OLG Frankfurt a. Main 07. Januar 2020
20 W 269/19
GBO § 12

Einsicht in das Grundbuch des Unterhaltsverpflichteten durch den Unterhaltsberechtigten

letzte Aktualisierung: 09.04.2020
OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.2020 – 20 W 269/19

GBO § 12
Einsicht in das Grundbuch des Unterhaltsverpflichteten durch den Unterhaltsberechtigten

Verwandten kann allgemein ein Grundbucheinsichtsrecht – jedenfalls hinsichtlich Abt. I des
Grundbuchs – zugestanden werden, wenn sie Unterhaltsansprüche geltend machen wollen. Will der
Unterhaltsberechtigte das Grundbuch des Unterhaltsverpflichteten einsehen, hat er alledings
konkrete Tatsachen seiner Unterhaltsbedürftigkeit darzulegen. Die Behauptung eines abstraktsachlichen
Unterhaltsanspruchs genügt nicht. Der Unterhaltsberechtigte kann in diesem
Zusammenhang dann nicht allgemein auf das Bestehen eines Auskunftsanspruchs gegen den
Unterhaltsverpflichteten verwiesen werden.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 06.03.2019
beim Grundbuchamt die Übersendung eines Grundbuchauszugs betreffend den Grundbesitz
in Stadt2, Straße1, beantragt. Zur Begründung hat die Antragstellerin vorgetragen,
sie sei leibliche Tochter des A. Vor dem Familiengericht Kirchhain sei ein Kindesun-
terhaltsabänderungsverfahren anhängig. In diesem Zusammenhang sei die Höhe der Unterhaltsansprüche
der Antragstellerin gegen A zu klären. Sollte dieser Eigentümer einer
von ihm selbst bewohnten Immobilie sein, sei ihm ein Wohnvorteil zuzurechnen, durch
den sich seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin erhöhe. Auf die
Schreiben vom 06.03.2019 und 13.03.2019 (Bl. 15/1 ff., 15/5 d. A.) wird wegen der diesbezüglichen
Einzelheiten verwiesen.

Durch Beschluss vom 20.03.2019 (Bl. 15/6 d. A.) hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
beim Grundbuchamt in der Grundbuchsache „Stadt1 Blatt ...“ den beantragten
Grundbuchauszug mit der Begründung nicht erteilt, dass der gesetzliche Auskunftsanspruch
gemäß § 1605 BGB nur gegenüber dem Verpflichteten und nicht gegenüber Dritten
bestehe. Der Unterhaltsverpflichtete sei zwar zur Auskunft verpflichtet, gebe er keine
Auskunft, sei er auf Auskunftserteilung zu verklagen.

Mit Schreiben vom 01.04.2019 (Bl. 15/9 ff. d. A.) hat die Antragstellerin im Wege der Erinnerung
beantragt, bezüglich des Grundbesitzes ihres Vaters A in Stadt2, Straße1, und
etwaigen weiteren Grundbesitzes einen Grundbuchauszug zu erteilen. Sie hat sich auf
§ 12 GBO bezogen, die diesbezüglich fehlende Rechtsanwendung durch das Grundbuchamt
gerügt und ihr Vorbringen zu dem vom Kindesvater eingeleiteten Kindesunterhaltsabänderungsverfahren
vertieft. Auch wegen des dort gestellten Antrags auf einstweilige
Einstellung der Zwangsvollstreckung und weil die Antragstellerin dringend auf die monatlichen
Unterhaltszahlungen angewiesen sei, sei die Erteilung des Grundbuchauszugs
dringend erforderlich und könne sie nicht auf einen Auskunftsanspruch gemäß § 1605
BGB verwiesen werden. Sie hat ergänzend eine in diesem Zusammenhang abgegebene
eidesstattliche Versicherung des A vom 14.03.2019 (Bl. 15/12 d. A.) vorgelegt.

Durch Beschluss vom 03.07.2019 (Bl. 15/14 ff. d. A.) hat die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt
in der Grundbuchsache „Stadt1 Blatt ...“ der Erinnerung gegen die Ablehnung
der Erteilung eines Grundbuchauszugs mit der Begründung des Beschlusses vom
20.03.2019 nicht abgeholfen und zusätzlich darauf hingewiesen, dass der Auskunftsanspruch
nicht abtretbar sei. Mit weiterem Beschluss vom 14.11.2019 hat die Rechtspflegerin
beim Grundbuchamt den genannten Beschluss dahingehend berichtigt, dass die
Erinnerung zurückgewiesen werde.

Gegen den Beschluss vom 03.07.2019 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten
vom 04.11.2019, auf den verwiesen wird, Beschwerde eingelegt
mit dem Antrag, einen Grundbuchauszug bezüglich des Grundbesitzes des A, wohnhaft
in Stadt2, Straße1, und etwaigen weiteren Grundbesitzes, eingetragen im Grundbuch
von Stadt2, zu erteilen. Sie rügt wiederum die Rechtsanwendung des Grundbuchamts,
vertieft ihr Vorbringen zu ihrem berechtigten Interesse an der Grundbucheinsicht
und meint von daher, ihr sei ein vollständiger Grundbuchauszug zu erteilen.

Die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom
14.12.2019 „aus den Gründen der angefochtenen Zwischenverfügung“ nicht abgeholfen
und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend hat sie zur Begründung
darauf hingewiesen, dass ein vollständiger Grundbuchauszug nicht erteilt werden könne,
da die Eintragungen in Abt. II und III für die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs
irrelevant seien.

II.
Die Beschwerde ist zulässig.

Gemäß § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO ist zur Entscheidung über die Gestattung der Einsicht in
das Grundbuch und die Erteilung von Grundbuchauszügen zunächst der Urkundsbeamte
der Geschäftsstelle des Grundbuchamtes berufen. Wird eine Änderung einer Entscheidung
nach § 12c Abs. Nr. 1 GBO verlangt und abgelehnt, so hat hierüber im Wege der
Erinnerung der Grundbuchrechtspfleger zu entscheiden, gegen dessen Entscheidung -
hier der angefochtene Beschluss vom 03.07.2019 in der berichtigten Fassung - sodann
nach § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO die Beschwerde eröffnet ist (vgl. Senat, Beschluss vom
09.05.2019, 20 W 102/19, zitiert nach juris).

Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgreich.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes
Interesse darlegt. Ein solches berechtigtes Interesse ist gegeben, wenn zur
Überzeugung des Grundbuchamts bzw. des an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts
ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers
dargelegt wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits
vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem
bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann
(vgl. die Nachweise bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rz. 525; Demharter,
GBO, 31. Aufl., § 12 Rz. 7 ff; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 12 Rz. 6 ff.; Grziwotz MDR
2013, 433 ff.; Senat, Beschluss vom 07.11.2016, 20 W 305/16, n. v., und Beschluss vom
09.05.2019, 20 W 102/19, zitiert nach juris). § 12 Abs.1 GBO bezweckt nicht in erster Linie
einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche
Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht.

Jedoch genügt nicht jedes beliebige Interesse; vielmehr muss die Verfolgung unbefugter
Zwecke oder reiner Neugier ausgeschlossen werden und die Kenntnis vom Grundbuchstand
für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich
erscheinen. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die in ihrem informationellen
Selbstbestimmungsrecht möglicherweise beeinträchtigten Berechtigten
grundsätzlich vor der Gewährung der Grundbucheinsicht nicht angehört werden und ihnen
von der Rechtsprechung auch kein Beschwerderecht gegen die Gewährung der Einsicht
zugebilligt wird (Senat, a.a.O.).

Verwandten - wie hier der Tochter des Grundeigentümers des hier betroffenen Grundbuchs
- wird allgemein ein Einsichtsrecht zugestanden, wenn sie Unterhaltsansprüche
geltend machen wollen (vgl. Wilsch in BeckOK GBO, Stand: 15.12.2019, § 12 Rz. 91;Keller
in KEHE, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 12 Rz. 9;Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 12 Rz.
53;Böhringer ZEV 2009, 43, m. w. N.). Will der Unterhaltsberechtigte das Grundbuch des
Unterhaltsverpflichteten einsehen, hat er allerdings konkrete Tatsachen seiner Unterhaltsbedürftigkeit
darzulegen. Die Behauptung eines abstrakt-sachlichen Unterhaltsanspruchs
genügt nicht (vgl. dazu Böhringer ZEV 2009, 43; RPfleger 1987, 181).

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin, die im Einzelnen dargelegt
hat, als Tochter des Eigentümers des hier betroffenen Grundbesitzes gegenüber
diesem unterhaltsberechtigt zu sein, bereits einen vollstreckbaren Titel gegen diesen
innezuhaben, jedoch nunmehr einem vom Kindesvater eingeleiteten Kindesunterhaltsabänderungsverfahren
ausgesetzt zu sein, in dessen Rahmen unter anderem auch zur
(Neu-)Berechnung des Unterhaltsanspruchs das Eigentum an diesem Grundbesitz von
Bedeutung ist. Dieses Vorbringen kann zugrunde gelegt werden. Das Gesetz verlangt
keine Glaubhaftmachung. Notwendig - aber auch ausreichend - ist vielmehr ein nachvollziehbares
Tatsachenvorbringen in der Art, dass das Grundbuchamt und in der Beschwerdeinstanz
das Beschwerdegericht daraus die Überzeugung von der Berechtigung der geltend
gemachten Interessen erlangen kann (vgl. die Nachweise bei OLG München ZWE
2016, 133, zitiert nach juris; Meikel/Böttcher, a.a.O., § 12 Rz. 10). Dem ist die Antragstellerin
spätestens mit Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des A vom 14.03.2019
nachgekommen.

Soweit das Grundbuchamt demgegenüber darauf abgestellt hat, ein Auskunftsanspruch
bestehe nur gegenüber dem Verpflichteten und nicht gegenüber Dritten, trägt dies die
Ablehnung der Erteilung des beantragten Grundbuchauszugs zum hiesigen Grundbuch
nicht. Derjenige, der nach den oben dargelegten Voraussetzungen und in den Grenzen
nach §§ 12 ff. GBO Grundbucheinsicht begehrt, kann nicht auf Bestehen eines Auskunftsanspruchs
gegen den Anspruchsverpflichteten verwiesen werden (vgl. etwa KG FGPrax
2004, 58, zitiert nach juris zum Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten), abgesehen
davon, dass die Antragstellerin hier dargelegt hat, dass die vorherige Geltendmachung
von Auskunftsansprüchen wegen des Eilantrags im Unterhaltsverfahren mit
Rechtsnachteilen verbunden wäre. Die im angefochtenen Beschluss vorgebrachten Abtretungsvorgänge
sind nicht erkennbar.

Allerdings kann nach dem Vorbringen der Antragstellerin lediglich ein berechtigtes Interesse
an der Einsicht am Bestandsverzeichnis und der Abt. I des Grundbuchs von Stadt1,
Blatt ..., festgestellt werden, damit sie - wie sie vorträgt - prüfen kann, ob der Kindesvater
Eigentümer einer Immobilie ist, die ggf. von ihm selbst bewohnt wird. Ein berechtigtes
Interesse an der Einsicht in die Abt. II und III ist nicht dargetan. Insoweit ist der vom
Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss geäußerten Einschätzung zu folgen. Die Erwägungen,
die die Antragstellerin insoweit anstellt, nämlich das Interesse an der Ermittlung
der Zurechnung eines Wohnvorteils und der Zurechnung von Mieteinkünften zur Berechnung
des Unterhaltsanspruchs lassen keinerlei Bezug zu möglichen Eintragungen in Abt.
II und III des Grundbuchs erkennen.

Der Senat hat - wie aus dem Tenor ersichtlich - die Erteilung eines beglaubigten Teilauszugs
auszusprechen. Dies beruht darauf, dass § 45 GBV seit jeher so verstanden wird,
dass Abschriften eines Teils des Grundbuchblatts nur in beglaubigter Form zu erteilen
sind (vgl. dazu im Einzelnen Senat, Beschluss vom 09.05.2019, 20 W 102/19, KG FGPrax
2016, 104, je zitiert nach juris; Kral in BeckOK GBO, a.a.O., § 12c Rz. 6; Keller in KEHE,
Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 45 GBV Rz. 1).

Dass das Grundbuchamt bereits über den Antrag entschieden hätte, der Antragstellerin
auch zu etwaigem weiterem Grundbesitz ihres Vaters A in Stadt2 einen Grundbuchauszug
zu erteilen, kann dem Beschluss vom 03.07.2019 nicht entnommen werden. Dieser
bezieht sich nach dem Beschlusseingang wie auch der vorangegangene Beschluss vom
20.03.2019 lediglich auf die Grundbuchsache zum hiesigen Grundbuch. Hierüber hat mithin
nicht erstmals der Senat im Beschwerdeverfahren zu entscheiden, ungeachtet der
Frage, inwieweit ihm dies möglich wäre, da etwa Verzeichnisse der Eigentümer und der
Grundstücke im Sinne des § 12a GBO bei ihm nicht geführt werden. Dies wird das Grundbuchamt
ggf. nachzuholen haben.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt der gesetzlichen Regelung, §§ 22 Abs. 1,
25 Abs. 1 GNotKG. Eine Veranlassung zu einer anderweitigen gerichtlichen Entscheidung
hat der Senat nicht gesehen. Da auch eine Anordnung der Erstattung notwendiger Aufwendungen
für nicht veranlasst ist, bedarf es einer Festsetzung des Geschäftswerts für
das Beschwerdeverfahren nicht.

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 78 GBO. Weder hat die Sache
grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, da gesetzlich nicht vorgesehen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

07.01.2020

Aktenzeichen:

20 W 269/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Kindes- und Verwandtenunterhalt

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 591-592

Normen in Titel:

GBO § 12