OLG Rostock 24. Oktober 2022
3 W 82/22
WEG § 3 Abs. 2

Sondereigentumsfähigkeit einer Gartenfläche; Vermutung für Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume

letzte Aktualisierung: 20.1.2023
OLG Rostock, Beschl. v. 24.10.2022 – 3 W 82/22

WEG § 3 Abs. 2
Sondereigentumsfähigkeit einer Gartenfläche; Vermutung für Hauptsacheeigenschaft der
Wohnung bzw. der Räume

1. Das Sondereigentum gemäß § 3 Abs. 2 WEG in der seit dem 1. Dezember 2020 geltenden
Fassung kann auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks, wie z. B.
Gartenflächen, erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die Räume bleiben dadurch
wirtschaftlich nicht die Hauptsache.
2. Die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume wird grundsätzlich vermutet,
insbesondere bei – wie hier – Verbindung einer Wohnung mit einem Garten.
3. Eine Prüfung durch das Grundbuchamt hat nur bei konkreten anderweitigen Anhaltspunkten zu
erfolgen.

Gründe

I.
Mit notariell beurkundeter Teilungserklärung vom 10.08.2021 (UR-Nr. 841/2021 der
verfahrensbevollmächtigten Notarin) teilte die eingetragene Eigentümerin und Beteiligte zu
1) das vormals im Grundbuch von N., Bl. 6339, gebuchte Grundstück in 3
Wohnungseigentume. Dem Vollzugsantrag vom 12.08.2021 war die amtliche
Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 20.07.2021 nebst Aufteilungsplan beigefügt. Unter
anderem das vorliegend verfahrensgegenständliche Wohnungseigentum betreffend die
Wohnung Nr. 1 im Erdgeschoss wurde am 31.08.2021 antragsgemäß mit der aus dem
Rubrum näher ersichtlichen Bezeichnung im dafür neu angelegten Wohnungsgrundbuch
Bl. 20827 eingetragen. Die anderen zwei Wohnungseigentume betreffend die Wohnungen
Nr. 2 und 3 sind in den Wohnungsgrundbüchern von Neustrelitz, Bl. 20828 und 20829,
gebucht.

Mit Urkunde vom 09.11.2021 (UR-Nr. 1175/2021 der verfahrensbevollmächtigten Notarin)
veräußerte die eingetragene Eigentümerin und Beteiligte zu 1) das wie oben bezeichnete
Wohnungseigentum betreffend die Wohnung Nr. 1 an die Beteiligten zu 2) und 3) für
395.000,- €. Die zunächst beantragte Eintragung der Auflassungsvormerkung erfolgte am
06.12.2021.

Am 31.05.2022 hat das Grundbuchamt einen Amtswiderspruch gegen die Eintragung der
Gartenfläche WE 1 als Sondereigentum eingetragen zugunsten der jeweiligen Eigentümer in
N. Blätter 20828 und 20829 (derzeit nach wie vor die Beteiligte zu 1)).

Gegen diese Eintragung eines Amtswiderspruchs wenden sich die Beteiligten mit ihrer
Beschwerde vom 05.08.2022, mit der sie die Löschung des Amtswiderspruchs begehren, da
es für dessen Eintragung keine rechtliche Grundlage gäbe.

Mit Beschluss vom 31.08.2022 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Die
Eintragung der Gartenfläche WE 1 als Sondereigentum sei eine Gesetzesverletzung.
Verletzt sei § 3 Abs. 1 WEG, wonach Sondereigentum grundsätzlich nur an einer
bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen
gebildet werden könne. Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 WEG (Wohnung/Räume
bleibt/bleiben dadurch nicht wirtschaftliche Hauptsache) und § 3 Abs. 3 WEG (Angabe
Flächenmaße im Aufteilungsplan) seien der Teilungserklärung und der
Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht zu entnehmen gewesen, noch seien solche mit dem
Antrag vom 12.08.2021 oder zwischenzeitlich vorgetragen. Der Beschwerde fehle es an der
Darlegung und Glaubhaftmachung, dass das Grundbuch entgegen dem eingetragenen
Widerspruch richtig sei.

Die Beteiligten halten daraufhin an ihrer Auffassung fest, dass es für den Amtswiderspruch
keine rechtliche Grundlage gäbe und das Grundbuch nicht unrichtig (gewesen) sei. Zum
einen seien die benannten Flächen und deren Größe alle korrekt mit erforderlichen Maßen
versehen in der Abgeschlossenheitsbescheinigung angegeben. Zum anderen sei die vom
Rechtspfleger beschriebene Konstellation hinsichtlich des Umkehrzwangs der
wirtschaftlichen Hauptsache nicht aus dem Gesetz zu entnehmen. Das Sondereigentum
könne seit der WEG-Reform gemäß § 3 Abs. 2 WEG auch auf Freiflächen erstreckt
werden. Die jeweiligen Wohnungen oder die nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume
müssten jedoch wirtschaftlich die Hauptsache bleiben. Dies sei hier aber der Fall. Der Wert
der Gartenfläche (306,40 m²) betrage nur ca. 1/10 des Kaufpreises für das
Wohnungseigentum.

II.
1.
7 Die - unbeschränkte - Beschwerde gegen die Eintragung des Amtswiderspruchs mit dem
Ziel, diesen zu löschen, ist gemäß §§ 71, 73 GBO zulässig (vgl. nur Demharter, GBO,
32. Aufl., § 53 Rn. 31 m.w.N; § 71 Rn. 39 m.w.N.).

2.
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet, denn die Voraussetzungen der Eintragung
eines Amtswiderspruchs gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 GBO sind und waren nicht erfüllt.

Nach dieser Vorschrift ist von Amts wegen ein Widerspruch einzutragen, wenn das
Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen
hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Beides ist vorliegend im Hinblick auf
die Eintragung der Gartenfläche WE 1 als Sondereigentum nicht der Fall. Weder hat das
Grundbuchamt bei der Eintragung gesetzliche Vorschriften verletzt noch ist ersichtlich,
dass das Grundbuch dadurch unrichtig geworden ist.

Vielmehr kann das Sondereigentum gemäß § 3 Abs. 2 WEG in der seit dem 01.12.2020
geltenden Fassung auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks, wie
z.B. Gartenflächen, erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die Räume bleiben
dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache. Dass Letzteres hier der Fall wäre, ist nicht
ersichtlich. Die diesbezügliche Anmerkung des Amtsgerichts im Beschluss vom 31.08.2022
ist unverständlich. Ohnehin wird die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume
grundsätzlich vermutet, insbesondere bei - wie hier - Verbindung einer Wohnung mit einem
Garten. Eine Prüfung durch das Grundbuchamt hat nur bei konkreten anderweitigen
Anhaltspunkten zu erfolgen (vgl. zu Vorstehendem etwa Grüneberg/Wicke, BGB,
81. Aufl., § 3 WEG Rn. 10; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 3 Rn. 69; Heinemann in:
Ring/Grziwotz/Schmidt-Ränsch, NK-BGB, 5. Aufl., § 3 WEG Rn. 11; jeweils unter
Verweis auf die Gesetzesbegründung). Diese gibt es vorliegend nicht.

Soweit das Amtsgericht zudem bemängelt, dass die gemäß § 3 Abs. 3 WEG zur
Bestimmung des Grundstücksteils erforderlichen Maßangaben dem Aufteilungsplan in der
Teilungserklärung und der Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht zu entnehmen seien und
auch mit dem Antrag vom 12.08.2021 nicht vorgetragen worden seien, so ist dies wiederum
schlicht unverständlich. Dem Antrag vom 12.08.2021 war die
Abgeschlossenheitsbescheinigung der unteren Bauaufsichtsbehörde vom 20.07.2021 im
Original beigefügt. Dieser wiederum lag der Aufteilungsplan auch bezüglich der
Außenfläche WE 1 bei, in dem diese sowohl farblich als auch durch die notwendigen
Maßangaben überaus deutlich bestimmt und bezeichnet ist.

Aufgrund vorstehender Ausführungen ist der eingetragene Amtswiderspruch zu löschen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Rostock

Erscheinungsdatum:

24.10.2022

Aktenzeichen:

3 W 82/22

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
WEG

Normen in Titel:

WEG § 3 Abs. 2