Anwendbarkeit der GoA neben Nachlassverwaltung gem. § 2038 BGB
letzte Aktualisierung: 10.12.2020
BGH, Urt. v. 7.10.2020 – IV ZR 69/20
BGB §§ 684 S. 1, 812, 2038
Anwendbarkeit der GoA neben Nachlassverwaltung gem.
Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag finden neben der Regelung über die
Verwaltung des Nachlasses gemäß
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Über die Revision der Klägerin ist,
obwohl der Beklagte im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht erschienen
war, durch streitiges Urteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden,
da sich die Revision auf der Grundlage des vom Berufungsgericht
festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (Senatsurteil vom
23. Mai 2012 - IV ZR 250/11,
I. Das Landgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe gegen den
Beklagten kein Anspruch auf anteilige Kostenerstattung für die Erteilung
des Erbscheins zu. Ein Anspruch aus Gesamtschuldnerausgleich bestehe
nicht, da im Verhältnis zur Gerichtskasse keine Gesamtschuld der Parteien
bestehe. Ein Anspruch aus
die Klägerin keine Einigung der Miterben über die Beantragung eines Erbscheins
dargelegt habe. Ein Fall der Notgeschäftsführung sei ebenfalls
nicht gegeben. Ein Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag
gemäß
die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft die Beantragung eines
Erbscheins nach dem Tod des Vaters abgelehnt hätten. Auch bestehe kein
Anspruch der Klägerin aus
komme - anders als vom Amtsgericht angenommen - kein Anspruch aus
als Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch herangezogen werden,
da der Vorrang des
eigenmächtige Maßnahmen nach allgemeinen Vorschriften ausschließe.
Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beantragung des
Erbscheins unter Umständen ohnehin hätte erfolgen müssen. So stehe
nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes einem Wohnungseigentümer,
der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten
am Gemeinschaftseigentum durchführe, auch dann kein Ersatzanspruch
aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht
zu, wenn die von dem Wohnungseigentümer durchgeführte Maßnahme
ohnehin hätte vorgenommen werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom
14. Juni 2019 - V ZR 254/17). Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden
Fall übertragbar, da
wie
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im 5 Ergebnis stand.
1. Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen hat das
Berufungsgericht entschieden, dass der Klägerin gegen den Beklagten
kein Anspruch aus Gesamtschuldnerausgleich, aus
oder aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683
BGB auf Erstattung der anteiligen Kosten für die Beantragung des Erbscheins
zusteht.
2. Lediglich im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht
ferner angenommen, dass die Klägerin ebenfalls keinen Anspruch gegen
den Beklagten auf Herausgabe der Bereicherung gemäß § 684 Satz 1
BGB i.V.m.
a) Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des
so ist der Geschäftsherr verpflichtet, dem Geschäftsführer alles, was er
durch die Geschäftsführung erlangt, nach den Vorschriften über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. In der Beantragung
des Erbscheins durch die Klägerin für die Erbengemeinschaft
liegt ein jedenfalls auch fremdes Geschäft. In diesen Fällen wird regelmäßig
ein ausreichender Fremdgeschäftsführungswille vermutet (vgl. BGH,
Urteile vom 2. November 2006 - III ZR 274/05,
20. Juni 1963 - VII ZR 263/61,
b) Unzutreffend vertritt das Berufungsgericht sodann allerdings die
Auffassung, ein Anspruch aus
wegen des Vorrangs des
Ausgleich der Miterben für eigenmächtige Maßnahmen nach allgemeinen
Vorschriften ausschließe. Eine derartige Sperrwirkung des
Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag besteht, worauf die Revision
zu Recht hinweist, nicht.
waltung des Nachlasses. Diese steht den Erben grundsätzlich gemeinschaftlich
zu (
gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen
Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen
Maßnahmen kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen
(
des Gemeinschaftsrechts.
Nicht ausgeschlossen wird von der Regelung über die Verwaltung
des Nachlasses in
Anspruch eines Miterben gegen die übrigen auf Aufwendungsersatz
oder Herausgabe einer Bereicherung. Entsprechend findet nach ständiger
Rechtsprechung des Senats und einhelliger Auffassung im Schrifttum
das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag neben § 2038
BGB Anwendung (vgl. Senatsurteile vom 25. Juni 2003 - IV ZR 285/02,
29; Soergel/Wolf, BGB 13. Aufl. § 2038 Rn. 30; MünchKomm-BGB/Gergen,
8. Aufl. § 2038 Rn. 62; Palandt/Weidlich, BGB 79. Aufl. § 2038
Rn. 13; Damrau/Rißmann, Erbrecht 4. Aufl. § 2038 Rn. 64; Brox/Walker,
Erbrecht 28. Aufl. § 30 Rn. 11). Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein
Miterbe, dem lediglich ein Minderheitsanteil zusteht, ein Geschäft für die
Erbengemeinschaft außerhalb seiner Befugnis zur Notverwaltung gemäß
§ 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB durchführt (Senatsurteil vom
25. Juni 2003 aaO).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das auf diese einhellige
Ansicht nicht eingegangen ist, ergibt sich Gegenteiliges auch nicht
aus der Rechtsprechung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur
Wohnungseigentümergemeinschaft. Hiernach steht dem Wohnungseigentümer,
der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten
am Gemeinschaftseigentum durchführt, kein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung
ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zu. Das gilt auch
dann, wenn die von dem Wohnungseigentümer durchgeführte Maßnahme
ohnehin hätte vorgenommen werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom
14. Juni 2019 - V ZR 254/17,
Aufgabe von BGH, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 246/14, BGHZ
207, 40 Rn. 12 f.).
Diese Rechtsprechung zielt auf die Besonderheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft,
deren Bestand auf Dauer angelegt ist und
bei der für die Frage der Durchführung von Maßnahmen, insbesondere
von Instandhaltungs- und Bauarbeiten, verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten
in Betracht kommen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist
von vornherein nicht mit der auf eine Auseinandersetzung ger ichteten Erbengemeinschaft
zu vergleichen, bei der es im Zuge der Verwaltung und
Abwicklung in der Regel lediglich um die Durchführung konkreter einzelner
Maßnahmen - wie hier etwa der Beantragung eines Erbscheins - geht.
Auch in der Sache wäre eine Verdrängung der Regelungen über die
Geschäftsführung ohne Auftrag und die ungerechtfertigte Bereicherung
durch
die Meinungsbildung der Erbengemeinschaft über die Verwaltung des
Nachlasses durch einstimmige Entscheidungen, Mehrheitsbeschlüsse
oder Notverwaltungsmaßnahmen eines einzelnen Miterben. Nicht vorgegeben
wird durch
Maßnahmen auch für die Erbengemeinschaft trifft, ein Anspruch auf Ersatz
seiner Aufwendungen oder Herausgabe der bei den anderen Miterben eingetretenen
Bereicherung zusteht (vgl. auch Senatsurteil vom 20. Mai 1987
- IVa ZR 42/86,
hat es aber unterlassen, zu prüfen, ob dem Kläger ein Anspruch
aus
wenn die Voraussetzungen des
auf Herausgabe des Erlangten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte
Bereicherung in Betracht. Einen solchen Ausgleich in den Fällen
der vorliegenden Art von vornherein auszuschließen, besteht kein
Grund.").
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich indessen
aus anderen Gründen als richtig (
aa) Soweit die Klägerin den Erbschein zum Zweck der Berichtigung
des Grundbuchs beantragt hat, fehlt es schon an einer herauszugebenden
Bereicherung des Beklagten. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit
durch die Übernahme der Kosten für die Beantragung des Erbscheins
durch die Klägerin kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese den
Erbschein allein beantragt hat und daher ausschließliche Kostenschuldnerin
gemäß
Korintenberg/Wilsch, GNotKG 21. Aufl. § 22 Rn. 2). Zwar können,
worauf die Revision zu Recht hinweist, im Rahmen des
auch ersparte Aufwendungen des Geschäftsherrn in Ansatz gebracht werden
(vgl. MünchKomm-BGB/Schäfer, 8. Aufl. § 684 Rn. 8; Staudinger/
Bergmann, (2015)
Beantragung des Erbscheins seitens der Klägerin keine Aufwendungen
erspart, die ihm ohne die Tätigkeit der Klägerin zwingend ebenfalls entstanden
wären. Seine Miterbenstellung ergibt sich gemäß
mit dem Erbfall aus dem Gesetz und setzt nicht konstitutiv die Beantragung
eines Erbscheins voraus. Die Erbengemeinschaft ist mit dem Erb-
fall auch unmittelbar Eigentümerin des Grundstücks in D. geworden.
Zwar wurde das Grundbuch hierdurch unrichtig, da in diesem noch
der Erblasser als Eigentümer eingetragen war. Insoweit wäre eine Grundbuchberichtigung
durchzuführen gewesen, für die gemäß § 35 Abs. 1
Satz 1 GBO grundsätzlich ein Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis
erforderlich ist.
Die Klägerin durfte hier aber nicht gegen den erklärten Willen der
übrigen Miterben mit Kostenlast für diese einen Erbschein beantragen, um
bereits 2015, im Jahr des Erbfalls, eine Grundbuchberichtigung durchzuführen.
Hierzu waren die übrigen Miterben auch nicht aufgrund grundbuchrechtlicher
Vorgaben verpflichtet. Ist das Grundbuch hinsichtlich der Eintragung
des Eigentümers durch Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs
unrichtig geworden, so soll das Grundbuchamt gemäß § 82 Satz 1
GBO dem Eigentümer oder dem Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung
des Grundstücks zusteht, die Verpflichtung auferlegen, den Antrag
auf Berichtigung des Grundbuchs zu stellen und die zur Berichtigung des
Grundbuchs notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Das Grundbuchamt
soll diese Maßnahme gemäß
Gründe vorliegen. Als Zurückstellungsgrund kommt etwa eine
beabsichtigte Verfügung über das Grundstück, bei der die Voreintragung
nach
einen Dritten oder im Rahmen der Erbauseinandersetzung an einen Miterben,
in Betracht. Zu denken ist ferner an eine beabsichtigte Zwangsversteigerung
zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, die nach
im Grundbuch möglich ist. Ein Zurückstellungsgrund liegt
auch vor, wenn die Beschaffung der zur Berichtigung erforderlichen Unterlagen
unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereitet (vgl. zu den verschiedenen
Fallgruppen Imre in Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht
2. Aufl.
1. Juni 2020]). Ferner ist es nicht geboten, sofort nach Bekanntwerden der
Erben ein Verfahren nach
für einen gewissen Zeitraum vom Vorliegen berechtigter Gründe
nach
werden soll, den Nachlass abzuwickeln und sich darüber klar zu werden,
was mit dem Grundstück geschehen soll. Auf dieser Grundlage wird angenommen,
es sei in Anbetracht der Parallelregelung in Nr. 14110 Kostenverzeichnis
GNotKG, nach der für die Zeit von zwei Jahren ab dem Erbfall
keine Gebühren für die Eintragung erhoben werden, nicht gerechtfertigt,
vor Ablauf dieser Zeit ein Zwangsberichtigungsverfahren gemäß
einzuleiten (vgl. OLG Hamm
Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht 2. Aufl.
Hier hat das Grundbuchamt nach dem Erbfall kein Zwangsberichtigungsverfahren
durchgeführt. Vielmehr hat die Klägerin Ende 2015, noch
im Jahr des Erbfalles, einen Erbschein beantragt, der dann nach seiner
Erteilung zur Eintragung der Erbengemeinschaft im Grundbuch führte. Die
Klägerin war indessen auf der Grundlage der obigen Ausführungen nicht
berechtigt, auf Kosten der Erbengemeinschaft außerhalb eines vom
Grundbuchamt selbst eingeleiteten Zwangsberichtigungsverfahrens und
gegen den Willen der Mehrheit der Erbengemeinschaft einen Erbschein
zur Grundbuchberichtigung zu beantragen. Sie hat nicht vorgetragen, warum
ein derartiger Erbschein einschließlich der nachfolgenden Grundbucheintragung
hier noch im Jahre des Erbfalles zugunsten der Erbengemeinschaft
zwingend erforderlich gewesen wäre. Durch ihr Vorgehen hat
sie die Voraussetzungen eines Verfahrens gemäß
übrigen Miterben gegebenenfalls Zurückstellungsgründe nach § 82 Satz 2
GBO hätten vortragen können, verhindert.
bb) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, durch den Erbschein
werde auch im Übrigen das Tätigwerden der Erbengemeinschaft im
Rechtsverkehr wegen der Gutglaubenswirkung des
Insoweit ist nicht erkennbar und wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen,
dass trotz des entgegenstehenden Willens der Mehrheit der Erbengemeinschaft
bereits im Jahr 2015 die Erteilung eines Erbscheins
zwingend erforderlich gewesen wäre, zumal die Zusammensetzung der
Erbengemeinschaft einschließlich der Erbanteile unstreitig und auch im
Rechtsverkehr, etwa gegenüber Kreditinstituten, nicht in jedem Fall ein
Erbschein zum Nachweis der Rechtsnachfolge zwingend erforderlich ist
(vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 - XI ZR 401/12,
Rn. 30).
3. Entgegen der Auffassung der Revision sind die Kosten der Beantragung
eines Erbscheins auch keine Nachlasserbenschulden, für die der
gesamte Nachlass haftet. Vielmehr handelt es sich hierbei ausschließlich
um Eigenverbindlichkeiten des Erben (vgl. KG, Jahrbuch für Entscheidungen
des Kammergerichts (KGJ) Bd. 34 B Nr. 1; Staudinger/Herzog,
§§ 2346-2385 (2016) BGB § 2353 Rn. 593; Soergel/Zimmermann, BGB
13. Aufl. § 2353 Rn. 59; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, BGB § 2353
Rn. 39). Die Erbscheinserteilung erfolgt nur im subjektiven Interesse der
Person, die sich für erbberechtigt hält und zu deren Gunsten die beantragte
Erbscheinserteilung bewilligt wurde.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:07.10.2020
Aktenzeichen:IV ZR 69/20
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Gesetzliche Erbfolge
Kostenrecht
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
WEG
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 684 S. 1, 812, 2038