Löschung einer Grundschuld bei Gesamtberechtigung
letzte Aktualisierung: 26.11.2019
OLG München, Beschl. v. 2.10.2019 – 34 Wx 316/19
BGB §§ 428, 875 Abs. 1, 891; GBO §§ 18 Abs. 1 S. 1, 19
Löschung einer Grundschuld bei Gesamtberechtigung
Im Falle der Gesamtberechtigung an einer Grundschuld ist jeder Gläubiger nur zusammen mit den
anderen verfügungsbefugt nach § 875 Abs. 1 BGB und damit auch bewilligungsbefugt nach § 19
GBO.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin erwarb durch Zuschlagsbeschluss vom 11.12.2018 im
Zwangsversteigerungsverfahren Grundbesitz, ist aber noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch
eingetragen.
Ursprünglich waren die damaligen Eheleute W.H. und B.N. Miteigentümer des Grundstücks zu je 1/2 und als
solche auch in Abt. I des Grundbuchs eingetragen, B.N. allerdings unter ihrem Ehenamen B.H. Am
28.10.2015 bestellten sie für die V.-Bank eine Grundschuld ohne Brief, die am 20.3.2016 im Grundbuch in
Abt. III unter Nr. 1 eingetragen wurde. Am 12.6.2018 wurde über das Vermögen des W.H. das
Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Am 21.11.2018 erklärte die V.-Bank den
Verzicht auf die Grundschuld, der am 29.11.2018 im Grundbuch eingetragen wurde.
Am 20.12.2018 bewilligte B.N. unter diesem Namen, den sie nach ihrer Scheidung von W.H. wieder
angenommen hatte, in ihrer Eigenschaft als bis zum Zuschlag eingetragene Miteigentümerin die Löschung
der Grundschuld.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 28.12.2018 hat die Beschwerdeführerin unter
Beifügung des Zuschlagsbeschlusses und der Löschungsbewilligung der B.N. die Löschung der
Grundschuld in Abt. III Nr. 1 beantragt.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 28.1.2019 hat das Grundbuchamt das Fehlen der Zustimmung
des ehemaligen Eigentümers W.H. zur Löschung des Rechts in Abt. III Nr. 1, des Nachweises der
Namensänderung der B.N. in öffentlich beglaubigter Form und des rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses
beanstandet. Zur Begründung hat das Grundbuchamt ausgeführt, durch den Verzicht werde die Grundschuld
Eigentümerrecht und durch den Zuschlag wieder Fremdrecht der ehemaligen Eigentümer. Sie gehe nur dann
auf den neuen Eigentümer über, wenn der Verzicht nach dem Zuschlag ins Grundbuch eingetragen werde.
Mit Telefax ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 5.2.2019 hat die Beschwerdeführerin gegen die
Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung führt sie mit weiterem Telefax vom 6.2.2019 aus, im Grundbuch sei nach wie vor die V.-
Bank als ehemalige Grundschuldgläubigerin eingetragen. Die Vermutungsregel des
Ersteherin, die somit berechtigt sei, die vollständige Löschung zu beantragen. Doch selbst wenn sich die
Beschwerdeführerin nicht auf
Falle des Entstehens einer Eigentümergrundschuld seien die Miteigentümer als Gesamtgläubiger gemäß §
428 BGB anzusehen. Deshalb reiche schon die Löschungsbewilligung der B.N. aus.
Mit Schreiben vom 15.2.2019 hat der Beteiligte zu 2 erklärt, mit einer Löschung der Grundschuld bestehe
kein Einverständnis, und eine Berichtigung des Grundbuchs dahingehend beantragt, dass die Grundschuld
W.H. und B.N. zu je 1/2 zustehe.
Am 19.2.2019 hat die B.N. eine Kopie ihres Personalausweises übersandt, aus dem die Namensänderung
hervorgeht.
Mit Beschluss vom 31.5.2019 hat das Grundbuchamt erklärt, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und zur
Begründung auf die Zwischenverfügung verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Sie ist als unbeschränkte Beschwerde gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft und wurde ordnungsgemäß nach
b) Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdeberechtigt. Zwar hat nach allgemeiner Meinung der Erwerber
eines Grundstücks, solange er noch nicht als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen ist, kein
Beschwerderecht gegen die Vornahme oder das Unterlassen von Veränderungen des Grundbuchstands.
Denn im Antragsverfahren folgt das Beschwerderecht dem Antragsrecht (BayObLG
Demharter GBO 31. Aufl. § 71 Rn. 63; Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 181). Letzteres steht gemäß §
13 Abs. 1 Satz 2 GBO aber nur dem verlierenden und dem gewinnenden Teil zu. Wer dies wiederum ist, wird
im Hinblick auf die Vermutungswirkung des § 891 Abs. 1 BGB regelmäßig an der Buchposition festgemacht
(Senat vom 14.1.2016, 34 Wx 383/15 = NJOZ 2017, 726; Hügel/Kramer § 71 Rn. 186). Beim Erwerb in der
Zwangsversteigerung kommt es auf die Buchposition allerdings nicht an, weil sich der Eigentumsübergang
gemäß
Erwerbers gar nicht bedarf, diese ist lediglich deklaratorischer Natur. Unter Zugrundelegung ihres Vortrags,
sie sei Eigentümerin durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung geworden, ist die Beschwerdeführerin
folglich antrags- und damit auch beschwerdeberechtigt.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache vorläufig Erfolg.
a) Die Zwischenverfügung ist aus formellen Gründen aufzuheben. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens
sind nur die angenommenen Eintragungshindernisse, nicht die Entscheidung über den Antrag selbst (vgl.
BGH
77 Rn. 15). Dabei hat das Beschwerdegericht auch die formellen Voraussetzungen für eine
Zwischenverfügung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO zu prüfen (Hügel/Kramer § 77 Rn. 41.1). Eine solche
darf nach dieser Bestimmung nur wegen eines grundsätzlich heilbaren Eintragungshindernisses ergehen,
wenn der Mangel mit rückwirkender Kraft behoben werden kann. Existiert bereits eine für die Eintragung
erforderliche Bewilligung nicht, ist eine Zwischenverfügung folglich unzulässig (BGH
2; Senat vom 18.3.2019, 34 Wx 120/19 =
Rn. 17). Offensichtlich ist hier eine solche Bewilligung gemeint, auch wenn die Zwischenverfügung den nicht
eindeutigen Begriff der Zustimmung verwendet (zur Terminologie vgl. MüKoBGB/Bayreuther 8. Aufl. Vor §
182 Rn. 14). Ausgehend vom Standpunkt des Grundbuchamts, für die Löschung der Grundschuld bedürfe
es der Bewilligung auch des W.H., hätte - unabhängig von der Richtigkeit dieser Auffassung - der Antrag
daher sofort zurückgewiesen werden müssen (vgl. BGH
b) Dieser formelle Mangel betrifft die Zwischenverfügung als solche, weshalb sie im Ganzen aufzuheben ist.
Daher kann offenbleiben, ob angesichts der Beschwerdebegründung, die ausschließlich die Frage der
erforderlichen Bewilligungen behandelt, eine Beschränkung der Anfechtung auf die Beanstandung des
Fehlens der Zustimmung des ehemaligen Eigentümers W.H. gewollt war. Eine solche Begrenzung wäre
jedenfalls nach den für Rechtsmittelbeschränkungen geltenden Grundsätzen unwirksam (vgl. OLG Hamm
3. Da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht der Eintragungsantrag
selbst ist, ist dem Senat eine eigene Entscheidung in der Sache nicht möglich (vgl. BGH
Für das weitere Verfahren wird - insoweit ohne Bindung für das Grundbuchamt - auf Folgendes hingewiesen:
a) Durch die Belastung des Grundstücks mit einer Grundschuld entstand eine Gesamtgrundschuld (vgl. BGH
hatte gemäß § 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1168 Abs. 1 BGB deren Umwandlung in eine Eigentümergrundschuld zur
Folge. Diese stand B.N. und W.H. wiederum als Gesamtberechtigten zu (vgl. BGH
Vermutung des
und des W.H. aus dem Grundbuch selbst erkennbar ist. Bei dieser Berechtigung handelt es sich um einen
Fall der Gesamtgläubigerschaft i.S.v.
sodann gemäß § 180 Abs. 1 i.V.m.
nicht, sondern wurde wieder in eine Fremdgrundschuld umgewandelt, die weiterhin B.N. und W.H. zustand
(vgl. BGH
ist, dass, wie sich aus § 429 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt, jeder Gläubiger nur zusammen mit den anderen
verfügungsbefugt nach § 875 Abs. 1 BGB und damit auch bewilligungsbefugt nach
Brandenburg
Löschung der Grundschuld die Bewilligung durch B.N. nicht aus, vielmehr bedarf es auch der Bewilligung
durch W.H. bzw. den Insolvenzverwalter. Die Beschwerdeführerin selbst ist nicht bewilligungsbefugt gemäß §
19 GBO, da sie zwar Eigentümerin des Grundstücks, aber nicht Berechtigte der Grundschuld ist.
b) Der Nachweis der Namensänderung der B.N. bedarf nicht der Form des § 29 GBO. Da die
Namensänderung die Identität des Berechtigten unberührt lässt, ist das Grundbuch nicht unrichtig i.S.v. § 22
GBO, so dass diese Bestimmung keine Anwendung findet. Es ist lediglich eine Richtigstellung veranlasst, für
die gemäß § 12c Abs. 2 Nr. 4 GBO grundsätzlich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist (BGH
c) Den Nachweis der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses fordert das Grundbuchamt zu Recht, da
letztlich nur damit sicher belegt werden kann, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin geworden ist.
III.
Eine Kostenentscheidung war im Hinblick auf § 25 Abs. 1 GNotKG nicht veranlasst, ebenso wenig eine
Geschäftswertfestsetzung.
Erlass des Beschlusses (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:02.10.2019
Aktenzeichen:34 Wx 316/19
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundpfandrechte
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
FGPrax 2020, 21-22
Normen in Titel:BGB §§ 428, 875 Abs. 1, 891; GBO §§ 18 Abs. 1 S. 1, 19