Löschungsanspruch einer Grunddienstbarkeit wegen Wegfall des Vorteils
letzte Aktualisierung: 04.03.2020
OLG München, Urt. v. 18.12.2019 – 7 U 898/19
BGB §§ 286, 894, 1004 Abs. 1 u. 2, 1018, 1019 S. 2
Löschungsanspruch einer Grunddienstbarkeit wegen Wegfall des Vorteils
1. Begehren die Eigentümer von zwei Grundstücken, auf denen Ende der 50er bzw. Anfang der
60er Jahre ein „Kartoffelkeller“ mit Erdaufschüttung errichtet worden war und zu deren Lasten auf
Duldung der Anlage gerichtete Grunddienstbarkeiten bestellt wurden, die Löschung dieser
Grunddienstbarkeiten, tragen sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der für das herrschende
Nachbargrundstück erstrebte Vorteil infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
oder der rechtlichen Grundlagen objektiv weggefallen ist.
2. Bei der Ermittlung dieses Vorteils ist von der Parteivereinbarung und von dem Zweck, der mit
der Grunddienstbarkeit verfolgt wird, auszugehen; dabei ist maßgeblich eine objektive Betrachtung
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.
3. Besteht der mit der Grunddienstbarkeit gewährte Vorteil und verfolgte Zweck für das
herrschende Grundstück der Beklagten (einer Brennereigenossenschaft) darin, dass der Betrieb einer
Kartoffelbrennerei dadurch gefördert werden sollte, dass die für das Brennen angelieferten und zu
verwendenden Kartoffeln in dem auf den Klägergrundstücken von der Genossenschaft in den 50er
bzw. 60er Jahren des letzten Jahrhunderts errichteten Keller gelagert und von hieraus auf das
Nachbargrundstück mittels Schwemmanlage verbracht werden, um dort zu Alkohol gebrannt zu
werden – wie es der tatsächlichen, jahrzehntelangen Nutzung entsprach –, liegt ein objektiver und
endgültiger Wegfall dieses Vorteils vor, wenn die Grunddienstbarkeit seit vielen Jahren nicht mehr
ausgeübt wird, der Kartoffelkeller ungenutzt ist und verfällt, das landwirtschaftliche Brennrecht
nicht mehr besteht, die Brenneinrichtung entfernt wurde, eine Kartoffelbrennerei wirtschaftlich
nicht mehr sinnvoll betrieben werden kann und insgesamt bei einem normalen Verlauf der Dinge
nicht damit zu rechnen ist, dass künftig wieder eine Kartoffelbrennerei betrieben werden wird.
Entscheidungsgründe
I.
Die Parteien streiten um die Löschung von Grunddienstbarkeiten, die zugunsten der Beklagten auf den
Grundstücken der Kläger bestellt wurden, und über die Verpflichtung der Beklagten zur Entfernung des
durch die Dienstbarkeiten auf den Grundstücken der Kläger geduldeten Kartoffelkellers nebst
Erdaufschüttung.
Der Kläger zu 1) ist Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts M. von A. Band …8 Blatt …79 unter der
Flurstücknummer …47 eingetragenen Grundstücks. Der Kläger zu 2) ist Eigentümer des im Grundbuch des
Amtsgerichts M. für A. Band …11 Blatt …24 unter der Flurstücknummer …45 eingetragenen Grundstücks. Er
ist auch Genosse der Beklagten.
Die Beklagte ist eine Brennereigenossenschaft. Sie ist Eigentümerin des im Grundbuch des Amtsgerichts M.
von A. Band …11 Blatt …24 unter der Flurnummer …51 eingetragenen Grundstücks, auf dem bereits im 19.
Jahrhundert eine Kartoffelbrennerei errichtet und betrieben worden war. Circa 1959 oder später wurde von
der Beklagten auf den derzeit im Eigentum der Kläger stehenden Nachbargrundstücken zur Brennerei ein
Kartoffelkeller mit Schwemmanlage errichtet (vgl. mit SS vom 11.04.2018 vorgelegter Bauplan des Kellers
mit Schwemmanlage). Zuvor hatte mit den Eigentümern der Nachbargrundstücke eine
Nutzungsvereinbarung bestanden. Der Keller diente seit seiner Errichtung der Lagerung von Kartoffeln, die
von den Mitgliedern der Beklagten angeliefert wurden und mittels der Schwemmanlage in das
Brennereigebäude zum Brennen von Branntwein befördert wurden. Am 30.03.1965 wurde zur Absicherung
der Nutzung des zum damaligen Zeitpunkts bereits errichteten Kartoffelkellers mit Schwemmanlage eine
Dienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Flurnummer 51 vereinbart und
eingetragen (vgl. Notarielle Urkunde, Anlage K 1).
Betreffend des Grundstücks des Klägers zu 1) lautet die notarielle Vereinbarung der Bestellung einer
Grunddienstbarkeit (auszugsweise) wie folgt:
„II. Die Ehegatten Josef und Creszentia S. bestellen an ihrem Grundstück Fl. St. Nr. …47 der Gemarkung A.
zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Fl. St. Nr. …51 der Gemarkung A., das ist zur Zeit
die Branntweinbrennerei A. eGmbH in A. eine Grunddienstbarkeit folgenden Inhalts:
Die Eigentümer des dienenden Grundstücks dulden die Belassung des Kellerteiles unter und über der Erde
wie er in dem dieser Urkunde als Bestandteil beigehefteten Lageplan,…, die Belassung der an den
Kartoffelkeller angrenzenden Erdaufschüttung (schwarz eingezeichnet), der an Fl. St. Nr. …34 errichteten
Abgrenzmauer (rot eingezeichnet), des unterirdischen Schwemmkanals in einer Breite von ca. 2 m vom
Kartoffelkeller zum Brennereigebäude (rot eingezeichnet) und das Gehen und Fahren von der Straße - Fl. St.
Nr. …15 - zum und auf den Keller und von da wieder zurück in einer Breite von 4 m…“.
Hinsichtlich des Klägers zu 2) lautet die notarielle Vereinbarung (auszugsweise) wie folgt:
„III. Herr Michael St.l bestellt an seinen Grundstücken Fl. St. Nrn. …45 und… 46 der Gemarkung A. zu
Gunsten des jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl. St. Nr… 51 der Gemarkung A. eine
Grunddienstbarkeit folgenden Inhalts:
Der Eigentümer des dienenden Grundstücks duldet die Belassung des Kartoffelkellerteiles samt
Erdaufschüttung (…) unter und über der Erde, der Abgrenzmauer (…), des unterirdischen Schwemmkanals
(…) und das Gehen und Fahren wie in Ziffer II bezeichnet.“
Hinsichtlich des vollständigen Wortlauts der notariellen Urkunde vom 30.03.1965 wird auf die Anlage K 1
verwiesen. Die o. g. Grunddienstbarkeiten wurden wie im Tenor der Entscheidung wiedergegeben in das
jeweilige Grundbuch eingetragen.
Seit ca. 15 Jahren wird der streitgegenständliche Keller durch die Beklagte nicht mehr zur Lagerung von
Kartoffeln genutzt. Die Beklagte besitzt seit 2012/2013 kein Brennrecht mehr. Als Nachteilsausgleich für die
Aufgabe ihres landwirtschaftlichen Brennrechts erhielt die Beklagte zumindest 750.000,00 Euro. Auf dem
Grundstück der Beklagten wird auch gegenwärtig keine Brennerei mehr betrieben.
Das Grundstück der Beklagten ist derzeit vermietet. Nach dem Vortrag der Beklagten stammt der Mietvertrag
aus dem Jahre 2015. Die Firma T. D. betreibt in dem Brennereigebäude eine Destillerie, d.h. die Veredelung
von zugekauftem Rohalkohol zu Gin, eine Abfüllanlage und den Verkauf von Gin und anderen Spirituosen.
Mit Schreiben vom 13.03.2015 forderte der Klägervertreter die Beklagte zur Löschung der Dienstbarkeit und
zur Beseitigung des Kartoffelkellers mit Nebenanlagen auf dem Grundstück des Klägers zu 1) auf (vgl.
Anlage K 1). Mit Schreiben des Klägervertreters vom 06.04.2018 erfolgte eine entsprechende Aufforderung
betreffend das Grundstück des Klägers zu 2).
Der Kläger zu 1) macht vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.137,91 Euro geltend, 1,3
Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 200.000,00 Euro.
Die Kläger sind der Auffassung, das mit der Dienstbarkeitsbestellung verfolgte Interesse der Beklagten, den
Kartoffelkeller als Vorrats- und Versorgungsanlage für die Brennerei zu nutzen, sei endgültig entfallen. Es sei
von Anfang an Zweck der Dienstbarkeit und entsprechend Vorteil des Beklagtengrundstücks gewesen, dass
die von den Genossen produzierten Kartoffeln in den auf den Klägergrundstücken errichteten Kartoffelkeller
eingelagert werden, um von dort mittels Schwemmanlage in die Brennerei verbracht und dort zu Alkohol
gebrannt zu werden. Auch in der notariellen Urkunde sei der Keller ausdrücklich als Kartoffelkeller
bezeichnet worden, es handele sich hierbei keinesfalls um eine „tradierte Namensgebung“ ohne inhaltliche
Bedeutung - wie die Beklagte meint. Der Keller sei von Anfang an auch nur als Kartoffelkeller genutzt
worden. Der dem Beklagtengrundstück eingeräumte Vorteil sei endgültig entfallen. Bereits vor Aufgabe des
Brennrechts hätten die Genossen den Kartoffelanbau aufgegeben und seien keine Kartoffeln angeliefert,
gelagert und gebrannt worden. Der Kartoffelkeller könne auch für keine andere Brennereiart in der Zukunft
genutzt werden. Der Keller sei verfallen. Mit der Schwemmanlage könne man ausschließlich Kartoffeln
schwemmen. Auch das Geh- und Fahrtrecht sei dafür bestimmt, dass der Kartoffelkeller von oben mit
Fuhrwerken befahren und mit Kartoffeln befüllt werde.
Die Beklagte könne nach Aufgabe des Brennrechts mit dem Kartoffelkeller nichts mehr anfangen. Es
bestehe auch nicht die geringste Aussicht, dass der Keller jemals wieder als Kartoffelkeller genutzt werde.
Eine bestimmungsgemäße Nutzung sei in Zukunft ausgeschlossen und wirtschaftlich auch nicht sinnvoll.
Allein die vage Möglichkeit einer künftigen Nutzung des Kellers reiche nicht aus. Die Beklagte könne sich
auch nicht auf eine mögliche Nutzung des Kellers durch ihren Mieter und auf den Inhalt des Mietvertrags
berufen. Nach dem Inhalt der Dienstbarkeit sei die Beklagte nicht berechtigt, die Nutzungsrechte durch
Mietvertrag zu übertragen. Die Dienstbarkeit sei für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks bestellt,
nicht für etwaige Mieter des Grundstücks. Außerdem besitze auch die Mieterin kein Brennrecht. Die Mieterin
verarbeite zugekauften Alkohol und verkaufe ihn. Bei dem behaupteten Mietvertrag handele es sich um ein
Scheingeschäft. Eine konkrete Absicht des Mieters, selbst Alkohol aus Kartoffeln zu brennen bestehe nicht.
Der Mietvertrag sei zudem auf eine unmöglich gewordene Nutzung gerichtet.
Der Kläger zu 1) behauptet, er benötige die mit der Dienstbarkeit belastete Fläche seines Grundstücks zur
Errichtung eines Parkplatzes für das dort betriebenen Hotel mit Gaststätte. Da der Keller über das Niveau
des Grundstücks herausrage, sei die Fläche für ihn nicht nutzbar.
Der Kläger zu 2) bestreitet den Abschluss eines Mietvertrags mit T. D. und lässt vortragen, dass die Mieterin
die Voraussetzungen zum Betreiben einer landwirtschaftlichen Brennerei nicht erfülle, da sie nicht
Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs sei. Für ihren Geschäftszweck benötige sie kein Brennrecht
und damit auch unter keinen Umständen den Kartoffelkeller.
Die Kläger beantragten erstinstanzlich:
Der Kläger zu 1) beantragte,
Die Beklagte wird verurteilt, Löschungsbewilligung zu erteilen für das im Grundbuch des Amtsgerichts
M. von A. Band …8 Blatt …79 Flurnummer …47 Abteilung II lfd. Nr. …2 für die Grundstücke …2 und
…5 eingetragene Recht: „Belassungsrecht des Kellers der angrenzenden Erdaufschüttung der
Angrenzungsmauer und des Schwemmkanals, sowie Geh- und Fahrtrecht für den jeweiligen
Eigentümer von Flurstück …51 gemäß Bewilligung vom 30.03.1965“.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kartoffelkeller nebst Erdaufschüttung und Schwemmkanal auf dem
Grundstück der Gemarkung A. eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts M. von A. Band …8 Blatt
…79 zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand des Grundstücks wiederherzustellen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von
3.137,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
Klagezustellung zu zahlen.
Der Kläger zu 2) beantragte,
Die Beklagte wird verurteilt, Löschungsbewilligung zu erteilen für die im Grundbuch des Amtsgerichts
M. von A. Band …11 Blatt …24 in Abteilung II eingetragene Dienstbarkeit zugunsten der Beklagten:
„Der Eigentümer dieses Grundstück duldet Belassung des Kartoffelkellerteiles samt Erdaufschüttung
unter und über der Erde, der Angrenzungsmauer, des unterirdischen Schwemmkanals und das
Gehen und Fahren wie in Ziffer II bezeichnet gemäß Bewilligung vom 30.03.1965.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kartoffelkeller nebst Erdaufschüttung und den Schwemmkanal auf
dem Flurstück …45 der Gemarkung A. eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts M. von A. Band
…11 Blatt …24 zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand des Grundstücks des Klägers
wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagen.
Sie ist der Auffassung, dass es eine Nutzungsbeschränkung der Dienstbarkeit als Lagerstätte für Kartoffeln
zum Brennen von Alkohol nicht gebe. Zwar sei bei der einen im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit von
einem Kartoffelkeller die Rede, bei der anderen aber lediglich von der Belassung der Kellerabteile. Der
eingetragenen Grunddienstbarkeit sei keine Beschränkung zur Nutzung ausschließlich als Lagerstätte von
Kartoffeln zum Brennen von Alkohol zu entnehmen. Es handele sich bei der Bezeichnung als „Kartoffelkeller“
um eine tradierte Namensgebung ohne Nutzungsbeschreibung. Dies bestätige auch das Geh- und
Fahrtrecht „zum Keller“. Damit umfasse die Dienstbarkeit jedwede Nutzung des Kellers zur Lagerung.
Es sei zwar zutreffend, dass seit mehr als 15 Jahren keine Kartoffeln mehr in dem Keller gelagert würden, es
habe jedoch zwischenzeitlich eine andere Lagerhaltungsnutzung in unbedeutendem Umfang stattgefunden,
außerdem könne der Keller jederzeit auch für jedwede andere Brennarten durchaus Verwendung finden.
Auch eine Lagerung von Kartoffeln sei jederzeit wieder möglich. Es sei entscheidend, dass es keinen
Hinweis gebe und auch keine Absichtserklärung der Beklagten dahingehend, dass die Nutzungsmöglichkeit
des Kellers endgültig und dauerhaft aufgegeben werde bzw. auf sie verzichtet werde. Sie, die Beklagte, habe
zwar derzeit kein Brennrecht mehr, sie sei aber jederzeit berechtigt, wieder aktiv eine Brennerei zu
betreiben. Außerdem habe sie in dem mit der Firma T. D. im Jahr 2015 abgeschlossenen Mietvertrag
vereinbart, dass im Hinblick auf eine zukünftige beabsichtigte Durchführung auch eines Brennereibetriebs
die Beklagte die Bereitschaft habe, den „Kartoffelkeller“ zur Verfügung zu stellen. Es werde auch ernsthaft
von den Mitgliedern der Beklagten erwogen, die Kartoffelproduktion zu diesem Zweck wiederaufzunehmen.
Die Beklagte habe niemals den abschließenden Willen geäußert, auf Brennereiaktivitäten, in welcher Form
auch immer zu verzichten. Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit nach wie vor.
Zu berücksichtigen sei, dass Rechtsvorgänger der Kläger auch die damals verantwortlich Handelnden der
Beklagten gewesen seien. Eigentlich sei von Anfang an eine Eigentumsübertragung an die Genossen
gedacht gewesen. Die Eigentümer hätten damals jedoch lediglich die streitgegenständlichen Dienstbarkeiten
vereinbart und bestellt. Für diese hätten sie sich aber ein Vielfaches der im Jahre 1965 erzielbaren
Kaufpreise für Bauland zahlen lassen. Die Beklagte habe niemals auf eine Eigentumsübertragung verzichtet.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Es verneinte einen Anspruch auf Bewilligung
der Löschung der streitgegenständlichen Dienstbarkeiten nach
Dienstbarkeiten (noch) nicht erloschen sind. Die Voraussetzungen hierfür, nämlich dass die Ausübung
dauernd ausgeschlossen ist oder der Vorteil für das herrschende Grundstück infolge grundlegender
Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder rechtlichen Grundlagen objektiv und endgültig weggefallen
sind, sah es als nicht erfüllt bzw. erwiesen an. Dabei stellte das Landgericht fest, dass nach dem Inhalt und
Zweck davon auszugehen sei, dass der Kartoffelkeller in jeder zulässigen Weise genutzt werden dürfe.
Derzeit komme in Betracht, dass die Beklagte oder ein Dritter, an den sie das Grundstück veräußert, später
auf dem Grundstück wieder eine Branntweinbrennerei betreibe oder das Grundstück beispielsweise als
entsprechendes Museum nutze. Rechtlich schließe die Abfindung der alten Brennrechte nicht aus, dass das
Grundstück der Beklagten später wieder zum Herstellen von Branntwein genutzt werde. Dies sei zwar unter
den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht sinnvoll. Diese Umstände könnten sich aber
wieder ändern. Denkbar sei auch, dass der Kartoffelkeller unabhängig von der Branntweinherstellung, etwa
für das Ausschwemmen und Lagern von Kartoffeln oder anderen Wurzelgemüsen genutzt werde. Ob die
Destillerie T. D. den Kartoffelkeller zu Brennzwecken benutzen möchte, sei nicht entscheidend, da bereits die
Möglichkeit der Nutzung des Kellers durch einen späteren Mieter oder Eigentümer einen Vorteil für die
Beklagte begründe.
Da damit ein Anspruch auf Bewilligung zur Löschung der Dienstbarkeit nicht bestehe, könnten die Kläger
auch nicht die Beseitigung der Keller auf ihren Grundstücken von der Beklagten verlangen.
Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die mit ihrem Rechtsmittel ihre erstinstanzlichen Anträge in
vollem Umfang aufrechterhalten und weiter verfolgen.
Die Kläger halten das landgerichtliche Urteil für verfehlt und wiederholen und vertiefen ihren
erstinstanzlichen Vortrag. Das Landgericht sei von unrichtiger Tatsachenfeststellung ausgegangen. Das
Landgericht habe verkannt, dass der Keller unbestritten seit 15 Jahren nicht mehr genutzt werde und leer
stehe. Der Kartoffelkeller käme für eine andere Nutzung auch nicht in Betracht. Die Nachnutzung des
Gebäudes als Brennerei sei in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht nicht mehr möglich. Ohne
Kartoffelbrennerei sei der Kartoffelkeller als der Brennerei dienende Anlage sinnlos. Das Landgericht habe,
ohne dass es diesbezüglichen Parteivortrag gegeben habe, eine Nutzung des Kellers als Museum oder zur
Lagerung von Wurzelgemüse in Betracht gezogen. Es habe diese Möglichkeiten mangels Parteivortrags
nicht in die Urteilsfindung einbeziehen dürfen. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die
Beklagte ein eigenes oder fremdes Interesse an der Nutzung des Kartoffelkellers in der Zukunft habe. Es
habe die vorliegenden, unstreitigen Umstände und auch den Klägervortrag nicht zutreffend gewürdigt.
Ergänzend vertiefen die Kläger ihren erstinstanzlichen Vortrag dahingehend, dass durch die baulichen
Veränderungen im Keller des Brennereigebäudes es unmöglich geworden sei, Kartoffeln oder anderes
Schüttgut wieder aus dem Keller zu entnehmen. Es gebe keinerlei Öffnungen oder anderweitige technische
Einrichtungen, die Kartoffeln o.a. an die Oberfläche befördern könnten. Es könnten deshalb zwar Kartoffeln
in den Keller geschüttet werden, die Beklagte habe aber nicht vorgetragen, wie nach Entfernung der
Entnahmeeinrichtung Kartoffeln entnommen werden können.
Die Kläger beantragen die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und wiederholen ihre erstinstanzlichen
Anträge.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag. Dies
insbesondere dahingehend, dass sie daran festhält, dass die Grunddienstbarkeiten nichts, „aber auch gar
nichts mit irgendeiner Form von Nutzungsdefinition, Nutzungsbeschreibung oder gar Nutzungsbeschränkung
zu tun“ haben. Jedwede Nutzung der Keller zur Lagerung sei durch die Grunddienstbarkeit abgesichert. Es
sei auch so, dass sie bzw. die Mieterin eine Nutzung auch wieder ernsthaft beabsichtige. Soweit die
Klägerseite auf die baulichen Veränderungen hingewiesen hat, hält die Beklagte dagegen, dass hierdurch
eine Lagerung nicht unmöglich geworden sei. Es sei auch möglich die Ware ohne Nutzung eines
Schwemmkanals wieder zu entnehmen, z.B. bei Schüttgut mittels Förderbändern oder durch Gebläse,
Elevatoren bzw. durch Schaffung einer Einfahrt von Osten her oder durch einen Lastenaufzug. Völlig
unbegründet seien die Anträge auf Beseitigung der Kelleranlage. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren
einen mit D. Schö. & M. Scha. GbR abgeschlossenen Mietvertrag auszugsweise vorlegen lassen (vgl.
Anhang zum SS vom 15.10.2019). Die Beklagte verweist zudem erneut auf die von ihr bereits erstinstanzlich
geschilderte ursprüngliche Absicht der Beklagten, die dienenden Grundstücke der Kläger zu erwerben. Sie
ergänzt ihren Vortrag dahingehend, dass die Beklagte auch derzeit noch die Grundsteuer für die
„Kellergrundstücke“ bezahle.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die
Protokolle der mündlichen Verhandlungen erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Kläger erweist sich in der Sache als erfolgreich.
1. Den Klägern steht ein Anspruch auf Bewilligung der Löschung der streitgegenständlichen
Grunddienstbarkeiten gem.
Der Anspruch auf Bewilligung der Löschung der streitgegenständlichen Grunddienstbarkeiten besteht gegen
die Beklagte als Eigentümerin des herrschenden Grundstücks unter dem Gesichtspunkt der
Grundbuchberichtigung, weil die Dienstbarkeiten vorliegend erloschen sind.
a) Unstreitig wurden die streitgegenständlichen Grunddienstbarkeiten wirksam im Jahr 1965 bestellt, §§
1018, 1019 BGB. Die Kläger sind Eigentümer der beiden dienenden Grundstücke, die Beklagte ist
Eigentümerin des herrschenden Grundstücks. Dass, wie von der Beklagten vorgetragen, ursprünglich, d.h. in
den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, beabsichtigt gewesen sei, dass die Beklagte das Grundstück
erwerbe und die Beklagte auch einen Eigentumserwerb nie aufgegeben habe, hindert das wirksame
Entstehen der Grunddienstbarkeiten nicht.
Im vorliegenden Fall haben sich die damaligen Vertragsparteien geeinigt, dass Grunddienstbarkeiten
dahingehend bestellt werden, dass die Eigentümer der dienenden Grundstücke den auf ihren Grundstücken
von der Beklagten bereits errichteten Kartoffelkeller mit Erdaufschüttung und unterirdischem Schwemmkanal
dulden und auf ihren Grundstücken ein Geh- und Fahrtrecht zu dem Keller einräumen. Diese
Grunddienstbarkeiten wurden auch unzweifelhaft ins Grundbuch eingetragen.
b) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erlischt die Grunddienstbarkeit dadurch, dass der für
das herrschende Grundstück erstrebte Vorteil (
tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv wegfällt (vgl. z.B. BGH Urteil vom
05.10.1965, V ZR 73/63; Urteil vom 15.01.1999, V ZR 163/96; BGH Urteil vom 24.02.1984, V ZR 177/82).
Die Kläger tragen dabei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dieser Vorteil nicht mehr besteht und die
Ausübung der Grunddienstbarkeit dauerhaft ausgeschlossen ist. Nach Auffassung des Senats ist im
vorliegenden Fall hinreichend dargetan und nachgewiesen, dass aufgrund der konkreten Umstände der mit
der Bestellung der Grunddienstbarkeit erstrebte Vorteil endgültig weggefallen ist.
Ausgangspunkt für die Feststellung, ob der mit der Grunddienstbarkeit erstrebte Vorteil weggefallen ist, muss
zunächst die Klärung der Frage sein, welchen Vorteil für das herrschende Grundstück die
Grunddienstbarkeit bewirken soll, d.h. die Ermittlung des Inhalts des Vorteils.
Gemäß
Grundstück einen Vorteil bieten und ist dieser Vorteil eine materiell-rechtliche Voraussetzung der
Grunddienstbarkeit. Zugleich begrenzt der Vorteil den Inhalt der Grunddienstbarkeit. Nach
kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht über das sich aus dem Vorteil ergebende Maß hinaus erstreckt
werden. Das Merkmal des Vorteils verkörpert das den Grunddienstbarkeiten zugrunde liegende Prinzip der
Utilität und soll das Entstehen von zeitlich unbegrenzten Beschränkungen verhindern, die dem herrschenden
Grundstück keinen Nutzen (mehr) bringen. Aus dem Vorteil ergibt sich zugleich der Inhalt der
Grunddienstbarkeit. Aus wirtschaftlicher Sicht stellt das Erfordernis des Vorteils sicher, dass die Belastung
des dienenden Grundstücks nicht über das zum Vorteil gebotene Maß ausgedehnt wird und die Belastung
auch nur so lange andauert, wie dies für das herrschende Grundstück von Nutzen ist (vgl. Beck online-
Großkommentar, BGB, Stand 01.08.2019, § 1019 Rdnrn. 1 - 5). Dabei ist der von den Parteien verfolgte
Zweck ein wichtiger Anhaltspunkt für die Frage, ob ein Vorteil (noch) vorliegt.
Bei der Ermittlung des Vorteils ist von der Parteivereinbarung und von dem Zweck, der mit der
Grunddienstbarkeit verfolgt wird, auszugehen. Maßgeblich ist dabei eine objektive Betrachtung unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. Beck online-Großkommentar a.a.O. Rdnr 15).
Grunddienstbarkeiten zielen auf die Regelung der tatsächlichen Benutzung von Grundstücken. Daher muss
der vom Gesetz vorausgesetzte Vorteil auf die Benutzung des herrschenden Grundstücks bezogen sein und
sich gerade aus der Ingebrauchnahme des dienenden Grundstücks ergeben. Der Vorteil muss sich also aus
seiner allgemeinen Grundstückssituation in Verbindung mit dem mit der Grunddienstbarkeitsbestellung
verfolgten Zweck ergeben (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.10.2012, 34 Wx 19/11).
Die objektive Betrachtung und Würdigung des Parteivortrags sowie der konkreten Umstände ergibt
vorliegend, dass die Grunddienstbarkeiten einem Gewerbebetrieb auf dem hierfür besonders eingerichteten
herrschenden Grundstück dienen sollten, nämlich einer Brennerei. Die Bestellung der Grunddienstbarkeiten,
d.h. die Duldung der auf den Grundstücken der Kläger errichteten und von der Beklagten genutzten
Kelleranlage erfolgte zu dem Zweck, den unternehmerischen Betrieb der Beklagten, die zum Zeitpunkt der
Bestellung der Grunddienstbarkeiten auf dem herrschenden Grundstück unstreitig bereits seit langer Zeit
eine Kartoffelbrennerei betrieb, dadurch zu fördern, dass die für das Brennen zu verwendenden Kartoffeln in
dem auf den Klägergrundstücken errichteten Keller gelagert und von dort auf das Grundstück der Beklagten
mittels Schwemmanlage verbracht werden konnten, um dort zu Alkohol gebrannt zu werden. Die
Grunddienstbarkeiten erstreckten sich zudem auf das Befahren der klägerischen Grundstücke zum Zwecke
der Anlieferung und Befüllung der Kelleranlage mit diesen Kartoffeln. Unstreitig hat die Beklagte
jahrzehntelang in dieser Weise die Keller tatsächlich genutzt und auf ihrem Grundstück die Brennerei
betrieben. Dass eine andere Nutzung der auf den Grundstücken der Kläger geduldeten Kelleranlage zum
Vorteil des herrschenden Grundstücks in Betracht kam und kommt und von den Parteien vereinbart wurde,
sieht der Senat nicht.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten ist aus Sicht eines unbefangenen Betrachters
nicht davon auszugehen, dass der Kartoffelkeller aufgrund der gewährten Grunddienstbarkeiten in jeder
zulässigen Weise genutzt werden dürfe, sei es als Museum oder zur Lagerung von Getreide, Wurzelgemüse
o.ä.. Bereits aus dem Wortlaut der notariellen Urkunde ist zu entnehmen, dass sich die Grunddienstbarkeiten
auf die Lagerung von Kartoffeln beziehen. Dies ergibt sich aus der in der notariellen Vereinbarung
niedergelegten Bezeichnung „Kartoffelkeller zum Brennereigebäude“ hinsichtlich der auf dem Grundstück
des Klägers zu 1) bestellten Grunddienstbarkeit und aus der Bezeichnung „Belassung des
Kartoffelkellerteiles“ hinsichtlich des Grundstücks des Klägers zu 2). Auch aus dem mit Schriftsatz vom
11.04.2018 vorgelegten Bauplänen aus dem Jahr 1959 ergibt sich unzweifelhaft die (beabsichtigte)
Errichtung eines „Kartoffelkellers“ bzw. eines „Kartoffelkellers mit Belüftungs- und Schwemmanlage“ mit
Verbindung zum Beklagtengrundstück. Die Beklagte kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, dass
im Hinblick auf die Eintragung im Grundbuch jedwede Nutzung der Kellerräume geduldet werden müsse und
sich die Grunddienstbarkeiten auf jede mögliche Art der Nutzung der Kellerräume erstrecken.
Aus den oben dargestellten Umständen ergibt sich vielmehr, dass auch für einen objektiven Betrachter die
Duldung des (Kartoffel-) Kellers auf den Klägergrundstücken und deren Nutzung eng mit der auf dem
herrschenden Grundstück betriebenen Kartoffelbrennerei verknüpft war und ist. Dies bestätigt sich nicht
zuletzt auch daraus, dass unstreitig zum damaligen Zeitpunkt ein landwirtschaftliches Brennrecht bestand
und die Beklagte als Brennereigenossenschaft seit Jahrzehnten die von ihren Genossen angebauten und
angelieferten Kartoffeln in der Brennerei auf dem herrschenden Grundstück brannte. Die ehemaligen
Grundstückseigentümer der dienenden Grundstücke waren selbst Genossen der Beklagten. Die
Grunddienstbarkeiten und der mit ihnen eingeräumte Vorteil für das herrschende Grundstück steht daher in
engem Zusammenhang mit dem Zweck, auf dem herrschenden Grundstück den Betrieb einer
Kartoffelbrennerei dadurch zu fördern, dass die angelieferten Kartoffeln in den Kartoffelkellern gelagert und
von dort aus mittels Schwemmanlage in das Brennereigebäude zum Zwecke des Brennens verbracht
werden können.
Für die Frage, welchen Vorteil die Grunddienstbarkeiten dem herrschenden Grundstück bieten sollten und
sollen, ist nicht von Relevanz, ob - wie von Beklagtenseite behauptet - ursprünglich beabsichtigt gewesen
sei, die Klägergrundstücke an die Beklagte zu veräußern. Zu Grundstücksübertragungen ist es unstreitig in
der Folgezeit nach Bestellung der Grunddienstbarkeiten nicht gekommen, die Beklagtenseite hat auch nicht
vorgetragen, dass sie in den zurückliegenden Jahren auf eine Grundstücksübereignung hingewirkt bzw.
darauf bestanden habe. Ebenso wenig relevant ist die Behauptung, dass die den damaligen
Grundstückseigentümern geleistete Vergütung für die Grunddienstbarkeiten erheblich überhöht gewesen sei
und die Beklagte die Grundsteuer für die dienenden Grundstücke zahlte und zahlt.
c) Dieser oben dargestellte Vorteil ist nach Überzeugung des Senats dauerhaft entfallen. Ein Wegfall des
Vorteils ist anzunehmen, wenn infolge einer Veränderung des Grundstücks die Ausübung der
Grunddienstbarkeit dauernd ausgeschlossen ist oder wenn der Vorteil für die Benutzung des herrschenden
Grundstücks infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage
objektiv und endgültig nicht mehr besteht. Ein Wegfall des Vorteils kommt insbesondere in Betracht, wenn
die durch die Grunddienstbarkeit begünstigte Nutzung des herrschenden Grundstücks entfällt oder
aufgegeben wird (Beck online Großkommentar a.a.O. § 1019 Rdnrn. 65, 66 m.w.N.)
Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Grunddienstbarkeit seit ca. 15 Jahren unstreitig
nicht mehr ausgeübt wird, d.h. dass in diesem Zeitraum eine Nutzung des Kartoffelkellers durch die
Eigentümerin des herrschenden Grundstücks in der oben dargestellten Weise nicht mehr erfolgt.
Der Senat verkennt nicht, dass ein Vorteil endgültig, d.h. nicht nur vorübergehend weggefallen sein muss
und dass die bloße Nichtausübung der Grunddienstbarkeit bzw. eine nur vorübergehende Verhinderung der
Ausübung nicht zum Wegfall des Vorteils führt.
Vorliegend haben die Parteien mit den Grunddienstbarkeiten - wie oben dargestellt - einen bestimmten
Zweck verfolgt. Daraus ergibt sich zugleich die Reichweite des Vorteils. Entfällt der von den Parteien
verfolgte Zweck, dann entfällt damit auch der Vorteil, selbst wenn die Grunddienstbarkeit zu einem anderen
Zweck aufrechterhalten werden könnte.
Bei einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände ergibt sich, dass der Vorteil für das herrschende
Grundstück dauerhaft entfallen ist. Hierbei zu berücksichtigen ist zum einen die Tatsache, dass das
landwirtschaftliche Brennrecht, aufgrund dessen die Beklagte die Brennerei betrieben hatte, endgültig
weggefallen ist. Auch nach dem „normalen und regelmäßigen Verlauf der Dinge“ ist vorliegend nicht damit zu
rechnen, dass die Beklagte künftig wieder eine Kartoffelbrennerei betreiben und hierzu den Kartoffelkeller
zur Lagerung von Kartoffeln nutzen wird. Hiergegen spricht zum einen, dass - vom Kläger unwidersprochen
vorgetragen - die weitaus meisten der Genossen der Beklagten keine Kartoffeln mehr anbauen, eine
Kartoffelbrennerei wirtschaftlich nicht sinnvoll zu betreiben ist, die Beklagte die Brenneinrichtung entfernt hat
und bauliche Veränderungen im Brennereigebäude vorgenommen hat.
Demgegenüber sieht der Senat nicht, dass sich noch ein künftiger Vorteil für das herrschende Grundstück
ergeben kann. Die bloße vage Möglichkeit, dass die Grunddienstbarkeit in Zukunft nochmals einen Vorteil
bieten könnte, steht einem Erlöschen wegen Wegfalls des Vorteils nicht entgegen (vgl. BayObLG 1988, 14 =
oben dargestellten Sachverhalte für nahezu ausgeschlossen, dass es auf dem herrschenden Grundstück
wieder zum Betrieb einer Kartoffelbrennerei kommen wird und infolgedessen zu einer Nutzung des
Kartoffelkellers hierfür. Die von Beklagtenseite hierzu vorgetragenen Absichten und Umstände haben rein
spekulativen Charakter. Es werden insbesondere keine Sachverhalte vorgetragen, aus denen sich konkrete
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass in einem normalen und regelmäßigen Verlauf der Dinge damit gerechnet
werden kann, dass die Grunddienstbarkeit in Zukunft nochmals einen Vorteil bieten könnte.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass auch allein die Lagerung von Kartoffeln oder anderen
landwirtschaftlichen Produkten durch sie bzw. ihre Genossen künftig in Betracht käme, ist ihr der oben
dargestellte Zweck und damit der mit den Grunddienstbarkeiten verfolgte Vorteil entgegenzuhalten. Der
Vorteil der mit der Duldung des Kartoffelkellers auf den Klägergrundstücken gesichert wird, erstreckt sich auf
den Betrieb einer Kartoffelbrennerei auf dem herrschenden Beklagtengrundstück und nicht auf eine reine
Lagerhaltung von Kartoffeln bzw. anderen landwirtschaftlichen Produkten. Hierauf kommt es maßgeblich an,
wenn es um die Frage geht, ob die Grunddienstbarkeit in Zukunft noch einen Vorteil bieten kann.
Die Beklagte lässt weiter vorgetragen, dass sie jederzeit den Brennereibetrieb wieder aufnehmen, den
Rückbau des Gebäudes vornehmen und den Kartoffelkeller wieder nutzen könne. Hierbei handelt es sich
jedoch nur um abstrakte, spekulative Angaben, denn auch nach ihrem eigenen Vortrag gibt es keine
konkreten Absichten oder Pläne und auch kein Konzept für eine Umsetzung. Nach dem Klägervortrag ist
unstreitig, dass die Beklagte den Brennmeister entlassen, das Brennereigebäude umgebaut und die
Brennereitechnik entsorgt hat. Dabei wurden die technischen Geräte im Brennereigebäude für die Abnahme
der Kartoffeln aus dem Kartoffelkeller ausgebaut und stattdessen technische Geräte zur Wasseraufbereitung
für die Destillerie eingebaut. Nach dem Klägervortrag ist auch unbestritten, dass der Betrieb einer
Brennereianlage unwirtschaftlich ist und das Gebäude langfristig vermietet wurde. Der Keller ist seit Jahren
ungenutzt, wird nicht mehr instandgehalten und verfällt (vgl. Alagen z. Schriftsatz vom 05.11.2018). Es ist
nicht abzusehen, dass sich diese tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ändern werden. Aus den
Umständen ergibt sich vielmehr, dass die Beklagte die mit der Grunddienstbarkeit erstrebte Nutzung
aufgegeben hat.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Vermietung des Brennereigebäudes an die D. Schö.&
M. Scha. GbR und die Nutzung des Gebäudes durch die Firma T.D. Auch wenn die Ausübung der
Dienstbarkeit durch Dritte aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der Beklagten das Fortbestehen des mit
der Dienstbarkeit eingeräumten Vorteils darstellen kann, fehlt es jedoch vorliegend an einer derartigen
vertraglichen Vereinbarung und auch an einer tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit durch Dritte und ist
auch nicht konkret damit zu rechnen, dass eine solche erfolgen wird. Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass
die Vermietung ausweislich des vorgelegten Mietvertrags sich allein auf das Brennereigebäude erstreckt, die
Firma T. D. in dem umgebauten Gebäude keine Brennerei betreibt, sondern die Veredelung zugekauften
Rohalkohols zu Gin, und dort Spirituosen verkauft. Der Kartoffelkeller ist auch nach dem Vortrag der
Beklagten nicht mit vermietet. Soweit im erstmals in der Berufung in Auszügen vorgelegten Mietvertrag
davon die Rede ist, dass „mit Rücksicht auf die zukünftige beabsichtigte Durchführung auch eines
Brennereibetriebs“ die Beklagte „die Bereitschaft zur Verfügungstellung des sogenannten …'Kartoffelkellers'“
bestätigt, ergibt sich hieraus nicht konkret eine künftige Wiederaufnahme der mit der Grunddienstbarkeit
erstrebten Nutzung durch den Mieter. Es ist nämlich festzuhalten, dass in den zurückliegenden Jahren nach
Abschluss des Mietvertrags weder die Mietpartei noch die Firma T. D. konkrete Anstalten unternommen
haben, das über Jahre durchgeführte Konzept der Veredelung zugekauften Alkohols zu Gin aufzugeben und
einen umfassenden Rückbau des Gebäudes dahingehend, dass dort wieder aus den im Kartoffelkeller
gelagerten Kartoffeln Alkohol zur Herstellung von Gin gebrannt wird, vorzunehmen. Auch die von
Beklagtenseite auf die vorgelegte Erklärung des Betreibers der Destillerie T. D. vom 04.09.2018 gestützte
Behauptung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Äußerung beinhaltet die „feste Planung, den
Rohalkohol durch Vergärung von heimischen Bio-Kartoffeln und deren anschließender Destillation…“
herzustellen. Eine konkrete Darstellung zur Umsetzung dieses „festen Plans für die Zukunft“ liegt nicht vor
und sieht der Senat auch angesichts der oben dargestellten tatsächlichen Verhältnisse nicht. Dies gilt auch
hinsichtlich des vorgelegten Beschlusses der Genossen der Beklagten vom 13.09.2018 ausweislich der
Anlage 1. Die von Beklagtenseite dargestellten Möglichkeiten des Wiederauflebens des Vorteils sind nur
vage und spekulativ und stehen insbesondere im Widerspruch zum tatsächlichen Verhalten der Beklagten
bzw. der Mieter des Objekts in den zurückliegenden Jahren.
Aufgrund all dieser Umstände ist der Senat davon überzeugt, dass die Inanspruchnahme der
Grunddienstbarkeiten für das Grundstück der Beklagten nach dem regelmäßigen Verkauf der Dinge nicht
mehr von Bedeutung werden kann. Der Kartoffelkeller hat für das Grundstück der Beklagten seine
Bedeutung verloren. Da damit der Vorteil für das herrschende Grundstück entfallen ist, die
Grunddienstbarkeiten erloschen sind, haben die Kläger gem.
Zustimmung zur Löschung der Dienstbarkeiten.
2. Nach
Klägergrundstücken unstreitig von Beklagtenseite errichteten Kartoffelkellers verlangen. Die Dienstbarkeit
erstreckte sich auf die Duldung dieser Anlage auf den Klägergrundstücken. Mit Erlöschen der Dienstbarkeit
entfällt auch die Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB mit der Folge, dass die Kläger die Beseitigung des
Kellers auf ihren Grundstücken und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen können.
Soweit die Beklagte bezüglich des Rückbaus auf mögliche tatsächliche Schwierigkeiten hinweist, schließt
dies den Beseitigungsanspruch nicht aus. Die tatsächliche Umsetzung ist eine Frage der Vollstreckung.
3. Die von Beklagtenseite im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.12.2019 vorgetragenen
Ausführungen geben zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung Anlass. Soweit es sich um neuen
Tatsachenvortrag handelt, hat er als verspätet unberücksichtigt zu bleiben, soweit er bisherigen Vortrag
wiederholt und vertieft, ist hierauf in der Entscheidung bereits eingegangen.
4. Der Anspruch des Klägers zu 1) auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von
3.137,91 Euro für nach Verzugseintritt erfolgter Tätigkeit des Klägervertreters stützt sich auf § 286 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus
Den Aufwand der Beklagten für die Beseitigung des Kellers und Wiederherstellung des ursprünglichen
Zustands bezüglich der Grundstücke des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) bemisst der Senat mit jeweils
400.000,00 Euro. Er stützt sich hierbei auf die Angaben insbesondere auch der Beklagten, die mit Anlage
zum Schriftsatz vom 25.03.2019 eine grobe Kostenschätzung vorgelegt hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zur würdigen waren vielmehr die
Umstände des Einzelfalls auf der Basis der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Verkündet am 18.12.2019
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:18.12.2019
Aktenzeichen:7 U 898/19
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
NJW-RR 2020, 399-402
Normen in Titel:BGB §§ 286, 894, 1004 Abs. 1 u. 2, 1018, 1019 S. 2