Städtebauliches Vorkaufsrecht; besonderes Vorkaufsrecht; Vorkaufsrechtssatzung; maßgeblicher Zeitpunkt; Kaufvertrag mit Drittem
letzte Aktualisierung: 2.9.2024
OVG Hamburg, Urt. v. 21.3.2024 – 2 Bf 61/23
BauGB §§ 25, 26, 28, 234; BGB § 463
Städtebauliches Vorkaufsrecht; besonderes Vorkaufsrecht; Vorkaufsrechtssatzung;
maßgeblicher Zeitpunkt; Kaufvertrag mit Drittem
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Vorkaufsrecht auf der Grundlage einer
Vorkaufsrechtsverordnung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB wirksam begründet worden ist, ist
gemäß § 234 Abs. 1 BauGB der Zeitpunkt des notariellen Kaufvertragsabschlusses.
2. Beim Verkauf eines Grundstücks durch eine Einpersonen-GmbH & Co. KG an eine andere
Einpersonen-GmbH Co. KG mit demselben Alleingesellschafter liegt kein Kaufvertrag mit einem
Dritten i. S. v.
Betrachtung stellt sich dieses Geschäft lediglich als Vermögensverschiebung innerhalb der
Vermögenssphäre ein und derselben natürlichen Person als wirtschaftlicher Inhaber beider
Gesellschaften dar.
3. Aus dem Ausschlusstatbestand für gemeindliche Vorkaufsrechte in § 26 Nr. 1 BauGB kann nicht
geschlossen werden, dass nach Willen des Gesetzgebers allein die dort benannten Näheverhältnisse
aus dem Anwendungsbereich des Vorkaufsrechts ausscheiden sollten.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist
unbegründet, da das Verwaltungsgericht zu Recht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den von
den Klägerinnen angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 2021 hinsichtlich des in Ziffer (ii)
ausgeübten Vorkaufsrechts aufgehoben hat. Die Anfechtungsklage der Klägerinnen ist zulässig
(1.) und begründet (2.).
1. Die Anfechtungsklage der Klägerinnen ist zulässig, insbesondere sind beide Klägerinnen
klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Denn die Klägerin zu 1) ist als Verkäuferin des
streitgegenständlichen Grundstücks Adressatin des Vorkaufsrechtsausübungsbescheids, vgl. § 28
Abs. 2 Satz 1 BauGB. Die Klägerin zu 2) als Käuferin ist ebenfalls klagebefugt, da es sich bei der
Ausübung eines Vorkaufsrechts um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt handelt, der
sich auch gegenüber der Käuferin als belastender Verwaltungsakt auswirkt (st. Rspr. des
BVerwG, Beschl. v. 30.11.2009, 4 B 52.09, BRS 74 Nr. 130, juris Rn. 5; Beschl. v. 15.2.2000, 4 B
10.100,
3). Denn das vertragliche Recht der Käuferin auf Eigentumsverschaffung aus dem
Erstkaufvertrag wird durch die Ausübung des Vorkaufsrechts entzogen (BVerwG, Beschl. v.
30.11.2009, a.a.O., juris Rn. 5; Beschl. v. 25.5.1982, a.a.O., juris Rn. 3; ebenso OVG Hamburg,
Beschl. v. 29.1.2021, 2 Bs 242/00, n.v.; Beschl. v. 16.11.2020, 2 So 91/20, n.v.; Urt. v. 18.8.2010,
5 Bf 337/09,
58).
2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 9. Juli 2021 und die Widerspruchsbescheide
vom 2. Juni 2022 sind hinsichtlich des in Ziffer (ii) ausgeübten Vorkaufsrechts gemäß § 25 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 BauGB rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten, vgl. § 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Bescheid sind §§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2, 28 Abs. 2 Satz 1, 2
BauGB. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde, beziehungsweise in
Hamburg gemäß § 246 Abs. 5 BauGB die Beklagte, in Gebieten, in denen sie städtebauliche
Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung
durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken
zusteht. In Hamburg tritt gemäß § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB i.V.m. § 4 Satz 1
Bauleitplanfeststellungsgesetz (i.d.F. v. 30.11.1999, HmbGVBl. S. 271, zuletzt geändert durch G.
v. 9.2.2022, HmbGVBl. S. 104) an die Stelle der in § 25 Abs. 1 BauGB vorgesehenen Satzung
die Form der Rechtsverordnung des Senats. Gemäß
BGB kann die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem
Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat. Dabei kann das Vorkaufsrecht
gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB a.F. (in der gemäß § 234 Abs. 1 BauGB anwendbaren, bis
zum 22.6.2021 geltenden Fassung) nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags
durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden.
Der Bescheid vom 9. Juli 2021 ist hinsichtlich des in Ziffer (ii) ausgeübten Vorkaufsrechts
gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zwar formell rechtmäßig (hierzu a)), entspricht jedoch in
materieller Hinsicht nicht den sich aus der genannten Rechtsgrundlage ergebenden Vorgaben
(hierzu b)).
a) Der Bescheid vom 9. Juli 2021 ist formell rechtmäßig.
aa) Die Beklagte hörte die Klägerinnen mit Schreiben vom 3. Juni 2021 gemäß § 28
HmbVwVfG ordnungsgemäß an.
bb) Die Beklagte übte das Vorkaufsrecht fristgerecht binnen zwei Monaten nach Mitteilung des
Kaufvertrags gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB a.F. (i.d. bis zum 22.6.2021 geltenden Fassung)
aus, da die Mitteilung des Kaufvertrags durch den Notar am 19. Mai 2021 erfolgte und das
Vorkaufsrecht mit Bescheid vom 9. Juli 2021, den Klägerinnen zugestellt am 9. bzw. 14. Juli
2021, ausgeübt wurde. Hier ist gemäß § 234 Abs. 1 BauGB die zur Zeit des Verkaufsfalls
geltende Fassung der Vorschrift in § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB zugrundezulegen, die eine Frist
von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags vorsah.
cc) Weiter enthielt der Bescheid vom 9. Juli 2021 eine hinreichend konkrete Angabe des
Verwendungszwecks. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist der Verwendungszweck des
Grundstücks anzugeben, soweit das bereits zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts
möglich ist.
Welche Anforderungen an die Angabe des Verwendungszwecks im Bescheid zu stellen sind,
richtet sich nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls und lässt sich nicht nach
generellen Maßstäben vorab bestimmen (so BVerwG, Beschl. v. 15.2.1990, 4 B 245.89, NJW
1990, 2703, juris Rn. 3 zur Angabe des Verwendungszwecks gemäß § 24 Abs. 3 Satz 3 BauGB).
Denn die Angabe des Verwendungszwecks hat zum einen Bedeutung für eine Abwendung des
Vorkaufsrechts durch den Käufer gemäß § 27 Abs. 1 BauGB und zum anderen für die in vollem
Umfang gerichtlich nachprüfbare Frage, ob das Vorkaufsrecht im Einzelfall dem angegebenen
Verwendungszweck entspricht und die Ausübung des Vorkaufsrechts somit gemäß § 25 Abs. 2
Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 1, 2 BauGB vom Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 15.2.1990, a.a.O., juris Rn. 3). Vor diesem Hintergrund ist aus formeller
Sicht eine hinreichend konkrete und eindeutige Bezeichnung des Verwendungszwecks zu
fordern, die eine (gerichtliche) Überprüfung ermöglicht und einen nachträglichen Austausch des
Verwendungszwecks verhindert (vgl. zur entsprechenden Vorschrift in § 69 Abs. 2 Satz 2
BbgNatSchG OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.12.2013, OVG 11 B 18.12, juris Rn. 50).
Dabei kann hier dahinstehen, ob die Angabe des Verwendungszwecks generell nur die
Bedeutung einer Ordnungsvorschrift hat und die unvollständige oder gar völlig fehlende Angabe
des Verwendungszwecks die Ausübung des Vorkaufsrechts für sich genommen nicht
rechtsfehlerhaft machen kann (offengelassen zu
v. 15.2.1990, a.a.O., juris Rn. 4; ebenso zur entsprechenden Vorschrift in § 69 Abs. 2 Satz 2
BbgNatSchG OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.12.2013, juris Rn. 52).
Denn der Bescheid vom 9. Juli 2021 wird den genannten Anforderungen gerecht. Darin
formuliert die Beklagte hinreichend deutlich einen im Rahmen des städtebaulichen
Vorkaufsrechts gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zulässigen Verwendungszweck, der auch
eine Überprüfung im Rahmen der Rechtfertigung zum Wohle der Allgemeinheit gemäß § 25
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 1, 2 BauGB ermöglicht. Die Beklagte gab in dem Bescheid
vom 9. Juli 2021 unter der Überschrift „1.2.7 Verwendung des Grundstücks“ an, dass sie das
streitgegenständliche Grundstück entsprechend der Ziele im Rahmenplan Diebsteich verwenden
werde. Die Ziele des Rahmenplans Diebsteich werden in dem Bescheid an anderer Stelle, im
Abschnitt „1.2 Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts, 1.2.3 städtebauliche Begründung“,
ausführlich beschrieben. Demnach sieht der Rahmenplan Diebsteich für das
streitgegenständliche Grundstück eine Verdichtung und Weiterentwicklung im Bestand vor.
Eine höhere bauliche Dichte, die der Zentralität entspreche, sowie baulich klar gefasste
Raumkanten entlang der Straßenräume stünden dabei im Vordergrund. Der Rahmenplan
Diebsteich formuliere zudem, so die Beklagte, konkret die Option einer Feuer- und
Rettungswache auf dem Grundstück, welche zur Versorgung der neuen Quartiere Mitte Altona,
Holsten-Quartier und Diebsteich benötigt werde.
dd) Schließlich genügt der Bescheid vom 9. Juli 2021 dem allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen
Begründungserfordernis aus
Verwendungszwecks tritt und die Darlegung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen
Gründe für die Entscheidung voraussetzt. Dies ist hier in dem ausführlich begründeten
Bescheid erfolgt, aus dem sich insbesondere auch die berücksichtigten relevanten
Ermessensbelange ergeben.
b) Der Bescheid vom 9. Juli 2021 ist jedoch hinsichtlich des in Ziffer (ii) ausgeübten
Vorkaufsrechts gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB materiell rechtswidrig. Zwar bestand
zum hier relevanten Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vom 17. Mai 2021 ein
Vorkaufsrecht der Beklagten an dem streitgegenständlichen Grundstück, das sich aus der
formell und materiell rechtmäßigen Verordnung über die Begründung eines Vorkaufsrechts im
Bereich des Gebiets „Mitte Altona“ vom 19. Februar 2008 (HmbGVBl. S. 108, im Folgenden:
Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008) ergibt (hierzu aa)). Es ist jedoch kein
Vorkaufsfall eingetreten, da die Klägerin zu 1) als Vorkaufsverpflichtete keinen Kaufvertrag
„mit einem Dritten“ gemäß
(hierzu bb)).
aa) Der Beklagten stand zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen
Kaufvertrags vom 17. Mai 2021 ein Vorkaufsrecht an dem streitgegenständlichen Grundstück
zu.
(1) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Vorkaufsrecht wirksam begründet wurde,
ist gemäß § 234 Abs. 1 BauGB der Zeitpunkt des notariellen Kaufvertragsabschlusses, hier am
17. Mai 2021. Nach § 234 Abs. 1 BauGB sind für das Vorkaufsrecht die jeweils zur Zeit des
Verkaufsfalls geltenden städtebaurechtlichen Vorschriften anzuwenden. Bei der
Vorkaufsrechtsverordnung handelt es sich um eine städtebauliche Vorschrift in diesem Sinne, da
sie auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beruht, wonach die Gemeinde ein Vorkaufsrecht in
städtebaulichen Maßnahmengebieten begründen kann. Der Verkaufsfall setzt den Abschluss
eines Kaufvertrags über ein Grundstück voraus, der hier am 17. Mai 2021 erfolgte, ohne dass es
im vorliegenden Fall auf die Frage ankäme, inwiefern sich bei Vertragsschluss noch ausstehende
behördliche Genehmigungen auf die Bestimmung des Zeitpunkts auswirken (vgl. hierzu nur
Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Okt. 2023, § 234 Rn. 4
m.w.N.).
Bei Abschluss des Kaufvertrags am 17. Mai 2021 bestand ein Vorkaufsrecht der Beklagten an
dem Grundstück auf Grundlage der Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008, nach deren
§ 1 der Beklagten ein Vorkaufsrecht an den in der Verordnung benannten und zeichnerisch
dargestellten Grundstücken, darunter dem streitgegenständlichen Grundstück, zusteht.
Dass die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 nach Abschluss des notariellen
Kaufvertrags und nach Ausübung des Vorkaufsrechts im Bescheid vom 17. Mai 2021 durch § 2
Abs. 2 der Verordnung über die Begründung eines Vorkaufsrechts im Bereich des Gebietes
„Mitte Altona“ vom 21. September 2021 (HmbGVBl. S. 683; im Folgenden:
Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2021) aufgehoben wurde, wirkt sich vor diesem
Hintergrund nicht aus, da für das Entstehen des Vorkaufsrechts allein auf den Zeitpunkt des
Abschlusses des Kaufvertrags abzustellen ist. Denn das Vorkaufsrecht muss jedenfalls durch die
Satzung bzw. Verordnung entstanden sein, bevor der Kaufvertrag abgeschlossen wird (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 14.4.1994, 4 B 70.94,
daraus, dass das Vorkaufsrecht gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht bereits kraft
Gesetzes besteht. Die Gemeinde schafft erst mit der Satzung bzw. Rechtsverordnung die
Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts in künftigen Verkaufsfällen (vgl. zum
Vorstehenden BVerwG, Beschl. v. 14.4.1994, a.a.O., juris Rn. 3).
Im Übrigen ergäbe sich auch dann nichts Anderes, wenn es auf den Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung und damit den Erlass der beiden Widerspruchsbescheide am 2. Juni 2022
ankäme. Denn zu diesem Zeitpunkt war das streitgegenständliche Grundstück von dem
Geltungsbereich der Verordnung über die Begründung eines Vorkaufsrechts im Bereich des
Gebietes „Diebsteich“ vom 21. September 2021 (HmbGVBl. 2021, S. 681; im Folgenden:
Vorkaufsrechtsverordnung Diebsteich 2021) umfasst, nach deren § 1 Satz 1 der Beklagten in
dem in der Anlage rot umgrenzten Bereich ein Vorkaufsrecht zusteht, und die zeitlich
unmittelbar an die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 anschloss.
(2) Die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 war rechtmäßig. Sie beruht auf § 25 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 BauGB. Danach kann die Gemeinde, beziehungsweise in Hamburg gemäß § 246
Abs. 5 BauGB die Beklagte, in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht
zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung
beziehungsweise in Hamburg gemäß § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1
Bauleitplanfeststellungsgesetz durch Rechtsverordnung des Senats Flächen bezeichnen, an
denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht. Diese Voraussetzungen liegen in
formeller (hierzu (aa)) und materieller Hinsicht (hierzu (bb)) vor.
(aa) Die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 ist formell rechtmäßig zustande
gekommen.
Der zuständige Senat hat die Vorkaufsrechtsverordnung formell ordnungsgemäß durch
Beschluss vom 19. Februar 2008 und unter Wahrung des Zitiergebots aus Art. 53 Abs. 2 Satz 1
der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952 (HmbBl. I 100-a, 100-1,
zuletzt geändert durch G. v. 20.4.2023, HmbGVBl. S. 169; im Folgenden: HV) erlassen (siehe
die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 22.12.2023 übersandte Niederschrift über die
Senatssitzung vom 19.2.2008, Bl. 134 d. eA, nebst Senatsdrucksache Nr. 2008/00256 v.
5.2.2008, Bl. 125 ff. eA).
Die Vorkaufsrechtsverordnung wurde entsprechend § 25 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 16 Abs. 2
BauGB ortsüblich bekannt gemacht (HmbGVBl., S. 108) und trat gemäß Art. 54 Satz 1 HV mit
dem auf die Ausgabe des Hamburgischen Gesetz- und Verwaltungsblattes folgenden Tag in
Kraft, mithin hier am 8. März 2008. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist gesetzlich nicht
vorgesehen.
Eine förmliche Begründung der Verordnung war nicht erforderlich. Eine formelle
Begründungspflicht für die Vorkaufsrechtsverordnung ist weder der Ermächtigungsgrundlage in
§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zu entnehmen (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 10.9.2019, 8 S
2050/17,
Krautzberger, BauGB, Stand: August 2023, § 25 Rn. 22), noch der Verfassung der Freien und
Hansestadt Hamburg oder dem Grundgesetz (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.1987, 1 BvR 969/83,
DVBl. 1987, 879 zu Erhaltungssatzungen; ebenso BVerwG, Beschl. v. 3.7.1987, 4 C 26.85,
Kment, in: Jarass/Kment, BauGB, 3. Aufl. 2022, § 25 Rn. 5).
Jedenfalls gehen die dem Erlass der Verordnung zugrundeliegenden Erwägungen des Senats
hinreichend deutlich aus der umfangreichen Beschlussvorlage des Senats (Senatsdrucksache Nr.
2008/00256 v. 5.2.2008, Bl. 125 ff. d. elektronischen Akte) hervor.
(bb) Die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 ist auch materiell rechtmäßig, da die
beiden Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
BauGB vorliegen. Danach muss die Gemeinde zum einen städtebauliche Maßnahmen in
Betracht ziehen (hierzu (aaa)), zum anderen muss die Begründung des Vorkaufsrechts zur
Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlich sein (hierzu (bbb)). Die
Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 war zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses
am 17. Mai 2021 auch nicht obsolet geworden (hierzu (ccc)).
(aaa) Die Beklagte zog bei Erlass der Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008
städtebauliche Maßnahmen in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zählen zu den städtebaulichen
Maßnahmen im Sinne dieser Vorschrift alle Maßnahmen, die einen städtebaulichen Bezug
aufweisen und der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen. Die
Gemeinde erhält durch diese Regelung die Möglichkeit, bereits im Frühstadium der
Vorbereitung städtebaulicher Maßnahmen Grundstücke zu erwerben (BVerwG, Beschl. v.
8.9.2009, 4 BN 38.09,
(BVerwG, Beschl. v. 8.9.2009, a.a.O., juris Rn. 4; Beschl. v. 14.4.1994, a.a.O., juris Rn. 5; vgl.
auch BVerwG, Beschl. v. 30.9.2020, 4 B 45.19,
Betracht zu ziehenden städtebaulichen Maßnahmen bezeichnet werden müssen, hängt
maßgebend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (BVerwG, Beschl. v. 8.9.2009,
a.a.O., juris Rn. 4). Dabei können die Planungsvorstellungen der Gemeinde neben dem Text der
Verordnung und einer etwaigen Begründung auch anderen Verlautbarungen der Gemeinde
entnommen werden, aus denen sich ihre städtebaulichen Ziele ergeben (VGH Mannheim, Urt.
v. 10.9.2019, 8 S 2050/17,
der Vorkaufsrechtsverordnung ist nicht vorgeschrieben (vgl. hierzu oben aa) (2) (aa)).
Nach diesen Maßgaben zog die Beklagte bei Erlass der Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona
2008 städtebauliche Maßnahmen in Betracht. Aus der Beschlussvorlage des Senats zum Erlass
der Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 (Senatsdrucks. Nr. 2008/00256 v. 5.2.2008,
Bl. 125 ff. d. eA) ergibt sich, dass die Beklagte im rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt des
Verordnungserlasses eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme gemäß § 165 Abs. 1 und 2
BauGB im Bereich „Mitte Altona“ erwog. Hierzu hatte der Senat mit Beschluss vom 18.
Dezember 2007 die Durchführung vorbereitender Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 BauGB
für den Bereich des Altonaer Bahnhofes und angrenzender Flächen eingeleitet, in deren
Zusammenhang die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 der „Steuerung des
Grundstücksverkehrs bei der städtebaulichen Entwicklung im Bereich Mitte Altona“ dienen
sollte.
Bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen gemäß
vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 BauGB handelt es sich um Maßnahmen
mit städtebaulichem Bezug (ebenso OVG Berlin, Beschl. v. 18.5.2022, OVG 10 N 4/21, juris
Rn. 11). Die vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 BauGB dienen gerade der
Vorbereitung einer städtebaulichen Gesamtmaßnahme im Sinne eines koordinierten
Maßnahmenbündels, das durch eine flächendeckende und zeitlich geschlossene
Planungskonzeption für ein exakt umgrenztes Gebiet verwirklicht werden soll (BVerwG, Urt. v.
3.7.1998, 4 CN 2.97,
Angesichts des bereits gefassten Beschlusses des Senats vom 18. Dezember 2007 zur
Durchführung vorbereitender Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 BauGB im Bereich Mitte
Altona (Amt. Anz. 2008, S. 162) hatte die Beklagte diese städtebaulichen Maßnahmen auch
hinreichend konkret in Betracht gezogen (vgl. zum erforderlichen Minimum an Konkretisierung
OVG Münster, Urt. v. 28.7.1997,
26.1.2009, 2 N 08.124,
Überlegungen der Deutschen Bahn, den Fernbahnhof Altona an den Standort des S-Bahnhofs
Diebsteich zu verlegen, was zu einer umfassenden Neuordnung sowohl der nicht mehr
genutzten Gleisbereiche, als auch des bisherigen Bahnhofs Altona nebst Umgebung und des neu
entstehenden Bahnhofs Diebsteich nebst Umgebung führen sollte. Zu den im
Betrachtungsraum geplanten Maßnahmen zählten laut der Beschlussvorlage des Senats die
Entwicklung der Bahnflächen sowie der bisher von der Post genutzten Fläche, der Neubau von
Wohnungen und gewerblichen Bauten sowie die Schaffung von Gemeinbedarfseinrichtungen
unterschiedlichen Charakters (vgl. Senatsdrucks. Nr. 2008/00256 v. 5.2.2008, Bl. 125 ff. d. eA).
(bbb) Die Begründung des Vorkaufsrechts war zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen
Entwicklung erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die
Satzung objektiv geeignet sein, zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung
(siehe
Umstände - etwa im Hinblick auf die räumliche Ausdehnung der Satzung und auf ein
Sicherungsbedürfnis wegen gegebenenfalls abweichender Entwicklungen - auszugehen ist, kann
die Gemeinde sich der Vorkaufssatzung bedienen (BVerwG, Beschl. v. 30.9.2020, 4 B 45.19,
Mittel einer allgemeinen Bodenbevorratung oder zum Erwerb von Grundstücken zur
Verfügung, die zur Umsetzung der von ihr betriebenen Bauleitplanung ersichtlich nicht benötigt
werden. Es soll sie vielmehr in die Lage versetzen, die von ihr in Betracht gezogenen
städtebaulichen Maßnahmen zu gegebener Zeit leichter durchführen zu können. In eine auf § 25
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gestützte Vorkaufssatzung können nur Flächen einbezogen werden,
deren Erwerb der Verwirklichung der beabsichtigten städtebaulichen Maßnahmen dienlich ist
(BVerwG, Beschl. v. 15.2.2000, 4 B 10.00,
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 sollte
laut der Beschlussvorlage des Senats (Senatsdrucks. Nr. 2008/00256 v. 5.2.2008, Bl. 125 ff. d.
eA) zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Planung während der vorbereitenden Untersuchungen
Mitte Altona gemäß § 165 Abs. 4 BauGB und bis zu einer etwaigen förmlichen Festlegung eines
städtebaulichen Entwicklungsbereichs sichern. Dem entspricht es, dass der räumliche
Geltungsbereich der Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 deckungsgleich mit dem
Bereich der vorbereitenden Untersuchung Mitte Altona war (Senatsdrucks. Nr. 2008/00256 v.
5.2.2008, Bl. 125 ff. d. eA).
Die von der Beklagten angestrebte Steuerung von Grundstücksverkäufen im Gebiet der
vorbereitenden Untersuchungen ist objektiv nachvollziehbar, da durch die umfassende
städtebauliche Neuordnung mit einem gestiegenen Interesse von Investoren an den Flächen im
Untersuchungsgebiet zu rechnen und zu befürchten war, dass deren Nutzungsinteressen den
Planungsvorstellungen der Beklagten zuwiderlaufen könnten. Auch wäre es der Beklagten
angesichts der Größe des Untersuchungsgebiets nicht möglich gewesen, sämtliche benötigte
Flächen auf anderem Weg, etwa durch einen freihändigen Ankauf, zu sichern (vgl. auch
Senatsdrucks. Nr. 2008/00256 v. 5.2.2008, Bl. 125 ff. d. eA).
(ccc) Die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 war zu dem für das Entstehen des
Vorkaufsrechts maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses am 17. Mai 2021 nicht
obsolet geworden.
Soweit die Klägerinnen der Sache nach einwenden, die Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona
2008 sei obsolet geworden, da sie bereits im Oktober 2021 und somit kurz nach Erlass des
streitgegenständlichen Bescheids vom 9. Juli 2021 durch § 2 Abs. 2 der
Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2021 aufgehoben worden sei, und sich die Beklagte von
den städtebaulichen Maßnahmen im Bereich der Verordnung Mitte Altona 2008 distanziert
habe, folgt der Senat dem nicht.
Anhaltspunkte für eine Funktionslosigkeit der Verordnung im Zeitpunkt des
Kaufvertragsabschlusses liegen nicht vor, insbesondere waren die durch die Verordnung
gesicherten städtebaulichen Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam umgesetzt worden
(vgl. zur Funktionslosigkeit in diesen Fällen OVG Münster, Urt. v. 19.4.2010, 7 A 1041/08,
21). Vielmehr verfolgte die Beklagte sowohl zum Zeitpunkt der Ausübung des
streitgegenständlichen Vorkaufsrechts mit Bescheid vom 9. Juli 2021, als auch nach Aufhebung
der Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 das Ziel einer städtebaulichen Neuordnung
der durch die Verlegung des Fernbahnhofs Altona zum Standort Diebsteich betroffenen
Gebiete weiter. Die Aufhebung der Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 im Oktober
2021 und der zeitlich nahtlos anschließende Erlass der Vorkaufsrechtsverordnung Diebsteich
2021 für den Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks ist Ausdruck der fortschreitenden
Planung und Weiterentwicklung der städtebaulichen Ziele in diesem Bereich. Denn im Zuge der
mehrjährigen Planung wurden erkennbar örtliche Schwerpunkte gesetzt, die zu einer weiteren
Differenzierung der Planung geführt haben und wiederum von entsprechenden
Vorkaufsrechtsverordnungen begleitet wurden. Nachdem die Deutsche Bahn AG im Jahr 2014
förmlich beschlossen hatte, den Fern- und Regionalbahnhof Altona an den Standort Diebsteich
zu verlegen, stellte der Senat fest, dass die Voraussetzungen des § 165 Abs. 3 BauGB für eine
förmliche Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs im Bereich der
Vorbereitenden Untersuchung Mitte Altona nicht vorlägen (Bü-Drs. 22/5822 „Stadtentwicklung
Diebsteich / Mitte Altona“ v. 21.9.2021, S. 14). Zur kontinuierlichen Sicherung der angestrebten
städtebaulichen Neuordnung erließ der Senat die zeitlich unmittelbar an die
Vorkaufsrechtsverordnung Mitte Altona 2008 anschließende Vorkaufsrechtsverordnung Altona
2021 für den Bereich um den bisherigen Fernbahnhof Altona und das Gleisdreieck Ottensen
sowie die Vorkaufsrechtsverordnung Diebsteich 2021 für den Bereich um den neuen Standort
des Fernbahnhofs Diebsteich (vgl. Bü-Drs. 22/5822 „Stadtentwicklung Diebsteich / Mitte
Altona“ v. 21.9.2021, S. 14). Die auch das streitgegenständliche Grundstück umfassende
Vorkaufsrechtsverordnung Diebsteich 2021 flankierte den Rahmenplan Diebsteich, in dessen
Gebiet die nördlich der … liegenden Teilflächen der Vorbereitenden Untersuchung Mitte
Altona einbezogen wurden (vgl. Bü-Drs. 22/5822 „Stadtentwicklung Diebsteich / Mitte Altona“
v. 21.9.2021, S. 2). Der Rahmenplan Diebsteich bezweckt die städtebauliche Entwicklung des
künftigen Bahnhofsumfelds und soll durch die Aufstellung von Bebauungsplänen, den
Abschluss städtebaulicher Verträge sowie die Anpassung von Grundstückszuschnitten
umgesetzt werden (S. 194 ff. der Anlage 4 zu Bü-Drs. 22/5822 „Stadtentwicklung Diebsteich /
Mitte Altona“ v. 21.9.2021).
bb) Der Bescheid vom 9. Juli 2021 ist jedoch materiell rechtswidrig, da kein Vorkaufsfall
eingetreten ist. Denn die Klägerin zu 1) als Vorkaufsverpflichtete hat keinen Kaufvertrag „mit
einem Dritten“ gemäß
Gemäß
ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand
geschlossen hat. Zwar ist die Klägerin zu 1) als Eigentümerin und Verkäuferin des Grundstücks
Verpflichtete im Sinne der Vorschrift. Es liegt auch ein Kaufvertrag vor (hierzu (1)). Die
Klägerin zu 2) als Käuferin ist jedoch nicht Dritte im Sinne von § 463 BGB (hierzu (2)).
(1) Bei dem zwischen den Klägerinnen geschlossenen notariellen Vertrag vom 17. Mai 2021
handelt es sich um einen Kaufvertrag im Sinne von §§ 463 i.V.m. 433 BGB. Zwar kommt es bei
der Einordnung als Kaufvertrag nicht allein auf die Bezeichnung des Vertrags an (vgl. Faust, in:
BeckOK BGB, 67. Aufl., Stand: 1.8.2023, § 463 Rn. 21; Ernst/Zinkahn/
Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2023, § 24 Rn. 50). Hier liegt jedoch sowohl
angesichts der ausdrücklichen Bezeichnung als „Kaufvertrag“ als auch der typischen formalen
und materiellen Vertragsbestandteile eines Kaufvertrags wie der Bezeichnungen als Verkäuferin
und Käuferin (siehe Präambel des Kaufvertrags), der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung (§ 2
des Kaufvertrags) und zur Abnahme der Sache (§ 1 des Kaufvertrags) sowie der Übergabe des
Grundstücks und der Eigentumsverschaffung (§ 9 des Kaufvertrags) ein Kaufvertrag vor (vgl.
ebenso LG Hamburg, Urt. v. 20.1.2023, 351 O 6/21, n.v. für denselben Kaufvertrag).
Soweit die Klägerinnen vortragen, dass der Vertrag nur rein formal als Kaufvertrag bezeichnet
worden sei, die Vertragsparteien materiell jedoch allein die Separierung des Grundstücks und
seine Übertragung in eine getrennte Gesellschaft zur Regelung der Unternehmensnachfolge
angestrebt hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der äußeren Form und dem Inhalt des
Vertrags handelt es sich, wie soeben ausgeführt, um einen Kaufvertrag. Es liegt auch kein
Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB vor. Danach ist eine Willenserklärung, die einem
anderen gegenüber abzugeben ist und mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben
wird, nichtig. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die Abgabe der auf den Kauf
gerichteten Willenserklärungen ernstlich gewollt war. Denn es kam den Klägerinnen gerade
darauf an, einen Kaufvertrag abzuschließen, um eine gewinnneutrale Übertragung des
Grundstücks auf Grundlage der Vorschrift in
Finanzverwaltung (R6b.2 Abs. 7 Nr. 4 der Einkommenssteuer-Richtlinien; EStR) vornehmen zu
können, welche ausdrücklich eine „Veräußerung“ vorsehen.
(2) Es liegt jedoch kein Kaufvertrag „mit einem Dritten“ im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2
BauGB i.V.m. § 463 BGB vor, da die Klägerin zu 2) nicht Dritte im Sinne der Vorschrift ist.
Nach der hier vorzunehmenden, einschränkenden Auslegung des Begriffs des Dritten handelt es
sich im vorliegenden Einzelfall nicht um einen Kaufvertrag mit einem Dritten, da sich der
Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks durch eine Einpersonen-GmbH & Co. KG an
eine andere Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben Alleingesellschafter bei
wirtschaftlicher Betrachtung als Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre ein
und derselben natürlichen Person als wirtschaftlicher Inhaber darstellt, sodass es an einem
Verkehrsgeschäft mit einem Dritten fehlt.
(aa) Die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Begriff des Dritten gemäß § 463
BGB im Falle von Gemeinschaftsverhältnissen kann entgegen der Ansicht der Klägerinnen
nicht maßgeblich für die Auslegung dieses Begriffs in der vorliegenden Konstellation
herangezogen werden (a.A. LG Hamburg, Urt. v. 18.11.2022, Az. 351 O 6/21, n.v.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei einem Verkauf durch eine
Bruchteilsgemeinschaft oder eine Erbengemeinschaft an ein Mitglied der jeweiligen
Gemeinschaft kein Verkauf an einen Dritten im Sinne von § 463 BGB vor, da Dritter nur sein
könne, wer an der Gemeinschaft der Berechtigten nicht beteiligt sei (BGH, Urt. v. 23.4.1954, V
ZR 145/52,
juris Rn. 30 f.; Urt. v. 28.4.1967, V ZR 163/65,
Beschl. v. 6.3.2015, I-2 Wx 387/14,
8.10.1980, BReg 2 Z 72/79,
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2023, § 24 Rn. 54). Denn aus der
Verwendung des Begriffs „Dritter“ in den Vorschriften zu Gemeinschaftsverhältnissen im
Bürgerlichen Gesetzbuch ergebe sich eine Abgrenzung des Dritten von den Mitberechtigten
innerhalb der Gemeinschaft. Der Gesetzgeber gehe von einer engen Verbundenheit der
einzelnen gemeinschaftlich Berechtigten aus und wolle den Kreis der Mitberechtigten gegen das
Eintreten einer fremden Person möglichst schützen (zum Vorstehenden BGH, Urt. v.
23.4.1954, a.a.O.,
Gesamthandsgemeinschaften wie der Erbengemeinschaft, weil hier die gegenseitige
Verbundenheit noch enger sei als bei Miteigentümern (BGH, Urt. v. 15.6.1957, a.a.O., juris
Rn. 30 f.; Urt. v. 14.11.1969, V ZR 115/66,
Die Klägerinnen führen unter Übertragung dieser Grundsätze auf das vorliegende Verfahren
aus, dass hier kein Verkauf an einen Dritten vorliege, da an der Verkäuferin wie an der Käuferin
dieselben Gesellschafter beteiligt seien und kein Verkauf an einen nicht an der Gesamthand
beteiligten Dritten vorliege (vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 18.11.2022, Az. 351 O 6/21, n.v.,
VG Saarland, Beschl. v. 12.2.2009, 5 L 69/09,
Lüneburg, Urt. v. 28.2.1983, 6 OVG A 108/81, BlGBW 1984, 79, für den Verkauf von einer
Kommanditgesellschaft an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit identischen
Gesellschaftern, wenn auch vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts; Stock, a.a.O., § 24 Rn. 54; Daum, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.4.2024, § 463 Rn. 64.1;
anders VGH Mannheim, Beschl. v. 30.3.2009, 8 S 31/08, BuR 2010, 74, juris Rn. 58 für den
Verkauf durch eine Aktiengesellschaft an eine Kommanditgesellschaft, deren Komplementär-
GmbH nur zu rund 49 % der Verkäuferin gehörte, da es sich nicht um ein von der Verkäuferin
beherrschtes Konzernunternehmen handle).
Dem folgt der Senat nicht. Zum einen stammt die in Bezug genommene ältere Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs aus der Zeit vor der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts durch die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahr 2001
(BGH, Urt. v. 29.1.2001, II ZR 331/00,
Bundesgerichtshof hat die vorgenannte Rechtsprechung weder auf rechtsfähige
Kommanditgesellschaften übertragen, noch hat er sich, soweit ersichtlich, seither mit der hier
aufgeworfenen Rechtsfrage befasst (vgl. nur BGH, Beschl. v. 21.1.2016, V ZB 43/15, NJW
2016, 3242, juris Rn. 14 ff., zu einer Sonderkonstellation bei Miteigentum im Rahmen einer
Teilungsversteigerung). Zudem betrafen die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs jeweils
einen Verkauf durch die Gemeinschaft an ein Mitglied der Gemeinschaft bzw. der Gesamthand,
während vorliegend formal eine Veräußerung zwischen zwei Gesamthandsverbünden erfolgt.
Schließlich spricht gegen eine Übertragung der genannten Rechtsprechung auf die vorliegende
Konstellation, dass der Gesetzgeber laut der Begründung des Regierungsentwurfs zu dem am
1. Januar 2024 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts
(BGBl. 2021, 3436) das Gesamthandsprinzip für historisch überholt ansieht und es seit
Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter dem
Gesichtspunkt der Vermögenstrennung für entbehrlich hält (Gesetzentwurf der
Bundesregierung vom 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635, S. 148).
(bb) Wer „Dritter“ im Sinne des § 463 BGB ist, ist vielmehr durch Auslegung anhand der
üblichen Auslegungsmethoden zu ermitteln. Bei der Auslegung ist die Funktion des Begriffs des
Dritten zu berücksichtigen, die erkennbar in der Abgrenzung von den am Vorkaufsverhältnis
rechtlich beteiligten Parteien liegt (vgl. Westermann, MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 463 Rn. 26).
Denn nach dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift erschließt sich der Begriff des
„Dritten“ aus der (negativen) Abgrenzung zu Vorkaufsverpflichtetem und
Vorkaufsberechtigtem. Wer weder „zum Vorkauf berechtigt“, noch „Verpflichteter“ ist, ist
„Dritter“ im Sinne der Norm. Für die Abgrenzung zum Verkäufer als Vorkaufsverpflichteten
bedeutet dies: Der Kaufvertrag ist dann mit einem Dritten geschlossen, wenn Verkäufer und
Käufer nicht identisch sind (OVG Saarlouis, Beschl. v. 3.6.2009, 2 B 254/09, BRS 74 Nr. 131
(2009), juris Rn. 26; Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Juli 2016, Vor §§ 24-28, Rn. 36).
(cc) Allein nach dem Wortlaut des § 463 BGB könnte die vorliegende Konstellation einen
Kaufvertrag mit einem Dritten darstellen. Denn die Klägerin zu 2) als Käuferin ist eine von der
Klägerin zu 1) verschiedene, rechtsfähige GmbH & Co. KG. Sie kann gemäß §§ 161 Abs. 2, 124
Abs. 1 HGB, 14 BGB unter ihrer Firma Rechte, insbesondere Eigentum, erwerben. Unabhängig
von der im Einzelnen bis heute umstrittenen Rechtsnatur der Kommanditgesellschaften (vgl.
zum Streitsand nur K. Schmidt/Drescher, MüKo, HGB, 5. Aufl. 2022, § 124 Rn. 1 m.w.N.
sowie Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, § 124 Rn. 1 m.w.N.)
hat sich die Kommanditgesellschaft jedenfalls in ihren praktischen Auswirkungen weitgehend
gegenüber den Gesellschaftern verselbständigt (Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
HGB, 4. Aufl. 2020, § 124 Rn. 1). Denn bei einem Grundstückserwerb wie hier tritt die Klägerin
zu 2) eigenständig und unabhängig von ihren Gesellschaftern im Rechtsverkehr auf, da sie
grundbuchfähig ist (vgl. zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urt. v. 25.1.2008, V ZR
63/07,
eingetragen wird (vgl. § 15 Abs. 1 b) der Verordnung zur Durchführung der
Grundbuchverordnung i.d.F. v. 24.1.1995, BGBl I 114, zuletzt geändert durch Gesetz v.
19.12.2022, BGBl. I S. 2606, GBV).
(dd) Der Wortlaut einer Vorschrift stellt zwar die äußerste Grenze einer weiten Auslegung dar,
er ist jedoch einer mit Hilfe der üblichen Methoden vorgenommenen einschränkenden
Auslegung zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.1992, 1 StR 534/92,
9). Die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt hier, dass bei einem Verkauf
durch eine Einpersonen-GmbH & Co. KG an eine andere Einpersonen-GmbH & Co. KG mit
demselben Alleingesellschafter kein Verkauf an einen Dritten vorliegt.
Das Vorkaufsrecht dient nach seinem Sinn und Zweck zwei möglichen Interessen des
Rechtsinhabers. So kann der Vorkaufsberechtigte ein Erwerbsinteresse an der Kaufsache haben.
Er kann aber auch ein Abwehrinteresse verfolgen, das dahingeht, den Erwerb der Sache durch
einen Dritten zu verhindern (Daum, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.4.2024, § 463 Rn. 4). Für die
Interessenlage des Vorkaufsverpflichteten ist nach dem Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts
wesentlich, dass er dem Vorkaufsrecht des Berechtigten erst dann unterliegt, wenn er sich
ohnehin von dem Vorkaufsgegenstand trennen will. Diesen unterschiedlichen Interessenlagen
entsprechend ist der Kaufvertrag nur dann mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB
geschlossen, wenn Verkäufer und Käufer nicht identisch sind; es muss also für das Entstehen
des Vorkaufsrechts ein sogenanntes Verkehrsgeschäft vorliegen, bei dem auf Käuferseite
mindestens eine Person steht, die bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht auch gleichzeitig als
Verkäufer anzusehen ist (vgl. zum Begriff des Verkehrsgeschäfts: BGH, Urt. v. 29.6.2007, V ZR
5/07,
Vorkaufsberechtigten durch einseitige Willenserklärung einen Kaufvertrag zustande zu bringen
ergibt sich (erst) daraus, dass der Vorkaufsverpflichtete den Vorkaufsgegenstand im Rahmen
eines Verkehrsgeschäfts zur Verfügung stellt (vgl. Wertenbruch, in: Soergel, BGB, Band 6/2,
13. Aufl. 2009, § 463 Rn. 55; Daum, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.4.2024, § 463 Rn. 64). Beim
Verkauf durch eine Einpersonen-GmbH & Co. KG an eine andere Einpersonen-GmbH & Co.
KG mit demselben Alleingesellschafter wie im vorliegenden Fall fehlt es an dieser
Voraussetzung, da es sich um eine bloße Vermögensverschiebung innerhalb der
Vermögenssphäre ein und derselben natürlichen Person als wirtschaftlicher Inhaber handelt.
Zwar wollte sich die Klägerin zu 1) formal von dem Eigentum an dem streitgegenständlichen
Grundstück trennen und dieses sollte laut dem Kaufvertrag vom 17. Mai 2021 aus ihrem
Vermögen in das der Klägerin zu 2), einer rechtsfähigen GmbH & Co. KG, übergehen. Ein
Verkehrsgeschäft liegt jedoch nicht vor, da die Veräußerung bei wirtschaftlicher Betrachtung
lediglich eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre des
Alleinkommanditisten der Klägerin zu 1) bedeutet, der zugleich Alleinkommanditist auch der
Klägerin zu 2) und Alleingesellschafter der einzigen Komplementärin beider Klägerinnen ist.
Dieser „wirtschaftliche Inhaber“ bediente sich zweier gemäß
zulässiger Einpersonengesellschaften, um das streitgegenständliche Grundstück von anderen
Vermögenswerten zu separieren und von der einen auf die andere, ebenfalls vollständig von ihm
kontrollierte Gesellschaft zu übertragen. Eine dem Zweck von § 463 BGB entsprechende
Eigentumsaufgabe im Sinne einer Beendigung des Zugriffs auf das Grundstück war von
vornherein nicht angestrebt, da dieser „wirtschaftliche Inhaber“ beider Gesellschaften erkennbar
bestrebt und angesichts der gesellschaftsrechtlichen Strukturen auch in der Lage war, den
Zugriff auf das Grundstück vor und nach dem Verkauf vollständig zu kontrollieren.
Dass im vorliegenden Einzelfall kein Verkehrsgeschäft vorliegt zeigt sich im Übrigen daran, dass
der der Beklagten am 19. Mai 2021 übersandte notarielle Kaufvertrag Vereinbarungen enthält,
welche allein der besonderen Konstellation der hier erfolgten Vermögensverschiebung innerhalb
des Vermögens des „wirtschaftlichen Inhabers“ sind, da sie bei einem Verkauf an einen Dritten
gänzlich unüblich wären. So verzichteten die Klägerinnen gemäß § 2 des Kaufvertrags vom
17. Mai 2021 trotz Belehrung des Notars über die damit verbundenen Gefahren auf eine
Sicherstellung der Kaufpreiszahlung durch z.B. die Eintragung einer Auflassungsvormerkung
oder die Zahlung auf ein Notaranderkonto. Auch vereinbarten sie gemäß § 5 des Kaufvertrags,
dass die Übergabe des Grundstücks zum 1. Juni 2021, 00:00 Uhr, als erfolgt gelte, obwohl der
Notar darauf hinwies, dass die Übergabe damit unter Umständen vor Zahlung des Kaufpreises
erfolge und damit Risiken einhergingen. Zudem erschien bei Abschluss des notariellen
Kaufvertrags vom 17. Mai 2021 allein der wirtschaftliche Inhaber beider Gesellschaften als von
den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Komplementärin beider
Gesellschaften zum Notartermin.
Das Erfordernis des Verkehrsgeschäfts gilt umso mehr im Rahmen des gesetzlichen
Vorkaufsrechts nach §§ 24 ff. BauGB, da die Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs in die
Eigentumsfreiheit des Verkäufers gemäß Art. 14 Abs. 1 GG auch dadurch gerechtfertigt wird,
dass dieser sich im Rahmen eines Verkehrsgeschäfts von dem Vorkaufsgegenstand trennen will,
so dass der Eingriff weniger schwer wiegt. Es handelt sich bei dem gemeindlichen
Vorkaufsrecht um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2
GG, durch welche die Sozialbindung des Grundeigentums näher ausgestaltet wird (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 7.11.2000, 6 B 19.00, Buchholz 406.48
4 m.w.N.). Der Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Verkäufers und Vorkaufsverpflichteten ist
als gering zu bewerten, wenn sich der Vorkaufsverpflichtete dazu entschlossen hat, das
Grundstück zu veräußern, und ihm nach Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich ein anderer
Vertragspartner in Form der solventen Gemeinde zu den vereinbarten Vertragsbedingungen,
vgl.
Urt. v. 22.10.2019, OVG 10 B 9.18,
Weiteres gerechtfertigter Eingriff liegt jedoch dann vor, wenn es wie hier an einem Entschluss
des Verpflichteten zur Aufgabe des Grundeigentums fehlt, da das Vorkaufsrecht der Gemeinde
keinen Zugriff auf unternehmensinterne Vermögensverschiebungen erlauben soll, die bei
wirtschaftlicher Betrachtung auf Verkäufer- und Käuferseite dieselbe Person betreffen.
(ee) Der hier vorgenommenen Auslegung des Begriffs des Dritten in § 463 BGB stehen weder
der Ausschlusstatbestand für gemeindliche Vorkaufsrechte in § 26 Nr. 1 BauGB noch die
diesem zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung entgegen. Gemäß § 26 Nr. 1 BauGB ist die
Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn der Eigentümer das Grundstück an seinen
Ehegatten oder eine Person verkauft, die mit ihm in gerader Linie verwandt oder verschwägert
oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt ist.
Diese Vorschrift findet nach ihrem Wortlaut hier keine unmittelbare Anwendung. Es kann aus
der Vorschrift auch nicht geschlossen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers allein die
dort bezeichneten Näheverhältnisse aus dem Anwendungsbereich des Vorkaufsrechts
ausscheiden sollten. Zum einen trifft die Vorschrift keine Aussage zu dem hier streitigen Begriff
des Dritten; vielmehr setzt sie das Vorliegen eines Kaufvertrags mit einem Dritten voraus.
Während der Begriff des Dritten die Ebene des Eintritts eines Vorkaufsfalls betrifft, greift der
Ausschlusstatbestand des § 26 Nr. 1 BauGB erst auf der nachfolgenden Ebene der Ausübung
des Vorkaufsrechts und begrenzt als negative Tatbestandsvoraussetzung den unbestimmten
Rechtsbegriff aus § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden
darf, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.11.2021, 4 C
1.20,
Näheverhältnisse in § 26 Nr. 1 BauGB auch keine mit der vorliegenden Konstellation
vergleichbare Wertung zugrunde. Sinn und Zweck des Ausschlussgrundes in § 26 Nr. 1 BauGB
ist es, dass der Eintritt der Gemeinde in Kaufverträge zwischen nahen Verwandten in der Regel
nicht angemessen ist, da in diesen Fällen typischerweise ein unter dem Verkehrswert liegender
Kaufpreis vereinbart wird (so die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum
BauGB in BT-Drucks. 10/4630, S. 83; ebenso Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15.
Aufl. 2022, § 26 Rn. 2; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai
2021, § 26 Rn. 2 f.). Es liegt jedoch bei einem Verkauf an nahe Verwandte, anders als in dem
hier zu entscheidenden Fall, typischerweise auch nach wirtschaftlicher Betrachtung weder eine
Personenidentität noch ein identisches wirtschaftliches Interesse auf Veräußerer- und
Erwerberseite vor, da das wirtschaftliche Interesse bei einem Verkauf an nahe Verwandte
unterschiedlich ausfallen kann.
Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Vorschrift in § 26 BauGB eine
abschließende Aufzählung der Ausschlussgründe enthält, wirkt sich vor diesem Hintergrund im
vorliegenden Verfahren nicht aus (dafür Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Sept. 2017,
§ 26 Rn. 3 m.w.N.; Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 26 Rn. 1; a.A. Reidt, in:
Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 26 Rn. 1). Im Übrigen bestünde, selbst
wenn man angesichts des Wortlauts der Vorschrift in § 26 BauGB von einer abschließenden
Aufzählung ausgeht, daneben weiterhin Raum für eine Berücksichtigung besonderer Umstände
im Rahmen der Prüfung einer Rechtfertigung durch das Allgemeinwohl im Einzelfall, da es sich
bei der Aufzählung in § 26 BauGB lediglich um die Konkretisierung von Beispielsfällen handelt,
in denen das Allgemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts typischerweise nicht rechtfertigt
(BVerwG, Urt. v. 9.11.2021, 4 C 1.20,
v. 29.6.1993, 4 B 100.93,
(ff) Der hier vorgenommenen Auslegung kann nicht das von der Beklagten geltend gemachte
Folgeargument entgegengehalten werden, wonach bei diesem Verständnis des § 463 BGB auch
bei konzerninternen Grundstückskaufverträgen kein Kaufvertrag mit einem Dritten vorläge, was
zu einer weitreichenden Beschränkung der Anwendungsfälle für das Vorkaufsrecht führe.
Zum einen kann dahinstehen, ob ein Vorkaufsrecht generell bei allen konzerninternen
Verkäufen ausgeschlossen ist (so Faust, in: BeckOK BGB, 67. Aufl., Stand: 1.8.2023, § 463 Rn.
25; Daum, in: BeckGOK, BGB, Stand: 1.10.2023, § 463 Rn. 64.1; wohl auch Schermaier, in:
Staudinger, BGB, 2013, § 463 Rn. 46; bejahend im Regelfall Westermann, in: MüKo, BGB,
8. Aufl. 2019, § 463 Rn. 27; bejahend für Beteiligung von mindestens 90 % Grunewald, in:
Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 463 Rn. 10). Zur Beantwortung dieser Frage bietet das
vorliegende Verfahren bereits keinen Anlass, da es sich hier mangels herrschendem
Unternehmen nicht um einen Konzern im eigentlichen Sinne handeln dürfte.
Zum anderen käme es nach der hier vorgenommenen Auslegung auch bei konzerninternen
Übertragungen auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an, wobei stets zu prüfen wäre, ob
ein Umgehungsgeschäft vorliegt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet
das Vorkaufsrecht gemäß § 463 BGB bei interessengerechter Auslegung nicht nur auf formelle
Kaufverträge Anwendung, sondern auch auf solche Vertragsgestaltungen zwischen dem
Verpflichteten und dem Dritten, die bei materieller Betrachtung einem Kauf im Sinne des
Vorkaufsrechts so nahe kommen, dass sie ihm gleichgestellt werden können, und in die der
Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seines Erwerbs- und Abwehrinteresses "eintreten" kann,
ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen zu beeinträchtigen (BGH, Urt. v.
27.1.2012, V ZR 272/10,
§§ 24 bis 28 Rn. 5; Stock, a.a.O., § 24 Rn. 53; Spieß, in: Jäde/Dirnberger, 10. Aufl. 2022, BauGB,
§ 24 Rn. 3). Derartige kaufähnliche Vertragsgestaltungen werden zum Beispiel angenommen,
wenn der Vorkaufsverpflichtete die mit einem Vorkaufsrecht belastete Sache in eine von ihm
beherrschte Gesellschaft einbringt und anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen
Dritten überträgt (BGH, Urt. v. 27.1.2012, V ZR 272/10,
Im Übrigen handelt es sich bei der Frage nach der Weite des verbleibenden
Anwendungsbereichs für das Vorkaufsrecht um rechtspolitische Erwägungen, die im
vorliegenden Verfahren keinen Platz haben. Dass in Folge der hier vertretenen einschränkenden
Auslegung des Begriffs des Dritten für das Vorkaufsrecht kein relevanter Anwendungsbereich
mehr verbliebe, lässt sich nicht feststellen.
(gg) Schließlich sind keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Umgehung des Vorkaufsrechts
durch den Abschluss des Kaufvertrags ersichtlich, zumal die Klägerinnen in §§ 7 und 11 des
Kaufvertrags Bezug auf das Vorkaufsrecht genommen haben. Der Einwand der Beklagten, die
Klägerinnen könnten sich nicht einerseits zu ihrem steuerrechtlichen und wirtschaftlichen
Vorteil auf die Selbständigkeit der Gesellschaften berufen und sich andererseits den damit
verbundenen Rechtsfolgen hinsichtlich des gemeindlichen Vorkaufsrechts entziehen, wenn diese
für sie nachteilig seien, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Besonderheit des vorliegenden
Falls liegt im Kern in der gemäß
der Einpersonengesellschaft begründet (vgl. Liebscher, in: Reichert, GmbH & Co. KG, 8. Aufl.
2021, § 3 Rn. 6; Fleischer, MüKo GmbHG, 4. Aufl. 2022, § 1 Rn. 66). Allein hieraus kann sich
ohne weitere Anhaltspunkte kein missbräuchliches Verhalten der Klägerinnen ergeben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Ein Grund, die Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, liegt nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OVG Hamburg
Erscheinungsdatum:21.03.2024
Aktenzeichen:2 Bf 61/23
Rechtsgebiete:
Einkommens- und Körperschaftssteuer
Kommanditgesellschaft (KG)
In-sich-Geschäft
OHG
Öffentliches Baurecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
GmbH
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BauGB §§ 25, 26, 28, 234; BGB § 463