Wiederholung eines materiell mangelhaften Beschlusses durch die Wohnungseigentümergemeinschaft
letzte Aktualisierung: 1.6.2023
BGH, Urt. v. 10.2.2023 – V ZR 246/21
WEG §§ 18 Abs. 2, 19 Abs. 1, 44 Abs. 1
Wiederholung eines materiell mangelhaften Beschlusses durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft
1a. Nachdem ein Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig
erklärt worden ist, darf ein im Kern inhaltsgleicher Zweitbeschluss nur dann gefasst werden, wenn
besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass dieses Vorgehen ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht; das kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der in dem Vorprozess
benannte Beschlussmangel behoben worden ist oder wenn sich die darauf bezogenen tatsächlichen
oder rechtlichen Umstände geändert haben (Abgrenzung zu Senat, Beschluss vom 20. Dezember
1990 – V ZB 8/90,
1b. Ist ein Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig erklärt
worden, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein anschließend gefasster und im Kern
inhaltsgleicher Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht; nur wenn die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nachweist, dass besondere Umstände die zweite
Beschlussfassung erlaubten, ist die Vermutung erschüttert, so dass das Gericht die gerügten
Beschlussmängel in der Sache prüfen kann.
1c. Wird ein nach diesen Maßstäben unzulässiger Zweitbeschluss gefasst, hat dies nicht die
Nichtigkeit des Beschlusses, sondern in der Regel lediglich dessen Anfechtbarkeit zur Folge.
2. Ist in einer Wohnungseigentumsanlage mit einer verbundenen Anlage die auf die zentrale
Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge entgegen
nicht mit einem separaten Wärmemengenzähler erfasst worden, entspricht die Abrechnung der
Heizkosten in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die auf die zentrale
Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge anhand der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2
und 3 HeizkostenV ermittelt wird; in Ausnahmefällen kann eine derartige Abrechnung gleichwohl
ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, und zwar dann, wenn die Anwendung der Formel
dazu führt, dass das tatsächliche Nutzerverhalten im Einzelfall nicht wenigstens annähernd
abgebildet wird.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Beschlussfassung zu TOP 3 hinsichtlich
der Heizkostenabrechnungen für 2016 bis 2018 entspreche ordnungsmäßiger
Verwaltung. Die Rechtskraft der Urteile in den Vorprozessen stehe der inhaltsgleichen
Beschlussfassung über die Heizkostenabrechnungen für 2016 und 2017
nicht entgegen. Den Wohnungseigentümern sei es unbenommen, über eine Angelegenheit
so oft zu entscheiden, wie es ihnen beliebe. Es komme allein darauf
an, ob der neue Beschluss aus sich heraus einwandfrei sei. So liege es hier. Zwar
entspreche grundsätzlich allein eine den Anforderungen der Heizkostenverordnung
genügende Abrechnung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung,
und eine solche Abrechnung liege hier nicht vor. Denn entgegen der Vorschrift
des
entfallende Wärmemenge nicht mit einem Wärmezähler gemessen,
sondern durch die Gleichung des
worden, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Dieser rechtfertige
aber gleichwohl keine Ungültigkeitserklärung der Genehmigungsbeschlüsse.
Denn auch bei einer Verwendung der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2
und 3 HeizkostenV liege eine verbrauchsabhängige Abrechnung vor, die grundsätzlich
einer Abrechnung nach Wohnflächen vorzuziehen sei. Ausnahmen seien
nur anzuerkennen, wenn der in Ansatz gebrachte verbrauchsbezogene Kostenanteil
das tatsächliche Nutzerverhalten im Einzelfall nicht wenigstens annähernd
abbilde. Dies sei hier nicht der Fall. Zwar habe der Sachverständige in seinem in
dem Vorprozess betreffend die Heizkostenabrechnung 2016 erstellten Gutachten
ausgeführt, dass der Anteil der Wärmemenge für die Trinkwassererwärmung bei
einer Messung durch einen Wärmemengenzähler deutlich höher wäre als bei der
erfolgten Ermittlung anhand der Formel. Fehler bei der Anwendung der Formel
habe der Sachverständige aber nicht aufgezeigt und auch nicht dargelegt, welcher
Wert für die Trinkwassererwärmung zutreffend gewesen wäre. Der Einschätzung
des Sachverständigen stehe zudem eine im Internet zugängliche Studie
entgegen. Mit dieser habe sich der Kläger nicht auseinandergesetzt und nicht
dargelegt, dass sich nach der Installation der Wärmemengenzähler der auf die
Warmwasserbereitung entfallende Anteil der Wärmemenge gravierend verändert
habe. Auch eine Anhörung des Sachverständigen sei nicht veranlasst. Bei der
Frage, ob die Heizkostenabrechnungen als verbrauchsabhängige Abrechnungen
anzusehen seien, handele es sich um eine Rechtsfrage, die der sachverständigen
Beurteilung entzogen sei.
Auch die Beschlussfassung zu TOP 8 sei nicht zu beanstanden, da der
Beschluss hinreichend bestimmt sei.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Dabei geht das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon aus, dass
weiterhin anzuwenden ist (
übrigen Wohnungseigentümer unverändert richtige Klagegegner sind. In der Sache
ist das im Zeitpunkt der Beschlussfassung (2019) geltende Recht maßgeblich
(vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 33/20,
a.E.; Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 214/21,
2. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann aber
zunächst die Anfechtungsklage im Hinblick auf die Heizkostenabrechnungen für
die Jahre 2016 und 2017 unter TOP 3 nicht abgewiesen werden.
a) Richtig ist allerdings, dass sich aus der materiellen Rechtskraft (§ 322
Abs. 1 ZPO) der Urteile der Vorprozesse nicht ergeben kann, dass die Beschlüsse
ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne des
Beschlussanfechtungsklage unter den Wohnungseigentümern als
Folge der Rechtskraft fest, dass der für ungültig erklärte Beschluss nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung entsprach (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2011
- V ZR 202/10,
2021, 59 Rn. 11). Die materielle Rechtskraft erstreckt sich aber nur auf den konkreten,
für ungültig erklärten Beschluss (vgl. Senat, Beschluss vom 25. September
2003 - V ZB 21/03,
- V ZR 182/12,
b) Zutreffend ist auch, dass die GdWE nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats wegen ihrer autonomen Beschlusszuständigkeit grundsätzlich
berechtigt ist, über eine schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit erneut
zu beschließen, und es dabei keine Rolle spielt, aus welchen Gründen sie eine
erneute Beschlussfassung für angebracht hält. Entscheidend ist allein, dass der
Beschluss aus sich heraus einwandfrei ist, wobei allerdings jeder Wohnungseigentümer
verlangen kann, dass der neue Beschluss schutzwürdige Belange aus
Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses berücksichtigt (vgl. Senat, Beschluss
vom 20. Dezember 1990 - V ZB 8/90,
23. August 2001 - V ZB 10/01,
2003 - V ZB 21/03,
c) Das Berufungsgericht verkennt aber, dass der Fall hier in einem wesentlichen
Punkt anders gelagert ist als in den vorgenannten Entscheidungen.
Diesen lagen jeweils Konstellationen zugrunde, in denen die GdWE einen gefassten
Beschluss durch einen anderen - entweder inhaltsgleichen oder abweichenden
- Beschluss ersetzte. Dagegen ersetzt die zweite Beschlussfassung hier
Beschlüsse, die zuvor durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen für ungültig
erklärt worden sind. Dabei kann der Senat mangels Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht zugrundelegen, dass in dem Vorprozess die inhaltsgleichen
Beschlüsse wegen eines formellen Beschlussmangels für ungültig erklärt
worden waren und mit den nunmehr angefochtenen Beschlüssen der beanstandete
formelle Beschlussmangel geheilt werden sollte, wie es ohne Weiteres zulässig
wäre (vgl. Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten,
WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 71 und 90; Jennißen/Schultzky, WEG, 7. Aufl., § 23
Rn. 82; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl.,
der Revision zu unterstellen, dass die inhaltsgleichen Beschlüsse im
Vorprozess wegen eines materiellen Mangels für ungültig erklärt worden waren.
d) Zu der Frage, welche Auswirkungen es auf eine erneute Beschlussfassung
hat, dass ein vorheriger Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels
rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, zeigt sich ein disparates Meinungsbild.
Zum Teil wird vertreten, Zweitbeschlüsse seien auch bei einer vorherigen
gerichtlichen Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie aus
sich heraus einwandfrei seien. Die Wohnungseigentümer könnten aufgrund ihrer
autonomen Beschlusszuständigkeit die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen
unterlaufen . Allerdings widerspreche ein erneuter inhaltsgleicher Beschluss
ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er allein in der Hoffnung gefasst werde, bei
der dritten oder fünften Wiederholung werde die Minderheit die Anfechtungsfrist
versäumen oder auf Grund psychischer oder finanzieller Erschöpfung auf die Anfechtung
verzichten; dann sei das Vorgehen der GdWE rechtsmissbräuchlich
(vgl. LG Hamburg,
auch Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG,
13. Aufl., § 23 Rn. 71). Vertreten wird auch, dass die inhaltsgleiche Wiederholung
des erfolgreich angefochtenen Beschlusses mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Verwaltung nicht vereinbar sei, wenn sie grundlos erfolgt sei (vgl. KG, NJWRR
1994, 1358; AG Hamburg-Altona,
WEG, 7. Aufl., § 23 Rn. 83; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl.,
Wieder andere meinen, ein Zweitbeschluss sei nichtig, wenn die Grenze des
Rechtsmissbrauchs überschritten sei. Dabei spreche eine tatsächliche Vermutung
für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, sofern zumindest im Kern ein inhaltsgleicher
Beschluss unter Wiederholung (auch) desselben Beschlussmangels
in die Welt gesetzt werde, der zur Stattgabe der Beschlussmängelklage geführt
habe (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 158).
e) aa) Nach Auffassung des Senats darf, nachdem ein Beschluss wegen
eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist,
ein im Kern inhaltsgleicher Zweitbeschluss nur dann gefasst werden, wenn besondere
Umstände die Annahme rechtfertigen, dass dieses Vorgehen ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht; das kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der
in dem Vorprozess benannte Beschlussmangel behoben worden ist oder wenn
sich die darauf bezogenen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände geändert
haben.
(1) Zwar ergibt sich - wie ausgeführt (vgl. oben Rn. 9) - ein Widerspruch
zu dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung nicht aus den Wirkungen
der materiellen Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess. Die GdWE hat aber
im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung auch den Minderheitenschutz zu
beachten (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 2017 - V ZR 290/16,
Rn. 12 zu einer Majorisierung). Die Anfechtungsklage, die es einem oder mehreren
Wohnungseigentümern ermöglicht, eine Beschlussfassung der Mehrheit
überprüfen zu lassen, dient dem Minderheitenschutz im Einzelfall (vgl. Senat,
Urteil vom 14. Juli 2017 - V ZR 290/16,
2019 - V ZR 72/18,
- V ZR 202/21,
verwirklichte Minderheitenschutz wird faktisch entwertet, wenn die
GdWE einen inhaltlich mit dem gerichtlich für ungültig erklärten Beschluss identischen
Beschluss fasst. Denn dann wird die Minderheit zu einer neuen Klage
gezwungen und hätte - wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Verhandlung
vor dem Senat zu Recht ausgeführt hat - durch die vorangegangene
erfolgreiche Beschlussanfechtung letztlich nichts gewonnen. Eine derartige, die
Verwirklichung des Minderheitenschutzes konterkarierende Vorgehensweise der
GdWE widerspricht in aller Regel ordnungsmäßiger Verwaltung. Zudem darf die
GdWE nicht sehenden Auges das Unterliegen in einem weiteren Anfechtungsverfahren
mit entsprechender Kostenlast in Kauf nehmen.
(2) Lediglich in Ausnahmefällen können besondere Umstände die Annahme
rechtfertigen, dass ein derartiger Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung
entspricht. Dies kommt zum einen dann in Betracht, wenn der in dem
Vorprozess benannte Beschlussmangel behoben worden ist. Ein solcher Fall
liegt zum Beispiel vor, wenn in dem Vorprozess bemängelt wurde, dass für die
beschlossene Auftragsvergabe nur ein Angebot vorliegt, und dann nach Vorlage
der gerichtlich geforderten Zahl von Angeboten im Kern dieselbe Auftragsvergabe
beschlossen wird. Ein Zweitbeschluss kann zudem dann ordnungsmäßiger
Verwaltung entsprechen, wenn sich die darauf bezogenen tatsächlichen
Umstände geändert haben. Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn zwar weiterhin
die in dem Vorprozess bemängelte Vorlage weiterer Angebote unterblieben
ist, der Grund hierfür aber nachweislich darin liegt, dass trotz ausreichender
Anfragen keine weiteren Angebote abgegeben wurden. Schließlich kann auch
die Änderung der rechtlichen Umstände zur Folge haben, dass ein derartiger
Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Eine solche Fallkonstellation
ist zum Beispiel gegeben, wenn das Gericht in dem Vorprozess zu einer
entscheidungserheblichen Frage eine Rechtsansicht vertreten hat, die aufgrund
einer nach Rechtskraft ergangenen höchstrichterlicher Rechtsprechung als überholt
anzusehen ist (vgl. auch Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 69/21,
bb) In einem auf einen solchen Zweitbeschluss gerichteten Beschlussanfechtungsverfahren
ergeben sich deshalb Besonderheiten in der Darlegungsund
Beweislast. Ist ein Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels
rechtskräftig für ungültig erklärt worden, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür,
dass ein anschließend gefasster und im Kern inhaltsgleicher Zweitbeschluss
ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht; nur wenn die GdWE nachweist (bzw.
hier gemäß
Wohnungseigentümer), dass besondere Umstände die zweite Beschlussfassung
erlaubten, ist die Vermutung erschüttert, so dass das Gericht die gerügten Beschlussmängel
in der Sache prüfen kann. Es ist nämlich nach der Lebenserfahrung
davon auszugehen, dass die Minderheitenrechte missachtet werden (vgl.
zur Begründung von tatsächlichen Vermutungen Senat, Urteil vom 21. Januar
2000 - V ZR 327/98,
- V ZR 178/08,
Voraussetzungen von dem Kläger darzulegen und ggf. zu beweisen sind,
muss der Tatrichter bei der Beweiswürdigung berücksichtigen; sie kann aber erschüttert
werden (vgl. Senat, Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ
146, 298, 305; Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08,
Rn. 16). Der GdWE (bzw. hier den übrigen Wohnungseigentümern) steht es insofern
offen, Tatsachen aufzuzeigen (und ggf. zu beweisen), die die Annahme
entkräften, dass der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht (vgl.
Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 75/18,
vom 21. November 2019 - V ZR 101/19,
der Fall, wenn Tatsachen vorgetragen (und ggf. bewiesen) werden, aus denen
sich ergibt, dass einer der Sonderfälle vorliegt, in denen ein derartiger Zweitbeschluss
ausnahmsweise ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann (vgl.
oben Rn. 15).
f) Wird ein nach diesen Maßstäben unzulässiger Zweitbeschluss gefasst,
hat dies nicht die Nichtigkeit des Beschlusses, sondern in der Regel lediglich
dessen Anfechtbarkeit zur Folge. Bei der Annahme von Nichtigkeit ist Zurückhaltung
geboten (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2018 - V ZR 328/17, NJW 2019,
1216 Rn. 22). Ob ein Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht,
muss in aller Regel in einem Anfechtungsverfahren geklärt werden. Nur in Ausnahmefällen
kann ein derartiger Beschluss als evident rechtsmissbräuchlich und
deshalb als nichtig anzusehen sein; das kann etwa in Betracht kommen, wenn
eine mehrfache Beschlussfassung allein mit dem Ziel erfolgt, die Minderheit zu
zermürben.
cc) Weil das Berufungsgericht - von seinem Ausgangspunkt folgerichtig -
Feststellungen zu den Beschlussmängeln, die dazu geführt haben, dass die Beschlüsse
im Vorprozess für ungültig erklärt worden sind, nicht getroffen hat, kann
das Urteil keinen Bestand haben.
3. Auch die Abweisung der Anfechtungsklage bezüglich der Heizkostenabrechnung
für das Jahr 2018, die nicht Gegenstand der Vorprozesse war, ist
von Rechtsfehlern beeinflusst. Dass diese Heizkostenabrechnung mit dem
Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung (
nicht bejaht werden.
a) Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausführt, entspricht
- unabhängig von der Vereinbarungs- und Beschlusslage - grundsätzlich allein
eine den Anforderungen der Heizkostenverordnung genügende Abrechnung ordnungsmäßiger
Verwaltung (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 16. September
2022 - V ZR 214/21,
b) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die
Ermittlung der auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallenden
Wärmemenge durch die Formel des
gegen die Heizkostenverordnung verstößt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9
Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV ist bei einer verbundenen Anlage die auf die zentrale
Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge mit einem separaten
Wärmemengenzähler zu messen. Gemäß
diese Wärmemenge dann, wenn eine Messung nur mit einem unzumutbar hohen
Aufwand möglich ist, mit der Formel des
bestimmt werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die
Voraussetzungen dieser Ausnahme nicht vor. Da die separate Erfassung der auf
die zentrale Warmwasserversorgung entfallende Wärmemenge mangels eines
separaten Wärmezählers auch nicht nachgeholt werden kann, ist der Verstoß
gegen
12. Januar 2022 - VIII ZR 151/20,
c) Zutreffend ist auch, dass im Wohnungseigentumsrecht bei einem unheilbaren
Verstoß gegen
auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallenden Wärmemenge
durch die Formel des
Verwaltung entsprechen kann. Ist in einer Wohnungseigentumsanlage mit einer
verbundenen Anlage die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende
Wärmemenge entgegen
separaten Wärmemengenzähler erfasst worden, entspricht die Abrechnung der
Heizkosten in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die auf die zentrale
Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge anhand der Formel
des
aa) Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eine gegen § 9 Abs. 2
Satz 1 HeizkostenV verstoßende Abrechnung, in der die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage
entfallende Wärmemenge nach der Formel des § 9
Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV ermittelt wurde, als Grundlage für eine Kürzung des
Mieters nach
12. Januar 2022 - VIII ZR 151/20,
bb) Die Frage des Kürzungsrechts und einer hierfür als Grundlage dienenden
Abrechnung stellt sich im Wohnungseigentumsrecht allerdings nicht. Denn
den Wohnungseigentümern steht - anders als den Mietern - gemäß § 12 Abs. 1
Satz 1 HeizkostenV kein Recht zur Kürzung des auf den Nutzer entfallenden Anteils
der Kosten zu; vielmehr sind sämtliche Kosten zwingend zu verteilen (näher
Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 214/21,
Gleichwohl ist im Wohnungseigentumsrecht nach dem insoweit maßgeblichen
Regelungszweck der Heizkostenverordnung davon auszugehen, dass, sofern die
auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge nicht
mit einem Wärmemengenzähler erfasst worden und dieser Fehler nicht heilbar
ist, die Abrechnung der Heizkosten in der Regel jedenfalls dann ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht, wenn diese Wärmemenge mit der Formel des § 9
Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV ermittelt worden ist.
(1) Die Heizkostenverordnung hat das Ziel, das Verbrauchsverhalten der
Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen
(vgl. BR-Drs. 570/08 S. 7). Dem jeweiligen Nutzer soll durch die verbrauchsabhängige
Abrechnung der Zusammenhang zwischen dem individuellen Verbrauch
und den daraus resultierenden Kosten bewusst gemacht werden. Bei der Verteilung
der Heizkosten hat die GdWE im Rahmen ihrer Pflicht zur ordnungsmäßigen
Verwaltung diesen Zweck der Heizkostenverordnung auch dann zu beachten,
wenn ein nicht heilbarer Verstoß gegen die Verordnung vorliegt (Senat, Urteil
vom 16. September 2022 - V ZR 214/21,
(2) Bei einem nicht heilbaren Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Satz 1
HeizkostenV entspricht es in der Regel am ehesten dem Zweck der Heizkostenverordnung,
wenn eine Abrechnung vorgenommen wird, bei der die auf die zentrale
Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge anhand der Formel
des
nach dieser Formel ist, da sie unter anderem an das gemessene Volumen des
verbrauchten Warmwassers anknüpft (vgl. Lammel, HeizkostenV, 5. Aufl., § 9
Rn. 32; MüKoBGB/Zehelein, 9. Aufl.,
nach Verbrauch näher als eine Abrechnung nach Fläche und dieser in der Regel
vorzuziehen, da sie dem Nutzer den Verbrauch eher vor Augen führt und ihn zur
Sparsamkeit anregt.
(3) Dass eine derartige Abrechnung wegen des vorliegenden Verstoßes
gegen die Heizkostenverordnung bei der Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1
HeizkostenV im Zusammenhang mit einem Kürzungsrecht des Mieters als nicht
verbrauchsabhängig betrachtet wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2022
- VIII ZR 151/20,
Bei der vom VIII. Zivilsenat insoweit vorgenommenen Auslegung geht
es allein darum, inwieweit der Verordnungsgeber mit dieser Formulierung das
Kürzungsrecht des Mieters bei einem Verstoß gegen die Heizkostenverordnung
einschränken wollte.
d) Richtig ist weiter, dass - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt -
in Ausnahmefällen eine derartige Abrechnung gleichwohl ordnungsmäßiger Verwaltung
widersprechen kann; dies ist der Fall, wenn die Anwendung der Formel
des
im Einzelfall nicht wenigstens annähernd abgebildet und somit der
Zweck der Heizkostenverordnung nicht erfüllt wird (vgl. zu dieser möglichen Ausnahme
im Mietrecht BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 329/14, WuM
2016, 174 Rn. 18). Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht die
Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalls
entsprechend den allgemeinen Regeln dem Kläger auferlegt hat. Bei seiner Annahme,
eine Ausnahme liege nicht vor, sind dem Berufungsgericht jedoch - wie
die Revision zu Recht rügt - Verfahrensfehler unterlaufen.
aa) Zum einen hat das Berufungsgericht gegen § 397 i.V.m.
verstoßen, indem es den Sachverständigen, dessen in einem der Vorprozesse
erstelltes Gutachten es nach
Klägers in seinem Schriftsatz vom 29. Januar 2021 nicht mündlich angehört hat.
(1) Eine Partei darf dem Sachverständigen nach § 397 i.V.m.
Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen
Beantwortung vorlegen. Auch wenn das Gericht selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf
sieht, dürfen diese Fragen nicht zurückgewiesen werden, da ansonsten
eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorliegt (vgl.
etwa BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 - VI ZR 233/06,
Rn. 3; Beschluss vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 273/13,
jeweils mwN). Dieser Pflicht zur Anhörung des Sachverständigen ist der Tatrichter
nur ausnahmsweise dann enthoben, wenn der Antrag auf Anhörung verspätet
oder rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist (BGH, Beschluss vom
10. Juli 2018 - VI ZR 580/15,
(2) Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Soweit das Berufungsgericht
meint, eine Anhörung sei nicht veranlasst, weil der Sachverständige keine
Fehler bei der Anwendung der Formel des
aufgezeigt habe, verfängt dies nicht. Denn das Berufungsgericht geht selbst davon
aus, dass eine den Verbrauch der Nutzer einbeziehende Abrechnung in dem
Ausnahmefall, dass der in Ansatz gebrachte verbrauchsbezogene Kostenanteil
das tatsächliche Nutzerverhalten nicht wenigstens annähernd abbildet, nicht in
Betracht kommt. Ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, ist keine reine Rechtsfrage,
sondern knüpft an tatsächliche Erkenntnisse zu dem verbrauchsbezogenen
Kostenanteil sowie zu dem tatsächlichen Nutzerverhalten an. Insoweit ist die
beantragte Erläuterung des Gutachtens offensichtlich nicht rechtsmissbräuchlich.
bb) Zum anderen hat das Berufungsgericht gegen
indem es der Einschätzung des Sachverständigen, eine Ermittlung der Wärmemenge
mittels eines Wärmezählers hätte zu anderen Ergebnissen geführt, eine
im Internet veröffentlichte Studie entgegengehalten hat, ohne den Sachverständigen
zu befragen oder gegebenenfalls nach
die Beweiswürdigung des Tatrichters von dem Revisionsgericht nur darauf überprüft
werden, ob das Berufungsgericht sich dem Gebot des
mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei
auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und
rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt
(vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR 11/17,
Rn. 8 mwN). Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil aber nicht
stand. Das Berufungsgericht hat den Prozessstoff nicht hinreichend geklärt. Es
hat, ohne den Sachverständigen hierzu zu befragen oder nach
aus der von ihm herangezogenen Studie gefolgert, dass die Ausführungen
des Sachverständigen unzutreffend seien. Aufgrund welcher Sachkunde
das Berufungsgericht meint, diese Frage in Widerspruch zu der Beurteilung des
Sachverständigen beantworten zu können, ergibt sich aus dem Urteil nicht.
Voraussetzung dafür, dass der Tatrichter eine Fachwissen voraussetzende
Frage ohne Einholung sachverständigen Rates selbst beurteilen darf, ist aber,
dass er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und
dies im Urteil ausreichend dartut (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015
- VI ZR 204/14,
- XII ZR 153/19, juris Rn. 17; Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 16/22, WRP
2023, 447 Rn. 47). Daran fehlt es hier.
4. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Anfechtungsklage
gegen die Beschlussfassung über die Unterlassungserklärung gegen widerrechtlich
abgestellte Fahrzeuge (TOP 8) abgewiesen hat, ist von Rechtsfehlern
beeinflusst. Das Berufungsgericht hat sich nur mit der Bestimmtheit des Beschlusses
auseinandergesetzt und diese bejaht. Mangels gegenteiliger Feststellungen
ist zugunsten der Revision indes zu unterstellen, dass auch dieser Beschluss
inhaltsgleich mit einem zuvor wegen materieller Beschlussmängel
rechtskräftig für ungültig erklärten Beschluss ist.
III.
1. Hiernach kann das Berufungsurteil, soweit es angefochten ist, keinen
Bestand haben. Es ist insoweit gemäß
aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich;
vielmehr bedarf es weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 563 Abs. 3
ZPO). Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (
2. Das Berufungsgericht wird im Hinblick auf die Beschlussfassung zu den
Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 und zu TOP 8 zunächst
zu klären haben, inwieweit Zweitbeschlüsse vorliegen, die ordnungsmäßiger Verwaltung
widersprechen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang auf Folgendes
hin:
a) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
- und damit auch dafür, dass ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung
widerspricht -, obliegt nach den allgemeinen Grundsätzen dem Kläger (vgl.
Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11,
b) Stünde fest, dass in den Vorprozessen inhaltsgleiche Beschlüsse wegen
eines materiellen Beschlussmangels für ungültig erklärt worden sind, bestünde
eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Zweitbeschlüsse ordnungsmäßiger
Verwaltung widersprechen. Diese Vermutung, deren Voraussetzungen
von dem Kläger darzulegen und ggf. zu beweisen sind, kann die Beklagte erschüttern
(vgl. oben Rn. 16).
3. Nur wenn feststeht, dass es sich nicht um unzulässige Zweitbeschlüsse
handelt, hat eine inhaltliche Prüfung der Beschlüsse zu TOP 3 bezüglich der
Heizkostenabrechnung für die Jahre 2016 und 2017 und zu TOP 8 unter Zugrundelegung
der üblichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu erfolgen.
4. Im Hinblick auf die Heizkostenabrechnung 2018 und - soweit sie keine
unzulässigen Zweitbeschlüsse darstellen - ggf. auch bezüglich der Heizkostenabrechnungen
2016 und 2017 wird das Berufungsgericht die Feststellungen zum
Vorliegen eines Ausnahmefalls (siehe oben Rn. 28) verfahrensfehlerfrei nachzuholen
haben.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:10.02.2023
Aktenzeichen:V ZR 246/21
Rechtsgebiete:
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
WEG §§ 18 Abs. 2, 19 Abs. 1, 44 Abs. 1