OLG Bremen 06. September 2023
3 W 14/23
GBO § 51; BGB §§ 1824, 2113

Anhörung eines minderjährigen Nacherben vor Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch

letzte Aktualisierung: 30.11.2023
OLG Bremen, Beschl. v. 6.9.2023 – 3 W 14/23

GBO § 51; BGB §§ 1824, 2113
Anhörung eines minderjährigen Nacherben vor Löschung eines Nacherbenvermerks im
Grundbuch

1. Beantragt der Kindesvater als befreiter Vorerbe die Löschung eines Nacherbenvermerks im
Grundbuch, welcher dem Schutz seiner Kinder als minderjährigen Nacherben dient, kann auch die
mit dem Vorerben verheiratete Kindesmutter als gesetzliche Vertreterin der Nacherben angehört
werden.
2. Sollte die mitsorgeberechtigte Kindesmutter die tatsächlichen Angaben, die für eine nicht
gegebene Unentgeltlichkeit der Verfügung des befreiten Vorerben schlüssig beigebracht werden,
bestätigen oder nicht bestreiten, dann kann hierin ein „tatsächliches Zugeständnis“ der
Entgeltlichkeit der Verfügung des Vorerben gesehen werden. In einem solchen Fall läge weder die
Vertretung bei einem Rechtsgeschäft mit dem Ehegatten gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1
Nr. 1 BGB noch eine Zustimmung zur Verfügung über ein Grundstück gem. §§ 1643 Abs. 1, 1850
Nr. 1 BGB oder ein anderes genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft vor. In diesem Fall wäre zur
Anhörung der minderjährigen Nacherben weder ein Ergänzungspfleger zu bestellen noch eine
familiengerichtliche Genehmigung einzuholen.

Gründe

I.
Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer eines Grundstücks in Bremen-[…], welches im
Grundbuch des Amtsgerichts Bremen, Vorstadt R , Bl. eingetragen ist. Die
Eigentümerstellung hat er aufgrund Erbfolge als befreiter Vorerbe eine Erbschaft seiner
Mutter […] erlangt. In Abteilung II des Grundbuchs ist vermerkt, dass Nacherbfolge
sowie Ersatznacherbfolge angeordnet ist. Nacherben des Beteiligten zu 1) sind dessen
Kinder. Sie sind derzeit noch minderjährig (*2015). Ersatznacherbin ist die jeweils
andere Nacherbin. Für die Nacherbinnen ist Testamentsvollstreckung angeordnet.
Zukünftiger Testamentsvollstrecker soll nach einer handschriftlichen Ergänzung des
notariellen Testaments der Erblasserin Herr Dr. L sein.

Mit Urkunde Nr. [..] der Notarin X, Bremen vom 17.02.2023 veräußerte der Beteiligte zu
1) das Grundstück an die Beteiligten zu 2) und 3). Diese beantragten über die Notarin
X, Bremen, am 08.05.2023 die Auflassung des Grundstücks und Löschung des
Nacherbenvermerks. Dabei wies das Amtsgericht Bremen – Grundbuchamt – mit
Schreiben vom 07.06.2023 darauf hin, dass beabsichtigt sei, die minderjährigen
Nacherben vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören. Durch weiteres
Schreiben vom 29.06.2023 legte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Bremen –
Grundbuchamt – ihre Rechtsaufassung nahe, wonach die minderjährigen Nacherben
vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören sei und bei der Anhörung durch
einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger zu vertreten seien. Es bat zugleich um
Einleitung des Bestellungsverfahrens und setzte eine Frist nach § 18 GBO von 6
Monaten.

Unter dem 20.07.2023 wandte sich die Notarin an den Präsidenten des Amtsgerichts
und bat diesen um Vermittlung. Sie wies darauf hin, dass sie vorsorglich dem
Grundbuchamt vorab eine Zustimmungserklärung des potenziellen
Testamentsvollstreckers beigefügt habe. Neben einem Hinweis auf die
Schwierigkeiten, die mit der Bestellung eines Pflegers verbunden seien, verweisen die
Beschwerdeführer darauf, dass der Vorerbe jederzeit die Immobilie veräußern könne,
es bestehe auch keine Interessekollision hinsichtlich der beantragten Löschung des
Nacherbenvermerks Das an den Präsidenten des Amtsgerichts gerichtete Schreiben
wurde der zuständigen Grundbuchrechtspflegerin zugeleitet. Auf Nachfrage der
Rechtspflegerin an die Notarin, ob das Schreiben eine Beschwerde darstelle, legte die
Notarin unter dem 08.08.2023 ausdrücklich Beschwerde gegen „die
Zwischenverfügung vom 29.06.2023“ ein.

Hierauf fasste das Amtsgericht Bremen -Grundbuchamt- am 11.08.2023 einen
Nichtabhilfebeschluss und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.

Das Amtsgericht Bremen – Grundbuchamt - sieht sich an der Eintragung deshalb
gehindert, weil den Nacherben bislang noch kein rechtliches Gehör gewährt worden
sei. Zwar sei durch die entgeltliche Verfügung das Grundstück aus dem Nachlass
ausgeschieden und das Grundbuch damit unrichtig. Allerdings sei das Verfahren zur
Löschung des Nacherbenvermerks ein Verfahren i.S.d. Art. 103 Abs. 1 GG, so dass
den Nacherben rechtliches Gehör zu gewähren sei.

II.
Die Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung der
Zwischenverfügung vom 29.06.2023.

1.

Die Beschwerde ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist als Beschwerde zu behandeln. Die Verfahrensbevollmächtigte der
Beteiligten hat es nicht nur als solche bezeichnet, sondern begehrt ausdrücklich eine
Entscheidung durch das OLG Bremen. Dies ist gemäß §§ 71, 72 GBO nur über eine
Beschwerde zu erreichen. Sie ist, auch ohne dass die Notarin als
Verfahrensbevollmächtigte dies ausdrücklich klargestellt hat, als Rechtsmittel aller
Beteiligten auszulegen.

Statthaft ist die Beschwerde gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 71 Abs. 1 GBO gegen
Entscheidungen des Grundbuchamts. Bloße Vorbescheide oder Hinweise des
Grundbuchamts auf die Rechtslage sind keine Entscheidungen (Demharter, GBO, 33.
Aufl. 2023, § 18 Rn. 53; § 71 Rn. 11). Eine Entscheidung i.S. dieser Vorschrift kann
auch eine Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO sein (BGH NJW 1994,
1158; Demharter, aaO, § 71 Rn. 1). Dabei muss diese – wie vorliegend das Schreiben
vom 29.06.2023 - nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein. Ausschlaggebend ist
vielmehr, dass sie inhaltlich den Kriterien der genannten Bestimmung genügt, d.h.
konkrete Eintragungshindernisse bezeichnet und eine Frist zu deren Behebung setzt
(Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 18, Rn. 29 ff.).

Dies ist vorliegend bezüglich Bitte um „Einleitung der erforderlichen Maßnahmen beim
zuständigen Familiengericht“ zur Durchführung der beabsichtigten Anhörung der
Nacherben der Fall, so dass die Beschwerde insoweit statthaft ist.

2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache im Ergebnis Erfolg und führt zu der Aufhebung
der Zwischenverfügung vom 29.06.2023, soweit darin um die „Einleitung der
erforderlichen Maßnahmen beim zuständigen Familiengericht“ unter Fristsetzung
gebeten wird.

Denn das Grundbuchamt hat eine Zwischenverfügung mit einem nach § 18 GBO nicht
zulässigen Inhalt erlassen. Eine Zwischenverfügung kommt im Fall der
Grundbuchberichtigung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises nur in Betracht, wenn die
Unrichtigkeit des Grundbuchs schlüssig behauptet wird und lediglich auf die Vorlage
eines fehlenden Nachweises der Grundbuchunrichtigkeit hingewirkt werden soll. Wenn
jedoch bei einem Berichtigungsantrag das Grundbuch (noch) nicht unrichtig ist, muss
der Antrag zurückgewiesen werden (OLG Hamm, FamRZ 2023, 1323).

a)
Die Bitte des Grundbuchamtes um „Einleitung der erforderlichen Maßnahmen beim
zuständigen Familiengericht“ zur Durchführung der beabsichtigten Anhörung der
Nacherben kann nicht durch eine Zwischenverfügung i.S.d. § 18 GBO den Beteiligten
aufgegeben werden.

Kennzeichnend für eine Zwischenverfügung ist, dass diese nur bei behebbaren
Hindernissen in Betracht kommt (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 18, Rn. 29). Denn
jeder Zwischenverfügung kommt zugleich die Aussage zu, dem Antrag werde nach
Beseitigung des Hindernisses entsprochen (Demharter, aaO). Deshalb stellt sich eine
Zwischenverfügung dann als irreführend für den Antragsteller dar, wenn der Antrag bei
richtiger Würdigung der Sach- und Rechtslage überhaupt nicht zu der begehrten
Eintragung führen kann (Demharter, aaO). Folglich sind in einer Zwischenverfügung
sämtliche der Eintragung entgegenstehende Eintragungshindernisse auf einmal
anzugeben (Demharter, GBO, aaO, Rn. 30).

b)
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Zwischenverfügung vom 29.06.2023 einen
unzulässigen Inhalt. Denn auch wenn die Antragsteller der Bitte des Grundbuchamtes
entsprechen würden, führte dies nicht unmittelbar zu der hier u.a. beantragten
Löschung des Nacherbenvermerks.

Die Löschung des Nacherbenvermerks vor Eintritt der Nacherbfolge erfolgt
grundsätzlich auf Antrag (§ 13 GBO), wenn die Löschung bewilligt ist (§ 19 GBO) oder
wenn Grundbuchunrichtigkeit nachgewiesen (§ 22 Abs. 1 GBO) oder offenkundig (§ 29
Abs. 1 S. 2 GBO) ist (Bauer/Schaub/Schaub, 4. Aufl. 2018, GBO § 51 Rn. 115).
An einer Bewilligung i.S.d. § 19 GBO fehlt es erkennbar. Zurecht hat das Grundbuchamt
der Erklärung des privatschriftlich bestimmten Testamentsvollstreckers für den
Nacherbfall Dr. L keine rechtliche Bedeutung zugemessen. Gem. § 2202 Abs. 2 S.2
BGB kann die Annahmeerklärung für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht vor
dem Eintritt des Erbfalls abgeben werden, bei Anordnung einer
Testamentsvollstreckung ab Eintritt des Nacherbfalls nicht vor Eintritt der Nacherbfolge
gem. § 2139 BGB (NK-BGB/Ludwig Kroiß, 6. Aufl. 2022, BGB § 2202 Rn. 10 – beck-
online). Der Testamentsvollstrecker konnte aus diesem Grunde auch (noch) nicht der
Löschung des Nacherbenvermerks zustimmen. Er ist auch nicht Vertreter der
minderjährigen Nacherben

Soweit von den Beschwerdeführen u.a. die Löschung eines Nacherbenvermerks (§ 51
GBO) wegen Unrichtigkeit des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 GBO beantragt worden
ist, liegen die Voraussetzungen hierfür derzeit nicht vor. Weder ist eine
Grundbuchunrichtigkeit derzeit nachgewiesen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO noch ist
diese offenkundig i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO.

Das Grundbuch, in das ein Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) eingetragen ist, wird
unrichtig (§ 22 GBO), wenn das Grundstück aus dem Nachlass ausscheidet
(Demharter, 33. Aufl. 2023, § 51, Rn. 42b; BGH, NJW 2014, 1593, Rn. 11). Ein
Grundstück ist dann aus dem Nachlass ausgeschieden, wenn die Veräußerung des
Vorerben voll wirksam war (Demharter, aaO unter Hinweis auf OLG Hamm, RPfleger
1991, 59. KG, Rpfleger 1993, 236), d.h. eine spätere Unwirksamkeit gemäß § 2113
Abs. 2 BGB nicht mehr eintreten kann.

Dies kann bei befreiter Vorerbschaft gemäß §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB durch
Verfügung des Vorerben auch ohne Zustimmung des Nacherben geschehen (OLG
Frankfurt, Beschluss vom 12. Januar 2023 – 20 W 196/22 –, Rn. 18, juris). Unwirksam
ist nur eine (ganz oder teilweise) unentgeltliche Verfügung (§§ 2113 Abs. 2, 2136 BGB
(OLG Frankfurt, aaO). Unentgeltlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn mit der
Verfügung des Vorerben über einen Nachlassgegenstand dem von ihm aufgegebenen
Vermögenswert objektiv keine oder keine gleichwertige, in den Nachlass zu
erbringende Gegenleistung gegenübersteht und der Vorerbe subjektiv das Fehlen oder
die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder nach dem Maßstab
ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkenn müssen (BGH NJW 1984, 2037, 2038
m.w.N. - beck-online; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2113 Rn. 10).
Folglich müsste es entweder offenkundig (§ 29 GBO) oder nachgewiesen (§ 22 GBO)
sein, dass vorliegend keine (teilweise) unentgeltliche Verfügung des befreiten Vorerben
vorliegt.

Die nicht gegebene (Teil-) Unentgeltlichkeit selbst kann als Ergebnis einer rechtlichen
Würdigung nicht nachgewiesen werden; vielmehr müssen die Umstände, aus denen
sich die fehlende (Teil-) Unentgeltlichkeit ergibt, vom Antragsteller belegt werden. Das
Grundbuchamt muss an diesen Nachweis strenge Anforderungen stellen, da es unter
Durchbrechung des Bewilligungsgrundsatzes eine Löschung des Nacherbenvermerks
und damit eines Schutzes für die Nacherben vornehmen soll (Schrandt/Kalb in:
Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar, § 22 [Berichtigung des
Grundbuchs], Rn. 103).

Der Beweis, dass keine unentgeltliche Verfügung vorliegt, kann im Grundbuchverfahren
grundsätzlich nur in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO, also durch öffentliche
Urkunden geführt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2005 – 15 W
460/04 –, juris). Da eine Beweisführung bezüglich der nicht gegebenen (Teil-)
Unentgeltlichkeit jedoch in dieser Form regelmäßig nicht möglich ist, ist das
Grundbuchamt berechtigt und verpflichtet, unter Berücksichtigung sämtlicher
Umstände des Falles und der vorgelegten Urkunden eine freie Beweiswürdigung
vorzunehmen, ob die Entgeltlichkeit nicht als offenkundig i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO
anzusehen ist (Demharter, GBO, 33. Aufl., § 52, Rn. 24). Dem Grundbuchamt ist dabei
eine eigene Beweisaufnahme zur Frage der Unentgeltlichkeit verwehrt (OLG Hamm,
aaO). Das Grundbuchamt hat im Rahmen der freien Beweiswürdigung nämlich keine
eigenen Nachforschungen und Ermittlungen anzustellen (Demharter, GBO, 33. Aufl.
2023, § 52, Rn. 24 i.V.m. § § 51, Rn. 42b).

Bei der freien Beweiswürdigung darf das Grundbuchamt Regeln der Lebenserfahrung
und der Wahrscheinlichkeit heranziehen (OLG Hamm, aaO). Eine entgeltliche
Verfügung ist somit dann anzunehmen, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe
im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend
erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht
ersichtlich sind (OLG Stuttgart BWNotZ 2018, 28; OLG München, Beschluss vom 2.
September 2014 – 34 Wx 415/13 –, juris). Bei einem Rechtsgeschäft zwischen dem
Vorerben und einem unbeteiligten Dritten kann man in aller Regel von einer
entgeltlichen Verfügung ausgehen, wenn das Gegenteil nicht gerade – wie bei einer
Schenkung - offenkundig ist (BeckOK GBO/Zeiser, 50. Ed. 1.8.2023, GBO § 51 Rn. 86).
Ob danach vorliegend von einer vollwirksamen, nicht teilweise unentgeltlichen
Verfügung des befreiten Vorerben ausgegangen werden kann, ist derzeit für den Senat
nicht zu beurteilen. Weder sind die Beweggründe für die Veräußerung aus dem
Akteninhalt erkennbar noch ist ersichtlich, aufgrund welcher Tatsachen die Beteiligten
davon ausgehen, dass es sich vorliegend nicht um ein teilweise unentgeltliches
Geschäft handelt. Es ist nicht ersichtlich, wie der vereinbarte Preis ermittelt worden ist;
die Beteiligung eines Maklers mit eigenem Provisionsinteresse scheint vermutlich nicht
gegeben zu sein. Um den Prüfungsmaßstab des Grundbuchamtes näher abschätzen
zu können wäre es zudem erforderlich, anzugeben, in welchem Nähe- oder ggf.
Verwandtschaftsverhältnis die Erwerber zum Vorerben stehen.

Da es an diesen Angaben durch die Beschwerdeführer derzeit fehlt, kann nicht ohne
weiteres von einer nicht möglicherweise teilweise unentgeltlichen, vollwirksamen
Verfügung des befreiten Vorerben ausgegangen werden. Bei richtiger Behandlung der
Sache hätte das Grundbuchamt daher einen entsprechenden Hinweis erteilen und bei
fehlendem weiteren Vortrag den Antrag, soweit er auch auf die Löschung des
Nacherbenvermerks gerichtet ist, durch Beschluss zurückweisen müssen. Denn im
grundbuchrechtlichen Antragsverfahren gilt der Beibringungsgrundsatz (vgl.
Bauer/Schaub/Bayer/Meier-Wehrsdorfer, 4. Aufl. 2018, GBO § 29 Rn. 4). Das
Grundbuchamt ist nicht berechtigt, selbst Ermittlungen und Beweiserhebungen
eigenständig anzustellen (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2005 – 32
Wx 17/05 – Rn.19, juris m. w. N.). Ebenso ist es nicht Aufgabe des Grundbuchamtes,
den Antragstellern einen möglichen Sachverhalt zu unterbreiten, mit dem ein
Eintragungshindernis nicht bestünde, den die Antragsteller selbst aber nicht
vorgetragen haben (BGH, Beschluss vom 28. April 2022 – V ZB 4/21 –, Rn. 15, juris).
Sollte es vorliegend unter Beachtung der aufgezeigten Anforderungen Tatsachen
geben, die es zulassen, von einer nicht teilunentgeltlichen Verfügung des befreiten
Vorerben auszugehen, so wären diese von den Beteiligten als für sie günstig
spätestens mit der Beschwerdeschrift darzulegen gewesen (vgl. § 27 FamFG). Dies ist
indes nicht der Fall.

3.
Für das weitere Verfahren weist der Senat – insoweit ohne Rechtsbindung - auf
Folgendes hin:

Sofern die Beschwerdeführer im weiteren Verlauf dieses Verfahren dem Grundbuchamt
weitere Tatsachen beibringen, so sind diese zunächst durch das allein dazu berufene
Grundbuchamt frei dahingehend zu würdigen, ob diese Tatsachen im Falle ihrer
Wahrheit, eine teilweise Unentgeltlichkeit der Verfügung ausschließen könnten. Käme
das Grundbuchamt dabei zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, wäre der Antrag
zur Löschung des Nacherbenvermerks zurückzuweisen, da die Grundbuchunrichtigkeit
dann nicht zu erkennen wäre.

Sollte das Grundbuchamt indes zu der Überzeugung gelangen, dass eine entgeltliche,
d.h. nicht auch nur teilweise unentgeltliche Verfügung schlüssig dargelegt worden ist,
dann wären die Nacherben vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören (OLG
Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2018 – 20 W 197/18 –, Rn. 21, juris; OLG
Bamberg BeckRS 2015, 15073 Rn. 6; OLG München, Beschluss vom 23. Dezember
2019 – 34 Wx 468/19 –, Rn. 14, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. März 2012
– I-3 Wx 299/11 –, Rn. 14, juris).

Die Durchführung der Anhörung zur Gewährung rechtlichen Gehörs ist Aufgabe des
Grundbuchamts. Dieses hat die Ermittlung der am Antragsverfahren materiell
Beteiligten und deshalb auch formell zu Beteiligenden selbst von Amts wegen
durchzuführen (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 1 Rn. 41); insbesondere dann wenn
die Ermittlung der Gewährung des rechtlichen Gehörs dient (OLG München, Beschluss
vom 23. Dezember 2019 – 34 Wx 468/19 –, Rn. 14, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss
vom 19. März 2012 – I-3 Wx 299/11 –, Rn. 14, juris).

Bevor das Grundbuchamt die Bestellung eines Pflegers beim zuständigen
Familiengericht zur Durchführung der Anhörung anregt, wäre es gehalten, zu prüfen,
ob eine Anhörung der Mutter der minderjährigen Nacherben zur Gewährung rechtlichen
Gehörs der Nacherben ausreichend sein könnte. Dafür müsste zunächst feststehen,
dass die Mutter (auch) sorgeberechtigt ist, was bisher noch nicht dargelegt worden ist.
Die Kindesmutter wäre in diesem Fall zu den von den Beteiligten beigebrachten
Tatsachen, soweit sie das Grundbuchamt für schlüssig im Sinne des Nachweises der
Entgeltlichkeit des Geschäfts hält, anzuhören. Sollte die Kindesmutter die tatsächlichen
Angaben, die für eine nicht gegebene Unentgeltlichkeit schlüssig beigebracht werden,
bestätigen bzw. nicht bestreiten, dann dürfte die Kindesmutter dadurch ein
„tatsächliches Zugeständnis“ hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Verfügung des
Vorerben abgegeben haben (vgl. Bauer/Schaub/Schaub, 4. Aufl. 2018, GBO § 51 Rn.
149; KG, OLGZ 1968, 337 S. 341 a.E). Damit läge weder die Vertretung bei einem
Rechtsgeschäft mit dem Ehegatten gem. §§ 1629 Abs. 2 S.1, 1824 Abs.1 Nr.1 BGB
noch eine Zustimmung zur Verfügung über ein Grundstück gem. §§ 1643 Abs.1, 1850
Nr. 1 oder ein anderes genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft vor. In diesem Fall
wäre weder ein Ergänzungspfleger zu bestellen noch eine familiengerichtliche
Genehmigung einzuholen (dazu Bauer/Schaub/Schaub, 4. Aufl. 2018, GBO § 51 Rn.
149).

III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil für Beschwerden in
Grundbuchsachen Gebühren nur dann anfallen, wenn diese verworfen oder
zurückgewiesen werden (vgl. Ziffer 14510 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3
Abs. 2 GNotKG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Bremen

Erscheinungsdatum:

06.09.2023

Aktenzeichen:

3 W 14/23

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GBO § 51; BGB §§ 1824, 2113