO, 4.
Aufl., Rz. 7 ff.). Mit dem Landgericht ist danach also im Grundsatz davon auszugehen, dass alle
zur Begründung, Feststellung, Anerkennung, Übertragung, Aufhebung, Erfüllung oder Sicherung
eines Rechtsverhältnisses niedergelegten Erklärungen der Partner des Rechtsverhältnisses samt
allen Erfüllungs- und Sicherungsgeschäften auch dritter Personen oder zu Gunsten dritter
Personen denselben Gegenstand im Sinne des § 44 Abs. 1 KostO betreffen. Im Mittelpunkt jeder
Prüfung, ob mehrere gleichzeitig beurkundete Rechtsverhältnisse denselben Gegenstand haben,
steht deswegen die Frage ihres inneren Zusammenhangs. Je mehr das mitbeurkundete weitere
Rechtsverhältnis von dem Hauptgeschäft abhängt, desto eher ist Gegenstandsgleichheit anzunehmen. Auch wenn die Vertragspartner zur Erreichung des von ihnen erstrebten wirtschaftlichen Zieles mehrere Rechtsverhältnisse in der Weise verbunden haben, dass ein einheitliches
Rechtsverhältnis eigener Art entsteht, besteht ein enger innerer Zusammenhang und damit
Gegenstandsgleichheit (so BGHZ 153, 22 m. w. N. auch zur Rspr. des Senats).
Für die hier maßgeblichen in der vorliegenden notariellen Urkunde konkret enthaltenen zwei
selbständigen Erklärungen, nämlich die Grundschuldbestellung und die Bewilligung bzw.
Eigentümerzustimmung zur Löschung der bereits eingetragenen Grundschuld in Abt. III Nr. ...,
vermag sich der Senat nicht der Rechtsauffassung des Landgerichts (so Seite 4 unten des angefochtenen Beschlusses) anzuschließen, dass es sich bei der mitbeurkundeten Bewilligung der
Löschung lediglich um ein der Durchführung der Grundschuldbestellung untergeordnetes, ihr
dienendes Geschäft handelt. Damit kann der Senat auch nicht von demselben Gegenstand im
Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 KostO ausgehen.
Nach weit verbreiteter Auffassung in der Literatur (vgl. Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO,
18. Aufl., § 44 Rz. 23, 223; Tiedtke, ZNotP 2005, 253; ZNotP 2006, 54; ZNotP 2006, 245; vgl.
auch Tiedtke/Diehn, Notarkosten im Grundstücksrecht, 3. Aufl., Rz. 891; Notarkasse, Streifzug
durch die Kostenordnung, 7. Aufl., Rz. 1214; Ländernotarkasse, NotBZ 2010, 302; Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl., Stichwort „Grundschuld“ Ziffer 1.2.2 - Gegenstandsverschiedenheit, Seite 521, und Stichwort „mehrere Erklärungen“ Ziffer 3.3.2 - Hypothekenbestellung, Seite 711; Filzek, KostO, 4. Aufl., Rz. 8, 10, 11, 15; vgl. zum inneren Zusammenhang – für eine andere rechtliche Gestaltung - auch Senat DNotZ 1987, 379) kann eine solche
Durchführungserklärung im vom Landgericht angenommenen Sinn mit der daran anknüpfenden
kostenrechtlichen Konsequenz der Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 KostO nur dann angenommen werden, wenn diese Erklärung mit der diesbezüglichen Verpflichtungserklärung
zusammen beurkundet werden. Werden – wie hier – mit der einseitigen Grundschuldbestellung
die zur Rangherstellung erforderlichen Löschungserklärungen des Eigentümers mitbeurkundet,
so sind diese nicht mehr Durchführungserklärung, weil die Verpflichtung hierzu allenfalls in
dem nicht beurkundeten Darlehensvertrag und nicht in der einseitigen Grundschuldbestellung
begründet wird. Hierin liegt auch der maßgebliche Unterschied zu in Kaufverträgen mitbeurkundeten Löschungsanträgen (vgl. Filzek, a.a.O., § 44 Rz. 4, 10). Wegen § 44 Abs. 3 KostO ist auch
die vom Landgericht offensichtlich angenommene kostenrechtliche Diskrepanz zum Rangrücktritt erklärlich (vgl. dazu Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 18. Aufl., § 44 Rz. 23a; Tiedtke,
ZNotP 2006, 54; ZNotP 2006, 245; Notarkasse, a.a.O., Rz. 1205; Filzek, a.a.O., § 44 Rz. 8;
Rohs/Wedewer, KostO, Stand August 2006, § 44 Rz. 6o Anm. 30; Senat DNotZ 1987, 416).
Diesen grundsätzlichen Erwägungen schließt sich der Senat an.
Soweit das Landgericht dem entgegen auf das aus der notariellen Urkunde ersichtliche Ziel
abstellt (Seite 4, 2. Abs., des angefochtenen Beschlusses), dass die Grundschuld als „erstrangig“
bestellt sei, und es demgemäß hier als maßgeblich erachtet (Seite 4 unten des angefochtenen
Beschlusses), dass ohne die Löschungserklärung des Eigentümers der Zweck der hier vorgenommenen Beurkundung, die Verschaffung gerade einer erstrangigen Grundschuld, nicht
erreicht werden könne, vermag der Senat diese Rechtsauffassung nicht zu teilen. Es handelt sich
bei der Löschungserklärung des Eigentümers weder um ein Erfüllungs- oder Sicherungsgeschäft
dazu (vgl. Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 18. Aufl., § 44 Rz. 28), noch um eine – hier
vom Landgericht angenommene – Durchführungserklärung. Abgesehen davon, dass das der
Bestellung der Grundschuld als einseitigem Rechtsgeschäft zugrunde liegende Ziel offensichtlich
auf einem anderweitigem Rechtsverhältnis gründet, erfordert die Grundschuldbestellung auch in
der hier vorliegenden konkreten Form („erstrangig“) keine Lastenfreistellung. Wie das Landgericht an anderer Stelle selbst feststellt, wäre das genannte Ziel auch auf anderem Weg, etwa
durch eine Rangrücktrittserklärung, erreichbar gewesen. Damit dient zwar der Löschungsantrag
bzw. die Löschungsbewilligung indirekt der rangrichtigen Eintragung des neuen Rechts, der
Grundschuld. Da das andere Recht (= Abt. III Nr. ...) hierdurch aber ganz verloren geht, steht im
Vordergrund vielmehr der selbständige Charakter dieses Löschungsantrags (so auch Filzek,
a.a.O., § 44 Rz. 8). Der oben beschriebene enge innere Zusammenhang liegt nicht vor. Hierfür
und gegen die bezeichnete Rechtsauffassung des Landgerichts spricht überdies der weitere
Umstand, dass die Grundschuld hier nach Ziffer 1 der notariellen Urkunde zunächst an rangbereitester Stelle eingetragen werden konnte, was das Landgericht durchaus erkennt (Seite 4, 2.
Abs., des angefochtenen Beschlusses), dem jedoch keine maßgebliche Bedeutung beimisst. Auch
darin zeigt sich aber der selbständige und nicht lediglich der Durchführung der Grundschuldbestellung dienende Charakter des Löschungsantrags.
Ausgehend hiervon konnte neben der hier nicht verfahrensgegenständlichen Gebühr nach § 36
Abs. 1 KostO auch eine halbe Gebühr – in der Notarkostenberechnung als solche nach § 38 Abs.
2 Nr. 5 a KostO für die Beurkundung des Löschungsantrags aufgeführt - durch den Kostengläubiger in Ansatz gebracht werden (vgl. dazu auch Filzek, a.a.O., § 38 Rz. 20; § 44 Rz. 9;
Ländernotarkasse, NotBZ 2010, 302). Seine diesbezügliche Berechnung nach § 44 Abs. 2 KostO
ist nicht beanstandet worden und lässt auch Fehler nicht erkennen. Damit erweist sich die
erhobene Beanstandung, die Gegenstand der Anweisungsbeschwerde ist, als unbegründet; auf
den Antrag des Kostengläubigers ist die betroffene Kostenberechnung zu bestätigen (vgl.
Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 17. Aufl., § 156 Rz. 62).
Einer Gerichtskostenentscheidung für das Verfahren der weiteren Beschwerde bedarf es
angesichts des Erfolgs der weiteren Beschwerde nicht, §§ 156 Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 1 KostO
a. F.. Für die Anordnung der Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten, § 13 a Abs. 1 FGG
a. F., besteht vorliegend kein Anlass. Auch eine Abänderung der landgerichtlichen Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Damit bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung für das
weitere Beschwerdeverfahren.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

14.07.2011

Aktenzeichen:

20 W 50/06

Rechtsgebiete:

Kostenrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2012, 160-161
ZNotP 2011, 399-400

Normen in Titel:

KostO § 44 Abs. 2